Im bisher größten Trade der Offseason haben sich die Minnesota Timberwolves die Dienste von Rudy Gobert gesichert. Die Utah Jazz ließen sich dafür üppig bezahlen - und das könnte für das Team vom Salzsee nur der Start von etwas noch Größerem sein. Der Deal in der Analyse.
Brian Windhorst (ESPN) hat uns in seinem jetzt schon legendären "Get Up"-Segment gewarnt: Something IS going on in Utah! Wie schon lange spekuliert worden war, wurde am Freitag tatsächlich das Star-Duo Donovan Mitchell und Rudy Gobert gesprengt, der "Stifle Tower" wird künftig für die Timberwolves auflaufen.
Während der Trade für die Jazz in gewisser Weise erwartbar war, ist die Aggressivität der Wolves schon eher schockierend - insbesondere dann, wenn man die Draft-Kompensation beachtet, die sich Minnesota Goberts Dienste kosten ließ.
Insgesamt schickte Minnesota vier Erstrundenpicks, einen weiteren Pick-Swap und natürlich auch noch Spieler nach Utah. Patrick Beverley, Jarred Vanderbilt und Malik Beasley verlassen die Rotation der Wolves, zudem ergänzten auch noch Leandro Bolmaro sowie der frisch an Position 22 gepickte Center Walker Kessler diesen Trade.
Der Gobert-Trade im Überblick
Jazz erhalten | Timberwolves erhalten |
Malik Beasley | Rudy Gobert |
Patrick Beverley | |
Jarred Vanderbilt | |
Leandro Bolmaro | |
Walker Kessler | |
3 ungeschützte Erstrundenpicks (2023, 2025, 2027) | |
1 Top-5-geschützter Erstrundenpick (2029) | |
1 Pick-Swap (2026) |
Der Gobert-Trade aus Sicht der Jazz
Es hatte sich abgezeichnet, dass der alte Kern der Jazz sein Ablaufdatum erreicht hatte. Einerseits stagnierte das Team sportlich, andererseits waren sich die Hauptakteure teilweise schon länger nicht mehr grün. Über die letzten Jahre gab es einige Veränderungen, einen neuen Chef-Entscheider (Danny Ainge), seit kurzem auch einen neuen Head Coach (Will Hardy).
Und nun wird auch am Kader mehr verändert, "Trader Danny" macht keine Gefangenen. Gobert war ja nicht der einzige Starter, den Ainge abgab, am Donnerstag war auch schon Royce O'Neale an der Reihe, der für einen Erstrundenpick nach Brooklyn geschickt wurde ("a very strange trade"). Nun traf es Gobert, vielleicht (wahrscheinlich) wird es auch noch weitere Jazz-Spieler treffen.
Zunächst aber zu diesem Deal: Es ist ein sensationeller Gegenwert, den Ainge für seinen hochbezahlten und nun 30-jährigen Center herausschlagen konnte. Mehr hätten sich die Jazz in Sachen Picks nicht wünschen können, mehr wäre auch gar nicht erlaubt gewesen. Die Spieler werden vielleicht nicht die größte Rolle spielen, aber offensichtlich priorisierte Ainge ohnehin Draft-Kompensation.
Utah Jazz: Was passiert mit Donovan Mitchell?
Das ist vor allem insofern interessant, dass die Jazz ja in Mitchell noch einen Star im Kader stehen haben. Dieser Trade riecht nun erstmal nach Neuaufbau, realistisch betrachtet könnte sich Utah aber in mehrere Richtungen orientieren. Sie hätten die Assets, um beispielsweise einen Sign-and-Trade für Deandre Ayton in die Wege zu leiten.
Sie könnten auch die Veteranen insbesondere im Backcourt in weiteren Trades anbieten, um das Team zu verjüngen und um Mitchell neu aufzubauen: Mike Conley, Jordan Clarkson, Beasley oder Beverley sind zu viele Spieler für zwei Positionen, wenn Mitchell auch noch da ist. Auch Bojan Bogdanovic oder Rudy Gay sind für den richtigen Preis sicherlich zu haben.
Und dann gibt es auch noch die Option, dass komplett eingerissen wird - dass also auch Mitchell das Team verlässt. Es gibt vogelwilde Spekulationen, dass Mitchell in einem Drei- oder Vier-Team-Trade mit Brooklyn und Phoenix verschifft werden könnte, auch die Miami Heat gelten ja seit Jahrzehnten als interessiert.
Utah Jazz: Raus aus der Sackgasse
The Athletic zufolge ist das nicht der Plan der Jazz - vielmehr wollen sie ein Retooling um Mitchell durchführen, selbst wenn die ganze Liga schon länger darauf spekuliert, dass der Guard bald in einen größeren Markt wechseln will. Sie sind dafür nun besser positioniert als vorher.
Utah hat eine Wagenladung Picks, etliche tradebare Verträge, einige junge, entwicklungsfähige Spieler wie Walker Kessler und Vanderbilt, und eben den designierten Franchise Player in Mitchell. Sie müssen jetzt die nächsten Schritte in die Wege leiten, ihre Offseason ist noch lange nicht abgeschlossen.
Aber: Dieser Schritt war früher oder später nötig. Dass sie so viel für Gobert zurückbekommen, ist ein klarer Gewinn und schenkt den Jazz eine Flexibilität, die sie vorher nicht hatten.
Der Gobert-Trade aus Sicht der Timberwolves
Minnesota setzt fortan auf einen Look, den man als antizyklisch bezeichnen kann: Twin Towers. Tatsächlich laufen laut Spotrac in der kommenden Saison die beiden Center mit den größten Cap Hits der Liga nebeneinander auf und streichen gemeinsam 72 Mio. Dollar ein (es wird in den kommenden Jahren noch viel mehr), in einer Zeit, in der Teams eigentlich nur noch Center mit MVP-Kaliber wirklich bezahlen wollen.
Das sind Gobert und Karl-Anthony Towns nicht, immerhin sind sie aber All-NBA-Bigs - und Towns bringt offensiv durchaus die Flexibilität mit, um auf die Vier rutschen zu können. KAT gehört zu den besten Schützen der Liga und konnte in der vergangenen Saison auch im Post großen Schaden anrichten, obwohl sein Frontcourt-Partner Vanderbilt genau wie Gobert stets nah am Korb stand und den Platz damit einschränkte.
Gobert wiederum ist zwar ein limitierter Scorer, hatte bei den Jazz aber trotzdem auch offensiv stets einen positiven Einfluss, insbesondere aufgrund seiner Aktivität als Screener und Offensiv-Rebounder. Gobert wird etwas säuerlich, wenn er nicht gelegentlich Lobs serviert bekommt, diese kann und sollte Minnesota ihm aber ohnehin geben.
Minnesota mit Gobert: Eine Top-10-Defense
Nun holt man den Franzosen natürlich nicht primär aus offensiven Gründen. Gobert ist in der Regular Season der wohl größte Unterschiedsspieler in der Defensive, was nicht zuletzt seine drei DPOY-Awards belegen. Selbst ohne gutes Defensivpersonal um ihn herum verankerte er in Utah fast immer eine starke Defense.
Die Wolves haben zwar mit Beverley und Vanderbilt ihre vielleicht besten Verteidiger der letzten Saison abgegeben, besser als zuletzt Utah sind sie dennoch aufgestellt (Jaden McDaniels!). Vergangene Saison reichte es für Platz 13 beim Defensiv-Rating, viel mehr war mit Towns als Defensiv-Anker nicht realistisch.
Mit Gobert muss eine Top-10-Defense klar das Ziel sein. Er ist der wohl beste Ringbeschützer der Liga, nimmt viel Verantwortung von Towns' Schultern. In der Vision der Wolves ist er der Tyson Chandler für Towns' Dirk Nowitzki - nur eben viel teurer und in einer NBA, die sich seit 2011 doch ein ganzes Stück verändert hat.
In der Regular Season kann das alles funktionieren. Mit Gobert als Anker und Towns sowie dem immer stärker werdenden Anthony Edwards ist das Potenzial für 50 Siege und eine Top-6-Platzierung im Westen gegeben, wobei sich natürlich auch noch zeigen muss, was mit dem restlichen Kader und insbesondere D'Angelo Russell passiert.
NBA: So viel verdienen Towns und Gobert
Gobert | Towns | |
Gehalt 22/23 (alle in Mio. Dollar) | 38,2 | 33,8 |
23/24 | 41 | 36 |
24/25 | 43,8 | 50,1* |
25/26 | 46,7 (Spieler-Option) | 54,1* |
26/27 | 58,1* | |
27/28 | 62,1* |
*35 Prozent des Salary Caps / genaue Werte noch nicht bekannt
Timberwolves: Geht das auch in den Playoffs?
Das wäre schon ein Schritt nach vorne - es wäre aber noch nicht genug, um diesen Move zu rechtfertigen. Dafür müssen auch Playoff-Siege her, mal eine gewonnene Serie, worauf die Wolves bereits seit 2004 warten. Sind ihre Chancen auch in dieser Hinsicht gestiegen? Das ist etwas schwerer zu beantworten.
Gobert wird zwar in den Playoffs nicht "vom Feld gespielt", wie fälschlicherweise oft behauptet wird. Tatsächlich sind aber Five-Out-Lineups, wie man sie in den Playoffs oft sieht, gut dafür geeignet, seinen defensiven Impact zu limitieren. Selbst gegen Teams mit nur einem Big wird es interessant, weil ja Towns in diesem Szenario auf dem Flügel funktionieren müsste, damit Gobert nahe am Korb bleiben kann.
In den Playoffs gibt es zudem auch offensiv mehr Fragezeichen - hier erbt Minnesota im Prinzip ja das Problem von Utah, dass Gobert kleinere Verteidiger aufgrund seiner fehlenden offensiven Versiertheit zu selten bestrafen kann. Towns kann das, aber es hat schon seine Gründe, dass Non-Shooting Bigs tief in den Playoffs immer weniger zum Einsatz kommen.
Timberwolves: Ein unheimliches Risiko
Letzten Endes wird der Deal die Wolves besser machen, die Frage ist, wie viel besser - und ob es diesen Aufwand wert war. Die Wolves hätten nicht mehr Picks anbieten können. Für einen nun 30-jährigen Center, der einen der fettesten Verträge der Liga sein Eigen nennt und dessen Einfluss in der Postseason in der Regel ein wenig schrumpft.
Vielleicht hätte es einen weniger riskanten Move gegeben - etwa für Dejounte Murray, der auch vom Alter besser zu Edwards und Towns gepasst hätte. Nun werden die Wolves eins der teuersten Teams der Liga haben, sobald Edwards seinen ersten Maximalvertrag in der Tasche hat (24/25 - wenn Towns und Gobert zusammen 93 Mio. verdienen).
Und sie laufen Gefahr, potenziell mehrere Lottery-Picks an Utah abzugeben. Minnesota ist nicht das erste Team, das in den letzten Jahren per Trade seine Zukunft an ein anderes Team verpfändet. Das geht zwar nicht immer so weit nach hinten los wie nun in Brooklyn, aber selbst die beiden L.A.-Teams mussten aufgrund ihrer Trades für Paul George respektive Anthony Davis schon Lottery-Picks abdrücken.
Es ist schlichtweg unheimlich riskant, es wird sich zeigen, ob sich dieses Wagnis von Tim Connelly nicht am Ende rächt.