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"Ich möchte dem deutschen Basketball etwas zurückgeben": Isaiah Hartenstein im Interview

Von Martin Fünkele
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Isaiah Hartenstein spielt die beste Saison seiner NBA-Karriere und hat nach sechs teils turbulenten Jahren endgültig den Durchbruch geschafft. Der Center spricht im Interview über seine lange Reise, seine Rolle bei den Knicks und auch über eine mögliche Zukunft im DBB-Trikot.

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Außerdem erzählt Hartenstein von seinem verkorksten Draft-Abend sowie eine mögliche Olympia-Teilnahme. Das komplette Interview mit Isaiah Hartenstein lest Ihr in BIG #136.

Isaiah, wie ist dein Deutsch?

Isaiah Hartenstein: Ganz gut, auch wenn ich hier in Amerika eigentlich nur Englisch spreche. Es gibt aber Situationen, in denen ich nicht will, dass meine Umgebung versteht, was ich mit meinem Vater bespreche, dann wechseln wir zu Deutsch. Außerdem will meine Frau Deutsch lernen. Also ganz aus der Übung bin ich nicht.

Welche Rolle spielt dein Vater aktuell in deinem Leben?

Hartenstein: Mein Dad hat unterschiedliche Rollen. Im Sommer, wenn ich in Houston bin und mit meinem Trainer Tyrese Rice arbeite, ist er auch in der Halle, kümmert sich aber auch um die Mahlzeiten. Und auch hier in New York kocht mein Vater für mich. Grundsätzlich regelt er alles, was ich brauche. Manchmal fährt er mich zu den Spielen, manchmal trainieren wir zusammen außerhalb der Knicks-Anlage und nach jedem Spiel sprechen wir darüber, was auf dem Court passiert ist. Mein Vater ist die Konstante in meinem Leben. Mit zwölf war er mein erster Trainer und ist seitdem immer an meiner Seite, ohne mich jemals unter Druck gesetzt zu haben. Ich bin ihm sehr dankbar. In New York wohnen mein Dad und meine Mom im selben Apartment-Komplex wie ich und meine Frau.

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Isaiah Hartenstein: "Deutschland fühlt sich immer noch wie Heimat an"

Du bist mehr oder weniger seit 2016 auf Tour, damals bist du als 17-Jähriger nach Kaunas. Dann folgte der NBA-Draft, die G-League und ab 2018 die NBA. Erst Houston, dann Denver, Cleveland, LA - jetzt New York. Was bedeutet Heimat für dich?

Hartenstein: Hier in Amerika ist Houston meine Home Base. Dort habe ich drei Jahre gelebt, dort habe ich ein Haus, in dem meine Schwester lebt. Aber auch Deutschland fühlt sich für mich immer noch wie Heimat an. Dort bin ich aufgewachsen und habe eine Menge Unterstützung bekommen. Insbesondere der Familie Kollmann (Günter Kollmann, Ex-Bundesliga-Spieler und wichtigster Mäzen der Artland Dragons; die Red.) muss ich sehr dankbar sein, da sie mir zu meiner Zeit in Quakenbrück alles ermöglicht haben. Ich glaube, die Kollmanns haben einen großen Anteil daran, dass ich mich zu dem Spieler entwickelt habe, der ich heute bin.

Du warst gerade 17, als du nach Kaunas gegangen bist. Eine Erfahrung, die sicher nicht ganz einfach war, oder?

Hartenstein: Nein, weil ich damals das erste Mal ganz allein war. Dazu kam, dass ich mich in Kaunas auch erstmals richtig verletzt habe. Die Rückenverletzung und das Allein-Klarkommen waren schon eine Herausforderung. YouTube und meine Mutter haben mir beim Wäsche waschen und Kochen geholfen. Und dass ich mich bei einem EuroLeague-Team durchsetzen musste, hat mich mental stärker gemacht. Das Schwierigste ist sicher, weiter an sich zu glauben, auch wenn es nicht so läuft, wie du dir das vorstellst. In Kaunas habe ich gelernt, mich anzupassen.

Isaiah Hartenstein: Seine Statistiken in der NBA

TeamSpieleMINPTSFG%REBASTBLK
Rockets519,53,159,32,70,60,5
Nuggets309,13,551,32,80,50,7
Cavs1617,98,358,26,02,51,2
Clippers6817,98,362,64,92,41,2
Knicks15022,26,158,47,41,70,9

Welche Erinnerungen hast du an die Draft-Nacht - also an den 22. Juni 2017?

Hartenstein: Ich war damals in New York, weil mir gesagt wurde, ich könnte zwischen Position 15 und 30 gezogen werden. Dann kamen Gerüchte auf, ich hätte eine Knieverletzung, weshalb ich "geredflagged", also eine Art Warnung bezüglich meiner Gesundheit ausgesprochen wurde. Die Verletzung gab es aber gar nicht, das hatte ich vor der Draft extra noch in Deutschland untersuchen lassen. Letztlich verlief der Abend etwas enttäuschend für mich, aber ich glaube daran, dass nichts ohne Grund geschieht. Letztlich habe ich in Houston eine Menge gelernt. Nicht viele Spieler können sagen, sie haben mit Chris Paul, James Harden, Tyson Chandler oder Nene zusammengespielt. Als mein Name in der Draft aufgerufen wurde, war ich enttäuscht, auf lange Sicht hat es sich aber als eine gute Situation herausgestellt.

Letztlich hat es fünf Jahre gedauert, bis du 2022 in New York deinen ersten großen Vertrag unterschrieben und dir einen festen Platz in einem NBA-Team erkämpft hast. Hätte dir jemand 2017 schon gesagt, wie lang dein Weg sein würde, wärst du ihn trotzdem gegangen oder hättest du gesagt: Vergiss es, ich bleibe in Europa?

Hartenstein: Die NBA war schon immer mein ultimatives Ziel. Wie schon gesagt, konnte ich zunächst in Houston viel lernen und mich in meinem dritten Jahr dort auch auf dem Feld beweisen. Dann kam Denver mit einem soliden Vertrag, was gut war, auch wenn ich hinter Jokic nicht viel Spielzeit bekommen habe. Das hat sich in Cleveland dann geändert. Bei den Clippers ist es mir gelungen, mich konstant zu beweisen. Und jetzt in New York habe ich endgültig meine Rolle und meinen Platz in der NBA gefunden.

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Isaiah Hartenstein: "Ich bin bereit, für Deutschland zu spielen, wenn ..."

Du bist deinen eigenen Weg gegangen, der für dich mit 25 Jahren knapp 10 Millionen Dollar im Jahr für knapp 20 Minuten Spielzeit in einer der aufregendsten Städte Amerikas bereithält. Bist du stolz darauf oder sagst du dir: Da muss noch mehr kommen?

Hartenstein: Da kann noch mehr kommen. Du darfst aber auch nicht vergessen, den Moment zu genießen. Eine Basketball-Karriere ist so schnell vorbei, und wer weiß, was in zehn Jahren ist. Das erste Mal, als ich dachte, jetzt bist du wirklich in der NBA angekommen, war letztes Jahr in den Playoffs. Was im Madison Square Garden in den Playoffs abgeht, ist schon etwas Besonderes. Die Leute hier lieben Basketball. Sie sagen dir, wenn du schlecht spielst, sie sagen dir aber auch, wenn du gut warst. Ich glaube, ich passe ganz gut hierher, weil ich hart spiele und in Europa gelernt habe, stolz auf den Klub zu sein, den ich vertrete.

Mit Moritz Wagner und Daniel Theis - theoretisch auch mit Maxi Kleber - gibt es drei weitere deutsche Center in der NBA, die für die Nationalmannschaft gespielt haben oder spielen. Du hast deinen Namen neulich auch wieder ins Gespräch gebracht. Was reizt dich an einem DBB-Comeback?

Hartenstein: Auch wenn ich die letzten beiden Jahre nicht eingeladen wurde, bin ich bereit, für Deutschland zu spielen - wenn es passt. Ich habe selbst ein paar Mal abgesagt, weil ich verletzt war oder die Rockets mich nicht ziehen lassen wollten. Dass ich zuletzt nicht eingeladen wurde, verstehe ich also. Die NBA wird für mich immer an erster Stelle stehen, weshalb ich das Commitment, das der Verband von seinen Spielern gefordert hat, in den letzten Jahren nicht geben konnte. Wenn es in Zukunft aber irgendwann wieder klappt, wäre ich sehr stolz, weil ich genau verfolge, wie sich der Basketball in Deutschland entwickelt hat und ich dazu meinen Beitrag leisten will.

Gab es seit deinen letzten Aussagen zu einem Comeback in der Nationalmannschaft ein Feedback vom DBB oder vom Bundestrainer?

Hartenstein: Nein, mit dem Coach habe ich seit zwei Jahren nicht mehr gesprochen. Ich sehe es aber als meine Aufgabe, die Verbindung wiederherzustellen. Wenn ich irgendwann wieder spielen will, liegt es an mir, mich darum zu kümmern. Ich will jetzt nicht zu pathetisch klingen, aber ich habe wirklich ein Interesse daran, dem deutschen Basketball etwas zurückzugeben.

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