Nach der Niederlage gegen die Oklahoma City Thunder in Spiel 2 ist bei den Dallas Mavericks Ursachenforschung angesagt. Tyson Chandler weiß jedenfalls, warum die Mavs ihre defensive Identität verloren haben. Bei den Thunder dreht sich alles um den degradierten Russell Westbrook.
0:28: Russell Westbrook lost ball (Jason Kidd steals)
0:28: Russell Westbrook personal foul (Jason Kidd draws the foul)
0:28: Eric Maynor enters the game for Russell Westbrook
Es sind drei Zeilen aus dem Play-by-Play-Geschehen von Spiel 2, die so nüchtern klingen und doch so unglaublich viel Einfluss auf das Endergebnis hatten. Und vielleicht auf noch viel mehr.
Es war Ende des dritten Viertels, die Mavs führten knapp, als Russell Westbrook im Angriff den Ball verlor. Und das nicht zum ersten Mal im Spiel. Zum vierten. Wir rufen uns kurz die Geschichte der Playoffs in Erinnerung: Westbrook hatte ein fürchterliches Spiel 1 (3/15 FG) gegen die Mavs erlebt, gegen Dallas war er davor schon in der Regular Season nicht zurecht gekommen. spox
Das Westbrook-Problem
Und in den Playoffs stand er wegen seines Hangs, Egozocker-Trips einlegen zu müssen, zwischenzeitlich heftig unter Beschuss. Nach vorne laufen und draufballern, ohne seine Mitspieler auch nur anzuschauen und zu überlegen, ob ein Pass eventuell eine Option sein könnte: Diese Attitüde ist an sich schon schlimm genug, aber besonders übel wird es, wenn man durch diese Spielweise einen der größten Superstars ignoriert, den es in der NBA gibt: Kevin Durant.
Mit seinem famosen Triple-Double in Spiel 7 der Serie gegen Memphis hat Westbrook zwar bewiesen, dass er durchaus versteht, dass er in Oklahoma City "nur" die zweite Geige spielen kann. Und dass er sehr wohl auch seine Mitspieler einsetzen kann. Dennoch bleiben immer noch Zweifel, was den unglaublich talentierten Thunder-Point-Guard angeht.
Selbst sein Coach Scott Brooks hat diese Zweifel, wie sich in Spiel 2 in Dallas zeigte. Westbrook hatte nach einem schwierigen Start eigentlich ganz gut ins Spiel gefunden. Für sein Spiel ist es essentiell, dass er mit Drives zum Korb in den Rhythmus findet, sodass dann auch seine Jumpshots fallen. Gegen Dallas fielen einige Sprungwürfe, 18 Punkte hatte Westbrook Ende des dritten Viertels auf dem Konto, und das bei einer akzeptablen Quote (7/15).
Westbrook sitzt auf der Bank
Es ist in der Rotation der Thunder normal, dass Westbrook zu diesem Zeitpunkt eine Pause erhält, dennoch war die Auswechslung dieses Mal etwas anders. Brooks gab Westbrook beim Vorbeilaufen nicht nur einen Klapps mit, sondern auch noch eine Botschaft: "Pass the ball!"
Es war an Westbrooks Körpersprache eindeutig abzulesen, dass er mit den Worten seines Coaches überhaupt nicht einverstanden war. Es kam sogar soweit, dass Assistant Coach Maurice Cheeks, der früher selbst einer der besten Point Guards der NBA war, Westbrook wieder beruhigen und auf Normal-Temperatur bringen musste.
Im Regelfall wäre Westbrook nach einigen Minuten Pause wieder aufs Feld gekommen, aber dieses Mal nicht. Der 22-Jährige blieb die ganze restliche Spielzeit auf der Bank sitzen und durfte zuschauen, wie vier Bankspieler an der Seite von Durant das Spiel für die Thunder gewannen.
James Harden war mit seinen 23 Punkten der Mann des Spiels, aber auch Nick Collison mit seiner Schufterei, Daequan Cook mit seinen Dreiern und eben Westbrooks Backup Eric Maynor mit seiner Spielübersicht, seiner ungewöhnlichen Reife für sein Alter und seinen Entscheidungen hatten erheblichen Anteil daran, dass die Serie jetzt 1-1 steht.
Mutiger Scott Brooks
Neun von elf Würfen trafen die Bankspieler der Thunder im letzten Viertel. Es war eine sehr knifflige Entscheidung von Brooks, auf seine Bank zu vertrauen. Gerade einen dynamischen Star wie Westbrook, immerhin All-Star und Bestandteil des All-NBA Second Teams, einfach zwölf Minuten lang auf der Bank sitzen zu lassen, wenn die Saison im Grunde auf dem Spiel steht? Das erfordert durchaus Mut.
Denn selbst wenn man einen guten Backup hat und der auch noch gut spielt, ist das ja eigentlich kein Grund, einen Star vom Kaliber eines Westbrook in der Crunchtime nicht mehr zu bringen. Es war auf jeden Fall der Beweis dafür, dass es im Falle von Brooks nicht nur dahingesagt ist, wenn er sagt, dass er all seinen Spielern vertraut.
"Wir haben nicht viel zustande gebracht und es war der Zeitpunkt, wo er rauskommt. Dann bin ich bei Eric geblieben. Eric hat gut gespielt, es hatte nichts mit Russell zu tun. Russell ist ein unglaublicher Spieler. Er ist unser Starter. Es kommt sehr selten vor, aber ich habe das während der Saison einige Male gemacht. Wir haben unsere Führung ausgebaut und ich wollte unseren Rhythmus nicht zerstören", erklärte Brooks.
Aber was hält Westbrook von seiner Degradierung zum Cheerleader? "Ich weiß, dass ihr alle die gleiche Frage stellen wollt und ich werde euch allen die gleiche Antwort geben. Wir haben gewonnen, alles andere ist egal. Ich bin okay", sagte Westbrook.
Ungewohnt schwach von Downtown
"Wenn man mir vor dem Spiel gesagt hätte, dass sie Westbrook das ganze letzte Viertel auf der Bank lassen und wir sie in der Defense trotzdem nicht stoppen können, wäre das schwer zu glauben gewesen", meinte Dirk Nowitzki fast schon ein bisschen geschockt.
Wann kommt es schon einmal vor, dass die so potente Mavs-Bank von einer anderen Bank derartig bloß gestellt wird? "Ich kann mich nicht erinnern", sagte J.J. Barea. "Sie waren in allen Bereichen besser als wir."
Was alles schlecht lief für die Mavs? Da war das Duell zwischen Jason Terry und James Harden, das Terry geradezu unfassbar eindeutig verlor. Sowohl Dallas als auch Oklahoma City hängen sehr von der Produktivität ihrer Sixth Men ab - in Spiel 2 machte Harden, was er wollte. Die kleineren Mavs-Verteidiger haben praktisch keine Chance, die Jumpshots des Leftys zu verhindern.
Aber das Terry-Harden-Missmatch war nicht das einzige Problem. Zum ersten Mal nach längerer Zeit war Dallas von der Dreierlinie uncharakteristisch schlecht (9/27). Ja, auch Coach Rick Carlisle muss sich Kritik gefallen lassen.
Defensive Mentalität ist nicht mehr da
Die Thunder machten in der Verteidigung gegen Nowitzki ohne Zweifel einen besseren Job als in Spiel 1, in dem sie den Körper immer wieder geschickt vor den Deutschen brachten, um schon die Anspiele zu verhindern. Aber das darf keine Entschuldigung sein, dass Oklahoma City im dritten Viertel Nowitzki praktisch gar nicht verteidigen musste, weil Dallas ihn selbst viel zu wenig aggressiv suchte. Dass es geht, zeigte sich schließlich dann im letzten Viertel (16 Nowitzki-Punkte).
"Ich denke, dass Dirk genug Bälle bekommen hat", wollte ein leicht genervter Carlisle davon nichts wissen. Er konzentrierte sich vielmehr darauf, auf seine Defense einzuhauen. Und das sicher zu Recht.
Nach Spiel 1 war es nur so eine Ahnung, dass den Mavs in der langen Pause nach der Lakers-Serie ihre defensive Mentalität verloren gegangen sein könnte. Nach Spiel 2 steht es definitiv fest. Gegen Portland und L.A. hatte Dallas nicht ein einziges Mal 100 Punkte zugelassen, gegen Oklahoma City war es jetzt in zwei Spielen schon zweimal der Fall. Auch die Zonenverteidigung funktionierte nicht.
Eine interessante Statistik: Wenn man nur die Half-Court-Sets nimmt, besiegten die Thunder die Mavs in Spiel 2 mit 98:93. Es war erst das zweite Mal in den Playoffs, dass Dallas in diesem Bereich ein Spiel verlor. Außerdem verdoppelten die Thunder ihre Erfolgsquote bei Pick'n'Roll-Spielzügen (50 Prozent Quote).
Nowitzki: "Thunder haben das Momentum"
"Wir haben im Vergleich zu den ersten beiden Serien defensiv einen Schritt zurück gemacht. Portland und L.A. sind größere Teams, jetzt haben wir es mit einer anderen Art Team zu tun. Wir haben es mit sehr athletischen Flügelspielern zu tun und haben echte Schwierigkeiten, sie zu stoppen", sagte Nowitzki.
Und weiter: "Sie haben jetzt das Momentum und wir müssen es zurückholen. Wir müssen die Herausforderung jetzt annehmen und uns defensiv wieder steigern. Wir werden in eine laute Halle kommen und müssen einfach wieder Mavs-Basketball spielen, dann bin ich auch zuversichtlich."
Der Grund für die Probleme in der Defense liegt aber nicht nur an der Stärke der Thunder. Es liegt auch daran, dass die Welt in Dallas zuletzt etwas zu rosarot gemalt wurde. Nach dem Desaster von Spiel 4 aus der Portland-Serie war das Team tot, jetzt war das Team nach dem Lakers-Sweep und der atemberaubenden Nowitzki-Gala zum Auftakt der Thunder-Serie schon so gut wie in den Finals gegen Miami.
Als die Mavs dann auch noch in Spiel 2 früh auf 11 Punkte davonzogen, schien alles perfekt zu laufen. Zu perfekt. Ein Monster-Dunk von Durant sorgte nicht nur für Albträume bei Brendan Haywood, sondern auch für die Wende im Spiel. Wer gedacht hat, dass die Mavs auch die Thunder sweepen würden, sollte sich ohnehin schnellstens in ärztliche Behandlung begeben. So leicht geht es dann eben doch nicht.
Keine Aggressivität, Konzentration und Intensität
"Wenn du Angst vor einem Team hast oder das Gefühl hast, dass dich ein Team schlagen kann, spielst du mit dem gewissen Etwas. Das war in der Lakers-Serie der Fall. Jetzt habe ich das Gefühl, dass wir die Thunder auf die leichte Schulter genommen haben. Wir haben angefangen, uns toll zu fühlen und vergessen, wie wir soweit gekommen sind", kritisierte Tyson Chandler offen die Einstellung. Aggressivität, Konzentration, Intensität - alles habe in der Defense gefehlt.
"Wir dürfen einem jungen Team keine Hoffnung geben, aber genau das haben wir jetzt gemacht. Nichts gegen Oklahoma City, die haben unglaublich gespielt, aber ich weiß, dass wir uns aufregen werden, wenn wir das Video vom Spiel sehen", fuhr Chandler fort.
Ob die Mavs aus der Niederlage lernen, wird sich in der Nacht zum Sonntag zeigen. Genauso wird sich zeigen, ob Westbrook - wie von Kendrick Perkins angekündigt - mit einem Sensations-Spiel die Antwort auf seine Verbannung auf die Bank geben wird.
Am Sonntag steigt in der Oklahoma City Arena Spiel 3 (3 Uhr im LIVE-TICKER). Und wie heißt es so schön: Eine Serie startet nicht, bis eine Auswärtsmannschaft ein Spiel gewonnen hat. Geht also jetzt erst richtig los. Für alle Statistik-Freunde sei noch erwähnt: Die Mavs haben in der Nowitzki-Ära eine 4-5-Bilanz in Serien, in denen es nach den ersten beiden Spielen 1-1 steht.
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