"Mit meinen Quellen ist es wie beim Dating"

Stefan Petri
22. Dezember 201612:31
Hunderte Anrufe, tausende Nachrichten pro Woche: NFL-Reporter Ian Rapoportgetty
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Ian Rapoports Name steht in der NFL gleichbedeutend mit Breaking News: Der NFL-Network-Insider gehört zu den am besten vernetzten Reportern überhaupt. SPOX sprach mit dem 36-Jährigen über seinen Full-Time-Job inklusive Anrufe am Esstisch, Berater-Tricks und Ärger mit Spielern oder Coachs. Außerdem verrät er, wieso die Arbeit mit anonymen Quellen eigentlich doch nichts anderes als Dating ist.

SPOX: Mr. Rapoport, an ihrem Namen kommt man beim NFL-Bereich auf SPOX kaum vorbei: Ihr Name fällt fast immer, wenn es sich um Breaking News handelt. Wie würden Sie Ihren Aufgabenbereich als "NFL Network Insider" beschreiben?

Ian Rapoport: Ich versuche einfach, den Überblick über die wichtigsten News in der NFL zu behalten. Ob man Fan eines ganz bestimmten Teams ist, der Liga im Allgemeinen oder auch nur Fantasy Football spielt: Was sind die wichtigsten Dinge, die den wichtigsten Personen passieren? Wer hat sich verletzt? Welches Team bekommt einen Spieler zurück? Welche Coachs werden angeheuert oder gefeuert? Was passiert wirklich in den Umkleidekabinen? Dann liefere ich diesen Überblick.

SPOX: Heißt das, Sie sind die ganze Woche unterwegs?

Rapoport: Ich habe ein Studio in meinem Keller, das das NFL Network dort für mich eingerichtet hat. Von Montag bis Freitag bin ich aus meinem Studio on Air - zu unterschiedlichsten Zeiten, wann immer etwas passiert. Am Sonntag bin ich dann für unsere Pregame Show in New York City in der NFL-Zentrale. Die wichtigsten News kommen meistens am Sonntag oder Donnerstag in unseren beiden Pregame-Shows. Darauf verwende ich den Großteil meiner Zeit. Für den Super Bowl, die Combines und derartige Events bin ich dann normalerweise vor Ort.

SPOX: Wann haben Sie am meisten Stress? Vor dem Super Bowl?

Rapoport: Für mich ist das wahrscheinlich die erste Woche der Free Agency. Und der Saisonabschluss, der Black Monday, an dem Coachs gefeuert oder verpflichtet werden. Das ist gleichzeitig die Phase, in der die Konkurrenz am größten ist: Wie jeder andere Reporter auch möchte ich Breaking News präsentieren und wissen, was da draußen passiert. Deshalb ist der Wettbewerb sehr groß.

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SPOX: Und was passiert, wenn Sie im Urlaub oder auf einer Hochzeitsfeier sind und einen wichtigen Hinweis kriegen?

Rapoport: (lacht) Nun, derlei Aktivitäten gibt es bei mir nicht oft. Manchmal hab ich dann doch frei, und wir haben auch großartige Reporter, die dann für mich einspringen und die News abfangen. Aber oft habe ich zwar frei, muss aber am Ende trotzdem arbeiten - denn wenn die Neuigkeit rauskommt und ich im Urlaub einen Anruf bekomme, dann werde ich immer rangehen und mit der Öffentlichkeit das teilen, was ich weiß. Die Arbeit lässt mich also auch im Urlaub nicht los.

SPOX: Was es für Ihre Familie sicher nicht einfacher macht. Ihre Frau postet auf Twitter hin und wieder Fotos, wie Ihre Söhne Daddy im Fernseher sehen.

Rapoport: Das ist für die Familie definitiv nicht einfach. Meine Frau ist unglaublich und sehr verständnisvoll in dieser Hinsicht. Sie kennt den Job, ich war schon Reporter als wir uns in Mississippi damals kennengelernt haben. Sie respektiert meine Arbeit. Wenn also beim Abendessen ein Anruf kommt, bei dem ich rangehen muss, dann beschwert sie sich darüber nie. Sie weiß ja auch dass es ein Unterschied ist, ob es sich um eine wichtige Neuigkeit handelt oder ich einfach nur Smalltalk mache.

SPOX

SPOX: Aber woher weiß sie denn, dass es eine große Neuigkeit ist? Teilen Sie Ihre Quellen mit ihr?

Rapoport: (lacht) Nein, das nicht. Manchmal hört sie natürlich, wie ein Name fällt. Aber wir kennen uns jetzt schon fast zehn Jahre. Da weiß sie schon, wann es wirklich wichtig ist. Ich verhalte mich dann auch anders. Wenn es ein Anruf ist, den ich unbedingt nehmen muss, muss ich ihr eigentlich nicht allzu viel erklären.

SPOX: Von wie vielen Anrufen, Textnachrichten und E-Mails reden wir denn pro Woche?

Rapoport: Textnachrichten auf jeden Fall mehrere tausend. Anrufe mehrere hundert.

SPOX: Na gut, dann lassen Sie uns ein bisschen über Ihre "Quellen" sprechen - was natürlich schwierig ist, weil Sie sie mir selbstverständlich nicht enthüllen werden. Aber vielleicht können Sie mir etwas darüber sagen, wie Sie an all diese Quellen herangekommen sind. Wie lange hat es gedauert, bis Ihr Netzwerk aufgebaut war?

Rapoport: Naja, ich arbeite immer noch dran. Ich bin jetzt seit fünf Jahren beim NFL Network und jeden Tag gehört es dazu, neue Quellen zu erschließen, Menschen zu treffen und Beziehungen aufzubauen. Um so einen Weg zu finden, an die Neuigkeiten heranzukommen. Als ich anfing und dann zum Insider wurde, war ich jede Woche mit Thursday Night Football unterwegs und bin also viel gereist. Und bei jedem dieser Trips war die Frage: Wen kann ich dort treffen? Und wenn etwas passiert, geht diese Person vielleicht ans Telefon und sagt es dir als erstes. An solchen Dingen muss ich jeden Tag arbeiten.

SPOX: Haben Sie denn in jedem Team eine Quelle? Oder vielleicht sogar mehrere?

Rapoport: Ich versuche, überall meine Quellen zu haben. Teams, Berater, Spieler, die Liga - überall. Je besser die Quellen, desto größer die Chance, dass ich zum einen als Erster etwas berichte. Und zum anderen natürlich, dass das auch stimmt.

SPOX: Was passiert denn, wenn ein Coach oder ein ganzes Front Office gefeuert wird? Müssen Sie dann neue Quellen erschließen?

Rapoport: (lacht) Oh ja. Wenn bei einem Großreinemachen Coach, GM und alle um sie herum gefeuert werden, heißt es für mich: Okay, jetzt kenne ich dort nicht mehr so viele Leute. Also mache ich mich besser an die Arbeit und überprüfe genau, welche Kontakte ich dort noch habe. Ich muss so schnell wie möglich wieder an den Punkt kommen, dass ich auch informiert darüber berichten kann, wenn dort etwas passiert.

SPOX: Ist das beim Draft auch so? Da kommen ja immerhin ein paar hundert neue Spieler in die Liga. Versuchen Sie, so viele wie möglich kennen zu lernen? Oder ist der Draft nicht so wichtig?

Rapoport: Doch, doch. Beim Draft ist es so: Wenn sich die NFL-Saison dem Ende zuneigt, dann heißt es für mich: Ich habe die Spieler zwar alle im College Football gesehen, aber ich kenne sie nicht wirklich. Also versuche ich sie kennen zu lernen und so viel wie möglich über sie in Erfahrung zu bringen, weil sich ja viele Menschen über mich informieren. Da muss ich selbst als Allererstes meine Hausaufgaben machen.

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SPOX: Okay. Tun wir mal so, als wäre ich ein Spieler und Sie wollten aus mir eine Quelle machen. Wie würden Sie das anstellen?

Rapoport: Wenn ich gefragt werde, wie ich meine Quellen aufbaue, antworte ich immer gleich: Es ist genau wie Dating. Man trifft jemanden, baut eine Beziehung auf, fragt nach der Telefonnummer, schreibt hin und her. Und an einem gewissen Punkt bringt man die Beziehung dann auf ein neues Level und tauscht Informationen aus. Oder man tut es nicht - und dann bleibt man einfach nur befreundet. Es gibt Leute, mit denen spricht man täglich. Mit anderen einmal pro Woche, mit anderen wiederum nur an einem bestimmten Punkt im Jahr. Jede Beziehung ist anders. Aber Dating ist in der Hinsicht der beste Vergleich, den ich ziehen kann.

SPOX: Wer hätte gedacht, dass man auch im Football in der Friendzone landen kann ...

Rapoport: Entweder sind Menschen bereit, etwas an dich weiterzugeben - oder eben nicht. Manche sind gegenüber den Medien sehr offen und reden gerne mit dir, bauen gerne Beziehungen auf. Und manche sind genau das Gegenteil. Das ist das Ding: Man wird niemals aus jemandem eine Quelle machen, der keine sein will. Auf keinen Fall. Man kann niemanden zwingen, und wenn man keine Beziehung aufbauen will, dann gibt es eben keine. Ehrlich, es hängt allein von ihnen ab. Ich selbst bin eigentlich nur Beifahrer.

SPOX: Hat es denn denn Vorteile für mich als Spieler, Ihnen etwas zu erzählen? Es ist ja in dem Sinne kein Geben und Nehmen, dass Sie später etwas für mich tun können.

Rapoport: Nun, nehmen wir den Fall, dass ein Spieler verletzt ist. Er spielt schlecht, hat aber eine Kniezerrung von der niemand etwas weiß. Wenn das öffentlich gemacht wird, denken die Leute nicht mehr: "Mann, der Typ ist schlecht" sondern "Der ist hart im Nehmen". Das wäre nur ein Beispiel. Es ist so: Wenn mir jemand etwas erzählt, dann gibt es immer einen Grund dafür. An mir liegt es, das Warum herauszufinden. Was hat diese Person davon? Verändert der Blickwinkel dieser Person die eigentliche Nachricht?

SPOX: Gibt es Unterschiede zwischen jungen Spielern und alten Hasen im Locker Room?

Rapoport: Manchmal kommt es vor, dass ältere Spieler nach ihrer Karriere zum Fernsehen wollen. Deshalb stecken sie dir etwas und hoffen darauf, dass sie später so einen Stein im Brett haben.

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SPOX: Durch Ihre Arbeit haben Sie sich natürlich auch einen Ruf aufgebaut. Passiert es denn, dass sich Leute bei Ihnen melden und Ihnen etwas verraten, die Sie persönlich gar nicht kennen?

Rapoport: (überlegt) Ja, ich würde sagen, dass das auch hin und wieder passiert: Leute kennen dich aus den sozialen Medien oder aus dem Fernsehen und nehmen dann Kontakt auf: Hey, ich hab da was für dich. Das Problem ist: Ich kenne sie dann natürlich auch nicht. Und dann muss ich sicherstellen, dass das, was mir da erzählt wurde, so auch richtig ist.

SPOX: Und wie macht man das? Braucht man die Info ganz klassisch aus mindestens einer oder zwei anderen Quellen?

Rapoport: Oft ist dabei die entscheidende Frage, woher die betreffende Person es überhaupt weiß. Wenn es um Vertragsverhandlungen geht und ich mit dem Berater spreche, dann ist klar: Er weiß Bescheid und ist eine gute Quelle. Aber vielleicht will diese Person auch einfach nur, dass gewisse Zahlen an die Öffentlichkeit kommen, die sie gut dastehen lässt. Also überprüft man das mit jemandem von der anderen Seite. Oder man hat einen Spieler, der sagt: ich gehe auf die Injured-Reserve-Liste - dann ist das eine ziemlich gute Quelle. Und dann fragt man auf der anderen Seite, wer ihn im Kader ersetzt. Es gibt also viele Faktoren, die eine Rolle spielen.

SPOX: Wie Sie gesagt haben: Es wird auch Spieler, Berater oder Team-Offizielle geben, die Sie ausnutzen wollen. Ist es schon einmal passiert, dass Sie jemand reingelegt hat und so an einen besseren Vertrag gekommen ist?

Rapoport: Von "reingelegt" würde ich nicht sprechen. Aber natürlich kommt es vor, dass dir jemand Vertragszahlen gibt und sagt: Das ist der Deal. Und nachdem man darüber berichtet hat, kommt heraus: Das ist eigentlich nur der maximale und nicht der eigentliche Betrag. Aber je länger man dabei ist und die Zahlen bewerten kann, desto besser blickt man durch. Wenn es also um einen Running Back geht und mir jemand sagt: "Er bekommt 14 Millionen Dollar pro Jahr", dann weiß ich: Okay, ganz ruhig. Wie groß ist der Deal wirklich? Es kann schon passieren, dass ich die mir genannten Zahlen dann nicht melde, sondern auf die eigentlichen Zahlen warte.

SPOX: Es muss doch auch mal vorkommen, dass Sie zum Beispiel über eine Verletzung berichten und der betreffende Spieler - oder auch das Team - ganz schön wütend auf Sie ist.

Rapoport: Das passiert andauernd, jede Woche eigentlich. Das stört mich aber nicht, so lange meine Informationen korrekt sind. Wie heißt es: Die Wahrheit wird dich frei machen.

SPOX: Und dann klingelt das Telefon und es gibt Ärger?

Rapoport: Auch wenn ich etwas herausfinde, das die Betreffenden ärgert, sind sie ja nicht wütend auf mich persönlich. Es ärgert sie nur, dass ich es herausgefunden habe. Es gibt auch solche, die es persönlich nehmen. Aber wenn sie dich anrufen, dann hörst du ihnen eben zu. Es ist schon passiert, dass ich etwas am Sonntag berichtet habe und am Abend nach dem Spiel noch eine Stunde bis Mitternacht mit dem Coach telefoniert habe. Er sagt mir dann, warum er sich gewünscht hätte, ich hätte das nicht gemeldet. Aber das ist okay. Ich melde das, was ich weiß. Und sie reagieren darauf wie sie es für richtig halten. Das gehört dazu.

SPOX: Sagen wir, ich bin ein Spieler und Sie haben etwas über mich gemeldet. Jetzt rufe ich Sie an: Wer auch immer das gesagt hat, lügt. Irgendjemand verbreitet Lügen über mich - Sie müssen mir sagen, wer das ist! Würden Sie das tun?

Rapoport: Nein. Ich würde so viele Infos weitergeben, wie ich kann. Aber ich würde nie meine Quellen preisgeben.

SPOX: Hätten Sie dann nicht irgendwo ein schlechtes Gewissen? Immerhin verbreitet jemand Lügen über mich.

Rapoport: Wenn es eine Lüge ist, dann ist es meine Schuld, dass ich sie übernommen habe. Wenn es die Wahrheit ist, dann könnte man sich dafür entschuldigen, dass man es berichtet hat. Aber jeder kennt den Job. Und der Job ist es, Neuigkeiten zu melden. Und diese Neuigkeiten sind weder positiv noch negativ. Es sind einfach nur News.

SPOX: Ich muss Sie auf jeden Fall noch nach ihrem größten "Rivalen" fragen, wenn man so will: Adam Schefter von ESPN. Wobei: Betrachten Sie es persönlich eigentlich als Rivalität?

Rapoport: Er ist gut. Ich habe großen Respekt vor ihm, genauso wie vor allen meinen Konkurrenten. Das Wichtigste für uns beide - und er würde sicherlich das Gleiche sagen - ist: Wir stehen im Wettbewerb mit allen anderen. Es gibt Reporter, es gibt Lokalreporter, nationale Radiosender und das Fernsehen. Dazu die Fans, und auch die Spieler selbst. Heutzutage kann jeder News vermelden. Wir stehen also im Wettbewerb mit allen, die man sich überhaupt nur vorstellen kann.

SPOX: Mit Adam Schefter arbeiten Sie natürlich nicht zusammen, aber wie sieht es mit anderen Reportern vom NFL Network aus? Spricht man sich da auch mal ab?

Rapoport: Ja, das machen wir: "Hey, ich bekomme diese Meldung nicht bestätigt, aber du hast doch ein gutes Verhältnis mit XY. Kannst du das mal überprüfen?" Manchmal vermelden wir auch zusammen etwas. Ich habe wirklich großartige Kollegen beim NFL Network. Wir arbeiten seht gut zusammen und helfen uns auch gegenseitig.

SPOX: Schefter hat kürzlich einen neuen Vertrag bei ESPN unterschrieben und wird unter anderem einen Podcast bekommen und auch bei NBA-Spielen eingesetzt. Wie sieht es mit Ihren Zukunftsplänen aus?

Rapoport: (überlegt) Ja, ich würde schon gerne einen Podcast haben, darüber gab es schon Gespräche. Ansonsten: Ich weiß es wirklich nicht. Ich mag meinen Job sehr gern und habe derzeit auch gar nicht die Zeit für andere Projekte. Irgendwann werde ich sicher auch mal andere Dinge machen wollen, und hoffentlich bin ich dann in der Position, sie auch umsetzen zu können. Ich würde für die Zukunft nichts ausschließen, aber wie schon gesagt: Ich mag meinen Job wirklich sehr.

SPOX: Lässt dieser Job denn noch Zeit für Hobbies oder dergleichen?

Rapoport: (lacht) Ich spiele Golf, wenn es die Zeit erlaubt, und bin großer Fan der New York Mets. Ich habe zwei verrückte Söhne im Alter von dreieinhalb und fast zwei Jahren, da ist immer etwas los. Golf, meine Frau und meine Jungs, mehr Zeit bleibt nicht. Aber damit bin ich voll zufrieden.

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