NBA

"Dirk Nowitzki ist ein Witz"

Von Haruka Gruber
Victory-Pose: Dirk Nowitzki jubelt etwas gelöster als sonst über Sieg in Spiel 1
© Getty

Mit ungewohnter Euphorie bejubelt die NBA die Heldentat des Dirk Nowitzki in Spiel 1 der Conference Finals gegen die Oklahoma City Thunder. TV-Experte Jeff Van Gundy ist fassungslos, Thunder-Coach Scott Brooks vollkommen ratlos. Doch die Mavericks selbst verbleiben vor Spiel 2 in der Nacht auf Freitag (3 Uhr im LIVE-TICKER) in bescheidener Zurückhaltung. Dabei spricht die Statistik eine klare Sprache.
 
 
 
 

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Nach 13 Jahren in der NBA war nichts anderes zu erwarten, dennoch sorgt Dirk Nowitzkis allürenfreie Attitüde noch immer für Erstaunen. "GROSSARTIGE Leistung von Dirk! Und dann geht er vom Platz, als ob nichts passiert wäre", tweetete Kings-Forward DeMarcus Cousins kurz nach dem 121:112-Erfolg der Dallas Mavericks in Spiel 1 der Western Conference Finals gegen die Oklahoma City Thunder.

Wie sollte es anders sein, Nowitzki selbst wollte nicht allzu lang über sich sprechen. "Okay, das ist ein wichtiger Sieg. Mir geht es nur ums Gewinnen. Statistiken bedeuten nichts, wenn man verliert", sagte der Power Forward, ohne auf die Ausgangsfrage einzugehen, wie seine historisch bedeutsamen 48 Punkte denn nun in seiner Karriere einzuordnen seien.

Das Bejubeln von einer der beeindruckendsten Leistungen der NBA-Moderne übernahmen entsprechend die Mitspieler, der Trainer, die Gegner - und sogar die sonst so gegenüber ihm reservierten US-Medien.

Van Gundy: "Nowitzki gehört zu den Top 5 aller Zeiten"

"Oh, was eine Nacht!", titelte "ESPN". "Yahoo! Sports" schrieb in Anlehnung an Adam Sandlers Hollywood-Film: "Leg dich nicht mit Dirk an!" Und die "Sports Illustrated" räumte mit dem ausgetretenen Klischee auf: "Ein Star im Niedergang? Ein Playoff-Loser? Nowitzki erinnerte die Liga daran: Ich bin noch hier." Für die "Dallas Morning News" war Nowitzki schlichtweg "ein Monster".

Am treffendsten beschrieb TV-Experte Jeff Van Gundy das seltsame und zugleich überwältigende Gefühl, das dem Beobachter während des Spiels überkam.

"Mavs-Coach Rick Carlisle sagt, dass Nowitzki zu den besten zehn NBA-Spielern aller Zeiten gehört. Ich behaupte, er gehört zu den Top 5. Ich weiß, ich liege damit völlig falsch. Aber ich weiß auch, dass ich damit völlig richtig liege. Hat man so eine Leistung in den Playoffs schon einmal gesehen?", so der fassungslose Van Gundy.

Der ehemalige Coach der Knicks und Rockets weiter: "Dirk ist ein Witz, denn es kann nicht ernst gemeint sein, wie gut er ist." Deutschland empfiehlt er, den 17. Mai zukünftig "als nationalen Feiertag einzuführen".

Nowitzki: So effizient wie nie?

Es war in der Tat für die Basketball-Welt ein Ereignis von fast epochaler Bedeutung. Womöglich hat in den letzten Jahren niemand in einer derart wichtigen Partie so effizient gespielt wie Nowitzki.

Dabei geht es nicht vordergründig um die banalen Zahlen - wobei diese eindrucksvoll genug sind. Es war sein sechstes Playoff-Match mit mindestens 40 Punkten, womit er unter den aktiven NBA-Profis nur von Shaquille O'Neal (12), Kobe Bryant (11) und LeBron James (9) übertroffen wird.

Lediglich Terry Porter ist es jemals in der Playoffs gelungen, mit weniger als Nowitzkis 15 Würfen 40 Punkte oder mehr zu erzielen: 1992 benötigte er für 41 Zähler nur 14 Versuche. Nowitzkis Feldwurfquote von 80 Prozent bedeutet einen Bestwert für einen Spieler, der in einem Conference-Finale mindestens 15 Würfe nahm.

Freiwurf-Orgie für beide Teams

Eine Zahl jedoch stach besonders heraus: Seine 24 Freiwürfe, die er allesamt verwandelte. Noch nie in der Geschichte der NBA ist jemandem ähnliches gelungen, den Rekord hielt zuvor Dominique Wilkins, als er 1992 in einem Regular-Season-Spiel für die Hawks jeden seiner 23 Freiwürfe getroffen hatte. Ganz nebenbei sind die 24 Freiwürfe auch die höchste Anzahl getroffener Freiwürfe in der regulären Spielzeit. Der alte Bestwert gehörte Chicagos Michael Jordan (1989: 23/28).

"Es war nicht so, als ob Nowitzki die Freiwürfe geschenkt bekam. Er hat sie sich verdient, weil wir ihn gefoult haben", sagte Thunder-Coach Scott Brooks im Wissen, dass auch seine Stars Kevin Durant und Russell Westbrook von der recht kleinlichen Linie der Referees profitierten. Durant ging 19 Mal an die Linie, traf 18 Mal und verbuchte 40 Punkte. Der enttäuschende Westbrook verzeichnete dank der Freiwürfe (14/18) immerhin noch 20 Zähler.

Das womöglich aussagekräftigste Kompliment kam vom sonst zurückhaltenden Peja Stojakovic. Mit der Erfahrung von 13 NBA-Jahren sagte Stojakvoic, selbst ein begnadeter Scharfschütze: "Es war die beste Performance, die ich jemals gesehen habe."

Nowitzki auch als Vorlagengeber und Verteidiger stark

Nowitzkis Statistiken sind beängstigend, furchteinflößend ist für die Thunder jedoch die Erkenntnis, dass es für den Deutschen ein leichtes gewesen wäre, 60 Punkte oder mehr aufzulegen, wenn er es nur gewollt hätte. Aber statt auf die eigenen Würfe zu achten, hielt er sich bedächtig zurück, wenn für einen Teamkollegen Systeme angesagt wurden, damit dieser besser in die Partie findet. Für Durant hingegen war fast jeder seiner 40 Punkte eine Plackerei.

Beispielsweise assistierte Nowitzki bereitwillig einem J.J. Barea, als dieser Feuer fing und im letzten Viertel 12 Mavs-Punkte in Folge erzielte. Oder als sich Shawn Marion und Peja Stojakovic mit teils erzwungenen Würfen regelrecht reinbeißen wollten.

Das Zentralgestirn blieb jedoch immer Nowitzki, der jederzeit die Führung übernahm, wenn das Spiel zu kippen drohte. Entweder indem er in der Offensive den Ball forderte und selbst abschloss oder in überragender Manier die Mitspieler einsetzte. Oder indem er in der Defensive mit einer noch immer ungewohnten Intensität die Tonart für seine Mannschaft vorgab.

Durant düpiert

"Nowitzki war im Lowpost eine Bulldogge. Er ist so ausgekocht und clever. Und er schießt so seltsam und trifft dennoch. Einige Würfe waren einfach nicht zu verteidigen", sagte Thunder-Coach Brooks.

Er setzte insgesamt sechs verschiedene Spieler mit unterschiedlicher Konstitution und Spielart auf Nowitzki an - und jeder von ihnen verzweifelte an dieser Aufgabe. Die beiden Power Forwards Serge Ibaka (5) und Nick Collison (4) gerieten wegen Nowitzki in arge Foulprobleme, auch Center Kendrick Perkins sowie die Guards James Harden und Thabo Sefolosha konnten nichts ausrichten.

Demütigend wurde es, als Durant Mitte des dritten Viertels ein Zeichen setzen wollte, Nowitzkis Bewachung übernahm - und nach 2 Fouls innerhalb von 5 Sekunden sofort wieder abgezogen werden musste. Collison: "Wir fanden ganz offensichtlich keine Antwort auf Dirk."

Geständnis des Thunder-Trainers

Entsprechend ratlos wirken die Thunder. "Es ist tough, aber du darfst jetzt nicht frustriert sein. Ich schaue mir das Spiel noch einmal an", kündigte Ibaka an. In den Playoffs ist er noch immer der beste Shotblocker (3,3), seine Ausbeute gegen Nowitzki: 0. Durant wusste von Plattitüden abgesehen auf Anhieb auch keine bessere Lösung: "Wir müssen uns auf ihn einstellen und schlauer spielen. Wir müssen sehen, wie uns das gelingt."

Bereits vor Spiel 1 gestand Brooks, immerhin Coach of the Year 2010, dass auch ihm die Ideen ausgehen. "Ich habe meiner Mannschaft gesagt, dass man Nowitzki so gut wie man will verteidigen kann - und er dennoch die schwierigsten Würfe versenkt. Wir haben die Videos zurückgespult und uns nur gedacht: 'Wie zum Teufel macht er das?'"

Statistik spricht für Dallas

Die einzige verbleibende Möglichkeit bleibt das Doppeln von Nowitzki - was jedoch damit einhergeht, dass die gefährlichen Guards der Mavs zu noch mehr freien Würfen kommen würden. "Dirk bekommt so viel Aufmerksamkeit, da verbleiben für Peja, J..J. oder mich ausreichend viele Möglichkeiten. Diese zu nutzen, ist der Schlüssel", sagte Terry.

Es war erst der erste von vier nötigen Erfolgen, um in die Finals einzuziehen. Doch er bestätigte einen Trend: Die Mavs siegten in den Playoffs zum siebten Mal in Folge - Franchise-Rekord für die Mavs. Und: In 78,6 Prozent aller Fälle entschied die Mannschaft eine Best-of-seven-Serie für sich, die mit 1-0 in Führung ging.

Das richtige Rezept gegen Durant

Dennoch verweigern sich die Mavs einer Ansage an die Konkurrenz. "Wir müssen besser spielen", sagte Carlisle, der die phasenweise lasche und fahrlässige Verteidigung und fehlende Konsequenz bei einigen Offensivspielzügen bemängelte. Selbst die nach anfänglichen Problemen starke Defense gegen Durant gab kein Anlass zur Begeisterung.

Durant wurde von Dallas' Switchen zwischen Mann- und Zonenverteidigung erfolgreich aus dem Rhythmus gebracht, in der Endphase wiederum setzte ihn das aggressive Doppeln durch Backup-Center Brendan Haywood und einem kleinen Mavs-Guard zu.

Doch Carlisle warnt vor dem zweiten Aufeinandertreffen in der Nacht auf Freitag (3 Uhr im LIVE-TICKER): "Es gibt nur wenige Spieler in der Liga, die das Gleiche leisten können wie Dirk in Spiel 1. Pech für uns, dass zu den wenigen auch Durant gehört."

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