Ein Clip von Jordan Poole machte in den vergangenen Tagen in den sozialen Medien die Runde. Es zeigt den 24-Jährigen während einer Auszeit im Spiel gegen die Brooklyn Nets: Poole ignoriert er den Versuch von Head Coach Wes Unseld Jr., einen Spielzug aufzuzeichnen und muss mehrfach darauf aufmerksam gemacht werden, doch bitte auch hinzuhören. Viel zu spät schaut er dann doch hin - und versucht sich das Play noch einzuprägen, als der Rest des Teams längst wieder auf den Court zurückkehrt. Nun kann jeder in einem zusammengeschnittenen 28-Sekunden-Video schlecht aussehen. Wie der neue Führungsspieler und vielleicht sogar das Gesicht der Franchise in der Hauptstadt kommt Poole definitiv nicht rüber.
Was soll's, eine verbummelte Auszeit! Ja, wenn es denn eine Ausnahme wäre - aber da gibt es noch den betont lustlosen Dreier, der von Kristaps Porzingis geblockt wurde, oder den Fastbreak-Alley-Oop gegen das Brett auf Kyle Kuzma bei über 20 Punkten Rückstand. Die Liste ließe sich fast beliebig fortführen. In zehn Spielen für die Wizards hat der Poole Negativ-Highlights angesammelt, die vielleicht nur noch von James "The System" Harden unterboten werden.
Das hatte man sich in Washington ganz anders vorgestellt, als man Poole im Tausch für Chris Paul von den Golden State Warriors holte: Den alternden "Point God" abgegeben, der im angelaufenen Rebuild nicht hätte helfen können und dafür einen jungen Scorer mit viel Potenzial und einem langfristigen Vertrag bekommen - plus mehrere Draft Picks. Es war ein Deal mit viel Upside, schließlich hatte Poole beim Title Run der Warriors vor zwei Jahren eine wichtige Rolle gespielt und war nach dem Schlag von Draymond Green und dem folgenden "Vertrauensverlust" in der Bay Area vergleichsweise billig zu haben.
Jordan Poole bei den Washington Wizards: Endlich frei!
Nach knapp drei gespielten Wochen in dieser neuen Saison muss man allerdings die Frage stellen, ob Warriors-Coach Steve Kerr im Nachhinein einen "Coach of the Year"-Award für die Saison 2021/22 verdient hätte. Wie er es geschafft hat, aus Poole einen produktiven Spieler zu machen, ist zumindest bislang sein exklusives Geheimnis.
Das mag womöglich zu hart klingen, doch wenn man ehrlich ist, gab es mit Poole im Wizards-Jersey erst ein einziges Highlight: seine 41 Punkte im Preseason-Spiel gegen die Knicks. In der Regular Season konnte er dagegen weder als Scorer noch als Spielmacher überzeugen. Defensiv stellt er wie üblich einen Sieb dar. Das schlägt sich dann auch in den Zahlen nieder: In seinen knapp 29 Minuten auf dem Court legen die Wizards kollektiv ein kümmerliches Offensive Rating von 103,6 auf, defensiv ein katastrophales Rating von 125,4. Umgekehrt läuft es ohne ihn deutlich besser (Offensive Rating: 115,8 - Defensive Rating: 101,9).
Jordan Poole: Statistiken bei den Washington Wizards
Spiele | Punkte | FG % | 3PT % | FT % | Assists | Rebs | Steals | Turnover | +/- |
10 | 16,2 | 41,2 | 30,3 | 76,9 | 3,7 | 2,4 | 1,3 | 2,8 | -13,1 |
Vielleicht ließen sich obige Zahlen einfach nur als Shooting Slump zum Saisonbeginn verschmerzen, zumal der Schedule vergleichsweise hart war und das Team sich erst noch finden muss. Tatsächlich dürfte es bei den Trefferquoten wohl auch noch ein bisschen nach oben gehen - viel tiefer geht ja auch nicht. "Jordan Poole macht gerade die Erfahrung, wie schwer es als Nummer eins ist", schrieb etwa Paul Pierce auf X/Twitter. "Wenn sich der Scouting Report auf dich fokussiert, ist es hart."
Aber Poole besticht eben auch nicht durch Einsatz und Kampfeswille und geht als Musterprofi voran. Vielmehr wirkt sein Spiel extrem halbherzig, als wäre ihm die Tatsache, dass sich die Wizards eine Blowout-Niederlage nach der anderen fangen (gewonnen wurde bisher nur gegen die Grizzlies und die Hornets), herzlich egal.
Wer immer noch nicht überzeugt ist, dem sei dieses Zitat aus einem Interview mit Yahoo! vom 10. November ans Herz gelegt: "Wenn man erst einmal den langfristigen Vertrag bekommen und einen Ring gewonnen hat, ist es anders", sagte er da über den Wechsel von San Francisco ins District of Columbia. "Eigentlich wurden alle Ziele in Golden State erreicht. Ich habe einen Ring. Meine Familie ist versorgt. Und jetzt die gute Situation hier, wo ich quasi mein eigenes Team habe und meinen eigenen Stil spielen kann."
Mit anderen Worten: Jordan Poole hat die Fesseln des "Winning Basketball" aus seiner Warriors-Zeit erfolgreich abgestreift.
Jordan Poole: Der Kommandeur des Tanks
Wenn man dem Guard eine Sache zugute halten will, dann die Tatsache, dass er sich mit dem Ball in der Hand nicht zum schwarzen Loch entwickelt hat. Tatsächlich liegt seine bisherige Usage Rate bei 26,2 Prozent und damit um zwei Prozentpunkte tiefer als noch letzte Saison bei den Warriors. Auch die ständigen Verbalattacken, die besonders Draymond Green immer noch in seine Richtung abfeuert, lässt er größtenteils abperlen - wobei er nicht ohne Genugtuung sehen dürfte, dass die Dubs aktuell ihre ganz eigenen Probleme haben.
Dennoch ist Poole auf dem besten Wege, den Kredit aus seiner größtenteils erfolgreichen Zeit bei den Warriors zu verspielen. Den Vierjahresvertrag über 123 Millionen Dollar, der seit dieser Saison greift, kann ihm niemand mehr nehmen, und den Wizards geht es in dieser Saison nur bedingt um Siege: Nach den Abgängen von Bradley Beal und Kristaps Porzingis hat man es definitiv auf einen hohen Draft Pick abgesehen.
Gleichzeitig will man in Washington aber auch etwas aufbauen und den aktuellen Kader freilich auf zukünftige Playoff-Tauglichkeit abklopfen. Verlieren ja, aber es geht auch um die Art und Weise. Diesen Qualitätsbeweis ist Poole - gleichermaßen übrigens auch Kyle Kuzma - bislang schuldig geblieben. Das stellt dann auch seine langfristige Zukunft bei den Wizards infrage.
Jordan Poole bei den Washington Wizards: Folgt bald der nächste Trade?
So berichtete der langjährige NBA-Journalist Marc Stein in seinem Substack zuletzt, dass man in der Liga mehrheitlich davon ausgehe, dass es den Wizards weniger darum gehe, Poole "als Eckpfeiler der Zukunft nach der Bradley-Beal-Ära" zu positionieren. Vielmehr habe man ihn geholt, um seinen Marktwert zu steigern und ihn anschließend mit Gewinn zu traden.
Noch einmal: Es sind erst zehn von 82 Spielen absolviert. Gesteigert hat Poole seinen Marktwert bislang aber ganz sicher nicht, im Gegenteil. Championship-Qualitäten aus Golden State hat er ebenfalls nicht mitgebracht. In dieser Form wird sich so schnell kein attraktiver Trade-Partner für ihn finden lassen - und vielleicht stellt man bei den Wizards wie einst in Golden State fest, dass Poole als Bankspieler doch besser aufgehoben ist.
Ein eigenes Team muss man sich eben erst verdienen.