Christian Wood kam mit einem beschädigten Ruf zu den Dallas Mavericks. Die ersten Saisonspiele zeigen, dass der Neuzugang sich auch das Vertrauen seines Head Coaches noch verdienen muss - aber Wood ist auf einem guten Weg. Mit Luka Doncic ergänzt er sich in jedem Fall prächtig ...
Makellos war der Saisonstart der Mavericks keineswegs. Dallas könnte durchaus bei 3-0 stehen, verzockte aber gegen Phoenix einen 22-Punkte-Vorsprung und brachte gegen arg ersatzgeschwächte Pelicans einen 7-Punkte-Vorsprung im letzten Viertel nicht über die Zeit. Gerade defensiv und beim Fokus über 48 Minuten hakt es noch, teilweise gewaltig.
Trotzdem kann der Start den Mavs insgesamt eher Hoffnung machen. Wegen der besten Offense der NBA (Small Sample Size!) einerseits, diese haben die Mavs bisher zumindest (mal wieder) rechnerisch. Beim bisher einzigen Sieg, dem Blowout gegen Memphis, zeigten die Mavs, in welche Richtung es gehen kann.
Vor allem aber aufgrund eines "Problems", das gut lösbar erscheint: Ihr zweitbester Spieler steht bislang schlichtweg zu wenig auf dem Court.
Christian Wood: Die Spielzeit reicht nicht
Nicht ein einziges Mal knackte Christian Wood bisher die 30 Minuten, auch wenn es gegen New Orleans immerhin knapp war. Das ist eine auf den ersten Blick eigentümliche Entscheidung von Coach Jason Kidd, denn in den Minuten mit Wood stehen die Mavs bis dato bei +39 (ohne ihn: -2). Damit führt er Dallas mit komfortablem Vorsprung an.
Dass Wood nicht starten würde, galt vor der Saison ohnehin als sicher, da Kidd hier einen defensiveren Look mit JaVale McGee neben Luka Doncic und drei switchfähigen Wings präferiert. Das ist ein nachvollziehbarer Ansatz, auch wenn McGee bisher nicht unbedingt den besten Eindruck hinterließ.
Interessant ist aber, dass sich Wood auch am Ende von Spielen seine Minuten verdienen muss, gegen Phoenix etwa saß er im vierten Viertel fast fünf Minuten auf der Bank, als für die Mavs aus einem 11-Punkte-Vorsprung ein knapper Rückstand wurde. "Es ist eine Frage des Vertrauens. Das muss ich hier noch aufbauen. Ich bin in einem neuen Team", sagte der 27-Jährige danach. "Wenn ich das schaffe, werden wir gut sein."
Das ist wohl die richtige Einstellung und Wood ist für seinen Teil auf einem guten Weg. Individuell könnte es offensiv bisher tatsächlich kaum besser sein als das, was er abliefert: Wood kommt auf 24,3 Punkte im Schnitt bei Fabelquoten (abgesehen von der Freiwurflinie), in den ersten beiden Spielen kam er auf über 1 Punkt pro Minute.
NBA: Die Zahlen von Christian Wood bei den Mavericks
Minuten | Punkte | FG | 3FG | FT | Rebounds | Assists | +- | |
@ PHX | 24 | 25 | 9/15 | 4/7 | 3/10 | 8 | 2 | +9 |
vs. MEM | 25 | 25 | 6/12 | 1/3 | 12/14 | 12 | 3 | +22 |
@ NOP | 29 | 23 | 8/10 | 3/3 | 4/6 | 6 | 0 | +8 |
Christian Wood: Der perfekte Doncic-Partner?
Der Big Man zeigt dabei die ganze Palette: Er trifft den Dreier auf überragendem (so nicht haltbaren) Niveau, er nutzt aber auch seine Physis auf dem Weg zum Korb für Freiwürfe und kann den Ball auf den Boden setzen, ein starker Kontrast zu seinem quasi-Vorgänger Kristaps Porzingis. Wood ist eine Waffe sowohl im Pick'n'Roll als auch im Pick'n'Pop, er hat ein bemerkenswert breites Arsenal als Scorer, auch aus der Isolation. Er hat sich über die vergangenen Jahre auch als Post-Player positiv entwickelt, auch wenn die Mavs das bisher nicht groß nutzen.
Bei all der Aufmerksamkeit, die Doncic auf sich zieht, sind Spieler Gold wert, die Closeouts attackieren und Überzahlsituationen schnell ausnutzen können. Wood kann das, Porzingis konnte es nicht beziehungsweise war dabei zu eindimensional.
nba.com/statsDas bezieht sich auch auf andere Facetten des Spiels, etwa das Passing. Wood ist zwar in erster Linie auf den eigenen Abschluss fokussiert, er kann jedoch durchaus auch andere Spieler in Szene setzen. Ein Beispiel aus dem Suns-Spiel zeigt das recht anschaulich:
nba.com/statsDas ist kein komplizierter Pass, aber Tempo und Präzision sind entscheidend - und essenziell für die Doncic-Wood-Kombination. Dallas wird das Tandem nahezu immer mit drei Schützen umgeben, und immer wieder wird einer davon wenigstens für ein kurzes Zeitfenster offen sein - entsprechend konsequent muss dieses genutzt werden.
Wood ist als Short-Roll-Passer klar besser als Porzingis und damit im Gesamtpaket schlichtweg ein besserer Fit neben Doncic - im Prinzip ist er ein bisschen das, was das Einhorn in Dallas sein sollte. Er ist der offensiv begabteste Big Man, vielleicht generell Spieler, mit dem Doncic in der NBA bis dato zusammengespielt hat.
Die Chemie zwischen beiden ist in jedem Fall bereits ersichtlich, nicht nur zu erkennen an dem Alley-Oop aus dem Memphis-Spiel, der an längst vergangene Kobe/Shaq-Zeiten erinnerte. Wood, der über die vergangenen Jahre fast ausschließlich bei miesen Teams ohne Playmaker unterwegs war, scheint sein Glück teilweise kaum fassen zu können.
Für Doncic selbst gilt dies aber auch. Während Wood bei den Mavs auch deshalb von der Bank kommt, weil er in Luka-losen Lineups die Offense am Laufen halten soll, ist es bisher vor allem die gemeinsame Zeit, die für Aufsehen sorgt. Das Offensiv-Rating der Mavs mit beiden auf dem Court beträgt laut Cleaning the Glass aktuell komplett alberne 150,5 ...
Natürlich ist dieser Wert nicht haltbar, aber die Offense ist mit beiden WIRKLICH schwer zu stoppen, das bestätigt auch der Eye-Test. Die bisherige Stichprobe ist klein, macht aber viel Lust auf (viel) mehr. Vielleicht ja auch bei Kidd, der über Woods Rolle und Minuten eben entscheidet.
Christian Wood: Die defensiven Zweifel sind noch da
Dass der Coach seinen Neuzugang an der kurzen Leine hält, hat natürlich auch Gründe. Da ist die Reputation als nicht unbedingt teamdienlicher Spieler, die sich Wood über die vergangenen Jahre aufgebaut hat und die dazu führte, dass Dallas seine siebte NBA-Station in ebenso vielen Jahren ist. Wenn Wood von Vertrauen spricht, spielt er auch darauf an.
Und andererseits sind da die Fragen bezüglich seiner Defense. Sein Offensivtalent war stets offenkundig, die defensive Aufmerksamkeit ... sie kam und ging. In einem guten Team mit Ambitionen ist dies jedoch nicht zu entschuldigen, entsprechend steht Wood hier bei den Mavs ganz besonders auf dem Prüfstand.
Bisher sind die Resultate überwiegend ordentlich. Wood lernt die defensiven Prinzipien der Mavericks noch, bewegt sich zumeist aber richtig und fällt nicht als große Schwachstelle auf, was allerdings auch schwer wäre, da Dallas als Team defensiv noch nicht ansatzweise auf dem Niveau der zweiten Saisonhälfte 21/22 unterwegs ist.
Für Wood ist das bei der offensiven Produktion gewissermaßen ausreichend, für den Moment (in der Regular Season) zumindest. Auch wenn die Mavs sicherlich gerne noch mehr dieser Aktionen sehen würden.
nba.com/statsDallas Mavericks: Warum nicht Wood und Kleber?
Als alleiniger Ringbeschützer taugt Wood im Normalfall nicht, das erschwert es, Spiele mit ihm als einzigem Big zu closen. Kidd griff schon einige Male zu Offense/Defense-Wechseln im letzten Viertel und tauschte Wood gegen Maxi Kleber und wieder zurück. Vielleicht ist es auch eine Option, beide gemeinsam closen zu lassen - insbesondere dann, wenn von der derzeit kalten Bullock/Finney-Smith-Kombination so wenig kommt.
So oder so: Bisher hinterlässt Wood einen ganz starken Eindruck. Wenn er so weitermacht, dürfte sich auch seine Rolle mit der Zeit verändern beziehungsweise sie dürfte wachsen. Wood spielt um einen neuen Vertrag und weiß, dass er sich dafür benehmen muss.
Das spielt den Mavs in die Karten und ist ein "Luxus", den sie mit dem nahezu immer unzufriedenen Porzingis aus eigenem Verschulden nie hatten. Dieser erhielt seinen Maximalvertrag, bevor er ein einziges Mal neben Doncic auf dem Court gestanden hatte.
Christian Wood: Ausgang offen
Bei Wood selbst ist völlig offen, wo die Reise hingeht, in dieser Saison und darüber hinaus. Er kann starten, er kann aber offensichtlich auch den Sixth Man deluxe geben. Hauptsache, er spielt viel neben Doncic - denn solange Wood seine Rolle akzeptiert, kann er dessen bisher bester Co-Star in der Offensive sein.
Und nein, am Ende ihrer Roster-Konstruktion wären die Mavs damit noch nicht angekommen. An Two-Way-Balance fehlt es weiterhin und idealerweise ist Doncics "Partner" nicht (genau wie der Slowene selbst) auch ein Spieler, dessen Defensive suspekt ist. Das ist bei Wood der Fall, bis er mal über einen längeren Zeitraum das Gegenteil beweist. Dass Dallas mit ihm jemals so verteidigen kann wie in den Playoffs 2022, ist sehr unwahrscheinlich.
Für den Moment bringt er die Mavericks dennoch fraglos weiter. Und seine eigene Karriere damit sicherlich auch - es ist das erste Mal, dass er eine tragende Rolle bei einem Team mit Ambitionen spielen kann. Wie tragend, das wird sich zeigen.