SPOX: Sehen wir gerade den besten Dirk Nowitzki aller Zeiten?
Dirk Bauermann: Er spielt auf einem extrem hohen Niveau - ob er der beste Dirk ist, den wir je gesehen haben? Schwer zu sagen. Aber sicherlich sehen wir den erfahrensten und fokussiertesten Dirk Nowitzki aller Zeiten. Wie er sich in den Playoffs noch einmal gesteigert hat, Verantwortung übernimmt und Pau Gasol verteidigt, ist absolut sensationell.
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SPOX: Dabei sind seine Playoff-Statistiken mit 27,0 Punkten und 8,5 Rebounds zwar sehr gut, aber nicht herausragend.
Bauermann: Sein Spiel besteht aus vielmehr als nur daraus, zum Teil unfassbare Würfe zu treffen. Wobei: Wie er am Ende von Spiel 2 von der Freiwurflinie gegen Gasol den Wurf trifft, war schon ganz besonders. Er fällt vom Korb weg, steht nur auf einem Fuß, zeigt einen Spinmove und macht diesen unfassbar schwierigen Wurf dennoch rein. Und dann zieht er dabei noch das Foul und verwandelt den Freiwurf. Aber er erledigt nun mal auch alles andere neben den Ball in den Korb werfen. Er zieht die Aufmerksamkeit auf sich und schafft Freiräume für andere. Er setzt seine Mitspieler selbstlos ein, falls er gedoppelt wird. Er gibt Halt, wenn die anderen ihn am meisten brauchen. Er kontrolliert einen Gegenspieler wie Gasol. Sein Wert geht weit über die Statistiken hinaus.
SPOX: Ist nach den Eindrücken in dieser Serie endgültig geklärt, wer der beste europäische Basketballer ist?
Bauermann: Pau hat im Vergleich zu Dirk eine NBA-Meisterschaft gewonnen. Aber er hat immer in einer viel stärker besetzten Mannschaft gespielt. Für mich stand es nie in Frage, dass Dirk der bessere, komplettere, beständigere und spielintelligentere Spieler ist. Insofern habe ich die Diskussion immer als albern empfunden, wer der beste Europäer ist.
SPOX: Gasol enttäuscht, seine Playoff-Werte von 13,6 Punkten und 7,7 Rebounds liegen weit unter Saisonschnitt. Überrascht?
Bauermann: Mich wundert es nicht, dass Gasol Probleme hat. Das hatte sich ja auch schon in der Hornets-Serie abgezeichnet. Er wirkt nicht frisch, weil er darunter leidet, dass er in der Regular Season wegen Andrew Bynums Ausfall häufiger auf dem Parkett stehen musste als geplant. Jetzt geht ihm die Luft aus.
SPOX: Mit der Verteidigung von Nowitzki sind sowohl Gasol wie auch Odom überfordert. Aber auch die etwas kleineren, dafür vermeintlich giftigeren Verteidiger Ron Artest und Matt Barnes haben Probleme, obwohl genau dieser Typus Gegenspieler früher als Nowitzkis größte Schwäche angesehen wurde.
Bauermann: Das hat die Serie gegen die Lakers und davor gegen die Blazers bewiesen: Es gibt nichts, was Dirk nicht schon gesehen hat. Es gibt nichts, was ihn schockt. Und es gibt nichts, was ihn nachhaltig aus einem Spiel nehmen kann. Das ist eine Frage der individuellen Qualität und eine Frage der Erfahrung. Er wurde mittlerweile mit jeder Form der Verteidigung, egal ob kollektiv oder individuell, viele Male konfrontiert. Mit der Zeit hat er sich für jede Variante und jede Situation eine Lösung erarbeitet. Dieses Wissen macht ihn stark und gibt seiner Mannschaft ein Gefühl der Überlegenheit. Wenn man auf alles, was einem entgegen geworfen wird, eine intelligente Antwort parat hat, macht das den Gegner hoffnungslos und mürbe.
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SPOX: Wie haben Sie die Situation in Spiel 2 erlebt, als Nowitzki J.J. Barea nach einem Turnover auf dem Parkett lautstark tadelte? Daraufhin erzielte Barea in kurzer Zeit 4 Punkte, gab einen Assist und war mitverantwortlich für den entscheidenden Lauf zum 84:69.
Bauermann: Dirk wird nie jemand sein, der große Reden schwingt. Da wird er sich nicht mehr ändern. Aber wenn ihm Dinge gegen den Strich gehen, hält er seine Meinung nicht zurück, sondern lässt die Mitspieler schon wissen, dass sie sich gefälligst zusammenzureißen haben und dass er hohe Erwartungen an sie hat. Das war mit der Nationalmannschaft 2005 schon so. Ein Spieler solchen Formats muss manchmal klare Worte finden.
SPOX: Wo stufen Sie Nowitzki im Vergleich der besten Basketballer ein?
Bauermann: Für mich gehört er zu den großen Drei auf der Welt, neben Kobe Bryant und LeBron James. Ganz klar.
SPOX: Was sind neben Nowitzki die Hauptgründe für die Erfolge der Mavs?
Bauermann: Es gibt mehrere Aspekte. Erstens: In einer Serie geht es nicht um einzelne Ausreißer nach oben, vielmehr ist es entscheidend, dass alle Spieler eine solide Leistung bringen. Das ist bei den Mavs eben der Fall, bei den Lakers eher nicht, was sich zum Beispiel an Ron Artest zeigt, der einen rabenschwarzen Tag erwischt hat. Das tut jedem Team ungeheuer weh. Zweitens: Dallas' große Jungs erledigen ihre Aufgaben hervorragend, spielen sehr physisch, halten dagegen und erlauben es nicht, dass Gasol und insbesondere Bynum dominieren. Drittens: Die Mannschaft ist sehr klug und weiß in jeder Phase eines Spiels, was zu tun ist.
SPOX: Aber Sie sind wie alle Beobachter erstaunt, dass Dallas derart gut spielt?
Bauermann: Natürlich bin ich überrascht. Aber offenbar hat sich etwas in der Mannschaft gelöst, als sie auswärts in Portland den entscheidenden vierten Sieg einfuhr. Sie hat gesehen, dass sie durchaus ein wichtiges Spiel in fremder Halle gewinnen kann, und so ist die alte Sicherheit zurückgekehrt. Dennoch bleibt es sensationell, dass sie zwei Auswärtsspiele hintereinander bei den Lakers gewinnt.
SPOX: Was trauen Sie den Mavs noch zu?
Bauermann: L.A. kann natürlich zurückkommen, diese Gefahr besteht immer. Aber Dallas hat sich einen großen Vorteil erarbeitet. Und die anderen Teams, die noch in den Playoffs stehen, kochen auch nur mit Wasser und sind allesamt schlagbar. Mein Tipp: Es kommt nach fünf Jahren zur Neuauflage der Finals Dallas vs. Miami.
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SPOX: Welche Konsequenzen hätte ein Weiterkommen von Dallas auf Nowitzkis EM-Teilnahme?
Bauermann: Wenn Dallas tatsächlich so erfolgreich weitermacht, hilft es unserer Sache sicher nicht. Das muss man realistisch betrachten. Dirk hat zwar für die EM zugesagt, aber immer die Einschränkung gemacht, dass sein Körper es erlaubt zu spielen. Und ein Weiterkommen in den Playoffs bedeutet eben eine nicht unwesentliche Belastung. Aber ich hoffe dennoch, dass er es in die Finals schafft. Wenn es einer verdient hat, den Titel zu gewinnen, dann er. Vielleicht geht ja auch beides, Dirk wird NBA-Champion und erlebt mit der Nationalmannschaft einen schönen Sommer. Ich drücke die Daumen.
Die NBA in den Playoffs