Jerry Jones plaudert gerne mal aus dem Nähkästchen. Der Besitzer der Dallas Cowboys lebt und liebt sein Team und will nichts mehr, als nach jahrelanger Durststrecke wieder die Vince-Lombardi-Trophy zurück nach Big D zu holen. Und doch kann er sich manchmal nicht helfen und verrät Interna, die vielleicht nicht unbedingt an die Öffentlichkeit kommen sollten - aber die gleichzeitig auch das Phänomen Dallas Cowboys mit ausmachen.
Als Jones also Ende Februar bei der Combine in Indianapolis in seinem persönlichen Cowboys-Style-Wohnmobil saß, gewährte er einem Reporter von ESPN Dallas unerwartete Einblicke. Er berichtete von einem Treffen mit seinem Sohn und Vizepräsident Stephen Jones, Head Coach Jason Garrett, Quarterback Tony Romo und Tight End Jason Witten, das einige Wochen vorher in eben jenem Bus stattgefunden hatte.
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Jones erzählte: "Es war am späten Abend und Tony sagte: 'Jerry, sieh es doch so: Stephen hat noch 25 bis 30 Jahre Zeit in dem Business, der Coach vielleicht auch. Ich habe noch drei bis fünf, du hast noch drei bis fünf. Wir müssen zusammenhalten. Für uns zählt es jetzt.' Wir sprachen weiter über unseren Team und darüber, wie wir uns aufstellen wollen - und dass unsere Entscheidungen jetzt etwas bringen müssen."
Die Hype-Maschine
Romo selbst wurde öffentlich sogar noch deutlicher. Bei einer Award-Dankesrede Ende April stellte der Quarterback, der infolge seiner überstandenen Rücken-OPs seine intensivste Team-Saisonvorbereitung seit drei Jahren erlebt, klar: "Wir werden nächstes Jahr den Super Bowl gewinnen."
Die mit den Cowboys unweigerlich einhergehende Hype-Maschinerie läuft nach der starken Vorsaison also längst wieder und hat auch Zahlen zu bieten: Einer neuen Schätzung des Forbes-Magazins zufolge beläuft sich der Wert des Teams auf 3,2 Milliarden Dollar, womit die Cowboys nach Real Madrid die zweitwertvollste Sport-Franchise der Welt sind. Doch die laufende Offseason zeigt, dass all das nicht nur Marketing und Merchandising ist. Vielmehr haben die Cowboys jetzt das ganz große Ziel vor Augen.
Spätestens als sich Dallas Greg Hardy schnappte wurde das offensichtlich. Der Pass-Rusher, der wegen des akuten Vorwurfs der häuslichen Gewalt schon fast die komplette Vorsaison gesperrt verpasst hatte, erhielt zwar einen stark leistungsbezogenen Vertrag. Dass Jones aber überhaupt bereit war Hardy zu verpflichten, obwohl das Thema in der Liga und der Öffentlichkeit seit Ray Rice und Adrian Peterson so stark wahrgenommen und kritisiert wird, zeigt die hohe Zielsetzung und die damit verbundene Risikobereitschaft.
Bewusstes Risiko
Der nächste Schritt folgte im Draft, als Dallas sein Risk-Reward-Pass-Rush-Duo komplettierte: Bei Randy Gregory, was das Talent angeht ein Top-5-Pick, wurde bei der Combine Marihuana nachgewiesen. Seine Draft-Aktie stürzte in den Keller, bis die Cowboys schließlich an Position 60 zuschlugen. Der nächste Coup gelang bei La'el Collins: Der Tackle wurde nicht gedraftet, weil er mit der Ermordung seiner schwangeren Ex-Freundin in Verbindung gebracht wurde.
Nachdem klar war, dass Collins nicht der Vater des Kindes ist und er von der Polizei ohnehin nie offiziell als Täter in Betracht gezogen worden war, dauerte es nur wenige Tage, bis er in Dallas einen Dreijahresvertrag unterschrieb.
Seine, womöglich prophetische, Ankündigung: "Ich bin Teil von etwas Großartigem." Fügt man jetzt noch den potentiellen Nummer-1-CB Byron Jones, der tatsächliche Erstrunden-Pick, hinzu, hat sich Dallas in dieser Offseason im Prinzip mit vier Erstrunden-Talenten verstärkt. So geht All-in.
Der Stolperstart droht
Die Boys könnten so aus der größten Schwachstelle der Vorsaison im Laufe des Jahres eine Stärke machen: Die Front Seven hat das Potential, eine der besten der Liga zu werden. Allerdings ist hier auch Vorsicht geboten, denn zunächst regiert der Konjunktiv: Neben Hardy, der trotz reduzierter Sperre Stand jetzt noch immer die ersten vier Spiele verpassen wird, wurde auch Inside Linebacker Rolando McClain wegen Verstößen gegen die Liga-Regularien bezüglich verbotener Substanzen für die ersten vier Partien suspendiert.
Damit muss Dallas ohne zwei potentielle Top-Verteidiger sowohl mit den offensivstarken New Orleans Saints und Atlanta Falcons zurechtkommen, als auch die Division-Spiele gegen Philadelphia und die Giants bestreiten. Hier droht ein Stolperstart, wenn die Offense das Team nicht tragen kann. Dabei wäre ein guter Start auch mit Blick auf die Historie nicht unbedeutend.
Seit dem letzten Super-Bowl-Sieg 1995 steht Dallas bei 40 Siegen und 36 Niederlagen über die ersten vier Saisonspiele. Zwischen 1992 und 1995, als die Cowboys drei Mal den Titel holten, lautete die gleiche Bilanz 12-4. Und doch gibt es auch ohne McClain und Hardy Hoffnung in der Defense: Immerhin kehrt Linebacker Sean Lee nach seiner Verletzung zurück und wenn Lee fit bleibt, wird er die Defense wieder anführen.
Darüber hinaus erhoffen sich die Coaches viel von Tyrone Crawford: Seitdem der 25-Jährige vom Defensive End zum Defensive Tackle umfunktioniert wurde, blühte er regelrecht auf: In der vergangenen Saison verzeichnete er neben drei Sacks zusätzlich 37 QB-Hits und QB-Hurries. Dallas' Front Seven wird also plötzlich Druck auf gegnerische Quarterbacks ausüben können.
The Playmaker und die verbotene Zahl
Dennoch stand nicht nur die Defense im Fokus der Saisonvorbereitung: Vielmehr war die Vertragsverlängerung von Dez Bryant unmittelbar vor der Deadline mindestens genauso wichtig. Bryant hatte zuvor angekündigt, unter dem Franchise Tag auch in der Regular Season streiken zu wollen und Cowboys-WR-Legende Michael Irvin stellte klar: "Ich sage euch eines: Ohne die Nummer 88 wird es nicht besser als 8-8." In den Ohren von Jerry Jones gibt es wohl wenig schlimmeres.
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Nach der 6-10-Saison 2010 beendete Dallas die drei folgenden Spielzeiten jeweils mit acht Siegen und acht Niederlagen. Mehr Mittelmaß geht nicht und an Jones' Selbstverständnis hat das zweifellos genagt. Da auch Bryant, zumindest aus seinen College-Zeiten, abseits des Platzes kein unbeschriebenes Blatt ist gab es intern angeblich Diskussionen darüber, ob man dem 26-Jährigen den langfristigen Vertrag vorzeitig geben soll. Die kolportierten Garantien über 45 Millionen Dollar bestätigen die Risikobereitschaft.
Zwölf Siege und die damit verbundene Rückkehr in die Playoffs im vergangenen Jahr haben die einst so verwöhnten Fans sowie auch die Verantwortlichen Blut lecken lassen. Ohne Bryant wäre das wohl kaum zu wiederholen gewesen. Zwar hätten Romo und die herausragende O-Line auch Spiele gewinnen können, aber erst Bryant macht aus der guten Offense eine gefürchtete.
Die pure Präsenz des Star-Receivers wird das Running Game einfacher machen und gleichzeitig den restlichen Receivern das Leben ungemein erleichtern. Und es gibt Romo, der statistisch aus seiner besten NFL-Saison kommt, im Herbst seiner Karriere die Chance, die Cowboys zum ersten Mal seit 1995 wieder in den Super Bowl zu führen - und Dallas auch sportlich wieder zu America's Team zu machen. Immerhin, auch das weiß Jones, gibt es keinerlei Garantien, dass auf Romo der nächste Top-10-Quarterback folgt.
"Sind bereit für den Super Bowl"
Die Chance auf den ganz großen Wurf besteht dank der aggressiven und risikofreudigen Offseason auch ohne den Vorjahres-Top-Rusher: Dass DeMarco Murray ausgerechnet nach Philadelphia ging, dürfte in Dallas niemanden gefreut haben. Romo selbst hatte sich öffentlich für dessen Verbleib stark gemacht. Doch Philly war dazu bereit, den Geldbeutel trotz Murrays Verletzungshistorie und der arbeitsintensiven Vorsaison weit zu öffnen. Die Cowboys haben, völlig zurecht, stattdessen Bryant zu ihrer Priorität gemacht.
Der hatte dann nach der Unterschrift auch viele pathetische Worte parat: "Ich muss die ganze Zeit daran denken, dass ein Traum wahr wird. Ich denke, alles was jetzt noch fehlt, ist ein Super Bowl. Jetzt wo der Vertrag unterschrieben ist, kann ich mir nur vorstellen, was uns in dieser Saison erwartet. Wir sind bereit für den Super Bowl."
Natürlich ließ es sich auch Jones nicht nehmen, seine Meinung kundzutun, und sagte seinem Superstar: "Ich will dich einfach nur umarmen. Ich bin so stolz - Herzlichen Glückwunsch. Lass uns jetzt einfach fünf Super Bowls in Folge gewinnen, was meinst du?" Die Antwort wird Bryant auf dem Platz geben müssen.
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