Zwei Monate Drama sind vorbei: Kevin Durant bleibt bei den Brooklyn Nets. Was bedeutet das nun für die Nets und auch für den Rest der Liga? Wir blicken auf die Situation nach dem Statement der Nets.
Durant-Drama in Brooklyn: Was sollte das alles?
Zusammengefasst waren das zwei Monate mit viel Luft um nichts. Kurz vor der Free Agency forderte Kevin Durant einen Trade, später stellte der 33-Jährige sogar angeblich ein Ultimatum an die Franchise, dass GM Sean Marks und Coach Steve Nash gehen sollten. Am Ende bleibt alles beim Alten. Marks und Nash haben weiter ihre Jobs, Durant wird für die Nets weiter Punkte scoren.
Die genauen Motive Durants liegen weiterhin im Dunkeln, keine Partei erklärte öffentlich, warum Durant so schnell wie möglich Brooklyn verlassen wollte. Es lässt sich also nur über die Gründe spekulieren und anhand des Timings deuten (neben der sportlichen Enttäuschungen) viele Pfeile in Richtung der Vertragssituation rund um Kyrie Irving, der sich nach der Saison mit den Nets nicht auf eine vorzeitige Verlängerung einigen konnte.
Was ansonsten hinter den Kulissen vorgefallen ist, wird wohl erst nach Durants endgültigem Abgang rauskommen (wann auch immer das sein wird), die Beziehung zu Marks und Nash dürfte zumindest angekratzt sein.
Am Ende des Tages hat sich Durant das alles selbst zuzuschreiben. Hätte er im Sommer 2021 nicht eine Verlängerung über vier Jahre unterschrieben, hätte er in dieser Offseason aus seinem Vertrag aussteigen und bei einem anderen Team unterschreiben können. Einen Maximalvertrag hätte er so oder so bekommen. Nun sind beide Parteien gefordert, das ganze Drama hinter sich zu lassen und einen erneuten Angriff auf den Titel zu starten.
Was für eine Versöhnung spricht: Brooklyn unternahm zumindest Bemühungen, um das passende Team für KD zu finden, allerdings fand sich keine Franchise, die auch nur annähernd die Forderungen Brooklyns erfüllen konnte oder wollte.
Stattdessen sahen schließlich beiden Parteien ein, dass ein Erhalt des Status Quo die beste Option ist. "Wir wollen unsere Partnerschaft fortsetzen. Wir konzentrieren uns nun auf Basketball und haben ein gemeinsames Ziel: Wir wollen ein Team aufbauen, das eine Meisterschaft nach Brooklyn holt", heißt es im Statement, das die Logos der Nets sowie auch von Durants Firma Boardroom zeigt.
Sind die Brooklyn Nets ein Contender?
Auf dem Papier sind sie es definitiv, doch wie bereits die Vergangenheit gezeigt hat, ist dies keine Garantie, um um den Titel mitzuspielen. Mehr als eine Conference-Semifinals-Teilnahme ist in drei Jahren nicht herausgesprungen, obwohl der Kader der Nets sich nominell vor keinem anderen Team verstecken musste.
Trotz der unklaren Situation rund um Durant haben die Nets ihren Kader im Sommer sinnvoll verstärkt, dazu kommt die Komponente Ben Simmons. Der Australier bleibt die große Wild Card. In der Theorie kann der Ex-Sixers-Star viele Probleme lösen. Er bewegt den Ball, kann Tempo machen, hat die Größe eines echten Forwards und ist sofort der beste Verteidiger des Teams.
All die aufgezählten Dinge gingen Brooklyn im Vorjahr ab. Simmons' mentaler Zustand sowie der malade Rücken bleiben aber Fragezeichen und so könnte die Theorie die Theorie bleiben. Mit Joe Harris steht ein weiterer Dauerverletzter vor seiner Rückkehr, auch er kann die Probleme auf dem Flügel zumindest mindern. Zusammen mit Seth Curry ist er einer der besten Schützen der Liga, in Sachen Quoten belegen die beiden die Plätze drei und vier All-Time (beide knapp 44 Prozent von Downtown).
Weitere Neuzugänge wie Royce O'Neale und T.J. Warren bringen ebenfalls Länge, die gegen Boston in den Playoffs so sehr vermisst wurde. Damals bestand das Team fast ausschließlich aus Guards und Bigs, zeitweise beschäftigte Brooklyn fünf Center. Die Ironie? Center könnte derzeit die größte Schwachstelle im Team sein, hier ist der Kader mit Nic Claxton und Day'Ron Sharpe sehr dünn besetzt.
Der wichtigste Faktor bleibt aber die Gesundheit, diese machte zusammen mit dem Impf-Status von Kyrie Irving den Nets mehrfach einen Strich durch die Rechnung. Wohl niemand wird bestreiten, dass Brooklyn 2021 die Bucks in den Playoffs geschlagen hätte, wären James Harden und Irving fit geblieben.
Und für die kommende Saison? Da dürften zwei alte Bekannte die größten Rivalen der Nets im Osten sein. Die Milwaukee Bucks dürften mit der Rückkehr von Khris Middleton als Favorit gelten, aber auch der letztjährige Finalist aus Boston hat mit Malcolm Brogdon noch einmal aufgerüstet. Leichter wird es im Osten nicht.
Der Kader der Brooklyn Nets für die Saison 2022/23
Point Guard | Shooting Guard | Small Forward | Power Forward | Center |
Ben Simmons | Kyrie Irving | Joe Harris | Kevin Durant | Nic Claxton |
Patty Mills | Seth Curry | Royce O'Neale | T.J. Warren | Day'Ron Sharpe |
Edmond Sumner | Cam Thomas | Kessler Edwards |
Bleibt Kevin Durant nun langfristig in Brooklyn?
Adrian Wojnarowski (ESPN) verglich das Drama um Durant via Twitter mit der Situation rund um Kobe Bryant im Jahr 2007, als dieser auch einen Trade forderte, dann aber doch noch zum Bleiben überredet wurde. Der Rest der Geschichte ist bekannt, die Lakers tradeten für Pau Gasol, gewannen zwei Titel und Kobe beendete neun Jahre später seine Karriere als Lakers-Ikone.
Wird es bei Durant ähnlich laufen? Vieles spricht dagegen. KD hat zwar bis 2026 einen Vertrag, doch wenn die vergangenen Jahre in Brooklyn etwas gelehrt haben, dann, dass die Unruhe ein stetiger Begleiter ist. Irving bleibt unberechenbar, die Situation um Simmons birgt weiter Explosionspotenzial.
Aus Nets-Kreisen war im Vorjahr immer wieder zu hören, wie schwierig diese Spielzeit war, wie viele Probleme es intern gab. Wird sich das alles durch dieses dünne Statement ändern? Es ist schwer vorstellbar.
Natürlich kann es sein, dass Brooklyn furios startet und früh wie ein Contender aussieht. Gleichzeitig ist aufgrund des harten Auftaktprogramms (Toronto, in Memphis, in Milwaukee, Dallas sind vier der ersten fünf Spiele) ein klassischer Fehlstart möglich, der sofort wieder Unruhe bringen könnte.
Dazu wurde die Position von Nash klar geschwächt, auch wenn sich Tsai für den Coach aussprach. Fakt ist, dass der Hall of Famer noch nicht bewiesen hat, dass er ein guter Coach ist, vor allem gegen Boston wirkte der Kanadier gegen seinen ehemaligen Assistenten Ime Udoka ideenlos. Für den Moment mag Ruhe sein, doch es scheint ein Burgfrieden auf Zeit zu sein.
Wer sind die Verlierer des Dramas um Kevin Durant?
Die offensichtliche Antwort ist Durant, der nicht seinen Willen bekam. Über Jahre lasen die Nets ihrem Superstar alle Wünsche von den Lippen ab. So war es Durant, der die Franchise davon überzeugte, für Harden zu traden und auch bei der Entlassung von Head Coach Kenny Atkinson spielte der Forward wohl eine Rolle.
Diesmal waren es aber die Nets, die sich im Machtkampf durchsetzten. Es gab keinen Trade, der Vertrag mit Irving wurde nicht verlängert, dazu sind Nash und Marks weiter im Amt, nachdem Besitzer Joe Tsai via Twitter verlauten ließ, dass beide in der Franchise fest im Sattel sitzen.
Zudem feuerten die Nets in der Offseason mit Adam Harrington einen Assistant Coach, der als Vertrauensperson von Durant galt. Dies geschah laut New York Post ohne Rücksprache mit Durant, was wohl auch ein Grund für den Trade-Wunsch war.
Doch es gibt auch außerhalb von Brooklyn Verlierer. An dieser Stelle wären die Boston Celtics zu nennen, nicht etwa aber, weil sie Durant nicht bekamen. Schädlicher waren möglicherweise die Gerüchte, dass man Jaylen Brown für KD traden wollte. Der Forward ließ via Social Media seinem Unmut freien Lauf, zuletzt soll es aber mit Präsident Brad Stevens ein klärendes Gespräch gegeben haben. Dennoch: Browns Vertrag läuft 2024 aus und bis dahin wird der stolze All-Star diese Gerüchte nicht vergessen haben.
Der andere Verlierer sind die Los Angeles Lakers, die sehr gerne Kyrie Irving in ihren Reihen begrüßt hätten. Durch den KD-Verbleib rückt ein möglicher Trade in weite Ferne, sodass sich die Kalifornier anderweitig umschauen müssen. Die Nets galten als potenzieller Abnehmer für Russell Westbrook, dieses Szenario fällt nun weg.
Was bedeutet die KD-Situation für den Rest der NBA?
Die Durant-Situation lähmte den Free-Agency-Markt, das machten selbst Spieler wie Patrick Beverley oder Isaiah Thomas deutlich. Das gilt auch für Dennis Schröder, er wird inzwischen wieder mit seinem Ex-Team, den Los Angeles Lakers, in Verbindung gebracht. Nun gibt es etwas mehr Klarheit, der große Dominostein Durant ist vom Brett.
Der zweite große Player dieser Offseason ist aber noch da. Zwar hat Donovan Mitchell keinen Trade von den Utah Jazz gefordert, doch scheint die Franchise selbst einem klassischen Rebuild nach dem Trade von Rudy Gobert nicht abgeneigt zu sein.
Teams wie Toronto, die sich Hoffnungen auf Durant machten, könnten nun in den Poker um Mitchell einsteigen und damit dem einzig ernsthaften Interessenten am Guard, den New York Knicks, Konkurrenz machen.
Die Verhandlungen zwischen den Knicks und Jazz waren zuletzt in einer Sackgasse, man streitet wohl über die Anzahl der Picks. Zwar haben die New Yorker womöglich weiter die besten Karten, andere Interessenten könnten nun aber den Preis weiter in die Höhe treiben.
Der Gobert-Trade dürfte weiterhin als Messlatte gesehen werden und war aufgrund seines immensen Volumens auch ein Problem für Durant, weil die meisten Teams solch ein Paket schlichtweg nicht stemmen konnten oder wollten.