Es dauerte nicht lange, ehe Adrian Peterson nach seiner Unterschrift bei den Saints seinen Wechsel auch erklären wollte: "Die Vorstellung, dass ich mit Drew Brees im Backfield bin, ließ mich fast denken: 'Wow, was sollen unsere Gegner machen?' Ich freue mich unglaublich auf die neue Saison, darauf, diese Reise zu beginnen und darauf, zu sehen, wie Teams uns verteidigen wollen."
Schließlich sei es, so Peterson Anfang Mai weiter, "offensichtlich eine gute Situation für mich. Ich war in Seattle und New England und habe mich dort mit den Teams getroffen, anschließend hatte ich einige weitere Besuche auf meinem Zettel. Aber letztlich war der Wohlfühlfaktor hier bei meinem Besuch entscheidend. Das Gefühl für die Stadt und die Organisation - das hat mich sofort gepackt".
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Vor fünf Jahren noch wäre die von Peterson aufgeführte Backfield-Kombination um ein Vielfaches furchteinflössender gewesen. Peterson knackte 2012 die 2.000-Rushing-Yard-Marke und trug die Vikings in die Playoffs, nur hauchzart verpasste er den All-Time-Ruhsing-Rekord von Eric Dickerson. Brees legte in der gleichen Saison 5.177 Passing-Yards und 43 Touchdown-Pässe auf.
Doch in den letzten fünf Jahren ist viel passiert. Offenses funktionieren zunehmend anders, wie jüngst im Draft die Carolina Panthers mit ihrer Fokussierung auf vielseitige Running Backs demonstrierten. Auf dieser Position sind jetzt Spieler wie Le'Veon Bell und David Johnson gefragt, Receiver-Running-Back-Hybrids, physische Freaks, die aus jeder Formation laufen und gleichzeitig auch jede Wide-Receiver-Position bekleiden können. Für den klassischen Running-Back-Typen ist es daher zunehmend schwierig, einer Offense konstant seinen Stempel aufzudrücken.
Und trotzdem haben die Saints Adrian Peterson verpflichtet. Aber - warum eigentlich?
Mark Ingram: Was ist mit ihm?
Die Umstände lassen einen zunächst mit einem Fragezeichen im Gesicht zurück. Peterson ist inzwischen 32 Jahre alt, in NFL-RB-Jahren legitimer Opa-Status. Er hat fast die komplette Vorsaison aufgrund einer Knieverletzung verpasst und wenn er im Vorjahr auf dem Platz stand, wirkte er hinter der desolaten Vikings-Line verloren. Seine 1,9 Yards pro Run in drei Spielen in der vergangenen Saison sagen schon fast alles.
Doch hier hört das Fragezeichen nicht auf. Schließlich gilt es auch zu berücksichtigen, dass New Orleans bereits einen guten Starting-Back hat: Mark Ingram gelangen in der vergangenen Saison 5,1 Yards pro Run, er hatte ein Top-5 Elusive Rating, glänzte also bei Yards nach Kontakt und durchbrochenen Tackles. Am Ende stand Ingrams erste 1.000-Rushing-Yard-Saison in der NFL (1.043 Yards).
Zudem verzeichnete Ingram, der noch für zwei Jahre unter Vertrag steht und fünf Jahre jünger ist als Peterson, 46 Receptions sowie insgesamt zehn Touchdowns. Peterson hatte in seiner kompletten NFL-Karriere noch nie mehr als 43 Receptions in einer Saison, und das war 2009.
Man darf die Frage also getrost noch einmal stellen: Warum haben die Saints Peterson geholt?
Peterson: Elite-Runner für Elite-Blocker
Wie so häufig liegt zumindest eine mögliche Antwort auf diese Frage im Tape. Peterson ist kein Running Back, der geduldig hinter der Line wartet oder dem Outside-Runs liegen, die sich etwas langsamer entwickeln. Stattdessen braucht er vor allem zwei Dinge: Klare Inside-Run-Designs und eine saubere Pocket, die es ihm erlaubt, schnell Downhill Fahrt aufzunehmen. Das zeigt sein 2015er Tape, als er zuletzt alle 16 Spiele absolvierte - und, das sollte man nicht vergessen, die NFL in Rushing-Yards (1.485) und auf einem geteilten ersten Platz auch in Rushing-Touchdowns (11) anführte - bei starken 4,5 Yards pro Run.
Peterson ist, wenn er physisch wieder bei 100 Prozent ist, noch immer einer der besten reinen Runner in der NFL. Das sieht man auf Tape, seine Explosivität und seine Cuts bei Inside-Runs sind bemerkenswert. Vorausgesetzt eben, er bekommt dabei einen sauberen Laufweg. Dann macht er gerne einen kurzen Cut zur Seite, wo schließlich seine Explosivität voll zum Tragen kommt.
Wie das zu den Saints passt? Ziemlich, ziemlich gut.
Das Team hat, seitdem Brees in New Orleans ist, Wert auf die Interior-Offensive-Line gelegt, um dem eher kleineren Brees eine saubere Pocket und klare Sicht zu geben. Das zahlt sich auch im Run Game aus: New Orleans hatte 2016 laut den Statistikern von Football Outsiders die beste Run-Blocking-Line in der NFL sowie die zweitniedrigste "Stuffed-Run"-Rate - also Runs, die an oder schon vor der Line of Scrimmage gestoppt wurden (14 Prozent). Ein wichtiger Fakt für Peterson, der in puncto Yards nach erstem Gegnerkontakt über die letzten Jahre abgebaut hat.
Allerdings auch ein guter Indiz für starkes Inside-Blocking, die Saints setzten ebenfalls gerne auf ein physisches Downhill-Run-Game. New Orleans sollte in der Folge in der Lage sein, einige der Run-Blocking-Konzepte aus Petersons Hochzeiten in Minnesota zu übernehmen: Dazu gehören vor allem Inside-Runs hinter Double-Team-Blocks. Nichts komplexes, mit Peterson aber sehr gefährlich. Das gilt umso mehr, wenn Defenses in ihrer Planung zunächst Brees und das stets gefährliche Passing Game berücksichtigen müssen.
Kuhn: "Sieht aus wie der alte AP"
Indes gibt es natürlich schon die ersten obligatorischen positiven Kommentare nach den ersten Saints-Trainingseinheiten. Ex-Packers-Fullback John Kuhn, der in New Orleans einen neuen Vertrag erhalten hat, erklärte etwa bei ESPN, dass ihn Peterson an beste Vikings-Tage erinnert: "Er sieht genau so aus, wie damals, als ich ihn immer von der anderen Seitenlinie aus gesehen habe. Er sieht wie der alte AP aus, und ich freue mich, jetzt mit ihm statt gegen ihn zu spielen."
Bedeutet all das, dass die Peterson-Verpflichtung auf einen Schlag Sinn macht? Sicher nicht. Es erklärt zumindest, warum es im Run Game Sinn machen kann, doch andere Fragen bleiben. Der vielleicht spannendste Faktor: Wie gehen die Saints mit dem Formations-Dilemma um?
Konkret gemeint ist die Shotgun-Problematik: Peterson ist deutlich effizienter, wenn sich der Quarterback vor dem Snap direkt under Center positioniert. 4,9 Yards pro Run verzeichnet er aus dieser Formation in seiner NFL-Karriere, steht der Quarterback dagegen in der Shotgun, sind es lediglich 3,7 Yards pro Run.
Den zweiten Teil dieser Gleichung kann man jetzt vermutlich erahnen - laut Pro Football Reference stand Brees in der vergangenen Saison bei 71 Prozent seiner Snaps in der Shotgun. Wie also könnte die Saints-Offense 2017 aussehen?
Saints: Mehr Balance = Mehr Running Backs?
Die langweilige, aber auch wahrscheinlichste Theorie: New Orleans findet eine Art Mittelweg. Brees hatte 2016 einmal mehr eine statistisch herausragende Saison, seine Armstärke lässt aber langsam nach. Es ist also nicht auszuschließen, dass das Run Game eine etwas prominentere Rolle bekommt: In der vergangenen Saison hatte nur Baltimore mehr Passversuche als New Orleans (674), während die Saints mit 404 Runs auf dem ligaweit 19. Platz rangierten.
Die Chicago Bears 2017: Es ist nicht alles schlecht!
So könnte die Run-Zahl auf die Saison betrachtet durchaus um 40 bis 50 steigern, was den Wunsch nach einem zweiten Stark Back neben Ingram erklärt. In welcher Hackordnung genau das stattfindet, bleibt abzuwarten, auch wenn erste Medien Peterson bereits als Starter listen. Das könnte sich jedoch schnell auf eine 2-Down-Rolle beschränken, denn Petersons Schwächen im Passing Game - sowohl als Receiver als auch als Pass-Blocker - sind kein Geheimnis.
Da ändert es auch nichts, dass Peterson im Training in der Vorwoche intensiv bei den Passing-Übungen eingebaut wurde und Head Coach Sean Payton lobte, Peterson habe sich wohlgefühlt und "die Protections verstanden". Auffällig war dabei eher die Tatsache, dass der Routinier so früh in der Saisonvorbereitung bereits mit dem Team arbeitet. Bei den Vikings hat er zu diesem Zeitpunkt häufig noch alleine trainiert. Den gelegentlichen Pass wird Peterson schon bekommen, seine Kernkompetenz wird dieser Aspekt des Spiels aber wohl kaum noch werden.
Hier kommt Alvin Kamara ins Spiel. Die Saints gingen via Trade teuer hoch, um sich den Running Back im Draft als dritte Option neben Ingram und Peterson zu schnappen, und sein College-Tape zeigt klar: Kamara kann problemlos als Pass-Catching-Back früh eine Rolle einnehmen. Im College wurde er regelmäßig als Receiver aufgestellt, hatte enorm viele Forced Missed Tackles (23 bei 40 Receptions; insgesamt 90 bei 284 Touches über die letzten beiden Jahre) und glänzt mit seiner Mischung aus Beweglichkeit und Explosivität.
Brees: "Mit Wut und Leidenschaft laufen"
Ein zusätzlicher Aspekt, sollten die Saints mit einem intensiveren Run Game planen, könnte die eigene, seit Jahren problematische Defense betreffen - in gewisser Weise der "Cowboys-Effekt": Durch ein qualitativ und quantitativ besseres Run Game könnte New Orleans die Uhr und somit den Rhythmus des Spiels besser kontrollieren. Das sorgt dafür, dass die eigene Defense weniger Zeit auf dem Feld verbringt und der Druck auf die gegnerische Offense gleichzeitig erhöht werden kann.
Klar ist in jedem Fall: Man darf auch 2017 gespannt sein, wie ein gemeinsames Brees-Peterson-Backfield aussehen wird und was den Saints mit Blick auf das Scheme so einfällt. Das trifft umso mehr zu, falls Center Max Unger tatsächlich den Saisonstart verletzungsbedingt verpasst.
Brees jedenfalls stellte in der Times-Picayune bereits, angesprochen auf Ingram und Peterson, klar: "Ich denke, beide Jungs werden mit etwas mehr Wut und Leidenschaft laufen, und genau das willst du sehen. Ich glaube, so wie die Liga heute ist, ist es fast unmöglich, mit nur einem Running Back durch die Saison zu gehen. Du brauchst zwei Backs, die als Gespann funktionieren."