Es war Mitte des vierten Viertels in Spiel zwei gegen die Mavericks, die Lakers "kämpften" um den Anschluss, als Dallas' Backup-Point-Guard J.J. Barea an der Dreierlinie einen Block gestellt bekam.
Der Puertoricaner schälte sich um seinen Mitspieler und zwei Gegner, spazierte in die Zone und konnte aus kurzer Entfernung praktisch unbedrängt per Korbleger abschließen.
Beim Stand von 77:69 für die Gäste war dies noch kein spielentscheidender Treffer - aber er stand sinnbildlich für alles, was an diesem Abend beim amtierenden Meister falsch lief: Da war kein Einsatz zu sehen, keine Kommunikation untereinander, und zu allem Überfluss ließ sich Coaching-Legende Phil Jackson in taktischer Hinsicht auch noch von seinem Gegenüber Rick Carlisle die Butter vom Brot nehmen.
In Offense und Defense gleichermaßen überfordert
Und das mit relativ einfachen Mitteln: Pick'n'Roll zwischen Dirk Nowitzki und J.J. Barea, um die Schnelligkeit des Puertoricaners mit den Wurffähigkeiten des Deutschen zu paaren. Dazu eine Reihe Shooter, um das Feld breit zu machen. Schon war das Rezept gegen apathische Lakers gefunden.
Doch halt, im Grunde stand die ganze Szene nur stellvertretend für die Hälfte der Fehler, die der vermeintliche Titel-Topfavorit machte. Denn wenn sich das Fehlverhalten der besten Mannschaft der letzten Jahre nur auf die Defensive beschränkt hätte, wäre den Lakers vielleicht noch eingefallen, wie sie zumindest mit starker Offense zum Erfolg kommen können.
Aber nach ordentlichem Start baute praktisch das gesamte Team kontinuierlich ab, bis Mitte der zweiten Hälfte der absolute Tiefpunkt erreicht war. Dallas machte magere 17 Punkte im dritten Viertel - und baute seine Führung dennoch aus.
Weil das Offensivmonster L.A. kümmerliche 13 Zähler auf das Scoreboard brachte. Wann hat man das schon mal erlebt? Sicher, schwache Spiele haben auch die Lakers immer wieder mal dabei, vor allem in der Regular Season.
Bauermann nicht überrascht von Gasols Problemen
Aber das ein von Jackson und Superstar Kobe Bryant geführtes Team in einem der wichtigsten Spiele der jüngeren Vergangenheit in eigener Halle fast kollektiv versagt, dass die Fans im Staples Center vor Wut fast ausrasten und ihr Team gnadenlos ausbuhen: Das hat Seltenheitswert.
Wer gesehen hat, wie Backup-Point-Guard Steve Blake und sogar der erfahrene All-Star Pau Gasol mit dieser Situation umgingen, der kann sich ausmalen, wie es derzeit um das Nervenkostüm des noch immer amtierenden Meisters bestellt ist.
Blake spielte den Ball in seinen 17 Minuten Einsatzzeit in alle möglichen Richtungen - nur viel zu selten präzise zum eigenen Mitspieler. Seine Dreierversuche waren eines Kreisligaspielers unwürdig. Gasols akzeptable Statistiken können derweil nicht darüber hinweg täuschen, dass der Spanier in den wichtigen Momenten abtauchte.
Für Dirk Bauermann, Trainer der deutschen Nationalmannschaft und des FC Bayern, ist das allerdings keine Überraschung. "Mich wundert es nicht, dass Gasol Probleme hat. Das hatte sich ja auch schon in der Hornets-Serie abgezeichnet", sagte Bauermann im Gespräch mit SPOX*. "Er wirkt nicht frisch, weil er darunter leidet, dass er in der Regular Season wegen Andrew Bynums Ausfall zu viel auf dem Parkett stehen musste. Jetzt geht ihm die Luft aus."
Barkley: "Die Lakers sind fertig"
Hinzu kommt natürlich die deutlich höhere Belastung als bei anderen NBA-Spielern, weil die Lakers drei Jahre in Folge bis in die Finals vorgedrungen waren und jeweils die kürzeste Sommerpause aller Klubs hatten.
Das darf freilich keine Ausrede sein, denn genau um dieses Privileg spielt man ja in den NBA-Playoffs. Aber es ist eine Erklärung dafür, dass ein Three-Peat für kein Team der Welt ein Spaziergang ist. Und ein Grund mehr, warum man die Leistungen der von Michael Jordan angeführten Chicago Bulls ('91-'93 und '96-'98) und der Lakers um Shaquille O'Neal und den jungen Bryant ('00-'02) nicht hoch genug einschätzen kann.
So, wie es aussieht, sind die Lakers der Gegenwart nicht aus diesem Holz geschnitzt. NBA-Legende Charles Barkley, heute TV-Experte für den US-Sender "TNT", ist sich jedenfalls sicher: "Die Lakers sind fertig. Die Mavs sind einfach das bessere Team. L.A. hat keine Chance gegen Dirk Nowitzki. Und mit Brendan Haywood und Tyson Chandler unter den Körben ist Dallas physisch viel stärker als in den letzten Jahren."
Hall of Famer Magic Johnson zeigte sich ähnlich beeindruckt von den Texanern, als er nach Spiel zwei via "Twitter" verkündete: "Ich habe noch nie eine Mannschaft gesehen, die den Lakers in zwei Playoff-Spielen in L.A. hintereinander dermaßen zugesetzt hat."
Den Spielern fehlt das Vertrauen ineinander
Aber so gut Dallas bisher auch war, so stabil die Defense stand und so souverän man in der Offense die sich bietenden Lücken genutzt hat: Das größte Problem der Lakers sind nicht die Mavericks. Das größte Problem sind die Lakers selbst.
"ESPNLosAngeles"-Reporterin Ramona Shelburne ("Die Lakers laufen nur noch auf Reserve") und "ESPN"-Reporter J.A. Adande ("Die Batterieanzeige steht auf dem letzten Strich") betonen einmal mehr die Müdigkeit, die sich bei den Schlüsselspielern breit gemacht hat.
Und den neueren Akteuren fehlt die Bindung zu den Stars. Andrew Bynum erkannte, dass das gesamte Team kein Vertrauen zueinander hat. In der eingangs beschriebenen Szene hatte er nach eigener Aussage ganz bewusst darauf verzichtet auszuhelfen, weil er es leid war, dass sein direkter Gegenspieler dann ständig frei stand.
Und was passierte, als er sich im nächsten Angriff doch wieder zu Barea bequemte? Haywood kam zum Dunk, ohne dass der nächste Laker auch nur in der Nähe gewesen wäre. Dabei kann man Bynum neben Bryant noch die wenigsten Vorwürfe machen.
"Immer wieder mit dem Feuer gespielt"
Dem Center und der Black Mamba ist anzumerken, dass sie nicht bereit sind, sich von Dallas abschlachten zu lassen. Selbst Bryant gibt inzwischen aber zu, dass man "die letzten drei Jahre immer wieder mit dem Feuer gespielt" und zu viel Energie in Serien investiert habe, die man schneller hätte beenden können. "Vielleicht bekommen wir jetzt nur, was wir längst verdienen."
Ein alter Spruch besagt zwar, dass man das Herz eines Champions nie unterschätzen darf. Dennoch sieht es nicht mehr danach aus, als würden die Lakers noch daran glauben, beziehungsweise die Kraft dafür aufbringen können, das Ruder noch einmal herum zu reißen.
Oldie Derek Fisher übt sich bereits in Durchhalteparolen: "Jetzt haben wir die Chance, uns selbst zu beweisen, wie sehr wir den dritten Titel in Folge wirklich wollen."
Ein deutliches Aus in Runde zwei wäre ein unrühmlicher Abgang für den scheidenden Trainer Jackson, den vielleicht besten seines Fachs in der gesamten NBA-Historie. Das ändert aber nichts daran, dass genau so ein Abgang immer wahrscheinlicher wird.
* Das ausführliche Interview mit Dirk Bauermann über Dirk Nowitzki, die NBA-Playoffs und die Diskussion um den aktuell besten Europäer gibt es am Freitag bei SPOX zu lesen.
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