Es war der große Schocker: Vor fast exakt einem Jahr sorgten die Saints und die Seattle Seahawks für die Free-Agency-Sensation, als New Orleans Tight End Jimmy Graham für Center Max Unger an die Hawks abgab. Die Schlussfolgerung schien offensichtlich - die Saints wollten Druck von den Schultern von Quarterback Drew Brees nehmen, und stattdessen das eigene Running Game verstärken.
Doch schon damals reagierte man im Big Easy allergisch, wenn das Wort "Neuaufbau" fiel. Geschäftsführer Mickey Loomis etwa betonte: "Ich würde nicht sagen, dass das der richtige Ausdruck ist. Natürlich war unsere 7-9-Bilanz nicht gut genug und wir müssen uns verbessern. Aber wir haben viele gute Spieler, die auch schon in der vergangenen Saison in unserem Team waren."
Die anvisierte Umstellung funktionierte allerdings nicht wie erhofft. New Orleans verzeichnete bei 24,8 Runs pro Spiel lediglich 3,8 Yards pro Run - eine Statistik, mit der die Saints unter anderem hinter Denver, Jacksonville, Cleveland und den 49ers landeten. Am Ende stand die zweite 7-9-Saison in Folge, sowie jede Menge Fragezeichen. Und auch das ungeliebte Unwort macht dieser Tage schon wieder die Runde.
Wenn das Geld knapp wird
So sprachen nicht wenige vom nächsten anstehenden Neuaufbau, als Anfang Februar der vierfache All-Pro-Guard Jahri Evans entlassen wurde. "Die Saints kamen im zweiten Jahr in Folge auf uns zu und wollten eine Gehaltskürzung durchsetzen. Dem wollten wir aber nicht noch einmal zustimmen", berichtete Evans' Berater Jerrod Colton später. Der Hintergrund ist klar: Die Saints haben massive Cap-Probleme und könnten dadurch zu einer Art Umbruch gezwungen werden.
Neben Evans wird unter anderem auch Cornerback Brandon Browner gehen müssen, New Orleans plagen in der kommenden Saison die Geister der Vergangenheit. Junior Galette, der, kurz nachdem er einen Mega-Vertrag erhalten hatte, wegen seiner Ausraster abseits des Feldes entlassen wurde, Evans, David Hawthorne und Co. hinterlassen Dead Money in Höhe von knapp 25 Millionen Dollar - Geld, das die Saints nicht in neue Spieler stecken können. Es ist der klare Liga-Höchstwert in dieser Kategorie.
Die Offseason im Überblick: Der ganz normale Wahnsinn
Rechnet man dazu die 30 Millionen Dollar (!), mit denen der Vertrag von Brees den Cap 2016 Stand jetzt belastet, ist schon etwa ein Drittel des für Spielergehälter zur Verfügung stehenden Geldes verplant. Mit nur einem Spieler, der aktuell tatsächlich im Kader steht. Die Problemsuche in Louisiana führt daher folgerichtig schnell zu einer ganzen Reihe von schlechten Free-Agency- und Offseason-Entscheidungen.
Galette einen derart hoch dotierten Kontrakt zu geben war ein enormer Fehler, die FA-Neuzugänge Hawthorne, Browner, C.J. Spiller und Jairus Byrd wurden den Erwartungen und großzügigen Verträgen (bislang) nicht gerecht. Spiller sollte in der vergangenen Saison ein neuer Darren Sproles werden, nur 34 Receptions für 239 Yards standen am Ende auf seinem Konto. Browner sollte der Secondary mit seiner Erfahrung weiterhelfen. Das Ergebnis? Die meisten individuellen Strafen innerhalb einer Saison in der Geschichte der NFL (21).
Eine historisch schlechte Defense
Browner war so ein Teil des Problems in einer einzigen Baustelle: Die Saints hatten in der Vorsaison, trotz einiger hoher Investitionen auf dieser Seite des Balls, eine historisch schlechte Defense: 45 Touchdown-Pässe ließ New Orleans zu, ein neuer NFL-Rekord, insgesamt kassierte kein Team mehr Punkte als die Saints (29,8 pro Spiel) oder ließ auch nur ansatzweise so viele Yards pro gegnerischem Play zu (6,6).
Folgerichtig musste Defensive Coordinator Rob Ryan schon im Laufe der Saison gehen, Ex-Raiders-Coach Dennis Allen übernahm die Defense. Auch hier setzte sich eine Entwicklung fort, die langfristigen Erfolg äußerst schwierig macht.
Mit Gary Gibbs (zu passives Play-Calling), Gregg Williams (musste im Zuge des Bountygate-Skandals gehen), Steve Spagnuolo (Defense ließ 7.042 Yards zu - die meisten in der NFL-Geschichte) und schließlich Ryan, dessen Defense innerhalb eines Jahres von einer Top-Einheit bis ans Ligaende durchgereicht wurde, hatten die Saints in den vergangenen neun Jahren unter Head Coach Sean Payton vier Defensive Coordinator. Abgesehen von Williams ließ die sportliche Rendite arg zu wünschen übrig. Bei all seinen Fähigkeiten in der Offense bereitet die Defensive Payton offensichtlich Probleme.
Probleme, wohin man schaut
Die schlechten Auftritte lassen sich gerade in der vergangenen Saison auch schematisch erklären. So ließ New Orleans etwa vor allem in der ersten Saisonhälfte häufig einfache, kurze Completions zu (111/138, 1.035 Yards bei kurzen Pässen in Richtung Seitenlinie), häufig gingen diese Pässe auf das Konto der Linebacker. Der Pass-Rush (nur 31 Sacks) war ohne Galette zahnlos, Blitze waren ein enormes Risiko - denn abgesehen von Delvin Breaux machte auch die Secondary wenig Hoffnung.
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Die Entlassung von Evans zeigt: New Orleans macht auch vor großen Namen keinen Halt, wenn die Zahlen nicht (mehr) mit der Leistung übereinstimmen. Somit dürfte das Team auch noch mit entsprechenden Forderungen zur Gehaltsreduzierung auf Spiller, Byrd, Thomas Morstead oder Marques Colston zukommen. Cameron Jordan hat einer Umstrukturierung bereits zugestimmt, und auch mit Brees wird zu reden sein.
"Drew bleibt unser Quarterback"
"Ich weiß das: Drew bleibt unser Quarterback. Wir werden einen Weg finden, wie wir den Vertrag hinbekommen, egal ob er gleich bleibt oder verändert wird", kündigte Loomis bereits an. Auch wenn Brees inzwischen 37 Jahre alt ist und sich die Trade-Gerüchte häuften: Es gibt aus Saints-Sicht keinen Grund, den Franchise-Quarterback abzugeben. Brees spielte trotz einiger Verletzungsprobleme eine gute Saison, knackte als vierter Spieler die 60.000 Passing-Yard-Marke und hat mit der zehnten Saison in Folge mit wenigstens 4.000 Yards den eigenen Rekord ausgebaut.
Da Brees in sein letztes Vertragsjahr geht, wäre eine Verlängerung mit einer Umstrukturierung die nahe liegende Option, um Brees' astronomische Cap-Nummer für die kommende Saison (30 Millionen Dollar Cap Hit, 19,75 Millionen davon Basis-Gehalt) nach unten zu schrauben. Der Quarterback verriet allerdings beim Super Bowl: "Sollten hier Gespräche geplant sein, dann haben sie zumindest bisher noch nicht stattgefunden." Und trotzdem: Es gibt Hoffnung im Big Easy.
Mehr Herz, mehr Einsatz, mehr Zeit
Schon dieser Tage kann man rund um New Orleans eine positive Aufbruchstimmung vernehmen. Das Saison-Fazit von Payton ließ bereits tief blicken: "Es war nicht eine spezifische Sache, es war eine Summe mehrerer Dinge. Das passiert mit Spielern, genau wie mit Coaches und sonstigen Mitarbeiten. An irgendeinem Punkt haben sie ihre Karriere bereits beendet, ohne es zu verkünden. Das ist die menschliche Natur."
Übersetzung: Der Einsatz hat längst nicht immer gepasst und die Kultur sowie die Mentalität innerhalb des Teams müssen dringend verändert werden. Eine Erkenntnis, die zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr bereits regierte - kurioserweise könnte genau das jetzt den Unterschied ausmachen. Die damals durchgeführten Veränderungen im Playbook genau wie hinter den Kulissen sind jetzt etabliert, Dennis Allen und Scouting-Boss Jeff Ireland, beide vor einem Jahr verpflichtet, haben Zeit, um die Offseason vernünftig vorzubereiten.
Der Saison-Abschluss-Hangover: Von Magie, Nussknackern und Fakes
Neue Gesichter gibt es so eher auf den Assistenztrainer-Posten, wo etwa gezielt die Probleme in der Offensive Line angegangen wurden: O-Line-Coach Bret Ingalls musste nach sechs Jahren gehen und wird durch Dan Roushar ersetzt. "Bret und ich haben schon echt lange zusammen gearbeitet, das geht ja bis ins College zurück. Ich glaube aber, Dan gibt uns ein gewisses neues Element", begründete Payton seine Entscheidung. Darüber hinaus bringen die neu- beziehungsweise zurückgeholten Ex-Head-Coaches Joe Lombardi und Dan Campbell Erfahrung mit in die jeweiligen Positionsgruppen.
Brees: "Sind nah dran"
Von einem Neuaufbau wollen sie daher auch in diesem Jahr in New Orleans nichts wissen. "Ich habe das Gefühl, dass sich unser Fenster öffnet", stellte Brees vielmehr klar: "Wir sind sehr nah dran. Über die vergangenen beiden Jahre waren wir in manchen Bereichen jung und unerfahren. Das soll keine Entschuldigung sein, ich glaube einfach, dass wir nah dran waren und es noch nicht gereicht hat. Aber wir haben uns gesteigert und ich freue mich über die jungen, talentierten Spieler sowie über die Typen, die wir haben."
Und tatsächlich: In Breaux, Willie Snead, Brandin Cooks, Terron Armstead oder auch Andrus Peat hat New Orleans einige junge Spieler, die zu den Säulen der Zukunft werden können. Die Saints kommen dem Ziel des vor einem Jahr eingeleiteten Umschwungs, auch was den Charakter des Teams angeht, näher. Und so fügte Brees hinzu: "Mir ist egal, was die Leute sagen. Niemand, der das von außerhalb bewertet, weiß, wovon er redet. Ich glaube, wir kommen unserer Chance näher, auf den Titel zu schielen."