Das dritte Viertel war schon fast zur Hälfte vorbei, zwischen den Patriots und den Eagles stand es 14:14. New England klopfte mit Nachdruck an die Tür. Third Down, von Phillys 5-Yard-Line. Tom Brady scannte das Feld einmal kurz und entschied sich für den schnellen Pass auf Danny Amendola.
Aber Philly hatte Amendola an der Goal Line in doppelter Manndeckung, Walter Thurmond fälschte den Wurf ab und Malcolm Jenkins musste nur noch zuschnappen. Doch nicht nur das: Jenkins trug den Ball die vollen 99 Yards zurück in New Englands Endzone. Das Spiel, das ohnehin schon auf des Messers Schneide stand, kippte und entglitt den Pats.
50 LIVESTREAMS in der Regular Season: Das NFL-Programm bei SPOX
Es sollte schließlich an diesem merkwürdigen Nachmittag in Foxborough nicht der einzige ungewöhnliche Eagles-Touchdown bleiben. Schon zuvor hatte Special-Teamer Najee Goode einen geblockten Punt in einen Touchdown verwandelt, es folgte noch ein 83-Yard-Punt-Return-TD durch Darren Sproles.
Kurzum: New Englands 28:35-Pleite am vergangenen Sonntag war ein Spiel voller Anomalien. Es war ein Spiel, das es schwer macht, Schlüsse daraus zu ziehen. Aber es war auch ein Spiel, das die Patriots auf den Nummer-3-Seed der AFC zurückwarf - und das einige alarmierende Tendenzen bestätigte.
"...so ist es im Moment eben nicht"
"Uns wäre es auch am liebsten, wenn jeder fit wäre", brachte es Brady anschließend selbst auf den Punkt. "Ich denke, das geht jedem so. Aber so ist es im Moment eben nicht." Namentlich wären da Dion Lewis (Saisonaus), Julian Edelman (frühestens zu den Playoffs zurück) und Rob Gronkowski zu nennen. Immerhin Gronk könnte schon am Sonntag wieder zurückkehren, der Tight End trainierte unter der Woche. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass New England seinem (nach Brady) offensivem Schlüsselspieler infolge der Knieverletzung noch eine Woche Zeit gibt.
Die NFL-Grundlagen-Übersicht: Offenses, Defenses und vieles mehr erklärt
Ohne seine drei wichtigsten Waffen konnte auch Brady die Niederlage gegen Philadelphia nicht verhindern, zum ersten Mal seit 2012 gingen die Patriots zwei Mal in Folge geschlagen vom Platz. Und die Ursachen liegen mit den Ausfällen und dem damit unweigerlich einhergehenden Qualitätsverlust auf der Hand.
Gegen die Eagles ließen Bradys Receiver neun Pässe fallen, bereits in den Spieltag war New England mit 33 Drops gegangen - der Liga-Höchstwert, der mehr als nur eindeutig verteidigt wurde. Folgerichtig leidet Bradys Wurfgenauigkeit: Mit Gronkowski und Edelman auf dem Feld brachte er in dieser Saison 68,5 Prozent seiner Pässe an den Mitspielern. Fehlt einer der beiden, fällt dieser Wert auf 55,8 Prozent. Es ist die offensichtlichste, aber nicht die einzige Problematik.
Sand im feinen Offense-Getriebe
Denn nicht nur das Fangen des Balls wird plötzlich zum Problem, die ganze Offense stockt. Die Receiver laufen sich nicht schnell genug (oder gar nicht) frei, Brady muss den Ball länger in der Hand halten - und das hinter einer ebenfalls stark verletzungsgeplagten Offensive Line.
Bekam er den Wurf über die ersten neun Spieltage noch innerhalb von 2,1 Sekunden weg (Ligaspitzenwert), fiel dieser Wert ab Week 10 auf 2,58 Sekunden. Dies reicht gerade noch für Rang 22. Der Pass-Rush hat somit mehr Zeit, um an Brady ran zu kommen und der Rhythmus der ganzen Offense wird durch die ausgedehnten Plays empfindlich gestört.
Brady gab unter der Woche offen zu: "Idealerweise willst du den Ball immer zum richtigen Zeitpunkt werfen. Ob durch einige Dinge in unserem Scheme oder einige Dinge in den Schemes unserer Gegner - wir waren gezwungen, den Ball etwas länger zu halten. Mein Wunsch ist, dass wir in unserem Rhythmus bleiben. Angesichts der Ergebnisse muss ich den Ball schneller werfen."
Dazu kommt, dass sich New England offensiv extrem auf Brady und das Passing Game verlassen muss: Das Running Game ist mit 3,8 Yards pro Run und 88,5 Rushing-Yards pro Spiel sehr inkonstant. LeGarrette Blount verzeichnet durchschnittlich 0,5 Yards pro Run weniger als im Vorjahr und erinnert so gar nicht mehr an den Back, der in den vergangenen beiden Jahren Indianapolis in den Playoffs zerlegte. Ohne Lewis ist es ein RB-Corps ohne einen Spieler, der konstant den Unterschied ausmachen und Defenses bedrohen kann.
Ungewohnte Vertrautheit
Grund zur Panik gibt es beim Titelverteidiger trotz alledem mitnichten. Die Division ist nur noch Formsache und angesichts des schweren Restprogramms der Conference-Konkurrenten Denver und Cincinnati ist auch der Top-Seed nach wie vor komplett offen. Aber trotzdem gilt: New England sollte es tunlichst vermeiden, zum ersten Mal seit 13 Jahren drei Pleiten in Folge zuzulassen. Zu wichtig ist die Bye Week für dieses personell angeschlagene Team.
Und mit Houston wartet ein potentiell gefährlicher Stolperstein, denn es gibt eine ungewohnte Vertrautheit zwischen beiden Teams. Texans-Coach Bill O'Brien arbeitete von 2007 bis 2011 unter Bill Belichick in New England und auch mehrere Spieler in Houstons Kader, unter anderem Vince Wilfork, haben ihre Wurzeln bei den Patriots.
"Ich glaube, beide Franchises kennen sich ganz gut. Sie haben einige Jungs von uns und beide Teams spielen im Prinzip die gleichen Systeme", erklärte Brady bei WEEI und mahnte: "Wir werden deutlich besser spielen müssen als gegen Philadelphia. Darauf müssen wir uns konzentrieren. 10-2 ist natürlich nicht schlecht, vor zwei Wochen haben wir uns zu diesem Zeitpunkt allerdings noch bei einer anderen Bilanz gesehen. Aber unsere ganze Saison liegt noch vor uns."
Watt spielt mit gebrochener Hand
In Houston könnte New Englands Offense indes aber auch abgesehen vom kompletten Prozess der eigenen Pass-Protection Probleme bekommen - auf die zu allem Überfluss ein zusätzlich motivierter (wenn er tatsächlich spielen kann) J.J. Watt wartet. Watt brach sich im Training unter der Woche die linke Hand, mit einer Schiene will er aber, wie er nur einen Tag später klarstellte, spielen.
Dass ihn die Pats gezielt an der Hand angehen könnten, fürchtet der Sack-Leader der Liga (13,5 Sacks) nicht: "Sollen sie ruhig. Gegner versuchen jede Woche alles Mögliche, also versucht es ruhig. Ich werde es ausnutzen, egal, was da kommt. Ich habe allein in dieser Saison schon mit viel größeren Problemen gespielt, deshalb mache ich mir da keine Gedanken."
Allerdings steht umgekehrt auch der Pats-Front-Seven der nächste Test bevor: Erst als Linebacker Dont'a Hightower, New Englands wichtigster Run-Stopper, gegen die Broncos verletzt raus musste, kam Denvers Running Game ins Rollen. Philly legte am Sonntag 128 Rushing-Yards drauf. Die Texans haben die Run-Game-Last ohne den verletzten Arian Foster auf die Schultern von Alfred Blue, Jonathan Grimes und Chris Polk verteilt - keine Ansammlung von Superstars, aber ein Trio, das solide abliefert.
"Das wird die nächste Herausforderung für uns. Darauf müssen wir vorbereitet sein, wir müssen hart arbeiten", forderte Defensive End Rob Ninkovich. Hightower kämpft aktuell noch, hinter seinem Einsatz gegen das Team mit den meisten Offensive Plays der Liga, steht ein großes Fragezeichen.
"Eine enorme Herausforderung"
O'Brien war dennoch bemüht, die Wogen zu glätten. Immerhin kommt sein Team mit einer bitteren Pleite in Buffalo im Gepäck und der Ex-Patriot weiß: "Das ist eine enorme Herausforderung. Dieses Team hat einen so guten Coach, viele wirklich gute Spieler und einen großartigen Quarterback." Auch seine Vergangenheit bei den Pats solle man nicht überschätzen, "ich denke, sie haben sich über die letzten Jahre verändert. Tom spielt, und das ist ein Lob, anders, je nachdem wen er um sich herum hat."
Das SPOX-Panel im Dezember: "Keine Perfect Season für Carolina"
Trotzdem könnte sich das Sunday Night Game für die Texans auch als Chance entpuppen. New England hatte schon vor den beiden jüngsten Pleiten sowohl gegen die Giants als auch gegen Buffalo ungewöhnliche Fehler und Nachlässigkeiten im eigenen Spiel. Umgekehrt haben die Patriots, um nochmals zum Eagles-Spiel zurück zu kommen, bislang weder mit der Defense, noch mit dem Special Team auch nur einen einzigen Touchdown zustande bekommen.
Womöglich ist die Zeit also reif, dass die dezimierte Offense beim Punkte sammeln etwas Unterstützung bekommt. Brady wird sich, fast überflüssig zu erwähnen, darauf natürlich nicht stützen. "Viel schlechter kann man als Quarterback nicht spielen", kommentierte er seinen 99-Yard-Pick-Six weiter: "Wir müssen einfach besser spielen." Umso mehr gilt das für Bradys Passfänger. Also unterm Strich alles ganz getreu dem altbekannten Belichick-Motto: Do your Job!