SPOX: Matt, als Kicker stehen Sie nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Während sich hunderte Reporter um Ihren Quarterback Peyton Manning scharen, interessiert sich kaum jemand für Sie. Sind Sie manchmal neidisch?
Matt Prater: Überhaupt nicht. Wir Kicker wissen ganz genau, dass wir eine Nebenrolle spielen. Einige belächeln uns sogar. Und ich gestehe selbst: Im Vergleich zu vielen anderen Spielern habe ich über weite Strecken einen recht lockeren Job. Aber wenn man im Super Bowl steht, kann man als Sportler nicht so viel falsch gemacht haben.
SPOX: Meist stehen Sie während den 60 Minuten Spielzeit am Seitenrand...
Prater: Und trotzdem muss man immer bereit sein. Es kann jederzeit passieren, dass es zu einem Kick kommt. Das ist auch die Schwierigkeit unseres Jobs: Obwohl man draußen ist, muss man emotional immer voll involviert bleiben, um für den vielleicht entscheidenden Moment gewappnet zu sein.
SPOX: Sie sagen es: Kicker können Spiele entscheiden. Auch am Sonntag?
Prater: Ich hätte definitiv nichts dagegen. (lacht) Das wäre die Krönung einer außergewöhnlichen Saison.
SPOX: In New Jersey ist es derzeit bitterkalt. Für das Spiel sind bis zu minus zehn Grad vorhergesagt. Wie gehen Sie damit um?
Prater: Das ist kein Problem, darüber mache ich mir kaum Gedanken. Entscheidend ist die mentale Einstellung, die Temperaturen sind zweitrangig. Ein kurzer Anlauf, ein kräftiger Schuss - das war's. Da kann es meinetwegen auch minus 20 oder minus 30 Grad haben. Allerdings bereitet mir etwas anderes Sorgen...
SPOX: Nämlich?
Prater: Der Wind! Das ist der große Gegner von Kickern. Den Wind können wir nicht beeinflussen. Wenn du Pech hast und eine Böe dich erwischt, kann es dich als Kicker ganz schön zerbröseln. Deshalb hoffe ich, dass es am Sonntag nicht zu windig wird.
SPOX: Wie halten Sie sich auf der Reservebank warm?
Prater: Wir haben besonders dicke, warme Jacken, die bei den angesagten Temperaturen dringend notwendig sind. Auch meine Füße packe ich fest in eine Jacke ein. Ebenso sind die Bänke extra geheizt.
SPOX: Ihre Füße sind Ihre mit Abstand wichtigsten Arbeitsgeräte. Pflegen Sie sie besonders?
Prater: Nein, nichts Besonderes. Zur Pediküre gehe ich nie, das wird alles zu Hause erledigt. Ich versuche aber, nie barfuß zu laufen, um die Verletzungsgefahr zu minimieren.
SPOX: In der NFL wird diskutiert, den Extra-Kick abzuschaffen. Was halten Sie davon?
Prater: Ich glaube tatsächlich, dass die Extra-Kicks früher oder später abgeschafft werden. Viele Anzeichen sprechen dafür. Die Trefferquoten sind einfach zu hoch, beinahe 100 Prozent. Aber ich fände das schlimm. Diese Kicks sind ja mein täglich Brot. Die sollen das bitte erst abschaffen, wenn ich meine Karriere beendet habe. (lacht)
SPOX: Diskutiert wird auch, das Torgestänge zu verkleinern, um die Kicks zu erschweren.
Prater: Das ist ein interessanter Ansatz. Aber wie gesagt: Ich befürchte, eines Tages werden die Extra-Kicks komplett abgeschafft.
SPOX: Schwieriger sind die Field Goals aus größerer Entfernung. Seit dem 8. Dezember 2013 sind Sie der neue Rekordmann!
Prater: Ja, das stimmt. Gegen die Tennesse Titans ist mir ein Field Goal aus 64 Yards Entfernung gelungen. Auf dem Spielfeld war mir gar nicht bewusst, dass ich etwas Historisches geleistet habe. Erst hinterher haben mir alle gesagt: "Hey Matt, das war ein neuer Rekord!"
SPOX: Die bisherige Bestmarke mit 63 Yards von Tom Dempsey wurde 43 Jahre lang nicht übertrumpft.
Prater: Das ist der helle Wahnsinn. Aus diesem Grund ist dieser Rekord etwas ganz Besonderes für mich.
SPOX: Wann verbessern Sie Ihren eigenen Rekord?
Prater: Am liebsten am Sonntag. (lacht) Grundsätzlich glaube ich schon, dass ein Field Goal aus 70 Yards Entfernung möglich ist.
SPOX: Wollten Sie eigentlich schon immer Football-Kicker werden?
Prater: Gar nicht. Begonnen habe ich meine Sportlerkarriere als Fußballer! An meiner High School in Florida war ich sogar Stammspieler.
SPOX: Welche Position?
Prater: Ich war ein ganz passabler Libero. Football interessierte mich zu dieser Zeit weniger.
SPOX: Wie gut kennen Sie sich heute noch im Fußball aus?
Prater: Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung mehr. Ich konzentriere mich jetzt nur noch auf meinen Job und verfolge keine anderen Sportarten mehr.
SPOX: Wann wechselten Sie vom Fußball zum Football?
Prater: Als ich an die University of Central Florida kam, hörte ich mit dem Fußball auf. In den USA interessiert das ja niemanden. Dann habe ich begonnen, Baseball und Football zu spielen.
SPOX: Warum Football?
Prater: Vielleicht können Sie sich an die Gramatica-Brüder Martin und Bill erinnern, die beide erfolgreiche Kicker in der NFL waren. Deren jüngere Brüder haben mit mir an der High School Fußball gespielt. Irgendwann sagte mein Vater zu mir: "Schau mal, was man erreichen kann, wenn man einen guten Schuss hat." Daraufhin ist der Gedanke entstanden, Football-Kicker zu werden. Wir haben begonnen, im heimischen Garten das Kicken zu üben. Fast jeden Tag, egal bei welchem Wetter.
SPOX: Ihr Vater Neil hat Ihnen also den Weg zum Super Bowl geebnet.
Prater: Ja, dafür bin ich ihm für immer und ewig dankbar. Wir haben eine sehr enge Beziehung, gehen regelmäßig angeln oder golfen. Sollte ich am Sonntag den Ring gewinnen, überlege ich sogar, ihm den Ring zu schenken. Meine Eltern werden im Stadion sein, ebenso zwei meiner jüngeren Brüder und meine Tochter, darüber freue ich mich riesig.
SPOX: Haben Sie eigentlich schon realisiert, dass Sie am Sonntag NFL-Champion werden können?
Prater: Jein. Es prasselt gerade eine ganze Menge auf uns ein. Trotzdem müssen wir versuchen, den Super Bowl wie ein ganz normales Spiel anzugehen. Für mich ist es natürlich etwas ganz Besonderes, ein Teil dieses Events sein zu dürfen. Ich bin jetzt 29 Jahre alt, war nie der Talentierteste, wurde schon viermal von Teams gecuttet, habe mich aber immer wieder zurückgekämpft. Es ist für mich eine riesengroße Ehre, im Super Bowl zu stehen.
SPOX: Warum gewinnt Ihre Mannschaft den Titel?
Prater: Weil wir Peyton Manning haben! Er ist ein Elite-Quarterback, vielleicht sogar der größte aller Zeiten. Er weiß, was in solchen Situationen zu tun ist, um erfolgreich zu sein.
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