Gregg Popovich ist der beste Coach in der NBA. Das weiß man nicht erst seit Dienstag, als er zum (erst) dritten Mal den Coach of the Year-Award überreicht bekam. Rotations, Taktiken, Pausen für seine Stars, effiziente Bankspieler - Pop ist die Nummer eins.
Und wenn die Nummer eins Jahr um Jahr in der Regular Season, aber oftmals auch in den Playoffs, auf das gleiche Team - die Dallas Mavericks - und den gleichen Superstar - Dirk Nowitzki - trifft, dann wird es ganz schwer.
Mit Argusaugen und Detailbesessenheit hat der Spurs-Coach seine Defensive auf den 35 Jahre alten Deutschen eingestellt: Face Up? Ein langer Verteidiger wie Boris Diaw oder Tiago Splitter, denn Dirk zieht nicht mehr so schnell und so häufig zum Korb wie früher. Dieser Verteidiger tritt Nowitzki auf die Zehen, macht jeden Wurf extrem schwer - aber ohne zu foulen. Pick-and-Roll? Nur zu, Ellis/Harris/Calderon. Der Big Man klebt weiterhin an Dirk. Im Post? Immer wieder ein blitzschneller zweiter Verteidiger aus dem toten Winkel, der den Ball aus den Händen von Dirk zwingt.
Nowitzki sucht seine Form
Das Resultat ist bekannt: Die Spurs gewannen Spiel 1 der Serie nach energischem Schlussspurt mit 90:85. Die Mavericks machten fast alles richtig, aber der blonde Deutsche blieb mit 11 Punkten (4/14 aus dem Feld) blass und war im letzten Viertel abgemeldet. "Er hat sich nicht wohlgefühlt", sagte Splitter nach dem Spiel und rechnete mit einem Konter des texanischen Rivalen. "Sie werden sich gegen unsere Defense mit Sicherheit etwas einfallen lassen. Wir müssen vorbereitet sein."
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Bei den Mavericks gibt man sich betont entspannt ob der Probleme des Superstars, der zuletzt 2007 so wenige Punkte in der Postseason erzielt hatte und gegen die Spurs schon fast regelmäßig unter seinen Möglichkeiten bleibt. "Ich werde schneller den Abschluss suchen, aber ohne es zu übertreiben", kündigte der Finals-MVP von 2011 an. "Wenn sie mir wieder so wenige Würfe lassen, muss ich einfach mehr davon verwandeln."
Head Coach Rick Carlisle kündigte an, sich "etwas einfallen zu lassen, damit er bessere und offenere Würfe bekommt", betonte aber auch: "Das ganze Jahr über mussten andere Spieler in die Bresche springen. Und das brauchen wir auch diesmal wieder." Eine klare Ansage an Jose Calderon und Monta Ellis (zusammen lediglich 7/23 aus dem Feld).
Wer verteidigt wen?
Aber selbst wenn die Guards der Starting Five, die dank der Prominenz ihres Power Forwards ein ums andere Mal den offenen Jumper nehmen durften, ihre Treffsicherheit wiederentdecken: Sie stellen Carlisle in der Defensive vor enorme Probleme. Gegen den abgezockten Tony Parker (21 Punkte, 6 Assists) stehen sie auf derart verlorenem Posten, dass sich Shawn Marion über weite Strecken per Cross-Switch des Franzosen annahm.
Das bedeutet seinerseits allerdings, dass sich Monta Ellis Kawhi Leonard gegenübersieht. Seinen enormen Größenvorteil nutzte der Small Forward der Spurs in Spiel 1 nicht aus (nur 11 Punkte), aber seinen Mitspielern blieb dieses Missmatch natürlich nicht verborgen: "Wenn sie für ihn Monta abstellen und mich mit Shawn Marion verteidigen, dann sollten wir das ausnutzen", sagte Parker.
Eine mögliche Lösung wäre die Beförderung von Devin Harris in die Starting Five. Harris, der von der Bank auf fast 32 Minuten kam, war am Sonntag mit 19 Punkten und 5 Assists der mit Abstand beste Maverick. Also Harris gegen Parker, Calderon von der Bank? Dazu wird zu zumindest heute Nacht nicht kommen. "Wir werden unser Lineup nicht wechseln", versprach Carlisle. "Jose hat das ganze Jahr über gut gespielt. Wir brauchen ihn." Ob das die richtige Entscheidung ist? Dallas' Starting Five hat in dieser Saison in 33 Minuten auf dem Court gegen die Spurs eine Bilanz von minus 40.
Das Clutch-Gen fehlt
Calderon hin, Harris her: Knapp acht Minuten vor Schluss hatten die Mavs einen Zehn-Punkte-Vorsprung herausgespielt: Die Bank der Spurs war abgemeldet, der Dreierregen ausgeblieben. Aber dann zeigten die Mavs wieder einmal ihr hässliches Gesicht und schenkten wie schon so oft in dieser Saison einen großen Vorsprung in der Schlussphase her. Und das lag nicht nur an der Defense, auch die Offense brach ein. Fehlende Nervenstärke? Müde Beine? Einfach nur Pech?
Über den Sinn und Unsinn von Clutch-Stats lässt sich vortrefflich streiten, aber fest steht: Mit Jason Terry an Nowitzkis Seite zog Dallas über Jahre hinweg ein gefürchtetes Two-Man-Game auf, das den Mavs in engen Spielen immer wieder den Sieg sicherte: Der Pull-up-Jumper des "Jet" war gefürchtet, Ellis' Abschluss aus der Mitteldistanz dagegen gern in Kauf genommen. Ist das die Erklärung?
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Aber auch Dirks Statistiken in der Schlussphase haben nachgelassen: In Clutch-Situationen der letzten fünf Minuten fällt seine Trefferquote auf unter 40 Prozent, gerade einmal 20 sind es von Downtown. Zum Vergleich: 2011 stand er bei 53,6 bzw. 60 Prozent! Es ist an Carlisle, im nächsten engen Spiel das richtige Lineup um Dirk auf den Court zu schicken und das Ruder herumzureißen.
San Antonios Bank-Attacke
Aber wenige Meter weiter sitzt eben die Nummer eins. Popovich weiß, dass die Spurs das Auftaktspiel gut und gerne hätte verlieren können: Vor 25 Partien erzielten die Mavs gegen San Antonio zuletzt so wenige Punkte, gerade aus der Mitteldistanz waren die Mavericks eiskalt (Nowitzki 3/11, Ellis 2/8, Calderon 2/7). Parker und Tim Duncan kamen gut zum Zug, aber die 37 Jahre alte Spurs-Ikone ist nur noch selten für 27 Punkte gut. Nur vier Spieler erzielten mehr als 8 Punkte, untypisch für den Team-Basketball Marke Spurs.
Pop wird versuchen, die Missmatches, gerade gegen körperlich unterlegene Guards, stärker zu seinem Vorteil zu nutzen und so einen zweiten Verteidiger anzusaugen. Auch die Tempogegenstöße gegen ein altes Mavs-Roster könnten noch besser ausgespielt werden. Das Ziel: Offene Dreier durch schnelle Pässe. In der Regular Season fanden 42 von 97 Dreiern gegen Dallas ihr Ziel, diesmal nur 3 von 17. Auf die Nervenstärke seines Rosters kann sich der Coach dagegen voll und ganz verlassen: 54 Mal ging man in diesem Jahr mit Gleichstand oder Führung ins letzte Viertel, unglaubliche 53 Mal durfte man am Ende jubeln.
Sowohl der Favorit als auch der Außenseiter haben also Grund zu Optimismus, wobei in den Zitaten der Mavericks auch schon ein wenig Trotz zu finden ist. Zehn Niederlagen in Folge - das kann doch nicht ewig so weitergehen. "Wir sind einfach mal dran", erklärte Devin Harris. Nowitzki bringt es auf den Punkt: "Wenn du nicht daran glaubst, dass du deinen Gegner schlagen kannst, dann solltest du einfach zu Hause bleiben."