Tim MacMahon ist für ESPN als Beatwriter für die Dallas Mavericks zuständig und schreibt derzeit an einem Buch über Luka Doncic. SPOX sprach im Rahmen der EuroBasket mit MacMahon über Doncic, die Dallas Mavericks und seine Erinnerungen an Dirk Nowitzki.
Am Dienstagabend spielt das DBB-Team um 20.30 Uhr gegen Doncic und die slowenische Nationalmannschaft. Alle Spiele der deutschen Mannschaft bei der EuroBasket gibt es live und kostenlos bei MagentaSport zu sehen!
Herr MacMahon, in ESPN-Podcasts werden Sie in der Regel als "Banned" MacMahon angekündigt. Das haben Sie ursprünglich Mark Cuban zu verdanken, richtig?
Tim MacMahon: Die Kurzversion ist, dass mich Mark Cuban damals kurzzeitig von Spielen der Dallas Mavericks verbannt hat. Ich hatte bis dahin ausschließlich über die Mavericks berichtet, und wir haben damals entschieden, meinen Wirkungsbereich zu vergrößern, ich sollte mich also auch mit anderen Teams beschäftigen. Das hat Cuban nicht gefallen. Er wollte ein Zeichen setzen, nicht in meine Richtung, sondern in die von ESPN, deswegen ließ er mich auf einmal nicht mehr in die Arena. Zum Glück haben er, meine Chefs und das Liga-Büro schnell gemeinsam eine Lösung gefunden. Es war eigentlich harmlos, aber ich habe einen guten Spitznamen mitgenommen.
Hat die Episode irgendetwas zwischen Ihnen und Cuban verändert?
MacMahon: Nein, es war ja nie etwas Persönliches. Wir haben das beide schon lange abgehakt, und ich würde sagen, dass wir eine professionelle Beziehung miteinander haben, von der beide Seiten profitieren.
Da Sie sich seit vielen Jahren mit den Mavericks beschäftigen: Wer ist einfacher im Umgang, Dirk Nowitzki oder Luka Doncic?
MacMahon: Es ist egal, wen Sie bei "Dirk oder ..." nennen, es wird immer Dirk sein. (lacht) Das muss ich ganz klar sagen. Ich kann mir keinen Superstar vorstellen, der so einfach und angenehm im Umgang ist wie Dirk. Er mochte meine Fragen natürlich nicht immer, aber das ist Teil des Jobs. Ich war durch ihn absolut verwöhnt.
Und wie ist es mit Doncic? Gerade zu Beginn seiner Karriere gab er ja kaum Interviews.
MacMahon: Luka will die Medien auf Distanz halten. Als er nach Dallas kam, wollte er gar nichts sagen. Für ihn waren Medientermine wie Mathe-Hausaufgaben. Er hat getan, was er musste, Spaß gemacht hat es ihm nicht ... er wäre auch jetzt noch begeistert, wenn er nie wieder ein Interview geben müsste. Er ist trotzdem etwas aufgetaut, er versteht mittlerweile, dass es Teil seines Jobs ist. Das Witzige ist: Ich weiß, dass da irgendwo eine Persönlichkeit versteckt ist, dass er einen guten Sinn für Humor hat. Über das letzte Jahr hat er davon gelegentlich etwas durchblitzen lassen. Hoffentlich wird das auch noch mehr, aber er wird sicherlich kein neuer Dirk werden.
gettyÜber Nowitzki heißt es ja, dass er in Dallas sofort Bürgermeister werden könnte. Ist Doncic auch schon an dem Punkt?
MacMahon: Er wird geliebt. In Dallas interessieren sich mehr Leute für die slowenische Nationalmannschaft als für Team USA. Sie realisieren natürlich, was für ein Glück sie haben, dass so ein Kaliber für die Mavs spielt. Er ist der populärste Athlet in einer Football-Stadt. Das sagt schon einiges aus, diesen Weg ist auch Dirk gegangen.
Sie erleben ihn täglich in Dallas, nun hier in Europa bei seiner Nationalmannschaft - verhält er sich da anders?
MacMahon: Er spielt mit Slowenien mit einer konstanten Freude. Das hat sicherlich auch mit dem Erfolg zu tun. In Dallas sieht man diese Seite auch, wenn es gut läuft. 20/21 sah man sie kaum, weil es aber auch einfach keine glückliche Saison war. Er hat das auch nach Olympia 2021 gesagt: Was er von der Nationalmannschaft am liebsten mit nach Dallas nehmen wollte, ist die Teamchemie. Es macht ihm hier einfach sehr viel Spaß.
Mit 23 Jahren ist Doncic bereits in der Konversation um den besten Spieler der Welt. Dabei wird immer mal wieder in Frage gestellt, ob er seriös genug ist. Vor dem Spiel gegen Deutschland in München etwa wurde er rauchend gesehen, sein Gewicht ist regelmäßig Thema ... wie stehen Sie dazu?
MacMahon: Ob das mit dem Rauchen stimmt, weiß ich nicht. Es steht aber außer Frage, dass seine Essensgewohnheiten, seine Disziplin abseits des Feldes, ein Thema sind. Er kam in den vergangenen beiden Saisons außer Form zum Team, das hat er auch zugegeben. Luka wird nie dünn sein. Aber es ist ein Unterschied, ob er 108 Kilo wiegt oder 10 Kilo mehr. Jetzt sieht er gut aus ... das ist eigentlich ja schaurig: Luka kann außer Form bleiben und ist trotzdem ein Hall-of-Famer. Wenn er disziplinierter wird und auf seinen Körper achtet? Dann kann er zum engsten Kreis der besten Spieler aller Zeiten gehören.
Stichwort Disziplin: Ist er grundsätzlich empfänglich für Coaching?
MacMahon: Zwischen ihm und Rick Carlisle gab es viele Probleme, da würde ich aber nicht den Löwenanteil auf Luka schieben. Er hat mehrere Coaches, mit denen er sich sehr gut versteht. Igor Kokoskov etwa, der ihn für Slowenien coachte und nun bei den Mavs ein Assistant Coach ist. Oder Jamahl Mosley, der mittlerweile die Magic betreut. Und auch mit Jason Kidd hat es sich gut entwickelt. Kidd hat Luka herausgefordert, und er hat das angenommen. Vor allem defensiv. Er wird nie ein dominanter Verteidiger sein, aber sein Engagement hat sich positiv entwickelt, nachdem es zu Saisonbeginn ein echtes Problem war.
Was ist zwischen ihm und Carlisle falsch gelaufen?
MacMahon: Ich glaube, dass Carlisle früh einige Fehler gemacht hat und dass er und Luka sehr unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Und wenn Luka das Vertrauen in jemanden verliert, dann ist es sehr schwer, es zurückzugewinnen.
Wo ordnen Sie die Mavericks nach dieser Offseason ein? Es wurden überraschend die Conference Finals erreicht, zählt das Team für Sie zum Contender-Kreis?
MacMahon: Ich denke eigentlich, dass ihnen dafür noch eine echte Nummer zwei fehlt. Aber gleichzeitig ... wenn Luka fit zum Team kommt, und dabei sollte die EuroBasket ja helfen, dann würde ich die Mavs als Sleeper nicht abschreiben. Man hat es ja auch letzte Saison gesehen: Luka war zu Beginn außer Form, da war Dallas als Team nicht besonders gut. Im Kalenderjahr 2022 waren die Mavs eins der besten Teams der Liga.
Dabei spielte auch der defensive Turnaround eine große Rolle. Denken Sie, dass die Defense auch mit dem neuen Kader so haltbar sein wird? Gerade bei Christian Wood scheiden sich ja die Geister.
MacMahon: Für die Defensive ist die Verpflichtung von JaVale McGee wichtiger. Er soll als Center starten, er wird nicht die ganze Zeit mit Wood zusammen spielen, aber schon eine Zeit lang. McGee soll dieser Ringbeschützer sein und den Rim-Runner geben. Was Wood angeht, sind Fragen berechtigt. Er hat bisher in der NBA gezeigt, dass er Zahlen auflegen kann. Aber er war noch nie Teil eines guten Teams.
Nicht gekommen ist erneut Goran Dragic, auch wenn zum zweiten Mal alle Welt damit rechnete, dass die Mavs ihn Doncic an die Seite stellen würden. Hätte Dallas hier nicht eigentlich noch Bedarf gehabt?
MacMahon: Es gab schon Gespräche. Laut Dragic hat das Team ihm einen Kaderplatz angeboten, aber keinen festen Platz in der Rotation. Es hätte also sein können, dass er nur alle vier oder fünf Spiele gespielt hätte. Er war aber nicht bereit, ein Maskottchen zu sein. Ich verstehe das Ganze nicht zu 100 Prozent, da meiner Meinung nach schon Bedarf für einen dritten Ballhandler da ist. Die Mavs denken, dass sie Brunsons Punkte durch Wood und Tim Hardaway ersetzen können. Für mich sind nur zwei Ballhandler trotzdem zu wenig, zumal niemand 82 Spiele absolviert. Aber sie haben mich nicht nach meiner Meinung gefragt. (lacht)
Sie haben vom zweiten Star gesprochen. Glauben Sie, dass die Mavs schon wissen, wer das sein soll?
MacMahon: Sie hätten gern Giannis ... nein, die Mavs müssen opportunistisch sein, wann immer sich eine Gelegenheit ergibt. Das kann via Free Agency passieren im Sommer 2024, oder vorher via Trade, das ist wohl auch wahrscheinlicher. Ich denke, sie werden versuchen, bald zu handeln. Nicht nur, weil sie Luka zufriedenstellen müssen, sondern weil jede Saison mit so einem Spieler kostbar ist. Wenn Sie sich an die Situation von Antetokounmpo erinnern: Da gab es viele Gerüchte, bevor er seinen Supermax-Vertrag unterschrieben hat, auch Dallas war sehr an ihm interessiert. Er ist dann in Milwaukee geblieben, aber direkt davor hatten die Bucks auch all ihre Chips eingesetzt, als sie für Jrue Holiday getradet haben. Die Mavs müssen ihre Version des Holiday-Trades finden.
Was für ein Spielertyp könnte am besten zu den Mavs passen?
MacMahon: So spezifisch lässt sich das gar nicht sagen. Manche Spieler sind vielleicht gar nicht so sehr daran interessiert, neben Doncic zu spielen, weil er so balldominant spielt. Das müsste man individuell prüfen. Vielleicht würde ein Spieler, der etwas kreieren kann, aber vor allem ein Finisher ist, mehr Sinn ergeben. Es kann aber auch in eine andere Richtung gehen - für eine Zeit lang dachte ich, dass Rudy Gobert in Dallas landen könnte. Der Preis war aber zu hoch, so viel wie Minnesota hätten sie auch gar nicht bieten können. Ich hätte diesen Fit jedoch sehr interessant gefunden. Gobert ist ein limitierter Offensivspieler, aber das, was er am besten kann, passt sehr gut zu Luka. Ganz zu schweigen natürlich von der Defensive.
Nachdem nun einige Spieler für den Frontcourt geholt wurden, wie verändert sich die Rolle von Maxi Kleber?
MacMahon: Die Wertschätzung für ihn ist sehr hoch. Er geht in sein letztes Vertragsjahr, deswegen kann man nie ausschließen, dass er Teil eines Trades sein wird, aber die Mavs lieben Maxi und sie sehen, dass er als Rollenspieler sehr gut zu Doncic passt. Er kann den Dreier treffen, er ist defensiv nicht nur sehr gut, sondern auch sehr vielseitig, kann auf dem Flügel verteidigen und ist ein exzellenter Helper. Die Mavs wollen nur sehr vorsichtig sein, was seine Minuten angeht. Deswegen ist er jetzt ja leider auch nicht hier in Köln. Er hatte vergangenes Jahr Probleme mit der Achillessehne, er hatte schon eine Verletzungshistorie, bevor er in die NBA kam. Sie werden alles dafür tun, dass er frisch bleibt für einen hoffentlich tiefen Playoff-Run. Ich wäre auch nicht überrascht, wenn Maxi nochmal einen Vertrag bei den Mavericks unterschreibt.
Wie oft sehen Sie Dirk beim Team?
MacMahon: In den Playoffs war er sehr viel da, vorher weniger. Seine Priorität Nummer eins ist jetzt auf jeden Fall die Familie, er will sich jetzt auch ein Stück weit die Zeit zurückholen, die er über viele Jahre nicht hatte.
Denken Sie, dass er irgendwann wieder involvierter sein möchte?
MacMahon: Ich bin mir nicht sicher, ob er mal einen "Everyday Job" machen möchte. Seine Kinder sind immer noch jung, ich glaube, er genießt diese Zeit mit ihnen sehr. Natürlich hat er auch einen gewissen Luxus: Mark Cuban wird ihn so oder so bezahlen. (lacht)
Vermutlich ist er nach dieser Offseason erst recht froh, dass er nicht zu seinem Kumpel Steve Nash auf die Bank der Brooklyn Nets gegangen ist, als der ihn darum bat ...
MacMahon: Absolut. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das wirklich mal ein ernster Gedanke war. Abgesehen von der familiären Situation ist er extrem loyal den Mavs gegenüber. Es würde ihm sehr schwer fallen, für ein anderes NBA-Team zu arbeiten.
Haben Sie aus seiner aktiven Zeit eine Lieblings-Anekdote?
MacMahon: Es gibt eine Situation, die mir im Kopf geblieben ist, weil sie viel über ihn aussagt. Es war keine glückliche Situation für Dirk. Es war nach dem Spiel, das sich als sein letztes Playoff-Spiel überhaupt herausstellen sollte. 2016, die Mavs verloren in fünf Spielen gegen die Thunder, es war keine enge Serie. Dirk war schon etwas älter, sein Knie machte ihm zu schaffen, er schleppte sich vom Feld, mit gesenktem Kopf. Er war auf dem Weg zum Tunnel und wirklich fertig, enttäuscht. Über dem Tunnel war ein Kind, das "Dirk, Dirk" rief und ihn irgendwie erreicht hat. Er hat instinktiv reagiert, sich umgedreht und dem Kind Fünf gegeben. Das hat für mich einfach nochmal gezeigt, was für eine Verbindung er zur Fanbase hatte, und wie er mit Leuten umgegangen ist, vor allem mit Kindern, selbst in so einem schwierigen Moment. Das hat mich sehr beeindruckt.
gettyEs gibt ja gefühlt immer häufiger unzufriedene Stars, Spieler-Wechsel, Trade-Forderungen und so weiter. Denken Sie, dass es eine Verbindung wie die zwischen Dirk und Dallas nochmal geben wird?
MacMahon: Es ist schon eine Ausnahme. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Stephen Curry mal nicht für die Warriors spielen wird, aber sonst ... man muss eine bestimmte Art von Persönlichkeit dafür mitbringen. Dirk war ja schon sehr lange in Dallas, bevor er einen Titel gewonnen hat, das war in seiner 13. Saison. Ich weiß nicht, ob nochmal jemand so viel Geduld aufbringen wird. In der Regel muss eine Franchise bei solchen Spielern, die First Ballot Hall-of-Famer sind, schneller liefern. Steph hat schon viel früher gewonnen, daher ist es bei ihm eine etwas andere Situation.
Wie schätzen Sie Doncic in der Hinsicht ein?
MacMahon: Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Luka hat klargestellt, dass er in Dallas um Meisterschaften mitspielen will. Das Front Office versteht, dass es ihm gegenüber in der Bringschuld ist. Wenn sich nicht der gewünschte Erfolg einstellt, wird man früher oder später nervös werden. Aber ich glaube, dass es für den Moment gut aussieht, es gibt ein gewisses Vertrauen zwischen ihm und den Mavs. Er kann jederzeit seinen Einfluss geltend machen. Soweit ich es verstehe, hält er sich bei Personal-Entscheidungen bisher allerdings raus. Ich könnte jetzt auch nur spekulieren, wie er ganz ehrlich beispielsweise über die vergangene Offseason denkt.