Tony Romo tut es tatsächlich: Der langjährige, gerne unterschätzte Quarterback der Dallas Cowboys beendet seine NFL-Karriere, das vermeldeten am Dienstag übereinstimmend alle großen Medienanstalten. Doch wie kam es zu dieser Entscheidung? Was bedeutet das finanziell für die Cowboys, und wie reagieren die Houston Texans auf den überraschenden Schritt? SPOX beantwortet die fünf zentralen Fragen zum Karriereende von Tony Romo.
Warum der Rücktritt?
Romos Entscheidung ist ohne jede Frage durch gesundheitliche Bedenken entstanden. Ende April wird er 37, über die letzten Jahre hatte er mehrere langwierige Verletzungen - was letztlich auch dafür sorgte, dass er seinen Stammplatz an Dak Prescott verlor. Nur 244 Snaps hat Romo über die letzten beiden Jahre absolviert.
Dabei geht es wohl ganz konkret um seine Rückenprobleme, laut NFL-Network-Insider Ian Rapoport hatte Romo Bedenken, was passieren würde, wenn er noch einen weiteren Hit einsteckt. Einen eben solchen Hit, wie in der Preseason im Vorjahr, der zu einer Kompressionsfraktur führte.
Trotzdem aber schien Romo noch vor einigen Wochen entschlossen, 2017 anderswo sein Glück in Form eines Super-Bowl-Rings zu suchen. Im vergangenen November hatte er gar bei den Cowboys-Bossen um eine Chance gebeten, damit er seinen Stammplatz zurückerobern könne.
Die Aussichten schienen Anfang März nicht schlecht. Auf einem, Draft und Free Agency zusammen genommen, durchschnittlichen Quarterback-Markt wäre Romo die Top-Option gewesen. Mehr noch: Unmittelbar vor dem Start der Free Agency hieß es, dass Romo entlassen werden soll, ehe das offizielle Wechselfenster für alle Free Agents beginnt. So hätte er zusätzlich einen zeitlichen Vorsprung erhalten.
Dazu kam es jedoch nie. Die Cowboys entschieden sich gegen eine Entlassung und versuchten stattdessen jetzt seit mehreren Wochen, einen Trade einzufädeln. Allerdings wurde zunehmend klar, dass sich kein Team auf einen Trade einlassen würde - schließlich war es letztlich ein offenes Geheimnis, dass Dallas seinen langjährigen Quarterback ohne Trade-Partner in jedem Fall entlassen würde.
Dadurch hatte Romo jetzt mehrere Wochen Zeit, um über alles nachzudenken - was ganz offensichtlich bei ihm zum Umdenken geführt hat. Seine Frau Candice und er erwarten im Sommer ihr drittes gemeinsames Kind, Romo geht auf die 40 zu und räumt seiner langfristigen körperlichen Gesundheit sowie seiner Familie schlicht die oberste Priorität ein. Das ist die Message dieser Entscheidung.
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Darüber hinaus ist es nicht so, als stünde Romo erst einmal vor einer großen beruflichen Leere. Vielmehr sollen FOX, CBS und NBC bereits konkretes Interesse angemeldet haben und wollen den (Ex-)Quarterback als TV-Experten. Bei CBS könnte er wohl direkt Phil Simms als Top-Experten ablösen. Romo, ein leidenschaftlicher Golfer, dürfte sich dann mutmaßlich auch an Golf-Übertragungen versuchen. Ersten Meldungen zufolge wird genau dahin sein Weg jetzt führen. Eine entsprechende Ankündigung des Senders erfolgt wohl zeitnah.
Was bedeutet das für die Cowboys und den Salary Cap?
Sportlich zunächst einmal wenig bis gar nichts: Die Cowboys hätten Romo zeitnah entlassen - NFL-Network- sowie ESPN-Insider berichten übereinstimmend, dass dieser Schritt mutmaßlich noch am Dienstag erfolgt wäre. Definitiv aber wäre Romo, hätte sich kein Trade-Partner gefunden, vor dem 17. April entlassen worden.
Dann nämlich beginnen die Saisonvorbereitungen in Dallas, und die Cowboys hätten es nicht riskiert, dass sich ihr genauso verdienter wie teurer Quarterback im Rahmen der Workouts noch in Big D verletzt. So ist es kein Zufall, dass Teambesitzer Jerry Jones am Montag den anderen 31 Teams offiziell die Erlaubnis erteilt hatte, Gespräche mit dem Quarterback zu führen. Dak Prescott ist die Zukunft in Dallas, das ist schon seit einer ganzen Weile klar.
Das führt zum zweiten Punkt, dem Geld. Und auch in dieser Hinsicht macht Romos Entscheidung keinen echten Unterschied für Dallas: Die Cowboys hätten Romo mutmaßlich ohnehin als Post-June-1-Cut entlassen, bedeutet: Der noch ausstehende Cap-Hit überträgt sich auf die kommenden beiden Jahre. Statt 19,6 Millionen Dollar auf einen Schlag zählt Romos Gehalt in diesem Jahr 10,7 Millionen Dollar gegen Dallas' Gehaltsobergrenze, 2018 steht es dann noch mit 8,9 Millionen Dollar in den Cowboys-Büchern.
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An alledem sollte sich durch Romos Entscheidung zum Karriereende nichts ändern. Dallas wird den Quarterback als Post-June-1-Cut entlassen und erhält somit ab dem 2. Juni den so zusätzlich entstehenden Cap-Space in diesem Jahr. Bis dahin nämlich belastet Romo den Cap noch mit der vollen Summe.
Einziger Unterschied: Die Cowboys hätte Romo auf die Reserve/Retired-Liste setzen können. Damit hätte Romo nicht für ein anderes Team auflaufen können, es sei denn, die Cowboys geben grünes Licht und trennen sich von ihm. Das gleiche Szenario gibt es aktuell bei Marshawn Lynch, an dem die Oakland Raiders interessiert sein sollen. Seine Rechte liegen infolge des Rücktritts vor Vertragsende aber noch bei den Seahawks.
Obwohl ein Post-June-1-Cut mit der Reserve/Retired-Liste kombinierbar ist, entschieden sich die Cowboys dagegen - Romo wurde noch am Dienstagabend entlassen. Das lässt darauf schließen, dass sich Team-Besitzer Jerry Jones relativ sicher ist, dass Romo nicht nochmals zurückkehrt.
Was machen die Texans und die Broncos jetzt?
Das einfachere Team zuerst: Die Denver Broncos schienen schon seit einer Weile nur noch milde interessiert. Man mag das als Zockerei von Geschäftsführer John Elway auslegen, auszuschließen ist es nicht. "Wie wir schon zuvor gesagt haben: Wir haben ein wirklich gutes Gefühl bei den beiden Jungs, die wir haben", hatte Elway jüngst mit Blick auf Trevor Siemian und Paxton Lynch klargestellt.
Der Plan sei es demnach, "auf diesem Kurs zu bleiben und zu schauen, wer im Draft noch verfügbar ist. Dann sehen wir weiter. Aber wir mögen beide: Paxton war im vergangenen Jahr nicht grundlos ein Erstrunden-Draft-Pick, Trevor kam rein und hat gut gespielt. Es wird zwischen den beiden einen tollen Wettkampf über den Frühling geben." Nach dem Eigentümer-Treffen im März soll im Broncos-Lager endgültig klar gewesen sein, dass man Romo nicht verpflichten wird.
Nun wäre eine Romo-Verpflichtung zumindest mit Blick auf Lynch nicht kategorisch auszuschließen gewesen - Romo hätte als Übergangslösung für etwa zwei Jahre fungieren und so dem noch sehr rohen Youngster die Möglichkeit geben können, hinter ihm zu lernen. Allerdings hatte Denver schon in der vergangenen Saison deutliche Probleme in der Offensive Line, die in der Free Agency nur bedingt adressiert wurden.
Guard Ron Leary ist ein klares Upgrade, der Abgang von Left Tackle Russell Okung allerdings öffnet - auch wenn Okung nicht mehr als Durchschnitt war - eine neue Baustelle. Will heißen: Romo hinter diese Line zu stellen wäre ein enormes Risiko gewesen. Es ist aktuell davon auszugehen, dass die Broncos schlicht, wie von Elway bereits angekündigt, mit Siemian und Lynch als Quarterback eins und zwei in die kommende Saison gehen.
Houston, wir haben ein Problem
Anders sieht die Lage bei den Texans aus. Houston hat mit dem ungewöhnlichen Trade von Brock Osweiler, der mitsamt einer ordentlichen Portion seines Gehalts an die Cleveland Browns abgegeben wurde, scheinbar die Bühne für Romo bereitet. Mit einer potentiellen Top-5-Defense, einem Nummer-1-Receiver (DeAndre Hopkins), einem soliden Running Back (Lamar Miller) und einer zumindest akzeptablen Offensive Line schien Houston der perfekte Kandidat für Romo, um doch noch einen Super-Bowl-Ring zu holen.
Daran hatten die Texans auch, das ist in Medienkreisen mitnichten ein Geheimnis, großes Interesse. John McClain vom Houston Chronicle bestätigte am Dienstag nochmals, dass Houston an Romo interessiert war - sofern die Cowboys den Routinier entlassen hätten. Stattdessen steht Houston Stand heute mit Tom Savage und Brandon Weeden als Quarterback-Optionen da. Zwar liegt der Draft noch vor uns, ein Quarterback, der als sofortiger Starter in die NFL kommen kann, ist darin aber mutmaßlich nicht zu finden.
Allerdings hätten die Texans dem Vernehmen nach selbst dann einen Quarterback gedraftet, wenn Romo gekommen wäre. Bedeutet im Umkehrschluss: Es ist alles andere als unwahrscheinlich, dass Houston jetzt einen Quarterback verpflichtet und zusätzlich Ende April früh einen im Draft holt. Mit Savage und Weeden als QB eins und zwei jedenfalls wird das Team nicht in die kommende Saison gehen. So oder so, die Aussichten auf die kommende Saison sind in Houston mit Romos Rücktritt ein gutes Stück weit finsterer geworden.
Wer profitiert davon?
Mit Romo ist der mit weitem Abstand dickste Quarterback-Fisch vom Markt - auch wenn er technisch gesehen kein Free Agent war - und das drei Wochen vor dem Draft. Für Teams, die jetzt noch einen möglichen Starter für die kommende Saison suchen, wurde die Auswahl gerade nochmals kleiner.
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Somit rücken mehrere Kandidaten in den Vordergrund, allen voran Jay Cutler. Seit seiner Entlassung bei den Chicago Bears ist es erstaunlich ruhig um Cutler. Während unter anderem Brian Hoyer, Nick Foles, Josh McCown, Mark Sanchez und Geno Smith in den vergangenen Wochen bei neuen Teams untergekommen sind, scheint es an Cutler kaum ernsthaftes Interesse zu geben.
Das dürfte verschiedene Gründe haben. Einerseits gilt Cutler nicht gerade als der einfachste Typ, andererseits wird er sich kaum mit einem Backup-Job zufrieden geben. Die Tatsache, dass Romo jetzt als Option verschwindet, gibt Cutler neue Argumente - vor allem bei den Texans. Houston hat in vielerlei Hinsicht jetzt einen Contender-würdigen Kader, abgesehen eben vom Quarterback. Und Cutler wäre für 2017 jetzt mutmaßlich die beste Option.
Ein Alternative wäre der ebenfalls noch immer verfügbare Colin Kaepernick, der rein vom Scheme her aber wohl eine deutlich längere Anlaufphase brauchen würde als Cutler. Darüber hinaus profitieren die Quarterbacks im Draft, wenn jetzt ein weiteres Team frühzeitig einen Quarterback zieht.
Welche Legacy hinterlässt Romo - oder gibt's das Comeback?
Es gibt eine Anekdote zu Romo, die Andrew Brandt - inzwischen bei ESPN, zu Beginn des Jahrtausends noch in der Franchise-Führung der Green Bay Packers - gerne erzählt: "Am Ende des 2003er Drafts rief ein Scout bei uns im Packers-War-Room: 'Will irgendwer diesen Tony Romo verpflichten? Er kommt aus Wisconsin.' Niemand sagte auch nur ein Wort."
Romo hat die insbesondere für einen Quarterback unwahrscheinlichste Art der NFL-Karriere hingelegt: Als Undrafted Free Agent erhielt er in Dallas einst einen Unterschriftsbonus in Höhe von 10.000 Dollar. 14 Jahre später werden seine Karriere-Verdienste auf etwa 127 Millionen Dollar geschätzt.
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Doch was war auf dem Platz? Romo war gerne unterschätzt, trug aber über viele Jahre Cowboys-Teams voller Löcher durch die Saison. Zwar konnte er seine absolute Topleistung nicht komplett konstant abrufen, trotzdem war er lange einer der Jahr für Jahr besten Quarterbacks in der NFL - wenngleich ihm seine schlechte Playoff-Bilanz (2-4) auch in Zukunft vorgehalten werden wird.
Lediglich in vier Spielzeiten absolvierte er alle 16 Spiele, trotzdem gab er für die Cowboys alles. Romo spielte mit einer punktierten Lunge und einem Rippenbruch, er stand sogar noch mit stechenden Scherzen im Bein auf dem Platz, als er eine Bandscheiben-Verletzung erlitten hatte. Fünf Tage später wurde er operiert. Interceptions zur Unzeit prägten Romos Bild in der Öffentlichkeit, in den wichtigsten Spielen hatte er für viele zu häufig seinen schlechtesten Tag. All das macht seine Bewertung äußerst kompliziert, zu häufig wird ein schwarz-weiß Bild von Romo gezeichnet. Genau das allerdings ist gerade bei Romo nicht möglich.
Bleibt nur eine Frage: Ist das tatsächlich das Ende? ESPN-Insider Adam Schefter deutete in seinem Bericht an, dass ein Comeback irgendwann im Sommer durchaus noch denkbar ist. In die gleiche Kerbe schlug Jane Slater vom NFL Network. So könne sich Romo durchaus eine Rückkehr vorstellen - insbesondere, falls die Cowboys ihn brauchen.
Doch allem Anschein nach sind Romos Gespräche mit CBS bereits weit fortgeschritten, der TV-Sender dürfte eine gewisse Garantie einfordern, wenn er Romo direkt als NFL-Top-Experten und womöglich auch bei der Golf-Coverage einsetzt. Romos Entscheidung zu diesem Zeitpunkt ist mutig, aber angesichts seiner Verletzungshistorie und mit Blick auf seine Familie auch vernünftig. Und dennoch: Es wird spannend sein zu sehen, ob er der Lust auf das Spiel widerstehen kann, wenn sich im August wirklich eine Option auftut. Mit einem Comeback rechnen sollte man Stand heute jedoch nicht.