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"Dann ist es unmöglich, uns zu schlagen"

Von Florian Regelmann
Mavs-Center Tyson Chandler sammelte gegen die Blazers 14 Punkte und 20 Rebounds
© Getty

Tyson Chandler glänzt beim Sieg der Dallas Mavericks gegen die Portland Trail Blazers in Spiel 5 nicht nur als Rebound-Monster, er flüstert seinem Coach auch noch den entscheidenden Tipp ins Ohr. Aber Vorsicht: Dallas ist noch lange nicht durch - und es gibt böses Blut.

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Es war Anfang des letzten Viertels, als J.J. Barea zum Korb zog und seinen Wurf daneben setzte. Blazers-Forward Gerald Wallace befand sich eigentlich in guter Position, um sich den Rebound zu holen. Und er wollte das auch energisch tun.

Doch er konnte nicht. Er konnte nicht, weil ihm Tyson Cleotis Chandler den Ball aus den Händen riss, hochstieg und von Brandon Roy gefoult wurde. Kurzzeitig sah es so aus, als ob Chandler und Wallace aneinander geraten würden - und am frustrierten Portland-Star wäre das auch sicher nicht gescheitert.

Aber statt sich mit Wallace einzulassen, lief Chandler ganz nonchalant davon, hob beide Arme in die Höhe und nickte in Richtung der tobenden Mavs-Fans. Ganz als ob er sagen wollte: "Seht her, ich bin da. Und ich werde nicht zulassen, dass wir dieses Spiel verlieren."

Chandler: Besser spät als nie

Es war ein Moment der Toughness, den man diesen Mavs gar nicht mehr zugetraut hatte. Nach dem historischen Kollaps in Spiel 4 hatte man sie einmal mehr guten Gewissens als Meister in der Kunst des totalen Versagens abgestempelt.

Gerade Chandler war in der Serie eine Enttäuschung gewesen, weil er eigentlich nur dadurch aufgefallen war, dass er sich über Foul-Pfiffe gegen ihn beschwerte. Von seinen emotionalen Leader-Fähigkeiten war nicht viel zu sehen. Chandler ist spät zur Playoff-Party dazugestoßen, aber wie heißt es so schön: Besser spät als nie.

Chandler ist aufgewacht. Und das gewaltig. Seine 14-Punkte-20-Rebounds-Monster-Performance inklusive 13 Offensiv-Rebounds hat vielleicht nicht nur die Mavs in der Serie gegen die Blazers gerettet. Sie könnte die ganze Franchise in eine positive Richtung gedreht haben.

Chandler gibt Carlisle einen Tipp

"Nach Spiel 4 stand ich genauso unter Schock wie jeder andere auch. Ich habe mir geschworen, dass ich so etwas nicht noch mal zulassen werde. Wir haben von Anfang bis Ende aggressiv gespielt. Das haben wir in Portland auch gemacht, aber nur drei Viertel lang. Heute haben wir es das ganze Spiel durchgezogen und deshalb haben wir gewonnen", sagte Chandler, der neben seiner Rebound-Show auch noch mit seiner Defense Blazers-Power-Forward LaMarcus Aldridge nahezu komplett ausschaltete.

Chandler scheint sich außerdem auch hinter den Kulissen als heimlicher Stratege auszuzeichnen. Am Montagmorgen ging der Center zu Coach Rick Carlisle und machte ihm einen Vorschlag. Statt immer nur an der ballabgewandten Seite zu spielen, wollte Chandler sich die Erlaubnis holen, sich mehr und freier bewegen zu dürfen, um involvierter zu sein und sich letztlich auch mehr Rebounds schnappen zu können.

Carlisle war einverstanden. Wenn das mal nicht aufgegangen ist... Nicht zu vergessen, dass es auch Chandler war, der sich nach Spiel 4 bitter darüber beklagt hatte, dass man sich von Roy killen ließ, ohne irgendwelche Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Die Zahl seiner Offensiv-Rebounds ist bemerkenswert für sich, aber jeder einzelne hatte so viel mehr Bedeutung, als es die Statistik je ausdrücken könnte. Jeder Offensiv-Rebound von Chandler war ein Nadelstich für die Blazers. Demoralisierender geht es kaum.

Dallas siegt auf untypische Art und Weise

"Ich weiß, wie mies sich das anfühlt, weil es hart ist, wenn du Defense spielst, einen Offensiv-Rebound abgibst und dann weißt, dass du jetzt noch mal 24 Sekunden Defense spielen musst. Das macht auch müde in den Playoffs. Und wenn man Teams eine zweite Chance gibt, dann nutzen sie diese in der NBA auch meistens aus", erklärte Chandler, der dafür sorgte, dass sich die Mavs bei knapp 42 Prozent ihrer Fehlwürfe den eigenen Rebound abgriffen.

Hatte Dallas die ersten beiden Spiele noch auf die Art und Weise gewonnen, wie man es gewohnt ist - nämlich durch Jumper von außen -, war der Schlüssel zum Erfolg in Spiel 5 praktisch der genaue Gegenentwurf. Die Mavs trafen nur 3 ihrer 17 Dreierversuche, gewannen aber dank 20 Offensiv-Rebounds und insgesamt 40 Punkten in der Zone.

"Oh mein Gott. Tyson war so fokussiert heute. Er hat alles kontrolliert. Er hat sich den Hintern aufgerissen und sichergestellt, dass wir das Spiel gewinnen. Wenn Tyson Chandler so spielt, ist es schwer, uns zu schlagen. Ich würde sogar sagen, dann ist es unmöglich, uns zu schlagen", schwärmte Barea von seinem Teamkollegen.

Es wäre aber falsch, das ganze Lob nur auf Chandler abzuladen. Es gab weitere Faktoren für den Sieg der Mavs. Da war zum Beispiel Chandlers Backup Brendan Haywood, der die ganze Serie lang defensiv schon sehr gut spielt und auch in Spiel 5 in seiner Zeit auf dem Feld einen guten Job machte. 17 Punkte, 25 Rebounds, 2 Blocks: Es ist nichts Neues, dass die Mavs immer dann besonders stark sind, wenn ihre Center als Duo solche Zahlen abliefern.

Nowitzkis Freiwurf-Statistik

Da war natürlich auch Dirk Nowitzki, der annähernd die gleiche Aggressivität wie Chandler verkörperte und sich nicht auf seine Jumper verließ. Der Deutsche suchte immer wieder den Weg zum Korb und marschierte deshalb elf Mal an die Freiwurflinie. Schießt Nowitzki mindestens zehn Freiwürfe, lautet die Bilanz der Mavs in dieser Saison im Übrigen 13-0 (3-0 in der Serie).

Da war aber auch ein Jason Kidd, der zwar Probleme mit seinem Wurf hatte, aber das Spiel gut lenkte. Und da war vor allem auch ein Shawn Marion, der Energie ins Spiel brachte und wie schon mehr oder weniger in der ganzen Serie den eigentlichen Blazers-X-Faktor Wallace total im Griff hatte.

Und bei aller Kritik an Carlisle gebührt auch dem Headcoach ein gewisser Anteil am Erfolg. So war die Entscheidung, in der Defense sehr viel zu mixen und Zonenverteidigung spielen zu lassen, goldrichtig.

"In Spiel 4 sah es noch so aus, als ob man ein Auto bei uns durch die Zone fahren kann, so viel Platz war da. Heute waren die Lücken nicht da. Wir haben einige kleinere Sachen umgestellt - dass wir uns nicht wieder von Brandon Roy haben vorführen lassen, war ein Schlüssel. Aber sonst ging es einfach darum, wer den Sieg mehr will", sagte Jason Terry.

Blazers total abhängig von Roy

Dass Dallas den Sieg mehr wollte, war an diesem Abend offensichtlich. Genauso offensichtlich wie die aus Blazers-Sicht ziemlich beängstigende Abhängigkeit von Roy. Spielt Roy gut, sind die Blazers gut. Spielt Roy schlecht, sind die Blazers schlecht. Klingt zu simpel, aber im Grunde ist es in dieser Serie genau so. Nur eine Statistik: In den drei Portland-Niederlagen hat Roy in allen drei zweiten Halbzeiten nicht ein einziges Mal aus einem Isolation-Play heraus gepunktet. Das scheint in der Tat nur in eigener Halle zu funktionieren.

Die gute Nachricht für die Blazers: Dallas hat in dieser Saison bekanntlich alle vier Spiele in Portland verloren - insgesamt hat Dallas in den Playoffs sogar die letzten acht Auswärtsspiele in den Sand gesetzt.

"Wir sind immer noch selbstbewusst. Die Mavs haben nichts anderes gemacht, als wieder ihren Aufschlag zu halten. Jetzt sind wir wieder an der Reihe. Wir dürfen uns allerdings nicht darauf verlassen, dass alles besser wird, nur weil wir zuhause spielen. Wir wissen, dass wir viel besser spielen müssen", machte Marcus Camby klar.

Selbst wenn die Blazers ein siebtes Spiel erzwingen, ist die Geschichte auf Seiten der Mavs. Bei 157 vorherigen Serien, die 2-2 standen, hat sich zu 83 Prozent der Sieger von Spiel 5 am Ende auch durchgesetzt. Klingt gut für Dallas. Nun sollte man aber auf keinen Fall den Fehler machen und die Mavs-Welt durch die rosarote Brille sehen. Getreu dem Motto: Die Spurs vor dem Aus, die Lakers in Problemen - da geht ja doch was.

Es gibt böses Blut

Genauso wenig, wie es angebracht war, nach Spiel 4 alles komplett negativ zu sehen, ist es jetzt angebracht, alles komplett positiv zu sehen. Schon in Spiel 6 kann sich die Lage in der Nacht zum Freitag wieder drehen. Es ist höchste Vorsicht geboten. Im Rose Garden wird wie immer die Hölle los sein - und eine Portion böses Blut ist spätestens jetzt auch dabei.

Denn ganz am Ende von Spiel 5, als die Sache längst durch war und es nur noch darum ging, die Uhr runterlaufen zu lassen, schickte Mavs-Bankspieler Brian Cardinal Blazers-Bankspieler Patty Mills an der Mittellinie mit einem extrem harten Screen zu Boden. Mills sah Cardinals Block überhaupt nicht kommen und wurde böse erwischt.

Das wiederum rief Wesley Matthews auf den Plan, der Cardinal nach dem Spiel noch einige wohl nicht zitierbare Sachen entgegenschleuderte und darauf von DeShawn Stevenson angegangen wurde. Es mag eine unbedeutende Aktion gewesen sein, aber sie zeigt, wie viel Feuer bei den Mavs wieder im Spiel ist. Und das ist nach dem Erlebnis des 23. April mit dem Namen Total-Blamage nicht unbedingt selbstverständlich. Chandler macht's möglich.

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