NBA - Der Fehlstart der Golden State Warriors: Wie viel Sturheit verträgt eine Franchise?

Robert Arndt
07. November 202209:36
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Aus zehn Spielen haben die Golden State Warriors nur drei gewonnen, alle zuhause. In der Kritik stehen vor allem die jungen Spieler, die den erwarteten nächsten Schritt noch nicht gemacht haben.

"Wir werden einiges verändern", kündigte Steve Kerr nach der vierten Niederlage der Golden State Warriors in Folge an. Das musste zwangsläufig geschehen, da die Big Four in New Orleans geschont wurde - es setzte eine weitere Pleite -, doch Kerrs Worte waren eher auf die kommenden Spiele und Wochen gerichtet.

Auch Kerr ist nicht verborgen geblieben, dass sein Team noch nicht die nötige Balance gefunden hat. Die Partie in Orlando war dafür ein gutes Beispiel. Golden State machte 129 Punkte, die Splash Brothers trafen zusammengerechnet 15 Dreier - in der Vergangenheit wurde so die Siegspalte nach oben korrigiert. Nicht so bei den Warriors 22/23, die selbst schlanke 130 Zähler abgaben und das Spiel verloren.

"Wir müssen dringend unsere Defense verbessern. Steph und Klay trafen 15/30 Dreier, das alleine sollte reichen", ärgerte sich Draymond Green. 116,6 Punkte pro 100 Posssessions geben die Dubs ab, nur Detroit ist in dieser Hinsicht schlechter. Zur Erinnerung: Im Vorjahr stellten die Warriors die zweitbeste Verteidigung, obwohl mit Green viele Monate der beste Verteidiger im Team fehlte.

Die Zahlen zeichnen ein deutliches Bild zu den Problemen. Golden State foult so viel kaum ein anderes Team, schnappt sich nur 70 Prozent aller defensiven Rebounds und wirft den Ball in guter Tradition wieder viel zu häufig weg. Gerade die Fouls sind ein Problem und verwundern nicht, wenn man bedenkt, dass Golden State versucht, Youngster wie Moses Moody, Jonathan Kuminga oder James Wiseman in die Rotation zu integrieren.

Golden State Warriors: Die Bank verliert zu viel

Diese Ausrede wollte Kerr in Orlando aber nicht gelten lassen, nachdem die Dubs 43 Freiwürfe verursachten. "Wir hatten drei Fouls in den ersten fünf Minuten. Es geht also nicht nur um unsere jungen Spieler. Es betrifft alle. Wenn du einmal beginnst zu foulen, dann entwickelt sich schnell eine Lawine."

Das ist ein guter Punkt, trotzdem ist es nicht zu übersehen, dass die Probleme der Warriors vor allem bei der Second Unit liegen. Blickt man auf die On/Off-Statistiken der Dubs, ist es noch offensichtlicher:

SpielerMinutenNet-RatingSpielerMinutenNet-Rating
Stephen Curry314+3,1Jordan Poole295-14,8
Klay Thompson214+5,8Moses Moody177-3,9
Andrew Wiggins300+3,6JaMychal Green171-16,2
Draymond Green262+5,3James Wiseman138-24,6
Kevon Looney238+9,8Jonathan Kuminga103-23,3

Stehen die Starter übrigens zusammen auf dem Feld, beträgt das Net-Rating satte +25,6 mit einem Defensiv-Rating von 103,4, also sogar besser als jenes aus der Meistersaison. Wechselt man aber nur ein Puzzleteil aus, bekommen die Warriors Schwierigkeiten. Es ist genau das, was einige Beobachter vor der Saison befürchteten. Die Abgänge von Gary Payton II, Nemanja Bjelica oder Otto Porter Jr. haben Löcher hinterlassen, die nicht so einfach zu stopfen sind.

Obwohl Steph in seinen neuen Curry 10s exzellent spielt, läuft es noch nicht für die Dubs.Under Armour

Golden State Warriors: Jordan Poole sucht noch die Form

Gleichzeitig schwebt das Experiment, die eigenen Draft-Picks in ein funktionierendes System zu integrieren, über allem. Jordan Poole sollte eigentlich schon einen Schritt weiter sein, kann aber nur bedingt an die Leistungen aus dem Vorjahr anknüpfen. Er soll die Second Unit anführen, doch gute Offense kann er nicht beständig kreieren. Ohne Curry liegt das Offensiv-Rating bei 101,0, das wäre die schlechteste Offense der NBA, das sollte so nicht sein. Einerseits fehlen gute Spotup-Schützen, andererseits läuft der Ball nicht gut genug, was auch Kerr zuletzt anmerkte.

"In der NBA spielen die besten Athleten der Welt. Wenn du dann immer nur versuchst, durch diese Spieler zu dribbeln, ist das kein Erfolgsrezept", monierte Kerr. "Der Ball muss sich bewegen, um auf diesem Level zu gewinnen." Dies kann nur als kleiner Seitenhieb in Richtung Poole interpretiert werden, der nach Curry den Ball am häufigsten und auch am längsten in den eigenen Händen hält.

Zwar legt der Guard die meisten Assists seiner Karriere auf (5,1), gleichzeitig pfeifen die Schiedsrichter aber vermehrt dessen Double Dribbles. Das ist natürlich nicht der einzige Grund für die stockende Offense, aber auch der Rückgang bei Pooles Quoten hilft hier nur bedingt. Kerr probiert bei den Rotationen einiges, was bisher aber überhaupt nicht klappte, waren Aufstellungen, bei denen nur Reservisten spielten.

Golden State Warriors: Große Fragezeichen bei der Second Unit

Und selbst in der Second Unit ist oft nicht klar, wer wann Minuten bekommt. Das spricht einerseits für einen breiten Kader, auf der anderen Seite für Kerrs Suche nach den passenden Kombinationen. Jonathan Kuminga war zuletzt der Leidtragende und kam kaum zum Einsatz, machte seine Sache in New Orleans aber recht ordentlich.

Geht es nach den Warriors, wäre der Forward schon deutlich weiter, aber seine Entscheidungsfindung bleibt offensiv wie defensiv ausbaufähig. Auch der Wurf bleibt ein Thema, in 103 Minuten sind es gerade einmal sieben Versuche aus der Distanz und ein magerer Treffer. So ist Kuminga automatisch an die Vier gebunden, weil seine fehlende Gefahr von draußen ein großes Hindernis ist.

Dies sorgt für weitere Probleme, da mit JaMychal Green und Wiseman weitere Spieler Minuten im Frontcourt wollen. Laut Kerr habe sich Kuminga mit seiner guten Performance in New Orleans weitere Spielzeit "verdient", sodass die Luft für Wiseman etwas dünner werden könnte.

Und so sind wir beim größten Streitthema der Warriors in dieser Spielzeit angelangt, das gleichzeitig sinnbildlich für ihr derzeitiges Dilemma steht. Zurecht verweisen die Warriors gerne auf die Entwicklung eigener Spieler und haben damit auch recht. Aus ihrer Top 6 wurde nur Andrew Wiggins nicht selbst gedraftet, doch seit dem Glücksgriff mit Poole an Position 28 liest sich die Bilanz nicht mehr so gut.

Golden State Warriors: In der Wiseman-Falle

Natürlich sollte man den Youngstern Zeit einräumen, doch wie viel Zeit hat Golden State mit einem Kern an Spielern, von denen drei (Curry, Thompson, Green) die 30 schon deutlich überschritten haben? Bei allem Talent, welches Wiseman nachgesagt wird, ist es auch Teil der Wahrheit, dass er laut der Metrik RAPTOR von FiveThirtyEight derzeit der schlechteste Rotationsspieler der NBA ist ...

Es gibt viele Erklärungen dafür. Der 21-Jährige machte nur drei Collegespiele, verletzte sich am Meniskus so schwer, dass er die komplette Vorsaison verpasste und vor dieser Spielzeit erstmals eine richtige Preseason absolvierte. Das sind alles faire Punkte, trotzdem hat der Center in seinen 49 NBA-Spielen erst sehr wenig gezeigt. Damit ist nicht gemeint, dass er nicht NBA-tauglich ist, sondern es wird gefragt, ob er ins System der Warriors passen kann.

Schaut man positiv darauf, lässt sich argumentieren, dass er dem Spiel eine andere Facette bringt. Ein athletischer Big, der abrollen, für sich selbst auch einmal kreieren kann und als Ringbeschützer einen gewissen Wert hat. Doch brauchen die Warriors diese Attribute überhaupt? Die Vergangenheit zeigte, dass man mit JaVale McGee einen ähnlichen Spieler integrieren konnte, dieser kassierte jedoch nur das Minimum.

Und das ist die Crux. McGee war austauschbar, in Wiseman haben die Dubs jedoch den zweiten Pick investiert und verzichteten stattdessen auf die Dienste von LaMelo Ball, Tyrese Haliburton oder Onyeka Okongwu. Wiseman bekommt diese Saison 9,6 Millionen Dollar, im nächsten Jahr sind es sogar 12,1. Im Vergleich zu den Stars ist das nicht viel, bei der angespannten Cap-Situation der Warriors ist es aber durchaus problematisch.

Golden State Warriors: Keine Geschenke für Wiseman

Wiseman hat noch immer Probleme, seinen Platz bei den Warriors zu finden. Aus High-School-Zeiten ist er darauf geeicht, Abschlüsse zu nehmen oder gefüttert zu werden. Die Warriors haben aber bessere Optionen, sodass es der Youngster oft erzwingen möchte. Das Ball Movement und die schnelle Entscheidungsfindung ist für alle Neuzugänge stets eine Herausforderung, aber durch die fehlende Spielpraxis tritt sie bei Wiseman deutlicher zum Vorschein.

Es bleibt die Frage: Findet Wiseman den Anschluss oder verlieren die Warriors die Geduld, wenn in den kommenden Wochen keine Besserung eintritt? In Kerr hat er zumindest einen Befürworter: "James hatte einige schwere Spiele, aber ich glaube weiterhin an ihn. Ich mag, was er kann und wie er sich gibt", um aber auch zu warnen: "Er bekommt bei uns nichts geschenkt."

Geschenkt würden die Warriors auch auf dem Trade-Markt nichts bekommen. Es wird Teams geben, die weiter das Potenzial des 21-Jährigen sehen, doch wirklich Eigenwerbung konnte er bisher nicht betreiben. Und wenn Golden State ihn aus der Rotation nimmt, wird sein Trade-Wert sich nicht steigern - davon mal abgesehen, dass die Dubs eher selten während einer Saison einen größeren Trade machen. Der Wiggins-Deal 2020 war die Ausnahme von der Regel.

Es wird den Dubs erstmal nicht viel übrig bleiben, als Wiseman weiter Chancen zu geben und ihn der Liga zu präsentieren. Und nicht falsch verstehen: Wiseman ist eines der Probleme der Warriors, nicht DAS Problem. Es gibt ungewohnt viele Brandherde, die es zu löschen gilt.