Ravens-Sieg! Flacco erklimmt den NFL-Olymp

Bastian Strobl
05. Februar 201311:03
Joe Flacco (M.) wurde zum Super-Bowl-MVP gewähltGetty
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Die Baltimore Ravens gewinnen Super Bowl XLVII nach zwei vollkommen unterschiedlichen Hälften mit 34:31 (7:3, 14:3, 7:17, 6:8) gegen die San Francisco 49ers. Der überragende Joe Flacco wird zum MVP gewählt. Für einen kuriosen Zwischenfall sorgte ein Stromausfall im Mercedes-Benz Superdome zu New Orleans.

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Für Flacco (22/33, 287 YDS, 3 TD) war es der erste Super-Bowl-Triumph seiner Karriere. Das Märchen von Colin Kaepernick (16/28, 302 YDS, 62 Rush-YDS, 1 TD, 1 Rush-TD, 1 INT) endete dagegen nicht mit dem erhofften Happy End. San Franciscos Quarterback sorgte zudem für ein Novum. Er verursachte die erste 49ers-Interception in einem Super Bowl nach insgesamt 170 Passversuchen.

Während die Ravens nach 2000 die zweite Championship der Franchise-Geschichte feierten, mussten die Niners somit die erste Niederlage in einem Super Bowl hinnehmen. Zudem verpasste es San Francisco, mit den Steelers gleichzuziehen. Pittsburgh bleibt damit mit insgesamt sechs Titeln weiterhin der NFL-Rekord-Champion. SPOX

Das Bruder-Duell zwischen Baltimores Head Coach John und San Franciscos Jim Harbaugh ging an den älteren Bruder, der bereits das erste Aufeinandertreffen an Thanksgiving 2011 für sich entschieden hatte. Für Ravens-Legende Ray Lewis, der nach dieser Saison seine Karriere beenden wird, ist es indes bereits der zweite Ring in seiner Sammlung.

Zu einem Zwischenfall der etwas anderen Art kam es zu Beginn der zweiten Hälfte, als der Strom im Mercedes-Benz Superdome ausfiel. Die Spieler und Zuschauer mussten mehr als 30 Minuten warten, bis das Spiel wieder aufgenommen werden konnte. Durch diese Verzögerung erlebte das Publikum in New Orleans mit 4:14 Stunden den längsten Super Bowl aller Zeiten.

Reaktionen:

John Harbaugh (Ravens-Head-Coach) über den knappen Sieg: "Wie hätte es auch anders ablaufen sollen? Es war nie schön. Es war nie perfekt. Aber so sind wir halt. Dass wir es trotzdem geschafft haben, spricht für unsere mentale Stärke und Entschlossenheit. Das macht den Unterschied aus."

...über den Handshake mit seinem Bruder nach der Partie: "Das war sehr schwer für mich. Ich hätte nie gedacht, dass es so hart sein würde. Es tut mir leid für ihn."

Joe Flacco (Ravens-Quarterback) über den MVP-Award: "Sie müssen ihn ja irgendeinem geben. Ich werde mich sicherlich nicht darüber beschweren, dass ich den Award bekommen habe."

Ray Lewis (Ravens-Linebacker): "Besser hätte meine Karriere nicht enden können. Es gibt nichts Schöneres, als am Ende noch mal mit meinen Jungs die Championship zu holen. Jetzt reite ich mit meinem zweiten Ring in den Sonnenuntergang."

Jim Harbaugh (49ers-Head-Coach): "Meine Jungs haben sich klasse zurückgekämpft. Wir waren kurz davor, die Partie noch für uns zu entscheiden."

...über die Aktion gegen Michael Crabtree: "Da gibt es für mich keine zwei Meinungen. Das war zuerst eine Pass Interference und dann Holding."

Patrick Willis (49ers-Linebacker): "Wir werden sicherlich keinen Schuldigen für die Niederlage suchen. Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen. Und heute haben wir eben verloren."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Spiel: Bei den 49ers sind die Linebacker Ahmad Brooks und Aldon Smith mit Schulterblessuren zwar angeschlagen, aber wie erwartet mit von der Partie. Defensive End Justin Smith laboriert an einem Trizeps-Anriss, wird sich der unausweichlichen Operation allerdings erst in der Woche nach dem Super Bowl unterziehen. Ebenfalls dabei: First-Round-Pick A.J. Jenkins und Receiver Chad Hall.

Auch bei Baltimore gibt es keine großen Überraschungen. Einzig erwähnenswert: Offensive Tackle Ramon Harewood steht auf der Inactive List.

1. Viertel, 4:18 Minuten.: FLACCO TO BOLDIN! TOUCHDOWN! Erster Drive, erster Score. Baltimore legt einen perfekten Auftakt hin. Flacco bedient aus der Shotgun Boldin mit einem 13-YD-Pass. Der Receiver schickt Inside Linebacker Bowman mit einem Fake in die falsche Richtung und pflückt den Ball in der Endzone locker herunter. 7:0 Ravens.

1. Viertel, 10:57 Minuten: KAEPERNICK SACKED! 3rd and 8 an Baltimores 8-YD-Linie: Outside Linebacker Kruger macht San Franciscos Right Tackle Davis dem Erdboden gleich und sorgt für das erste defensive Ausrufezeichen. Den 49ers bleibt nur das Field Goal. Akers behält aus 36 Yards die Nerven. 7:3 Ravens.

2. Viertel, 7:45 Minuten: FLACCO TO PITTA! TOUCHDOWN! Flacco at his best! Play-Action Fake, dadurch hat der Ravens-Quarterback genügend Zeit und findet Pitta mit einem 1-YD-Pass in der Endzone. Safety Whitner kommt deutlich zu spät. 14:3 Ravens.

2. Viertel, 8:05 Minuten: KAEPERNICK INTERCEPTED! Kaep schreibt Geschichte - im negativen Sinne. Nach 170 Passversuchen wird ein 49ers-Quarterback zum ersten Mal in einem Super Bowl gepicked! Kaepernick visiert Moss im Downfield an, überwirft aber. Star-Safety Reed ist zur Stelle, schnappt sich die 9. Postseason-Interception seiner Karriere und egalisiert damit einen NFL-Rekord!

2. Viertel, 11:55 Minuten: Trick Play der Ravens! Alles rechnet mit dem Field Goal, doch Kicker Tucker bekommt direkt den Snap und bricht nach links aus. Am Ende fehlt aber genau ein Yard zum neuen 1st Down. Bitter für die Ravens.

2. Viertel, 13:02 Minuten: FLACCO TO JONES! TOUCHDOWN! Unfassbar! Flacco rockt den Dome und nimmt die 49ers-Secondary auseinander! Der Ravens-Quarterback feuert eine 56-YD-Bombe zu Jones ab. Der Receiver lässt Cornerback Culliver wie eine Schaufensterpuppe stehen, macht einen starken Catch und trägt den Ball in die Endzone. 21:3 Ravens.

2. Viertel, 14:57 Minuten: 3rd and 2 an Baltimores 2-YD-Linie. Kaepernick verlässt die Pocket und ist verzweifelt auf der Suche nach einer Anspielstation. Doch die Coverage der Ravens ist bärenstark. Die Folge: Kein Raumgewinn, erneut müssen sich die 49ers mit einem Field Goal durch Akers zufrieden geben, diesmal aus 27 Yards. 21:6 Ravens.

3. Viertel, 0:00 Minuten: KICKOFF-RETURN JONES! TOUCHDOWN! Es wird immer schlimmer für die 49ers! Jones ist nicht zu stoppen und marschiert über 108 Yards in die Endzone. Ganz schwache Kick Coverage von San Francisco. 28:6 Ravens!

3. Viertel, 1:38 Minuten: Der Superdome ist dunkel! Stromausfall! Und das beim größten Event des Jahres! Die Liga dürfte darüber nicht gerade erfreut sein. Besonders für die Spieler eine schwierige Situation. Die 49ers könnten die ungeplante Pause allerdings nutzen, um sich noch einmal zu sammeln.

3. Viertel, 7:32 Minuten.: KAEPERNICK TO CRABTREE! TOUCHDOWN! Die 49ers leben noch! Endlich funktioniert die Kombo Kaepernick/Crabtree mal. Der Receiver bekommt zwar zwei Hits ab, hält sich aber auf den Beinen und schenkt San Francisco zumindest einen kleinen Funken Hoffnung. 28:13 Ravens.

3. Viertel, 8:36 Minuten: GORE! TOUCHDOWN! Was hat der Stromausfall nur mit den 49ers gemacht? Auf einmal läuft's: Gore legt einen 6-YD-Run in die Endzone hin. Starke Arbeit der Blocker. 28:20 Ravens.

3. Viertel, 11:46 Minuten: Wie bitter ist das denn bitte? Akers verzieht seinen 39-Yarder. Die Ravens bekommen allerdings eine Strafe (Running into the Kicker). Im zweiten Versuch macht es der 49ers-Kicker besser. 28:23 Ravens.

4. Viertel, 2:03 Minuten: Diesmal verzichtet Baltimore auf ein Trick-Play. Tucker dankt es dem Coaching Staff mit einem sicher verwandelten 19-YD-Field-Goal. 31:23 Ravens.

4. Viertel, 4:56 Minuten: KAEPERNICK! TOUCHDOWN! Es deutet sich eines der unfassbarsten Comebacks der NFL-Geschichte an. Kaepernick nutzt sein Running Game und das komplett offene Feld auf der linken Seite. Die Two-Point-Conversion gelingt aber nicht. 31:29 Ravens.

4. Viertel, 10:37 Minuten: Auf Tucker ist weiterhin Verlass. Das nächste Field Goal, die nächsten drei Punkte für Baltimore. Diesmal verwandelt der Kicker aus 38 Yards. 34:29 Ravens.

4. Viertel, 13:14 Minuten: 4th and 5 an Baltimore 5-YD-Linie! Kaepernick visiert aus der Shotgun Lieblingsanspielstation Crabtree an, der allerdings von Smith gut gecovert wird. Jim Harbaugh will eine Holding-Strafe haben, aber es ist keine Flagge auf dem Feld zu sehen. Schwierige Entscheidung... War's das schon für die 49ers?

4. Viertel, 14:55 Minuten: Letzter Versuch für die 49ers! Baltimore mit dem Punt, Ginn bekommt den Ball, wird aber an der 50-YD-Linie gestoppt. DIE RAVENS SIND SUPER-BOWL-CHAMPIONS!!!

Super Bowl XLVII im Re-Live

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Die Szene des Spiels: Jacoby Jones' 108-YD-Kickoff-Return. Die große Frage zur Halbzeit war: Wie würden die 49ers auf die Demütigung in Hälfte eins reagieren? Vermutlich appellierte Head Coach Jim Harbaugh an die Ehre seiner Spieler. Doch anstatt gleich zu Beginn des dritten Viertels ein Lebenszeichen abzugeben, waren es die Ravens, die das nächste Ausrufezeichen setzten.

Jones marschierte über das komplette Feld, ließ alle 49ers stehen und stellte mit dem 108-YD-Return-Touchdown einen neuen Postseason-Rekord auf. Die alte Bestmarke hielt Atlantas Eric Weems mit einem 102-Yarder. Es war der neunte Kickoff-Return-Touchdown in der Super-Bowl-Geschichte.

Der offizielle MVP des Spiels: Joe Flacco. Die Performance des Ravens-Quarterback lässt sich nur mit einem Wort zusammenfassen: UNFASSBAR! Der 28-Jährige nahm die 49ers-Defense vor der Pause nach allen Regeln der Kunst auseinander. Egal ob im Zusammenspiel mit Jacoby Jones, Dennis Pitta oder Anquan Boldin - Flaccos Decision-Making war überragend und war ein weiterer Beweis, inwiefern er von der Arbeit mit Offensive Coordinator Jim Caldwell profitiert.

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Ebenfalls bemerkenswert: Flaccos Pocket-Movement. Der Spielmacher schien fast immer eine Antwort auf San Franciscos Pass Rush zu haben und behielt auch unter Druck die Ruhe. Dass ihm Baltimores O-Line vor allem in der ersten Hälfte die nötige Zeit verschaffte, tat sein Übriges dazu. Nicht zu vergessen: Durch seine drei TD-Pässe stellte Flacco mit insgesamt 11 Touchdowns bei keiner einzigen Interception in der Postseason den Rekord von Joe Montana ein und dürfte mit dieser Leistung endgültig die letzten Zweifler überzeugt haben.

Der heimliche Held des Spiels: Ed Reed. Die Ravens-Offense mag dank Flacco und Co. überragt haben. Dass San Francisco vor der Pause kaum stattfand, lag allerdings insbesondere an einer starken Defense. Allen voran Star-Safety Reed. Der mittlerweile 34-Jährige ist im Herbst seiner Karriere angekommen, kann aber weiterhin den Unterschied machen.

Alleine Reeds Präsenz - gerade im Downfield - war von unschätzbaren Wert für die Ravens. Er stopfte Löcher in Baltimores Defense und machte im ersten Viertel ein enorm wichtiges Big Play, als er Kaepernick, der aus der Pocket ausgebrochen war, unter Druck setzte. Zudem schrieb Reed zweimal Geschichte: Er sorgte nicht nur für den ersten Pick eines 49ers-Quarterbacks in einem Super Bowl, sondern egalisierte mit der 9. Postseason-Interception seiner Karriere sogar einen NFL-Rekord.

Der Flop des Spiels: Justin Smith. Dass San Franciscos Defensive Tackle ein Superstar ist, steht außer Frage. In Top-Form ist er vielleicht sogar der wichtigste Spieler im Kader der 49ers. Das Problem an der Sache: Smith war nicht fit, nachdem er sich in dieser Saison die Trizepssehne teilweise abgerissen hatte.

Das merkte man gegen Baltimore mehr als deutlich. Gerade als Pass Rusher war Smith quasi nicht existent, verzweifelte an der Ravens-O-Line und konnte Flacco nie das Fürchten lehren. Damit stand er in San Franciscos D-Line allerdings nicht alleine da.

Analyse: Über Super Bowl XLVII wird man noch lange sprechen. Selten gab es im größten Spiel des Jahres zwei derart unterschiedliche Hälften. Aber der Reihe nach: Baltimore dominierte die ersten beiden Vierteln fast nach Belieben. Das lag vor allem an Joe Flacco.

Der Quarterback, dem in der Vergangenheit häufig vorgeworfen wurde, in wichtigen Partien zu versagen, lieferte eine sagenhafte Performance ab. Er reagierte gelassen auf Blitzes, variierte seine Anspielstationen gut und ließ ab und zu seine Deep-Ball-Fähigkeiten aufblitzen.

Was aber viel wichtiger war: Flacco machte schlicht und ergreifend keine Fehler. Zur Pause hatte er bereits 192 Yards auf dem Konto. Da fiel es selbst nicht auf, dass Ray Rice kaum Impulse setzen konnte.

Dass wiederum bei den 49ers zu Beginn kaum etwas nach Plan lief, hätte man bereits nach dem ersten Snap und einer Strafe (Illegal Formation) erahnen können. San Francisco war sichtlich beeindruckt und konnte in der Defense nie Druck aufbauen.

Als der NFC-Champion im zweiten Viertel zudem zwei Ballverluste innerhalb von fünf Minuten fabrizierte (Fumble und Interception), schienen die Fronten früh geklärt zu sein. Das lag auch daran, dass die 49ers-Offense nicht ins Rollen kam. Der hochgelobte Colin Kaepernick hatte massive Probleme, seine Receiver anzuvisieren. Zu stark war Baltimores Coverage für Michael Crabtree und Co. Außerdem sprach die 3rd Down Efficiency klar gegen die Kalifornier (2/9).

Wer in der zweiten Hälfte auf San Franciscos große Aufholjagd gehofft hatte, wurde früh enttäuscht. Jacoby Jones sorgte mit seinem 108-YD-Kickoff-Return für das sportliche Highlight der Partie. Der zweite, wenn auch nicht unbedingt sportliche Höhepunkt folgte kurze Zeit später. Nach einem Kaepernick-Sack gingen im Superdome die Lichter aus. Stromausfall. Die Spieler auf dem Feld waren zur Untätigkeit verdammt.

Erst über 30 Minuten später wurden die Anwesenden erleuchtet. Im Sinne der 49ers könnte man das sogar wortwörtlich nehmen. Als hätte die ungeplante Pause neue Kräfte freigesetzt, war San Francisco nicht mehr wieder zu erkennen. Die Combo Kaepernick/Crabtree funktionierte, die Defense erwachte aus ihrem Tiefschlaf und selbst Frank Gore, der in der ersten Hälfte kaum zu sehen war, tauchte wieder aus der Versenkung auf.

Während die 49ers 17 Punkte in Folge in weniger als 4,5 Minuten erzielten, war bei Baltimore ein wenig das Selbstverständnis verloren gegangen. Bis auf Ed Reed, der versuchte, seine Teamkollegen wieder wachzurütteln, offenbarte die Ravens-Secondary einige Löcher. Als es darauf ankam und Kaepernick die Begegnung mit einem TD-Pass auf Crabtree in den letzten zwei Minuten endgültig drehen wollte, war Baltimore in Person von Jimmy Smith aber wieder zur Stelle. Harbaugh forderte zwar eine Holding-Strafe, doch auf eine gelbe Flagge wartete der 49ers-Coach vergeblich.

Am Ende können sich die Ravens vor allem bei Flacco und Anquan Boldin bedanken, der einige starke Catches fabrizierte und so wertvolle Zeit von der Uhr nahm. Der Quarterback setzte damit den glorreichen Schlusspunkt auf eine Postseason, die mit Ausnahme von Joe Montana einzigartig war. Und noch viel wichtiger: Flacco hat eindrucksvoll bewiesen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Einem 20-Millionen-Dollar-Vertrag steht nun wohl nichts mehr im Weg.

Und die 49ers? San Francisco gehört die Zukunft. Allen voran Kaepernick (25) und Crabtree (25), die an den Erfahrungen in New Orleans nur wachsen können. Es könnte also nicht der letzte HarBowl gewesen sein.

Alle Super-Bowl-Champions im Überblick