Er könnte schon bald der schnellste Mann der NFL sein: John Ross hat von Snoop Dogg und von DeSean Jackson gelernt, dennoch ist er auf dem Boden geblieben. SPOX stellt den Wide Receiver vor, der spätestens seit der Combine auf jedem Draft-Radar ganz weit oben auftaucht - und der viel mehr ist als nur ein Sprinter.
"Ich wusste, dass er den Rekord brechen würde", grinste Snoop Dogg stolz beim NFL Network. "Er war schon immer schnell, er hat sich kontinuierlich in seinem Handwerk verbessert. John ist ein toller Junge. Er hat vieles von Deion Sanders und vieles von Chris Johnson in sich. Deshalb dachte ich mir: Wenn irgendjemand den Rekord bricht, dann er."
Erlebe die NFL Live und auf Abruf auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Gemeint war der seit Jahren scheinbar unschlagbare 40-Yard-Rekord von Chris Johnson. Die Bestmarke des Running Backs (4.24 Sekunden) war soeben gefallen, John Ross war in 4.22 Sekunden über den Platz geflogen. Über 3.000 Running Backs und Receiver hatten den Bestwert von CJ2K aus dem Jahr 2008 seither ins Visier genommen, geknackt hatte ihn niemand.
Bis eben vor einigen Wochen John Ross kam. "Ich werde es versuchen, ich werde es versuchen", hatte er noch kurz davor angekündigt. "Ich will nicht zu viel versprechen, aber ich werde es versuchen. Ich werde alles geben." Schon vorher als ein Top-5-Receiver für den kommenden Draft gehandelt, wurde Ross auf einen Schlag eine Berühmtheit. Die sozialen Medien, genau wie das NFL Network, ESPN und Co. sprangen auf den Hochgeschwindigkeitszug mit auf. Immerhin dürfte Ross ab der kommenden Saison der schnellste Mann in der NFL sein.
"Geschwindigkeit kann man nicht beibringen", ist eine in diesem Zusammenhang gerne gebrauchte Floskel, die zumindest ein Stückchen Wahrheit spricht. Sie fasziniert und begeistert nicht nur die Fans, sondern auch Coaches. Ein solcher Speed-Receiver kann einer Offense aufgrund der Gefahr, die er ausstrahlt, ein ganz anderes Gesicht geben und nicht wenige sehen Ross inzwischen als Top-15-Draft-Pick Ende April. Und es könnte tatsächlich so kommen, weil Ross mehr kann, als schnell laufen.
Doch eine Frage bleibt: Was hatte Snoop Dogg mit mit dem Ganzen zu tun?
Snoops Anruf bei der Mutter
Ross war schon im Alter von sieben Jahren aufgrund seiner vielen Touchdowns eine kleine lokale Berühmtheit in Long Beach, Snoop erkannte ihn damals. "Ich war bei einem Football-Spiel", erinnert sich der berühmte Rapper, "da war er gerade neun Jahre alt und ich habe gesehen, wie er über den Parkplatz gerannt ist. Also habe ich ihn gefragt, für wen er spielt, und er sagte, dass er für niemanden spielt. Da habe ich nach der Nummer seiner Mutter gefragt, sie später angerufen und am Ende spielte er drei Jahre lang für mich."
"Für mich" - das heißt ganz konkret: In Snoop Doggs Nachwuchs-Liga, der "Snoop Youth Football League". Die hatte er, selbst riesiger Football-Fan, 2005 ins Leben gerufen, um den Kindern in der Stadt die Möglichkeit zu geben, Football zu spielen. Über 1.300 Kinder aus Los Angeles machten damals mit, es gibt Spiele in NFL-Stadien, ein All-Star-Spiel am Ende - und Snoop Dogg ist dabei viel mehr als nur der Schirmherr.
Die Running Backs in der Free Agency: Petersons Problem und Seattles Hoffnung
"Die Leute fragen mich immer, wie es war, für Snoop zu spielen", verriet Ross dem MMQB, "und ich sage euch: Er hat uns tatsächlich trainiert. Er war bei jedem Training, hat die Plays angesagt. Er hat Scrimmage-Übungen geliebt und in den Spielen hat er immer wieder einen All-Out-Blitz angesagt - niemand macht das in diesem Alter! Niemand wirft da überhaupt den Ball! Aber er ließ seine Blitze spielen, bei denen jeder attackiert. Verrückt war dabei: Es hat tatsächlich geklappt."
"War normal, mit Snoop zusammen zu sein"
In seinem ersten Spiel unter Snoop Dogg erlief Ross im Pontiac Silverdome zu Detroit 165 Yards und drei Touchdowns, einen Tag vor dem Super-Bowl-Sieg der Pittsburgh Steelers 2005. Dabei trennt der berühmte Coach seine Hip-Hop-Welt stets von den Kindern. Snoop raucht nie vor den Kindern, er trinkt nie vor den Kindern. "Es war einfach normal, mit Snoop zusammen zu sein. Wir sprechen noch heute viel. Er passt auf mich auf", erzählte Ross weiter.
"Diese Kids haben mit meinen Söhnen zusammengespielt, ich mochte sie alle wirklich. Es hat riesigen Spaß gemacht, ihnen zuzuschauen", betont seinerseits Snoop. "Ich bin wirklich stolz auf all die Kids, die in meiner Liga gespielt haben."
Je mehr man sich mit dem Speedster beschäftigt, desto weniger überrascht es, dass die beiden bis heute eine gute Beziehung haben. Ross kommt aus einer Großfamilie und ist selbst Familienmensch, die ersten Football-Lektionen gab es von seiner Großmutter auf der heimischen Couch. Die machte ihn in jungen Jahren zu einem Raiders-Fan, die Spiele der Raiders waren das einzige, was anfangs im Familienhaushalt an Football lief.
So blieb Ross auch stets auf dem Boden. Trotz 1.150 Receiving-Yards und 17 Touchdowns in seiner letzten College-Saison, trotz seiner eigenen Berühmtheit schon in Kindertagen, trotz regelmäßiger Gespräche mit Snoop Dogg, trotz des Hypes, der mit seiner Sprint-Show bei der Combine einherging. Und auch trotz seines zweiten berühmten Mentors.
Nachhilfe von DeSean Jackson
Wie es das Schicksal wollte, gab es einen zufälligen Berührungspunkt mit einem der besten NFL-Speed-Receiver der letzten Jahre. Der Bruder von DeSean Jackson, der ebenfalls aus Long Beach stammt, verkehrte regelmäßig in dem gleichen Barbershop, den auch Ross' Vater häufig aufsuchte. Der hörte nicht auf von seinem Sohn zu schwärmen, sodass Jacksons Bruder dem Buccaneers-Receiver davon irgendwann erzählte - und ihm die Handynummer des Nachwuchsspielers gleich mitgab.
Jacksons Interesse war geweckt und so dauerte es nicht lange, ehe er ihn im vergangenen Sommer anrief. Wenige Tage später saß Ross im Flieger nach Los Angeles, um mit Jackson zu trainieren. Vor allem ein Rat blieb bei Ross hängen, wie er dem MMQB verriet. Jackson habe ihm klar gemacht: "Du bist schnell, aber du musst deine Geschwindigkeit nicht jedes einzelne Mal voll ausspielen. Nutze sie als eine Waffe. Lauf manchmal langsamer, konzentriere dich auf deine Technik. So schlägst du deinen Gegenspieler."
Die Cleveland Browns in der Free Agency: Endlich weg vom Trampelpfad
Gemeinsam arbeiteten die beiden an der richtigen Fußarbeit und dem richtigen Einsatz der Geschwindigkeit, denn: "Man kann dem Gegenspieler nicht immer einfach davonlaufen. Wenn du gegen einen Top-Corner spielst, wird er dein Tempo mit guter Technik aufheben. Es war gut für mich, von DeSean zu lernen, wann ich es einsetze."
Viel mehr als ein Sprinter
Für Ross eine Priorität. "Ich habe etwa in der vierten Klasse gemerkt, dass ich schneller bin als alle anderen. Kinder kamen von anderen Schulen zu uns, nur um gegen mich zu laufen", berichtete er jüngst. Doch im Laufe der vergangenen Jahre wurde ihm zunehmend klar, dass Tempo alleine nicht reicht: "Ich wollte meine Geschwindigkeit nutzen, um mich in anderen Bereichen zu verbessern."
Wer sich Ross' Tape aus der vergangenen Saison anschaut, der kann nur sagen: Misssion geglückt! Ross ist mitnichten ein reiner Sprinter im Football-Trikot. Er hat sein Route-Arsenal erweitert und läuft alle Routes - inklusive der typischen Go-Routes sowie End-Around-Run-Plays. Ross kann seine Geschwindigkeit auf den Platz übertragen, ist explosiv und kommt gut in seine Cuts. So kann er als Outside-Receiver, aber auch aus dem Slot heraus für Gefahr sorgen.
Gegenspieler müssen seine enorme Geschwindigkeit respektieren, weshalb sie ihn auffällig selten in Press-Coverage nehmen, also ihn nicht an der Line of Scrimmage direkt attackieren. Das erleichtert es ihm zusätzlich, Slants und Comeback-Routes zu laufen.
Dazu kommt, dass Ross, der in seinen ersten beiden College-Spielzeiten als Receiver und als Cornerback eingesetzt wurde, meist - gelegentliche Drops gibt es - keine Probleme hat, wenn es darum geht, den Ball zu fangen. Er findet den Ball aus verschiedensten Positionen heraus und hat deutlich bessere Hände als etwa der Erstrunden-Speedster aus dem Vorjahr, Houstons Will Fuller.
Rekord - und trotzdem keine eigene Insel
Natürlich gibt es dabei auch Fragezeichen, wie bei fast jedem Draft-Prospect. So hatte Ross etwa im College Verletzungen an beiden Knien, vor der 2015er Saison riss er sich das Kreuzband und die Combine bestritt er, obwohl er aufgrund eines Labrum-Risses in der Schulter noch operiert werden musste.
Der Eingriff erfolgte am 14. März, und ein NFL-Scout fand im Gespräch mit dem Bleacher Report einen positiven Dreh dafür: "Wenn Ross mit einem Labrum-Riss so schnell laufen kann, überlegt euch mal, wie schnell er sein kann, wenn jemand versucht, ihn einzuholen."
Einen kleinen Schönheitsfleck hat Ross' 40-Yard-Rekord übrigens auch. Wie in jedem Jahr gab es auch dieses Mal einen verrückten Preis, den ein Sponsor ausgeschrieben hatte: Adidas hatte angekündigt, eine eigene Insel springen zu lassen, sollte jemand die 4.24 Sekunden unterbieten.
Dafür hätte Ross allerdings selbstredend auch in Adidas-Schuhen laufen müssen - der Receiver entschied sich aber vorher für Nike. Er nahm es mit seinem sympathisch bodenständigen Humor: "Ich kann sowieso nicht gut schwimmen. Und ein Boot habe ich auch nicht. Deshalb musste ich in Nikes laufen."