Victor Wembanyama: Ein absolutes Defensiv-Monster
Beginnen wir doch mal mit der Defense, wo Wembanyama für den Moment den größten Einfluss ausübt, was natürlich vor allem an seinen Maßen liegt. 2,26 Meter in Schuhen, dazu eine berichtete Spannweite von 2,44 Meter - das ist absurd. Wer schon einmal neben Rudy Gobert stand, fühlt sich wie ein Zwerg, nur ist der Wolves-Center sogar deutlich kleiner als sein Landsmann. Wenn sich Wembanyama gerade hinstellt und die Arme hebt, kann er ohne Springen mit seinen Fingern den Ring erreichen.
So etwas nennt man ein echtes Hindernis und 3 Blocks pro Partie in der abgelaufenen Saison erzählen auch nur die halbe Geschichte. Wenn er in der Zone steht, dann überlegen sich es Guards mehr als nur zweimal, ernsthaft den Korb zu attackieren. Hier eine Auswahl an Highlight-Blocks, die Wembanyama in seinen knapp 50 Spielen aneinanderreihte. Übrigens: Wemby blockte mehr als doppelt so viele Würfe wie der Zweitplatzierte in Frankreich.
Das ist aber nicht alles. Für 2,26 Meter ist sein Bewegungsablauf so flüssig, so geschmeidig, dass auch Switching kein Problem für ihn darstellt. Beispielhaft dafür diese Szene, in der Wembanyama erst den einfachen Leger verhindert, dann den Gegenspieler bis an die Dreierlinie jagt und dieser sich nicht traut, ins Dribbling zu gehen. Die Folge ist ein Pass sowie ein Notwurf mit Ablauf der Wurfuhr.
Wäre also ein Dreier nicht die bessere Option gewesen? Möglich, aber auch hier helfen Wembanyama seine unendlich langen Arme sowie seine unverschämt gute Fußarbeit. Der Big Man kann es sich leisten, etwas mehr Abstand zum Schützen zu lassen, eben weil er einerseits schnell reagieren kann, andererseits auch so lang ist, trotzdem mindestens die Hand vor das Gesicht des Gegenspielers zu bekommen.
Zum Beispiel hier : Wembanyama steht in der Restricted Area für die Hilfe und schafft es dennoch, einen Dreier zu blocken. Völliger Irrsinn!
Dies hilft auch bei der Verteidigung von Pick'n'Rolls, wo er für sein Alter schon ein sehr gutes Verständnis hat. Auch hier sind seine langen Arme und Beine der Schlüssel. Oft schafft es Wembanyama, sowohl Ballhandler als auch Roller vor sich zu halten. In dieser Hinsicht machte er während der Saison große Fortschritte, nachdem er von Scoot Henderson im Showcase in Las Vegas einige Male übertölpelt wurde.
Victor Wembanyama: Defense als Fundament
Aufgrund seines hohen Körperschwerpunkts versuchen es Guards, bevorzugt mit Bounce Passes ihre Bigs zu finden, doch auch hier kommen wieder die Arme ins Spiel, die blitzschnell auszucken können und Wemby jede Menge Steals einbrachten.
Im Post hat Wembanyama weiter Schwächen, vor allem gegen physische Gegenspieler, die den 19-Jährigen teilweise noch zu leicht herumschieben. Mit einem NBA-Trainingsplan sollte sich das bessern, aber selbst mit weniger Muskeln kann der kommende Spur auch außer Balance Würfe verteidigen - erneut wegen seiner langen Arme. Dafür muss er kaum springen.
Vermutlich wird er das in San Antonio erst einmal auch nicht machen müssen. Berichten zufolge wollen die Spurs Wembanyama neben einem Center spielen lassen und das dürfte eine gute Idee sein. So gut Wemby auch im Pick'n'Roll als Verteidiger ist, seine größte Stärke, das Shot Blocking dürfte dann zur Geltung kommen, wenn er eine Rolle a la Robert Williams bei den Boston Celtics einnimmt.
Mit seinen langen Schritten kann Wembanyama so viel Boden gut machen, dass er immer noch rechtzeitig zur Stelle ist, wie in diesem Beispiel . Sein Timing ist darüber hinaus unfassbar gut, was auch ein Grund dafür ist, dass er gerade einmal zwei Fouls pro Spiel beging.
Die Jagd nach Blocks ist dennoch eine kleine Schwäche in seinem Spiel, noch zu oft spekuliert Wembanyama auf das Highlight oder verlässt für einen möglichen Steal seine Verteidigungsposition. Gerade für junge Spieler ist das aber nichts ungewöhnliches. Viel mehr gibt es aber nicht auszusetzen. Was Wembanyama defensiv alles auf dem Kasten hat, sucht seinesgleichen. Hier wird der Franzose von Tag eins einer der besten der Liga sein, es ist sein Fundament.
Interessanter wird es im Angriff, hier wurde das enorme Potenzial bestenfalls angezapft und das reichte dennoch zu schlappen 21 Punkten im Schnitt, auch wenn das True Shooting von 57 Prozent ausbaufähig ist. Und das hat Gründe. "Er verteidigt wie Gobert und wirft wie Durant" - das hört man häufig, wenn Experten versuchen, das Phänomen Wembanyama zu beschreiben. Werfen wie Durant? Das ist eine hohe Latte, aber nicht komplett aus der Luft gegriffen.
Victor Wembanyama: Das offensive Potenzial wurde bisher nur angezapft
Denn wie der Superstar der Suns kann sich auch Wembanyama seine Würfe am Perimeter selbst kreieren. Da sind zunächst einmal die klassischen Face-Ups, die Wemby jederzeit zur Verfügung stehen, eben weil niemand in der Lage sein sollte, seinen Wurf blocken. Sein Release ist so hoch, dass dieser Mensch vermutlich erst noch geboren werden muss.
Dafür braucht er auch niemanden, der ihm den Ball an einem bestimmten Spot serviert. Wembanyama kann das selbst, sei es mit Crossover-Moves aus dem Eins-gegen-Eins oder sogar als Pick'n'Roll-Ballhandler. Richtig gelesen, ein 2,26-Meter-Typ kann aus der Bewegung zum Dreier hochsteigen und diese auch treffen. Hier der Beweis.
Spoiler Alert: Er wird solche Dinger nicht immer treffen und hat auch in der abgelaufenen Saison genügend Backsteine aus solchen Situationen fabriziert. Zusammengeschnittene Highlight-Tapes können hier täuschen. Letztlich hat Wembanyama in dieser Saison nur 32 Prozent seiner Jumper getroffen und seine Erfolgsquote bei Pullup-Dreiern beträgt gerade einmal knapp 21 Prozent.
Was hier aber Hoffnung macht, ist die Form des Wurfes. Diese sieht völlig in Ordnung aus und mit kleineren Eingriffen sollte es langfristig besser laufen. 82 Prozent von der Freiwurflinie dürfen hier als guter Indikator dienen. Getrübt wird die Quote zudem von teils absurden Versuchen, wie zum Beispiel dieser Floater von der Dreierlinie, was in dieser Saison kein Einzelfall war.
Es beweist auch, welch weiches Handgelenk Wembanyama besitzt und ihn zu einem "Tough Shot Maker" macht. Dazu ist er auch kaum ausrechenbar, weil sein Arsenal so vielfältig ist. Turnarounds funktionieren über beide Schultern, sein Drive Game ist stets gefährlich, auch dank eines sehr geschmeidigen Spin Moves.
In Frankreich wurde Wembanyama häufig als Ballhandler eingesetzt, meist attackierte er aus dem Eins-gegen-Eins. Für einen Spieler seiner Größe ist das Handling verdammt gut (und erinnert ein wenig an Giannis Antetokounmpo), allerdings auch nicht ohne Schwächen. Durch sein hohes Dribbling ist er anfällig für Ballverluste (107 Assists standen 127 Turnover gegenüber), vor allem wenn von der Weakside ein zweiter Verteidiger zur Hilfe kam.
Victor Wembanyama: Ein Jahrhundertalent
Nicht selten versuchte Wembanyama auch, aus solchen Situationen seine Mitspieler zu finden. Wenn es klappte, sah das gut aus, oft war es aber zu offensichtlich. Dennoch hatte Wemby seine Momente als Playmaker, meist in Transition, wenn er den Rebound griff und dann schnell umschaltete.
Für den Fastbreak muss Wembanyama aber nicht den Ball in der Hand haben. Im Vergleich zu anderen Bigs ist er wesentlich leichtfüßiger und damit schneller in einer guten Position unter dem Korb. Es dürfte zunächst sein bester Skill sein. Denn sobald der Franzose direkt am Korb an den Ball kommt, ist es eigentlich schon vorbei. Drei Viertel seiner Versuche waren in dieser Saison drin, oft auch durch gewaltige Putbacks.
Die Fähigkeit, elitär abzuschließen, ist auch im Pick'n'Roll hilfreich - nicht nur für ihn selbst. Findet der Ball Wembanyama im Short Roll herrscht Alarmstufe Rot, sodass in Frankreich sehr oft sehr schnell Hilfe kam und dies Räume für die Schützen öffnete. Wie auch defensiv verändert Wembanyama mit seiner Präsenz die Geometrie des Spiels, ohne dabei wirklich aktiv eingreifen zu müssen. Viele Spieler können das nicht von sich behaupten, erst recht nicht auf beiden Seiten des Feldes.
Paart man dies mit dem enormen Shooting-Potenzial, dann hat man eben besagtes Jahrhunderttalent. Natürlich gibt es Szenarien, in denen Wembanyama nicht der Superstar wird, welchen alle erwarten. Zu nennen ist natürlich die Gefahr von Verletzungen und überhaupt wie gut der Körper einer solch jahrelangen Belastung standhält.
Dazu kommen kleinere Dinge wie das verbesserungswürdige Playmaking oder eben das noch wacklige Shooting. Das ist aber das Picken von Rosinen, wie man es sonst nur bei Superstars macht. Wir reden hier stattdessen von einem 19-Jährigen, der seine ganze Karriere (hoffentlich) noch vor sich hat.
Antetokounmpo brachte es schon im November in der Kochshow von Serge Ibaka (wo auch sonst?!) auf den Punkt: "Macht euch bereit, wenn er kommt, denn dieser Junge wird euch vor Probleme stellen. So jemanden wie ihn habe ich noch nie gesehen."
Victor Wembanyama: Seine Stats in der Saison 2022/23
| Spiele | MIN | PTS | FG% | 3P% | REB | AST | BLK |
| 44 | 32,2 | 20,9 | 46,8 | 27,2 | 10,3 | 2,4 | 3,0 |
