Die San Antonio Spurs haben ihren All-Star Dejounte Murray zu den Atlanta Hawks getradet. Bei den Texanern ist die Marschroute nun endgültig klar - während Atlanta wohl noch nicht fertig ist. Der Trade in der Analyse.
In den vergangenen Tagen tauchte etwas überraschend der Name von Dejounte Murray in Trade-Gerüchten auf, nun haben die Spurs den Guard tatsächlich abgegeben. Murray ist der erste All-Star, der in dieser Offseason das Team wechselt, nachdem er es vergangene Saison erstmals zum Spiel der Besten schaffte.
Murray legte in der Saison 21/22 Career-Highs in diversen wichtigen Kategorien auf, etwa bei den Punkten (21,1), Rebounds (8,2) und Assists (9,2). Der 25-Jährige führte die Liga zudem mit 2 Steals pro Partie an und gilt als exzellenter Verteidiger. Für Murray gingen nun drei Erstrundenpicks, ein möglicher Pick-Swap sowie Danilo Gallinari nach San Antonio, wie ESPN berichtet.
Es handelt sich dabei um den (Top-16-geschützten) 2023er Pick der Charlotte Hornets sowie die 2025er und 2027er Erstrundenpicks der Hawks, die jeweils ungeschützt sind. 2026 hat San Antonio zudem das Anrecht auf den besseren Pick beider Teams. Der 33 Jahre alte Gallinari selbst wird bei den Spurs wohl keine Rolle spielen.
Der Trade im Überblick
Hawks erhalten | Spurs erhalten |
Dejounte Murray | Danilo Gallinari |
2023er Erstrundenpick Hornets (Top-16-geschützt) | |
2025er Erstrundenpick Hawks (ungeschützt) | |
2027er Erstrundenpick Hawks (ungeschützt) | |
Pick-Swap 2026 |
Der Murray-Trade aus Sicht der San Antonio Spurs
Einen so jungen, so guten Spieler gibt man für gewöhnlich selten ab - trotzdem ist dieser Deal aus Sicht der Spurs verständlich. Zum einen ist der Gegenwert massiv, potenziell vier Erstrundenpicks sind ein stolzer Preis, selbst wenn die Picks aus Atlanta vielleicht nicht die besten sein werden (wobei 2027 fern in der Zukunft liegt ...).
Zum anderen stand Murray den Plänen der Spurs ein Stück weit im Weg, weil er als Spieler im Prinzip "dazwischen" steht: Er ist nicht der Typ "Franchise Player", er ist aber gleichzeitig auch zu gut, zu kompetent, um bei einem Tank Job mitzumachen. Vergangene Saison waren die Spurs in seinen Minuten laut Cleaning the Glass um 5,6 Punkte pro 100 Ballbesitze besser, nur Jakob Pöltl überbot diesen Wert (+7).
Um das "Besser sein" geht es in der kommenden Saison jedoch nicht, das ist nun mehr als eindeutig demonstriert worden. Die Spurs wollen den Neuaufbau, sie setzen dafür auf den kommenden Draft und tun alles, um dort den bestmöglichen Pick zu bekommen. "Wobbling for Wembanyama" wurde es von Bill Simmons bereits treffend bezeichnet.
San Antonio Spurs: Tanking funktionierte schon einmal ...
Für San Antonio hat sich diese Strategie schon einmal ausgezahlt, im Jahr 1996/97, als sie David Robinson aus dem Verkehr zogen und mit dem Nr.1-Pick (Tim Duncan) belohnt wurden. Diesmal heißen die Ziele Victor Wembenyama oder Scoot Henderson, auch hinter den beiden Mega-Talenten ist der 2023er Draft aber hochkarätig besetzt.
Der Abschied von Murray sorgt dafür, dass mehr Spielzeit und -anteile für die (noch) jüngeren Spieler wie Devin Vassell oder Keldon Johnson frei werden, oder für die drei Rookies Blake Wesley, Malaki Branham und Jeremy Sochan. Das wird nicht immer schön aussehen - es ist unklar, wer den Lead Ballhandler geben soll - aber das nehmen die Spurs in Kauf.
Übrigens auch Gregg Popovich. Jahrelang war ja spekuliert worden, dass der legendäre Coach keine Lust auf einen vollen Rebuild zum Ende seiner Karriere habe. Mike Finger (San Antonio Express-News) zufolge hat er jedoch seinen Segen für diesen Trade gegeben und freut sich darauf, mit den Kids zu arbeiten. Er fühle sich, als wäre er "zurück am College bei Pomona-Pitzer", wie es eine anonyme Spurs-Quelle ausdrückte.
Dejounte Murray: Ist er wirklich ein Max-Player?
Die Spurs erhalten durch den Trade zudem eine große Portion Flexibilität. Mit einem Gallinari-Buyout könnten sie über 25 Millionen Dollar an Cap-Space freischaufeln und damit um einen Restricted Free Agent (Deandre Ayton?) buhlen, oder aber, und das ist wahrscheinlicher, diesen Cap-Space "ausleihen", um sich von einem anderen Team mit weiteren Assets bezahlen zu lassen.
Und dann ist da auch noch das Thema Murray-Vertrag, um das sich nun Atlanta kümmern muss: Mit 16,6 bzw. 17,7 Millionen Dollar Jahresgehalt gehört er in den kommenden beiden Jahren zu den größten "Schnäppchen" der Liga, bei seinem nächsten Deal dürfte er jedoch die maximale Summe oder etwas knapp darunter verlangen.
Murray ist ein sehr guter Spieler - ob er ein Max-Player ist, steht auf einem anderen Blatt. Die Spurs waren offensichtlich anderer Ansicht. Dann war es sinnvoll, diesen Trade so durchzuführen - denn es ist gut möglich, dass sein Trade-Wert nie mehr so hoch sein wird wie jetzt, mit noch zwei Jahren Vertrag und unmittelbar nach der besten Saison seiner Karriere.
Der Murray-Trade aus Sicht der Atlanta Hawks
Dass die Hawks nach der sehr enttäuschenden Vorsaison im Sommer aktiv sein würden, galt als sicher. Nach dem Run in die Conference Finals 2021 strauchelte Atlanta nahezu die gesamte Vorsaison über, es ging zwar via Play-In gerade so in die Playoffs, dort war man gegen Miami indes komplett chancenlos. Nun ist der erste Schritt getan.
Murray soll bei den Hawks mehrere Probleme lösen, die das Team teilweise schon lange plagen. Er gehört zu den besseren Guard-Verteidigern der Liga, selbst wenn er seit 2017/18 kein All-Defensive-Team mehr erreicht hat. Er ist dennoch ein riesiges Upgrade gegenüber den restlichen Hawks-Guards, insbesondere natürlich Trae Young.
Atlanta belegte vergangene Saison Platz 26 bei der defensiven Effizienz, was nicht nur, aber durchaus auch an der miesen Point of Attack-Defense lag. Murray wird hier helfen, der Abgang von Gallinari schadet der Verteidigung im Allgemeinen sicherlich auch nicht.
Atlanta Hawks: Dejounte Murray soll Trae Young entlasten
Auch beim zweiten Problem ist die Hoffnung berechtigt, dass Murray einen Teil zur Lösung beitragen wird: Seit Jahren brechen die Hawks offensiv komplett ein, wenn Young auf die Bank geht. Vergangene Saison erzielten sie 9,9 Punkte weniger in den Minuten ohne den Superstar, im Jahr davor waren es sogar 12,7.
Murray ist kein Offensiv-Monstrum wie Young, aber auch er ist dazu in der Lage, Punkte für sich und andere zu kreieren. Mit ihm und Bodgan Bogdanovic als Ballhandlern sollte es besser möglich sein, eine offensive Identität zu zeigen, wenn Young auf der Bank sitzt. Die spannendste Frage zu diesem Trade bezieht sich jedoch auf die gemeinsamen Minuten.
Atlanta ist seit Jahren sehr abhängig von Young, der mehr Pick'n'Rolls läuft als jeder andere Spieler der Liga und den Ball fast neun Minuten pro Spiel in der Hand hält (Platz drei ligaweit). Das produziert durchaus Resultate - die Hawks hatten selbst in der miesen letzten Saison das zweitbeste Offensiv-Rating der Regular Season. Es macht sie gut für gute Verteidigungen (siehe: Heat, Miami) aber auch ein Stück weit berechenbar.
Atlanta Hawks: Bewegt sich Trae Young nun off-ball?
Mit Murray ist nun ein Spieler da, der vergangene Saison selbst viel Ballbesitz hatte (7,4 Min. - Platz 7 ligaweit) und der Young nicht nur entlasten soll, wenn dieser auf die Bank geht. Vielmehr soll Murray mit dafür sorgen, dass Youngs Shooting-Qualitäten endlich auch dann zum Tragen kommen, wenn er Off-Ball agiert.
Young ist den Zahlen zufolge ein überragender Catch-and-Shoot-Schütze, er traf letzte Saison 48 Prozent seiner Dreier dieser Art. Davon nahm er jedoch nur sehr wenige. Nun dürfte sich zeigen, ob das - wie oft kritisiert - an fehlender Bereitschaft zum Off-Ball Movement seitens Young lag oder vielmehr daran, dass sein Team ihn nicht in Szene setzen konnte.
Dreht man das Setup um, gibt es sogar noch mehr Fragezeichen. Murray ist bisher noch nie als guter Schütze aufgefallen. Vergangene Saison steigerte er sein Volumen immerhin auf 4,3 Dreier pro Spiel, traf aber nur 32,7 Prozent davon - 35 Prozent aus dem Catch-and-Shoot. Auch er dürfte neben Young bessere Looks bekommen. Ob er sie konstant treffen kann, wird eine große Rolle dabei spielen, wie gut dieses Tandem funktioniert.
NBA: Der neue Backcourt der Atlanta Hawks
Time of Possession | Pick&Rolls | Catch&Shoot FGA (Total) | Quote C&S | |
Trae Young | 8,7 Min. (Platz 3) | 14 (1.) | 82 | 48,1% |
Dejounte Murray | 7,4 Min. (Platz 7) | 10,5 (6.) | 178 | 34,5% |
Atlanta Hawks: Weitere Deals könnten folgen
Es ist nun gut möglich, dass auch noch weitere Deals anstehen. Seit einer halben Ewigkeit gibt es Gerüchte um einen Trade von John Collins, der ursprünglich auch als Gegenwert in diesem Deal zur Debatte stand. Auch Kevin Huerter oder Bogdanovic könnten entbehrlich sein, zumal mit A.J. Griffin noch ein starker Shooter gedraftet wurde.
Bedarf haben die Hawks nach wie vor vor allem in Sachen Perimeter-Defense. Der Kader wirkt noch nicht ganz rund, viele Picks können die Hawks jetzt nicht mehr traden, aber sie haben immerhin nach wie vor einige Midsize-Verträge, die sich gut anbieten lassen. Das Front Office hat noch immer Arbeit vor sich und das Risiko, das eingegangen wurde, ist groß.
Für den Moment sind die Hawks jedoch besser als vor diesem Trade. Murray ist zwar offensiv kein idealer Fit neben Young, aber er gibt den Hawks viel von dem, was ihnen fehlte. Und er war verfügbar. Manchmal reicht das schon, wenn Stillstand keine Option ist.