Drei Spiele. Drei Pleiten. Mehr muss zur momentanen Stimmungslage bei den New York Giants, Pittsburgh Steelers, Washington Redskins und Minnesota Vikings gar nicht wissen. Ein derartiger Fehlstart in die neue Saison war von diesen vier Teams sicher nicht erwartet worden, teilweise galten sie sogar als aussichtsreiche Kandidaten auf die Playoffs. Die Form stimmt nicht - aber die Ursachen liegen tiefer.
New York Giants
Bei den New York Giants liegen die Probleme zunächst auf der Hand, besser gesagt: auf den Statistikzetteln. Mit acht Interceptions führt Eli Manning die Negativ-Liste der Quarterbacks "souverän" an, die elf Sacks gegen ihn sind der zweithöchste Wert in der Liga.
Manning ist sozusagen Täter und Opfer des schlechten Abschneidens der Männer in blau. Denn ein Laufspiel, das den Quarterback entlasten könnte, ist bei den New Yorkern nicht vorhanden. Insgesamt 133 Yards Raumgewinn am Boden in drei Spielen sprechen eine deutliche Sprache.
Im letzten Jahr hatte es Running Back Ahmad Bradshaw im selben Zeitraum allein auf dieselbe Anzahl Yards gebracht, dabei allerdings auch zwei durchwachsene Spiele hingelegt. In dieser NFL-Saison bringt es der zu den Colts gewechselte Bradshaw bisher sogar auf 178 Yards. Zum Vergleich: Nachfolger David Wilson hat als bester Läufer der Giants 75 Yards und gleich mehrere Fumbles auf dem Konto.
Probleme in der O-Line
Doch das fehlende Pass- und Laufspiel sind nur die Symptome, die Ursache ist eine andere: die Offensive Line. Rookie Justin Pugh sieht man seine Unerfahrenheit an, Guard Chris Snee und Center David Bass scheinen nicht hundertprozentig fit und hatten schon mit Verletzungen zu kämpfen.
Und Left Tackle Will Beatty schien sich gerade gegen die Panthers auf seiner gut dotierten Vertragsverlängerung auszuruhen. Gleich zweimal zeichnete er sich für einen Sack verantwortlich, einen vermeintlichen Touchdown-Lauf Wilsons pfiffen die Referees wegen eines Penaltys gegen Beatty zurück.
In der rührigen New Yorker Presse mehren sich die Stimmen, die mittlerweile die Halbwertszeit Tom Coughlins infrage stellen. Der Coach ist in seiner zehnten Saison bei den Giants und gewann mit ihnen gleich zwei Super Bowls. Die zwei Ringe sollten Coughlins Stellung im Big Apple eigentlich unangreifbar machen. Aber nur eigentlich, denn so mancher Experte fürchtet erste Abnutzungserscheinungen einer langen Amtszeit.
Das Ende von Tom Coughlin?
"Daily News"-Kolumnist Gary Myers führte den verstorbenen Raiders-Besitzer Al Davis ins Feld, der in den 80er Jahren die Weisheit aufstellte, dass ein NFL-Coach nach zehn Jahren abgelöst werden müsse - danach, so Davis, erreiche er seine Spieler mit immer derselben Botschaft nicht mehr.
Davis Meinung wurde zu Beginn der 90er mit Beginn der Free Agency und den damit verbundenen ansteigenden Spielerwechseln abgeschwächt, da ein Team pro Saison 30 Prozent neue Akteure aufweisen würde, so Myers. Eigentlich genug frisches Blut, um Coughlins Methoden nicht abnutzen zu lassen.
Beim 0:38 in Carolina erfüllten die Spieler ihre "Schuld" gegenüber Coach Coughlin, der trotz des Todes seines Bruders an der Seitenlinie stand, wie unter der Woche vollmündig angekündigt, nicht. Am Ende gab es die höchste Niederlage seiner Amtszeit.
Sollten die Giants weiterhin verlieren, dürfte sich der bereits 67-jährige Coach auch ohne Druck von außen überlegen, die Konsequenzen zu ziehen. Sein Vertrag läuft 2014 aus, das mühsame jahrelange Rebuilding des Teams könnte er sich ersparen wollen.
Pittsburgh Steelers
Bereits seit einigen Jahren unken die Experten in Sachen Pittsburgh und schreiben den Abgesang der alten Garde und den Abstieg des sechsfachen Titelgewinners herbei. In den letzten Jahren liefen Quarterback Ben Roethlisbeger und die Seinen den Alterserscheinungen noch davon - in dieser NFL-Saison scheinen sie endgültig eingeholt.
Es beginnt in der Offensive, die zum Saisonauftakt gegen die Tennessee Titans erst gute drei Minuten vor dem Ende den ersten Punktgewinn verzeichnen konnte und mehr humpelnd als gut laufend daherkommt. Beim 23:40 bei den Bears schien in der Offensive Line endgültig die Kapitulation unterschrieben: Coach Mike Tomlin ließ die Tackle rotieren - eine Maßnahme, die in der NFL eigentlich sehr verpönt ist.
Damit unterzeichnete Tomlin die Bankrotterklärung einer Einheit, die bereits seit Jahren mit Problemen kämpft und mit dem verletzungsbedingten Verlust von Maurkice Pouncey einen weiteren Tiefpunkt erreicht hat. Das Potenzial, Big Ben zu schützen und das Laufspiel anzukurbeln, scheint bei den derzeit vorhandenen Centern, Tackles und Guards nur bedingt vorhanden.
Mehr Improvisation für Big Ben?
Während obiges Problem nicht ad hoc gelöst werden kann, ist eine andere Baustelle zumindest in Ansätzen zu beseitigen. Neun Mal gaben die Pittsburgh Steelers den Ball in den ersten Spielen an den Gegner ab, vier Interceptions und fünf verlorene Fumbles hat man bisher verzeichnet.
Um diese Fehler abzustellen, ist schlicht und ergreifend Konzentration gefragt. Dass zum Beispiel Quarterback Roethlisberger es besser kann, beweisen seine Zahlen des letzten Jahres, als er nur acht Interceptions bei 26 Touchdowns warf. Auch 2010 und 2005 blieb er in Sachen Ballverluste einstellig. Er kann es also - und sollte die Ausrede, dass er ohne sein Lieblingsziel Mike Wallace, der zu den Miami Dolphins wechselte, agieren muss, gar nicht erst bemühen.
Dazu müsste ihm Offensive Coordinator Todd Haley wieder mehr Spielraum lassen. Big Ben ist einer der großen Improvisations-Künstler unter den Quarterbacks. Dafür braucht er manchmal Zeit und hält den Ball zu lange fest - eine Tatsache, die besonders für ihn sehr oft schmerzhaft war. Haleys Ziel, Roethlisberger eventuelle Sacks und weitere Verletzungspausen zu ersparen, erscheint derzeit verfehlt. Big Ben von der Leine zu lassen, könnte eine Verbesserung sein, die ohne großen Aufwand zu erreichen ist.
Washington Redskins
Washington im Herbst 2012: Die Fans der Stadt sind völlig aus dem Häuschen - nach Alex Ovechkin bei den Capitals und Pitcher Stephen Strasburg bei den Nationals haben auch die Redskins endlich ihren Spieler, der das Team befeuert und die Hoffnungen in den Himmel wachsen lässt. Robert Griffin III, im NFL-Draft dank eines kostspieligen Trades mit den Rams an zweiter Stelle gezogen, begeistert die NFL mit spektakulären Läufen von der Quarterback Position und führt das Team nach schwachem Start überraschend in die Playoffs.
Washington im Herbst 2013: Ähnlich wie MLB-Pendant Strasburg erlitt RGIII zum Ende der Debütsaison eine schwere Verletzung und musste sich am rechten Knie einer Kreuz- und Seitenband-Operation unterziehen. So verpasste der Redskins-Quarterback die gesamte Vorbereitung und wirkte zu Beginn der Saison wie ein Schatten seiner selbst. Nicht nur sein Laufspiel, selbst seine Wurfbewegung, so die Experten, wirke bei weitem nicht so flüssig wie gewohnt.
Ex-Quarterback Troy Aikman befürchtete gegenüber "Sporting News", dass der RGIII von 2012 möglicherweise nie wieder in der NFL zu sehen sein könnte. "Und das könnte auch okay sein. Er kann immer noch ein großer Spieler werden, schließlich kann er weiterhin den Ball werfen", beruhigte Aikman im selben Atemzug jedoch besorgte Washington-Fans.
Garcon verteidigt RGIII
Die Aussage Aikmans, RGIII sei nicht mehr derselbe, wird von Statistiken untermauert. Im letzten Jahr glänzte er als Triple Threat aus der Read Option, die Gegner mussten sich fragen: Wirft er? Läuft er? Oder kommt ein Handoff zum Running Back? In der letzten Saison mischte er dreimal häufiger eigene Laufspielzüge in den Angriff wie bisher in diesem Jahr, stellte "Business Insider" fest.
Dementsprechend sind seine Rushing Yards von 54 auf 21 Yards pro Partie gesunken. Er verbucht zwar mehr Passing Yards (325 Yards im Vergleich zu 213 im Jahr 2012), die sind aber auch mit den großen Rückständen der Redskins zu erklären.
Folgt man Redskins Wide Receiver Pierre Garcon, ist dieser Trend allerdings temporär. "Er ist noch nicht fit, das sieht man", erklärte er nicht zum ersten Mal auf "ESPN". "Er läuft schon mehr, aber das Knie behindert ihn immer noch." Den Skins bleibt die Hoffnung, dass es für RGIII im wahrsten Sinne des Wortes irgendwann wieder rund läuft.
Denn selbst als er am Sonntag beim 20:27 gegen die Lions zu seiner einst schärfsten Waffe griff, musste er einen Rückschlag hinnehmen. Weil er sich nach einem Lauf über 20 Yards und einem First Down nicht per Slide vor der Defense schützte, wurde er von der Defense getackelt und verlor den Football. Im letzten Jahr wäre dieser Lauf einer für die Highlights gewesen - in dieser Saison war es jedoch nur ein Fumble.
Minnesota Vikings
Quarterback Christian Ponder ist zwar keine Granata, an ihm und seiner Offensive liegt der 0-3-Start der Minnesota Vikings allerdings nicht: Die 27 Punkte pro Spiel sind eine ordentliche Zahl, zuletzt waren die Vikings zu Zeiten Brett Favres 2009 mit solchen Zahlen in die Saison gegangen. Und doch musste sich Ponder beim 27:31 gegen die Cleveland Browns trotz zweier Touchdown-Läufe Buhrufe der eigenen Fans gefallen lassen.
Allen Schmähungen gegen den Quarterback zum Trotz - auch MVP Adrian Peterson übrigens ist noch nicht in Bestform - ist es die Defensive, die Coach Leslie Frazier Sorgen machen dürfte. Für die beiden Defensive Ends Jared Allen und Brian Robison gab es bis dato nicht viel zu lachen.
Allen, der 2012 zwölf Sacks verbucht hatte, und Robison, in der letzten Saison mit 8,5 Sacks geführt, kommen erst auf jeweils einen Sack. "In den letzten zwei Minuten sind wir einfach furchtbar", so Allen gegenüber "twincities.com". "Das müssen wir einfach verbessern."
Nachlässigkeiten in der Endphase
Gegen Cleveland (27:31) und eine Woche zuvor gegen die Bears (30:31) hatten die Vikings die entscheidenden Scores in der letzten Spielminute kassiert. "Meiner Meinung nach hat uns das sogar drei Spiele gekostet", erklärte Allen über die nachlässige Defensive besonders in den Endphasen, "selbst in Detroit." Beim 24:34 am ersten Spieltag gegen die Lions hatte Minnesota kurz vor der Pause einen Touchdown kassiert.
Nicht nur Allen, auch seine Mitstreiter in der Defense nehmen diese Niederlagen auf ihre Kappe. "Sobald der Punt kommt und wir als Defensive aufs Feld gehen, ist es in unserer Hand, das Spiel zu gewinnen", stieß Linebacker Erin Henderson nach der Niederlage gegen Cleveland in der St. Paul Pioneer Press ins selbe Horn wie Allen.
Nach besagtem Punt marschierten die Browns beim Stande von 27:24 für Minnesota unter Führung ihres dritten Quarterbacks Brian Hoyer über das Feld und spielten dabei zwei Third Downs erfolgreich aus. Hoyers Touchdown-Pass auf Jordan Cameron besiegelte schließlich die dritte Pleite für die Vikings.
Und wie wollen sie eine solche Pleite verhindern? "Wir müssen sie stoppen, ganz einfach", lautet Robisons Lösung. Den Anfang könnte Minnesota am nächsten Sonntag in London machen - dort geht es gegen die Pittsburgh Steelers. Dann gibt es höchstwahrscheinlich zumindest ein Team weniger, das ohne Sieg da steht.
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