Marihuana, gehackte Accounts, College-Zahlungen: Laremy Tunsil sorgt mit einem kompletten Social-Media- und PR-Desaster für eine unfassbare Geschichte in der ersten Draft-Runde - und lässt viele Fragezeichen offen. John Elway hat womöglich wieder alles richtig gemacht und bekommt seinen Quarterback, während mehrere Teams mit Reaches enttäuschen. Außerdem: Wilde Zahlenspiele, und wer bleibt übrig? Die zweite Runde könnt ihr ab 0.30 Uhr in der Nacht zum Samstag hier verfolgen!
Laremy Tunsil - eine verrückte Geschichte: Nicht allzu lange ist es her, dass Offensive Tackle Laremy Tunsil als wahrscheinlicher Top-Pick für die Titans gehandelt wurde. Dann gingen die Rams und die Eagles hoch. Also San Diego an 3? Jacksonville an 5? Baltimore an 6? San Francisco an 7? Sicher würde Tunsil nicht aus der Top-10 fallen ... oder?
Die erste Runde in den sozialen Medien: "Irgendjemand hasst Tunsil richtig!"
Es sollte alles ganz anders kommen, ein waschechter Draft-Albtraum begann kurz vor Beginn der ersten Runde. Auf Tunsils Twitter-Account wurde ein Video gepostet, auf dem man den Offensive Tackle sieht, wie er eine Gasmaske trägt und etwas durch eine Bong raucht. Das Video wurde schnell gelöscht, hatte aber natürlich längst die Runde gemacht. Während Tunsil also auf seinem Platz im Auditorium Theatre in Chicago saß und immer unglücklicher dreinschaute, verabschiedete sich ein Team nach dem anderen, er wurde durchgereicht und sollte schließlich mehrere Millionen Dollar verlieren.
Sein Berater bemühte sich im Netz um Schadensbegrenzung, verstrickte sich in Widersprüche und versuchte, für seinen Klienten zu retten, was noch zu retten ist. Das war nicht viel - denn wenig später wurde offenbar auch Tunsils Instagram-Profil gehackt.
Dort tauchte nämlich, nachdem die Dolphins Tunsils grausamen Abend schließlich an Nummer 13 beendet hatten, Screenshots von Handy-Gesprächen auf. Die lassen darauf schließen, dass Tunsil von einem College-Trainer Geld erhalten hatte. Darauf in der anschließenden Pressekonferenz angesprochen, verneinte er mögliche Zahlungen zunächst, auf Nachfrage bestätigte er aber wenig später. Dann brach er das Interview ab - hatte sich aber bereits halb um Kopf und Kragen geredet. Beziehungsweise seine Alma Mater Ole Miss. Dort wurde umgehend eine Untersuchung angekündigt.
Die Dolphins hoffen darauf, dass Tunsils Leistungen auf dem Gridiron darunter nicht leiden werden. Zumindest das Video sei dem Team bereits bekannt gewesen, erklärte die Franchise. Es sei bereits zwei Jahre alt. Zweifel darüber, ob wirklich Tunsil darauf zu sehen ist, beseitigte der Tackle selbst: "Es war ein Fehler, der mir vor einigen Jahren passiert ist. Jemand hat sich in meinen Twitter-Account gehackt und so ist das passiert. Es ist eine verrückte Welt. Aber alles passiert aus einem Grund."
Die spannende Frage: Wer hat Tunsil derart sabotiert? Gerüchte über Tunsils Stiefvater kursieren, der gegen den Tackle bereits mehrfach geklagt hat. Auch ein früherer Berater wurde gehandelt. Darüber hinaus noch offen: Haben die Enthüllungen ein Nachspiel? Tunsil selbst erklärte, er wolle keine Anklage erheben. Heißt das, dass er den Übeltäter kennt?
Denver hat seinen Quarterback:Interesse an Sam Bradford, wilde Gerüchte über Connor Cook oder Christian Hackenberg am Ende der ersten Runde - die Denver Broncos waren bis vor wenigen Stunden noch eine absolute Wildcard im Bezug auf den Quarterback-Markt. Das änderte sich mit der ersten Runde des Drafts.
Die Broncos tauschten Erstrunden-Picks mit Seattle, die Seahawks erhielten dafür Denvers Drittrunden-Pick an Nummer 94. An Nummer 26 durfte sich Denver damit seinen Quarterback der Zukunft schnappen: Memphis' Paxton Lynch, etwas überraschend an San Francisco, Buffalo und den Jets vorbei gerutscht, ist ein Denver Bronco - und womöglich hat John Elway mit Blick auf seine Quarterbacks wieder alles richtig gemacht.
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Statt Brock Osweiler klar überbezahlen zu müssen, können die Broncos jetzt zumindest langfristig auf Lynch setzen, der wie gemacht sein dürfte für die Offense von Gary Kubiak. Play Action und Bootlegs waren Lynchs Markenzeichen im College, ein elementarer Bestandteil der Kubiak-Offense. Lynch glänzt mit Power, einem beeindruckenden Deep Ball und guter Completion Percentage gegen Pressure. Und all das für 7 Millionen Dollar garantiert über drei Jahre. Osweiler hatte bekanntlich einen Kontrakt über 72 Millionen Dollar unterschrieben.
Die verletzten Linebacker fallen: Es sickerte schon vor dem Draft durch: Jaylon Smith hat einen Nervenschaden im Knie und wird 2016 wohl überhaupt nicht spielen (was danach passiert weiß niemand), Myles Jacks Meniskusriss könnte ebenfalls langfristige Folgen haben und seine Karriere deutlich verkürzen. Rein sportlich sind beide mindestens Top-10-Spieler in diesem Draft, die Verletzungen ließen die Prognosen sinken. Doch dass beide komplett aus der ersten Runde fallen, kam dann schon überraschend.
Etwas anders war der Fall bei Alabamas Reggie Ragland. Erst kurz vor der ersten Runde kam raus, dass der Inside Linebacker eine Erweiterung der Hauptschlagader hat. Die muss zwar permanent beobachtet werden, soll seine sportliche Leistungsfähigkeit aber nicht beeinträchtigen. Dennoch muss auch Ragland auf den zweiten Tag hoffen.
Zumindest Jack dürfte nicht mehr lange auf dem Board sein: Browns-Coach Hue Jackson drückte bereits seine Überraschung darüber aus, dass der Linebacker die erste Runde komplett verpasste. Kurze Erinnerung an dieser Stelle: Cleveland hat den ersten Pick in der zweiten Runde.
Spannung dank Trades: Klar, die beiden großen Trades rund um die Rams und die Eagles standen schon im Vorfeld fest. Doch im Gegensatz zum Vorjahr gab es in diesem Jahr auch während der ersten Runde mehrere spannende Trades.
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Die Titans gingen wieder ein Stück hoch, die Bucs tauschten mit den Bears, die Broncos gingen für Lynch hoch, Houston und Washington tauschten Plätz, San Francisco kam zurück in die erste Runde - alleine der achte Pick wurde insgesamt drei Mal getradet!
Und es hätte noch mehr kommen können: Insider-Informationen zufolge hat Dallas Seattle Zweit- und Drittrunden-Picks angeboten, um für Lynch in die erste Runde zurück zu kommen. Gerne mehr davon am zweiten Tag!
Die größten Reaches: Bereits in der Top-10 fing es an: Die Bears hoffen bei Leonard Floyd auf viel Upside, Floyd ist Stand heute noch ein großes Risiko in der Run-Defense und könnte in der NFL nie mehr werden als ein reiner Pass-Rusher. Dass die Giants direkt danach Eli Apple nehmen macht wenig Sinn: Die ganze teure Free Agency war darauf ausgerichtet, die Defense aggressiv zu machen und Turnover zu forcieren (deshalb kam Janoris Jenkins für viel Geld). Das Problem: Apple sucht den Ball überhaupt nicht! Und Vernon Hargreaves war noch verfügbar ...
Der größte Reach in der ersten Runde kam aber an Nummer 17: Keanu Neal zu den Falcons - ein reiner Strong Safety, der inkonstant ist, Tackles verpasst und keineswegs als verlässlicher Cover-Spieler glänzt. Man muss davon ausgehen, dass er auch später noch verfügbar gewesen wäre. Falcons-GM Thomas Dimitroff unterlief anschließend ein peinlicher Fauxpas, als er Neal "Keanu Reeves" nannte. Naja, andererseits bestätigte der Footballpieler später, dass er nach dem Schauspieler benannt worden sei.
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Dass sich die Texans für Receiver Will Fuller entschieden haben, mag vom Spielertyp her Sinn machen. Der Value wäre allerdings bei Josh Doctson gelegen, den sich die Washington Redskins prompt mit dem nächsten Pick schnappten. Honorable Mention: Die 49ers traden zurück in die erste Runde und nehmen einen Guard. Interior O-Liner gibt es sehr viele gute, die in der zweiten Runde zu haben sein werden, angeführt von Cody Whitehair.
Picks, die Sinn machen: Neben den Reaches gab es aber auch viele wahnsinnig sinnvolle Picks: Jalen Ramsey kann Jackonsvilles Secondary auf einen Schlag viel besser machen, auch DeForest Buckner nach San Francisco war ein No-Brainer. Die Bucs schnappen sich Vernon Hargreaves, die Browns mit Corey Coleman einen extrem talentierten Receiver. Es dürfte nicht der letzte Wideout für Cleveland in diesem Draft gewesen sein.
In der zweiten Hälfte stechen dann drei Picks hervor: Colts-QB Andrew Luck war in der Vorsaison bei 33,5 Prozent seiner Dropbacks unter Druck, ein persönlicher Karriere-Höchstwert. Alabama-Center Ryan Kelly macht aus einer Schwäche sofort eine Stärke und kann die Baustelle für Indy auf zehn Jahre schließen.
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Ebenfalls lobenswert war die Entscheidung der Vikings, Laquon Treadwell an Nummer 23 zu ziehen. Der Receiver aus Mississippi glänzt mit guter Balance, sicheren Händen, als Run-Blocker und als Waffe über die Mitte. Teddy Bridgewater sagt danke.
Abschließend sind hier auch die Arizona Cardinals zu nennen. Mit Robert Nkemdiche bekommt man einen, rein vom Tape her, Top-7-Spieler dieser Draft-Klasse. Schlechte Gesellschaft führte dazu, dass er mit Drogen in Kontakt kam. Die Cards sind nach den persönlichen Treffen davon überzeugt, dass ihr starker Locker Room den hochtalentierten Defensive Tackle in der Spur halten kann. Arizona hatte im Vorjahr nur 36 Sacks, der schlechteste Wert aller Playoff-Teams. Nkemdiche und der in der Free Agency verpflichtete Chandler Jones sollten das ändern.
Zahlen, Zahlen, Zahlen: Erster handfester Gewinner der ersten Runde: Ohio State! Urban Meyers College-Programm war der Superstar am ersten Tag, die Buckeyes brachten gleich fünf (!) Spieler in der ersten Runde unter: Joey Bosa, Ezekiel Elliott, Eli Apple, Taylor Decker und Darron Lee. Alle fünf waren gar in der Top-20 schon weg.
Die Needs der 32 Teams: Ran an die Problemzonen!
Mehr Zahlen gefällig? Überhaupt kein Problem: Artie Burns ist seit 2003 der erste Defensive Back, den Pittsburgh in der ersten Runde genommen hat. Damals schnappten sich die Steelers einen gewissen Troy Polamalu (kein Druck!).
Die Jets haben jetzt in sieben Jahren in Folge einen Verteidiger in der ersten Runde gezogen. Es ist der erste Draft, in dem drei Receiver nacheinander in der ersten Runde gewählt wurden. Die Bears haben zum ersten Mal seit 1996 in der ersten Runde nach oben getradet. Moneyball in Cleveland: Die Browns haben jetzt zwei Erstrunden- und zwei Zweitrunden-Picks im 2017er Draft.
Wer ist noch übrig? Die Linebacker haben wir bereits angesprochen, doch es gibt noch viel mehr potentielles Erstrunden-Talent: Die Defensive Ends Kevin Dodd und Emmanuel Ogbah dürften früh vom Board gehen, gleiches gilt für Cornerback Mackensie Alexander. Mit Noah Spence gibt es einen weiteren hochtalentierten Pass-Rusher mit Charakter-Fragen.
Der beste verbleibende Defensive Tackle ist Andrew Billings, ein Nose Tackle mit enormer Power. Generell ist die D-Line aber noch tief besetzt: Chris Jones, Alabamas Run-Stopper A'Shawn Robinson und Jarran Reed - hier haben Teams mitunter noch die Qual der Wahl.
Running Back Derrick Henry sollte am zweiten Tag ebenfalls ein neues Team finden und dann gibt es mit Connor Cook, Christian Hackenberg, Kevin Hogan, Vernon Adams und Co. noch zahlreiche Quarterbacks. Auch am zweiten Tag ist also für jede Menge Spannung gesorgt. Und die New England Patriots waren ja noch gar nicht dran! Verfolgen könnt ihr das Spektakel hier im LIVE-Ticker!