Die neue Saison hat begonnen, für Björn Werner geht die Suche nach einem neuen Team vorerst weiter. Doch es gibt Grund zur Hoffnung - und Neuigkeiten, die der Pass-Rusher exklusiv in seiner SPOX-Kolumne verrät. Außerdem blickt Werner auf seine Zeit in Jacksonville zurück, zieht Vergleiche zu den Colts und erklärt, warum er sich jetzt höchstpersönlich um den Football-Nachwuchs kümmert.
gettyLiebe SPOX-Community, liebe Football-Fans,
meine letzte Kolumne ist ja doch eine Weile her, daher zunächst einmal: Mir geht es sehr gut! Ich war jetzt für eine paar Tage in Berlin und habe meine Familie besucht, dazu komme ich ja leider nicht so oft.
Wie ihr sicher wisst, bin ich aktuell noch auf der Suche nach einem Team, und durfte jüngst bei den Detroit Lions vorspielen. So etwas läuft in der NFL sehr spontan ab: Während der Saison laden die Teams in jeder Woche eine Handvoll Spieler zum Probetraining ein, und zwar immer am Dienstag.
Man wird am Donnerstag oder Freitag angerufen und am Montagabend eingeflogen, verbringt dann am Dienstagmorgen drei Stunden beim Arzt und danach hat man ein halbstündiges Training. Anschließend verraten die Teams, ob sie Interesse haben, oder ob sie dich nur auf ihre Liste setzen - das sagen sie allerdings fast immer. Einen richtigen Grund für eine Absage erfährt man dabei eher selten.
Es war ein gutes Workout, das haben die Coaches mir danach auch bestätigt, aktuell aber braucht Detroit keinen Defensive End. Die Teams testen gerne Spieler, um sich einen Eindruck zu verschaffen, sollten sie auf der Position beispielsweise durch eine Verletzung kurzfristig Bedarf haben.
Jede Menge Kopfsache
Davor war ich über den Sommer für einige Monate bei den Jacksonville Jaguars und habe dort die Saisonvorbereitung mitgemacht. Die Jaguars-Defense wurde vor der Saison sehr gelobt und das Team hat auch die richtigen Spieler und viel Potential, hat bisher allerdings trotzdem noch Probleme.
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Manchmal ist es einfach eine Kopfsache. Wenn Teams wie die Jaguars oder die Cleveland Browns über Jahre immer wieder verlieren, ist es mental schwierig, den Sprung da raus zu schaffen. Man muss an sich glauben und daran, dass man gewinnen kann. Irgendwann wird das kommen, bei den Oakland Raiders klappt es aktuell ja auch.
Die Raiders waren seit einer halben Ewigkeit nicht mehr in den Playoffs und im Moment machen sie vieles richtig. Es muss irgendwann einfach Klick machen. Man darf nicht vergessen: Die Teams in der NFL haben alle Talent. Es gibt kein Bayern München, das sich alle Spieler kaufen kann. Jedes Team hat zunächst einmal die gleichen Voraussetzungen und die gleichen Möglichkeiten.
In Jacksonville auf der Short-List
Leider hat es bei den Jaguars zunächst nicht geklappt. Eine Entlassung bei einem NFL-Team ist eine relativ unspektakuläre Sache. Das Team - also einer, der dort Praktikum macht - ruft am Morgen an und ich wurde dann gefragt, ob ich schon in der Kabine bin. Ich habe ja gesagt, dann hieß es: "Komm mal raus und bring dein Playbook mit."
Da wusste ich natürlich, dass ich entlassen werde. Danach ging es zum Geschäftsführer ins Büro und der hat mir die Gründe erklärt. Er sagte mir, dass ich eine gute Preseason gespielt habe und das Team mich mag, aber dass es eben auf meiner Position einfach keinen Platz mehr gibt. Jacksonville hat auf meiner Position junge, talentierte Spieler, in die sie Draft Picks investiert haben, und niemand hat sich dort in der Saisonvorbereitung verletzt, somit war ich außen vor.
Als ich aber am Wochenende beim Spiel in London war, stand ich im Stadion und der Jaguars-Geschäftsführer kam zu mir rüber, hat mich direkt angesprochen und gefragt, wie es mir geht. Dahingehend war es in Jacksonville eine ganz andere Stimmung als bei den Colts. In Indianapolis hat jeder einen riesigen Respekt vor dem Geschäftsführer, jeder siezt ihn und kaum ein Spieler redet mal mit ihm.
Bei den Jaguars war der Geschäftsführer immer bei den Meetings dabei und man konnte einfacher eine Beziehung zu ihm aufbauen. Auch mit den Coaches kam ich sehr gut klar, meine Coaches haben sich alle von mir verabschiedet, wir hatten einfach Spaß zusammen. Nichtsdestotrotz muss Jacksonville jetzt anfangen, Spiele zu gewinnen - denn sonst könnte schon bald ein neuer Trainerstab da sein. Auf jeden Fall kenne ich bei den Jaguars das Scheme und das Playbook und ich bin mir sicher, dass ich auf ihrer Short-List stehe, sollte sich jemand verletzen.
Fitbleiben in Indianapolis
Ich selbst verfolge die NFL aktuell durchaus, wenn es mein Zeitplan erlaubt. Gerade die Colts- und die Jaguars-Spiele schaue ich - es ist natürlich immer besonders schön, wenn ich Spieler persönlich kenne. Ein paar Spiele pro Woche schaue ich mir immer an.
Ansonsten aber geht es aktuell ums Training und darum, fit zu bleiben, wenn eben ein Team anruft. Ich arbeite dafür in einem Trainingskomplex in Indianapolis. Das funktioniert so: Man bezahlt die Coaches, das sind erfahrene Fitness-Trainer, und die stellen dann einen Plan für die Woche zusammen.
In diesem Komplex sind auch viele Ex-Colts-Spieler: Die trainieren noch dort, wenn sie vom Team entlassen worden und noch nicht woanders hingegangen sind. Es sind also meistens ungefähr sechs, sieben Leute, die zusammen trainieren.
Das nächste Probetraining steht schon fest!
Darüber hinaus gibt es auch abseits des Platzes Neuigkeiten: Ich habe ein neues Projekt gestartet, Gridiron Imports. Zusammengefasst handelt es sich um einen internationalen Scouting-Service, einen Vermittlungs-Service, um Spielern eine Chance zu geben, in Amerika an die High Schools, Junior Colleges, Colleges und die Privatschulen zu kommen.
Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass wir einen guten Football-Spieler finden. Das Gesamtpaket muss vielmehr stimmen: Die Noten müssen passen, ein Englisch-Test muss bestanden werden, da gibt es viele Dinge drum herum - und viele wissen darüber gar nicht Bescheid. Dafür sind wir da. Wir arbeiten mit Schulen zusammen, damit die Schüler etwa eine Art Stipendium für die Privatschulen bekommen, wo sie übrigens auch eine sehr gute Schulbildung erhalten. Wir kümmern uns dann um Visa und darum, dass ein Schüler auch die Erlaubnis hat, in den USA Football zu spielen.
Wir evaluieren die Spieler dafür sportlich und akademisch. Mein Partner ist mein alter High-School-Coach, der schon seit 20 Jahren Spieler bewertet. Er hat mich damals rüber gebracht und über die Jahre hat er natürlich viele Kontakte geknüpft, genau wie ich selbst in den vergangenen Jahren. College-Coaches und High-School-Coaches haben mich immer wieder angerufen und gefragt, ob ich nicht noch andere Europäer kenne, die Talent haben.
Für die Schulteams in Amerika ist es schwer, in Europa Spieler zu scouten. Aber wenn es jemanden gibt, der ihnen die Spieler im Prinzip auf dem Silbertablett serviert, dann ist das für sie natürlich hochinteressant. Und es geht nicht mal nur um Deutschland oder Österreich, sondern beispielsweise auch um Kanada - auch die Kanadier wissen oft nicht, worauf sie da achten müssen. Ich selbst war in einem ähnlichen Programm und es macht mir jetzt viel Spaß. Es gibt einen Markt - und wir schauen einfach, wo es uns hinführt. In Amerika gibt es so viele Möglichkeiten, man muss sie nur finden.
Zum Abschluss passend zum Stichwort "Möglichkeiten": Ich kann euch verraten, dass ich, während ich unterwegs war, angerufen wurde und mein nächstes Probetraining bei einem anderen Team bereits feststeht. Welches Team das ist, kann ich noch nicht sagen - aber das werdet ihr bald erfahren!
Bis Bald!
Euer Björn
Björn Werner, geboren am 30. August 1990 in Berlin, wurde im NFL-Draft 2013 in der 1. Runde mit dem 24. Pick von den Indianapolis Colts gezogen. 2016 ist für den Defensive End, der am College für die Florida State Seminoles spielte, die vierte NFL-Saison.