Mit dem Sieg über die Washington Redskins an Thanksgiving wurden die Dallas Cowboys das erste Team dieser Spielzeit, das die Zehn-Siege-Schallmauer durchbrochen hat. Am kommenden Wochenende könnte America's Team gar das erste in diesem Jahr werden, dass einen Playoff-Platz festmacht. Dazu braucht es einen Sieg im Thursday Night Game bei den Minnesota Vikings und etwas Schützenhilfe von außerhalb. Doch der Zeitpunkt, wann die Playoffs offiziell klargemacht werden, wird auch nichts an der allgemein vorherrschenden Ansicht ändern, dass Dallas derzeit über das wohl beste Team überhaupt verfügt.
Sucht man nach den Gründen für den aktuellen Höhenflug, so kommt man - so geht es auch gegnerischen Defenses - nicht an er Offensive Line vorbei. Diese O-Line ist wahrlich etwas Besonderes und wohl die Grundlage des Erfolges.
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Bester Mann dieser Gruppe ist zweifelsohne Left Tackle Tyron Smith, der erst 2014 einen Achtjahresvertrag für knapp unter 100 Millionen Dollar unterschrieben hatte. Doch auch die anderen Parts der Kette fallen durch ihre Masse und Beweglichkeit auf. An ihnen ist wahrlich kaum ein Vorbeikommen in Sachen Pass-Protection. Doch auch im Run-Blocking wissen sie zu überzeugen, wie auch der Coach des nächsten Gegners, Vikings-Head-Coach Mike Zimmer, erkannt hat: "Sie sind richtig, richtig gut. Sie sind die beste Line, die ich seit langer Zeit in der NFL gesehen habe. Sie sind physisch stark, athletisch und groß."
Hinter dieser Monster-Line fällt es den beiden Rookies, Dak Prescott und Ezekiel Elliott, sichtlich leicht, sich zu entwickeln. Gerade Prescott dürfte der Hauptgrund sein, warum es für die Cowboys im Vergleich zum Vorjahr, als es die mächtige O-Line auch schon gab, deutlich besser läuft. Im Vorjahr hatte sich Tony Romo ebenfalls verletzt, damals jedoch hießen die Alternativen dann Brandon Weeden oder Matt Cassel, die nicht im Ansatz das Potenzial des auch damals schon talentierten Teams umsetzen konnten.
Prescott macht den Unterschied
Prescott jedoch schlägt sich deutlich besser. Mehr noch: Er blüht förmlich auf und passt scheinbar perfekt ins Gebilde mit seiner Art: Er präsentiert sich äußerst geduldig, limitiert seine Fehler auf ein Minimum - nur zwei Interceptions in 340 Passversuchen - und ist auch zu Fuß sehr kompetent und effizient unterwegs.
Glaubt man allerdings dem aktuellen Medienhype, dann ist sein Kollege im Backfield, Ezekiel Elliott, nochmal eine Ecke besser als der junge Quarterback. "Zeke" ist drauf und dran, Rookie-Rekorde zu pulverisieren und könnte schon am Donnerstag in Minnesota die Auftaktsaison von Adrian Peterson, der gerade an seinem Comeback nach Knieverletzung arbeitet, übertreffen. AD kam 2007 auf 1341 Yards und elf Touchdowns in 14 Spielen. Elliott steht nach elf Spielen schon bei 1199 Yards und ebenfalls elf Touchdowns.
Dabei ist Elliott im Grunde ein Anachronismus, denn entgegen des Trends der letzten Jahre zogen ihn die Cowboys extrem früh für einen Running Back, nämlich an Position 4! Am Draft Day noch gab es nicht wenige, die diesen Move kritisiert hatten, waren doch zu dem Zeitpunkt durchaus einige Spieler noch zu haben, die einen größeren Need der Cowboys abgedeckt hätten. Außerdem hatte man ja mit Darren McFadden noch einen etablierten Back im Team - dessen Freak-Verletzung kam erst später in der Offseason. Dennoch entschied man sich für den Running Back von Ohio State und erntet nun die Früchte - Elliott ist sogar in der MVP-Diskussion nach fast zwei Dritteln der Saison. McFadden hingegen befindet sich immer noch auf der Non-Football Injury List mit seinem Ellenbogenbruch und es ist unklar, ob er selbige in dieser Saison noch verlassen wird.
Das einzige Manko
Darüber hinaus glänzt aber auch die Defense der Cowboys, in der erstmals seit längerem Weak Side Linebacker Sean Lee wieder fit ist und zu großer Form aufläuft. Er ist das Herz einer Defensive, die ähnlich wie die Seattle Seahawks vor allem über Geschwindigkeit und Härte kommt. In puncto Pressure Numbers steht nicht viel auf dem Zettel und auch die Secondary scheint nicht immer sattelfest, aber aufgrund ihres Speeds werden viele Big Plays bereits im Keim erstickt.
Die Laufverteidigung wiederum lässt im Schnitt die drittwenigsten Yards pro Spiel zu, während man bei Yards pro Carry im Mittelfeld der Liga liegt. Das alles aber ist nur bedingt bedenklich, da die Offensive meist so lange in Ballbesitz ist, dass die Gegner kaum konstruktiv reagieren können.
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Ein Manko hat Head Coach Jason Garrett aber doch ausgemacht: Die Cowboys produzieren zu wenige Takeaways. Mit nur zehn belegt man den fünftletzten Platz der NFL. Das dennoch positive Turnover-Verhältnis hat man nur der Tatsache zu verdanken, dass auch nur sieben Ballverluste auf dem Konto stehen - die zweitwenigsten in der Liga hinter den Bills.
Gerade Prescott und Elliott werden hier vom Coach für ihre Ballsicherheit gelobt: "Das hat uns eine gute Chance gegeben, auf der positiven Seite des Turnoververhältnisses zu bleiben", wie Garrett dem Star-Telegram erklärte: "Typischerweise gibt uns dies eine gute Chance zu gewinnen. Wir müssen aber häufiger den Ball erobern. Hierbei haben wir keinen guten Job gemacht. Wir haben in dieser Hinsicht in den letzten drei, vier Spielen keinen guten Job gemacht."
Home-Field Advantage im Visier
Doch dem Mangel an Turnovern zum Trotz haben die Dallas Cowboys ihre letzten zehn Spiele in Serie gewonnen und stellen damit mit 10-1 die beste Bilanz der gesamten NFL. Damit ist auch die so wichtige Home-Field Advantage durch die NFC-Playoffs hindurch zum Greifen nahe.
Realistisch betrachtet sind nur noch zwei Teams in Schlagdistanz - die New York Giants (8-3) sowie die Seattle Seahawks (7-3-1). Allerdings treten nur noch die Giants gegen Dallas an und haben die Cowboys bereits in Woche eins - noch dazu auswärts - geschlagen! Ansonsten empfängt Dallas noch die Tampa Bay Buccaneers und Detroit Lions und muss in Week 17 zudem noch nach Philadelphia reisen. Das Spiel in New Jersey muss also durchaus als noch höchste Hürde auf dem Weg zum Heimrecht gewertet werden.
Das Erreichen der Playoffs hingegen scheint nur noch Formsache zu sein: Mit einem Sieg in Minnesota und einer Niederlage oder einem Unentschieden der Bucs oder einer Niederlage der Redskins wäre wenigstens die Wildcard schon in Week 13 eingetütet. Kein anderes Team kann so früh das Ticket für den Januar lösen.
Die Sorgen der Vikings
Diese Sorgen hätte man derweil in Minneapolis im Vorfeld des Thursday Night Games gegen Dallas auch gern. Doch im hohen Norden müssen sich die Vikings, die nach 5-0-Start fünf ihrer letzten sechs Spiele verloren haben, dieser Tage mit gravierenderen Problemen herumschlagen. Und das, obwohl es viele Parallelen zwischen beiden Teams gibt - jedenfalls auf dem Papier.
Die Enttäuschten der Liga: Wie konnte es so weit kommen?
Eine starke O-Line etwa hatten die Minnesota Vikings auch zu Saisonbeginn. Doch dann verletzten sich die Offensive Tackles Matt Kalil, Andre Smith und Jake Long, sodass mittlerweile Jeremiah Sirles als Tackle auflaufen muss - und selbst er ist an der Hüfte verletzt. Da nun auch noch die inneren O-Liner von Verletzungen und Blessuren geplagt sind, stehen die Vikings generell vor einem Scherbenhaufen.
Besonders Quarterback Sam Bradford leidet darunter gewaltig und kassierte nur in zwei Spielen in diesem Jahr keinen Sack - zuletzt in der Overtime-Pleite in Detroit an Thanksgiving. Ansonsten waren es immer mindestens zwei und zwischen Week 7 und 8 bei den Niederlagen in Philadelphia und Chicago sogar elf insgesamt. Stichwort Bradford: Hätte sich Teddy Bridgewater nicht schwer verletzt - wie Romo in Dallas - wäre Bradford gar nicht erst in Minnesota gelandet.
Best Case vs. Worst Case
Und auf der Running-Back-Position hätten die Vikings ja eigentlich auch einen Superstar gehabt, doch Adrian Peterson konnte nie sein Potenzial in diesem Jahr abrufen, da er sich am Knie verletzte und immer noch nicht wieder zur Verfügung steht. So ist man also derzeit auf Matt Asiata und Jerick McKinnon angewiesen, was einen gewaltigen Qualitätsabfall repräsentiert.
Gewissermaßen zeigen die Cowboys also den Best Case dieses Konstrukts, weil bislang nahezu alles in ihre Richtung gegangen ist. Die Vikings wiederum sind der Worst Case, wenn man so will. Hier lief zu ziemlich alles schief, was irgendwie möglich war. Als hätte Murphy von Murphy's Law hier gewaltig seine Finger im Spiel gehabt.
Bedenkt man diese Schwierigkeiten und führt sich dann vor Augen, dass Bradford nur vier Picks geworfen hat, gebührt ihm besonderer Respekt. Überhaupt passen die Vikings besonders gut auf den Ball auf - ihr Turnoververhältnis von 12 wird lediglich von den Kansas City Chiefs überboten. Und auch mit 20 Takeaways liegt man in den Top 3.
Vikings als Prüfstein?
Diese Zahlen suggerieren, dass Minnesota ein ernster Prüfstein für die Cowboys sein wird. Die Defense ist großartig aufgestellt, erzwingt Turnover und lässt im Schnitt die zweitwenigsten Punkte der Liga zu. Auch bei den Yards liegt man gut im Rennen. Zudem erzielt kaum eine Defensiv-Unit - samt Special Teams - so viele Punkte wie diese Defense nach Turnovers.
Die Cowboys werden alle ihre Qualitäten in die Waageschale legen müssen, um diese Einheit nicht nur zu überwinden, sondern ihr auch nicht die Chance zu geben, selbst zu punkten.
Es wäre allerdings nicht die Saison, die die Vikings bislang erlebt haben, wenn es nicht doch noch einen kurzfristigen weiteren Rückschlag zu verkraften gäbe. Am späten Mittwochabend musste Head Coach Mike Zimmer ins Krankenhaus für eine Notoperation am Auge. Es ist nun schon der dritte Eingriff seit Anfang November, dem sich Zimmer unterziehen muss. Grund zur Sorge besteht allemal.
Seine potenziellen Vertreter - Offensive Coordinator Pat Shurmur oder Offensive Line Coach Tony Sparano - verfügen immerhin über Head-Coaching-Erfahrung.
Mit dem Rücken zur Wand
Für die Vikings ist es ein weiterer Rückschlag, der sie nur noch etwas weiter an die Wand drückt. In der NFC North haben sie mit ihrer 6-5-Bilanz mittlerweile die Führung an die Detroit Lions (7-4) abgegeben und sind damit essenziell zwei Spiele hinter dem Divisionskonkurrenten, da man beide Saisonspiele und somit den ultimativ entscheidenden Head-to-Head-Tie-Breaker verloren hat.
Siege sind von nun an also absolute Pflicht. Das Restprogramm erscheint nach dem Cowboys-Spiel aber immerhin machbar. Es folgen dann nur noch Spiele gegen Teams mit aktuell negativer Bilanz. Einzig das Gastspiel bei den schwankenden Green Bay Packers in der Frozen Tundra scheint noch eine größere Hürde zu werden, nachdem die erste Begegnung zugunsten der Vikings ausging.
Nun aber steht erstmal das Duell mit dem derzeit heißesten Team der Liga an, das im Grunde all das ist, was die Vikings gerne wären.