Carlos Boozer hat eine starke NBA-Karriere hingelegt. Als Zweitrundenpick schaffte er es zweimal zum All-Star und 2008 sogar in das All-NBA Third Team. Doch für die Fans der Cleveland Cavaliers bleibt beim Namen Boozer ein bitterer Beigeschmack - wegen einer Parallele zu LeBron James.
"I'm going to take my talents to South Beach and join the Miami Heat."
Diese Worte von King James trafen viele Cavs-Fans in der Free Agency 2010 wie ein Dolchstoß ins Herz. Die Folge waren verbrannte Jerseys und ein gellendes Pfeifkonzert beim ersten direkten Duell. Das Ganze noch garniert mit dem Imperial March aus Star Wars. Doch "Darth LeBron" war nicht der erste Spieler der Cavs, den die Fans der Franchise als Verräter ausmachten.
Carlos Boozer erhielt 2007 ein ähnliches Welcome-Back-Geschenk vom Anhang. Neben einem hämischen Spottgesang gab es zahlreiche Plakate gegen den neuen Spieler der Utah Jazz beim ersten Auswärtsspiel in Cleveland zu sehen. Jede Ballberührung wurde mit Pfiffen begleitet - selbst bei Einwürfen wurde Boozer nicht verschont.
Obwohl der Power Forward eine solide Partie zeigte (19 Punkte und 14 Rebounds), verloren die Jazz das Spiel mit 73:82 inklusive zweier vergebener Clutch-Freiwürfe des Antagonisten. Boozer war auf die Reaktion der Fans vorbereitet. "Auf zehn Fans, die mich vermissen, kommen wahrscheinlich zehn oder mehr, die mich am liebsten erschießen wollen", sagte er vor dem Spiel. Doch woher kam dieser Hass überhaupt?
27 Millionen Gründe, nicht mit dem King zu spielen
Boozer wechselte im Sommer 2004 von den Cavaliers zu den Utah Jazz für sechs Jahre und 68 Millionen Dollar. So weit so Business. Der Haken an der Sache: Die Cavs hatten eine Team-Option für Boozer und wollten ihn gerne als Co-Star neben dem ein Jahr zuvor gedrafteten LeBron halten. Mit 15,5 Punkten und 11,4 Rebounds war er ein wichtiger Baustein in den Plänen der Cavs und harmonierte exzellent mit James.
Um ihn angemessen zu bezahlen, bot General Manager Jim Paxson seinem Spieler an, auf die 700.000-Dollar-schwere Option zu verzichten, damit er als Restricted Free Agent einen faireren Deal für 41 Millionen über sechs Jahre unterschreiben könne. Boozer soll angeblich zugestimmt haben und der inoffizielle Deal wurde laut Paxson mit Handschlag besiegelt.
Offiziell war Boozer aber auf dem freien Markt zu haben und ganz offensichtlich war das gute Zusammenspiel mit dem künftigen GOAT-Kandidaten für den Big Man nicht viel wert. Denn kurz darauf handelte er mit seinem damaligen Agenten Rob Pelinka den Wechsel zu den Jazz aus - für 27 Millionen Dollar mehr.
"Es gab keine Vereinbarung und keinen Handschlag", gab Boozer später zu Protokoll. "Ich stehe zu meinen Wort und die einzige Vereinbarung, die es gab, war mit den Utah Jazz." Es bleibt die Frage, warum Cleveland dann auf die Option von Boozer verzichtete. Schließlich hätten sie ein Jahr später den dann Unrestricted Free Agent längerfristig binden können.
Paxson und der damalige Cavs-Besitzer Gordon Gund widersprachen der Version des damals 23-Jährigen natürlich: "Wir sind beide sehr überrascht und sehr enttäuscht von den Meldungen." Verständlich, denn es fehlte Cap Space, um mit dem Angebot der Jazz gleichzuziehen. In einem offenen Brief an die Fans ging Gund mit Boozer hart ins Gericht: "Ich habe mich dazu entschieden, Carlos zu vertrauen und ihm den Respekt zu erweisen, den er einfordert. Er hat dieses Vertrauen und den Respekt nicht erwidert." Die Fans mussten dann fast drei Jahre auf eine Rückkehr des Hassobjektes warten, da eine verkürzte Saison und eine Verletzung ein früheres Aufeinandertreffen verhinderten. Die Reaktion hatte es wie erwähnt in sich.
Spurs eine Nummer zu groß für James und Boozer
Die Berater-Agentur von Boozer, SFX, reagierte und feuerte ihren Klienten, Pelinka trat ebenfalls als Agent von Boozer zurück. Die Angst vor einem Imageverlust war zu groß. Geschadet hat es ihm aber offensichtlich nicht. Pelinka stieg zu einem bedeutenden Spieleragenten auf und leitet nun die Geschicke der Los Angeles Lakers als General Manager. 2020 durfte er mit James die Meisterschaft in der Orlando-Bubble feiern.
Ob für LeBron und Boozer in einer gemeinsamen Zeit bei Cleveland der Titel drin gewesen wäre, bleibt pure Spekulation. Stärker als Drew Gooden oder der alternde Shaquille O'Neal, die unter anderem im Cavs-Frontcourt an LeBrons Seite spielten, dürfte er aber mit Sicherheit gewesen sein. Allerdings ist er eben auch kein Co-Star vom Schlage eines Dwyane Wade, Kyrie Irving oder Anthony Davis, mit denen James seine Meisterschaften feierte.
Die Cavs erreichten bis zum ersten Abgang von LeBron 2010 im eher schwachen Osten einmal die Finals und wurden dort 2007 von den übermächtigen San Antonio Spurs gesweept - das Ende eines legendären Playoff-Runs des Kings. Ob Boozer gegen diese Niederlage im Cavs-Trikot etwas hätte ausrichten können?
Die Karriere von Boozer war ein Erfolg
Im Trikot der Jazz mit Anführer Deron Williams gelang ihm dies schon mal nicht. Ironischerweise war 2007 der tiefste Playoff-Run Utahs seit 1998. Doch nach anstrengenden sieben Spielen gegen die Houston Rockets um Tracy McGrady und Yao Ming sowie vier Siegen gegen die WeBelieve-Warriors waren die Spurs auch für Utah eine Nummer zu groß. Das Popovich-Team bewahrte Boozer mit einem 4-1 in den West-Finals vor einer hitzigen Serie gegen Cleveland.
Boozer war mit 23,5 Punkten und 12,2 Rebounds ein entscheidender Faktor für den starken Lauf der Jazz. Insgesamt war die Zeit bei den Jazz für ihn ein Erfolg. Mit 19,3 Punkten und 10,5 Rebounds in sechs Saisons war Boozer ein Double-Double-Garant, der sowohl Gefahr in der Zone, als auch aus der Mitteldistanz ausstrahlte. Belohnung dafür: zweimal All-Star (2007 und 2008) und einmal All-NBA Third Team (2008).
Spannenderweise hätten die Jazz dem gebürtigen Aschaffenburger den ganzen Wechsel-Zirkus ersparen können. Boozer durfte vor dem Draft 2002 zweimal für Utah vorspielen. Diese entschieden sich allerdings an Position 18 für Curtis Borchardt, der seine komplette Rookie-Saison verpasste und nach zwei weiteren durchwachsenen Jahren aus der NBA verschwand. Boozer wurde erst an Nummer 35 von den Cavaliers erlöst und zeigte den Scouts, wie falsch sie lagen.
Doch seinen Ruf als geldgieriger Söldner konnte er niemals ganz loswerden. Schuld daran ist Boozer selbst. Als er in der Saison 2008/09 nur 37 Spiele absolvierte, erklärte er bei ESPN: "Ich steige aus dem Vertrag aus. Egal was passiert, ich bekomme eine Gehaltserhöhung." Worte, die die treue Jazz-Gemeinde sicher nicht wohlwollend aufgenommen hat.
Boozer blieb aber trotzdem und wechselte erst 2010 (natürlich im selben Jahr wie "The Decision") zu den Bulls mit Superstar Derrick Rose. Dort verhalf er Chicago zu vier Playoff-Teilnahmen in vier Jahren, inklusive des Trips in die Ost-Finals 2011, wo gegen LeBrons Heat Schluss war. Danach ging es für ein Jahr zu den Lakers und anschließend nach China zu den Guangdong Southern Tigers, wo Boozer seine Karriere ausklingen ließ.
gettyLeBron James ermutigte Boozer sogar zum Wechsel
James war übrigens wegen des Abgangs seines Teamkameraden offenbar nicht sauer. 2008 gewannen die beiden zusammen Gold bei den Olympischen Spielen in Peking. Außerdem gab Boozer im R2C2-Podcast an, dass der King ihn sogar ermutigt hätte. "Wenn sie nicht geben wollen, was es braucht, um dich zu halten, dann musst du eben tun, was du tun musst, Booz", soll James in einem persönlichen Telefonat zu ihm gesagt haben.
Die NBA ist eben auch ein Geschäft. Dabei sind die Verhandlungsmethoden nicht immer fair: Oft müssen Spieler wider Willen das Team verlassen und in eine neue Stadt ziehen (bestes Beispiel ist Isaiah Thomas). Aber manchmal sind es auch die Spieler, die die Franchise vor sich her treiben (wie James Harden oder Kevin Durant), manchmal auch mit fragwürdigen Mitteln wie eben Boozer. Das sorgt natürlich für Unmut und Buhrufe.
Ihm wird es egal sein. Er hat in seiner 13-jährigen NBA-Laufbahn mit den Jazz und Bulls Playoff-Erfolge gefeiert und fast 150 Millionen Dollar verdient. Auch wenn er dafür auf eine lange gemeinsame Zeit mit dem King verzichtet hat - schließlich hatte er 27 Millionen Gründe dafür.
Die Statistiken von Boozer in der NBA
Team | Anzahl Saisons | Spiele | Punkte | Rebounds | Minuten |
Cleveland Cavaliers | 2 Saisons (2002-2004) | 156 | 12,6 | 9,4 | 29,8 |
Utah Jazz | 6 Saisons (2004-2010) | 354 | 19,3 | 10,5 | 34,0 |
Chicago Bulls | 4 Saisons (2010-2014) | 280 | 15,5 | 9,0 | 30,4 |
Los Angeles Lakers | 1 Saison (2014-2015) | 71 | 11,8 | 6,8 | 23,8 |
NBA-Karriere | 13 Saisons | 861 | 16,2 | 9,5 | 31,2 |