Dabei legten die Patriots mit einem unglaublichen Tempo vor: Die Pats starteten schnell in ihre No-Huddle-Offense, präsentierten die erwartet flexiblen Offensiv-Formationen und gingen durch einen kurzen Run von Mike Gillislee in Führung.
New England offenbarte defensiv jedoch die im Vorfeld kritisierten Schwächen im Pass-Rush, obwohl Dont'a Hightower primär als Edge-Defender und nicht als Inside Linebacker eingesetzt wurde. Kansas City versuchte offensiv viele kreative Formationen mit Wildcat, Wide Receiver im Backfield und dergleichen, anfangs aber gelang noch nicht viel. Bis ein durch Interception-Glück und Strafen gegen die Pats begünstigter Touchdown-Drive unmittelbar vor der Halbzeit KC wieder ran brachte.
So entwickelte sich ein merkwürdiger Spielverlauf. New England schien die Partie zu dominieren, die Chiefs aber legten gleichzeitig zwei Touchdown-Drives von je über 80 Yards hin. In der Folge fand die Defense immer mehr die richtigen Antworten und als Smith endlich den Deep Ball auspackte, brachte Hill die Gäste erstmals in Führung. In der zweiten Hälfte war Kansas City letztlich klar besser, insbesondere Smith, aber auch die D-Line der Chiefs steigerten sich merklich und die Probleme des Titelverteidigers im Pass-Rush wurden immer deutlicher.
Smith spielte sich im Laufe der zweiten Hälfte fast in einen Rausch und war deutlich aggressiver, während New Englands Offense jetzt gegen die Coverage der Chiefs die Antworten fehlten - und so kippte das Spiel vollends. Zusätzlich bitter für New England: Hightower musste mit einer Knieverleztung raus, Danny Amendola mit einer Gehirnerschütterung. Bei den Chiefs wurde kurz vor dem Ende Eric Berry mit einer potentiell schweren Verletzung an der Achillessehne vom Platz gefahren.
Die wichtigsten Statistiken
New England (0-1) - Kansas City (1-0) 27:42 (7:7, 10:7, 10:7, 0:21) BOXSCORE
- Alex Smith (28/35, 368 YDS, 4 TD) steigerte sich deutlich, sein Mut wurde in der zweiten Hälfte mit Big Plays belohnt. Für Smith war es das erste Regular-Season-Spiel mit über 300 Passing-Yards und vier Passing-Touchdowns, während am Ende die meisten zugelassenen Yards und Punkte einer Belichick-Defense aller Zeiten standen. Es war im 106. Versuch auch die erste (!) Pleite der Brady-Ära, wenn New England zu Beginn des vierten Viertels führte.
- Erster Hinweis auf das Backfield der Patriots: Mike Gillislee (15 ATT, 45 YDS, 3 TD) übernimmt die Rolle von LeGarrette Blount. Rex Burkhead (3 ATT, 15 YDS) war nahezu überhaupt kein Faktor, James White (10 ATT, 38 YDS) sah die zweitmeisten Runs.
- Tyreek Hill ist dank seines 75-Yards-Touchdowns jetzt der erste Spieler, der in fünf Regular-Season-Spielen in Folge Touchdowns über mindestens 60 Yards hingelegt hat. Aufseiten der Pats bemerkenswert: New England hatte in der Regular Season 2016 keinen Touchdown über mehr als 26 Yards zugelassen. Den Chiefs gelang neben Hills 75 Yarder noch Kareem Hunts 78 Yarder.
Die Stimmen zum Spiel
Tom Brady (Patriots): "Wir müssen unsere Einstellung ändern. Wir wurden heute in unserem eigenen Stadion deutlich geschlagen. Das ist ein furchtbares Gefühl. Zu diesem Spiel gibt es nichts Positives zu sagen."
Andy Reid (Chiefs, über die Berry-Verletzung): "Es sieht so aus, als könnte es sich um einen Achillessehnenriss handeln. Ich denke nicht, dass wir da positive Nachrichten bekommen werden."
Das entscheidende Duell: Chiefs-Secondary vs. Pats-Receiver
Kansas City verzweifelte defensiv anfangs. Die Chiefs versuchten sich an mehr Zone-Konzepten - spielten das dann aber mit einem 3-Men-Rush und acht Verteidigern in Coverage. Hierbei aber war die Pats-Line haushoch überlegen, und so hatte Brady in der Pocket immer wieder viel zu viel Zeit. Die Chiefs aber fanden die richtigen Anpassungen und kehrten wieder zu mehr Man-Konzepten zurück, was Brady dazu zwang, in engere Fenster zu werfen. Kansas City nutzte dabei seine Matchups: Berry vs. Gronk, Peters vs. Hogan. So konnten sie herausragende Man/Zone-Kombinationen spielen und nahmen Brady die Optionen im Passspiel konstant weg.
Der Knackpunkt: Smiths Mut in der zweiten Hälfte
Nach einer zwar statistisch guten, tatsächlich aber schlechten ersten Hälfte fasste sich Alex Smith in der Halbzeitpause ganz offensichtlich ein Herz - und sorgte so für die beiden Knackpunkte, die das Spiel zugunsten der Chiefs kippen ließen: Der 75-Yard-Touchdown-Pass auf Tyreek Hill sowie der 78-Yard-Touchdown-Pass auf Kareem Hunt, als er Lehrbuchmäßig Pass-Rusher Cassius Marsh in Coverage attackierte, verschafften Smith nicht nur ein ungewohnt gutes Deep-Passer-Rating, es waren auch die beiden entscheidenden Szenen, die den Weg zum überraschenden aber hochverdienten Auswärtssieg ebneten. Smiths 178 Yards bei Deep-Passes (mindestens 20 Yards downfield) stellen seinen Karriere-Bestwert ein.
Der Star des Spiels: Kareem Hunt
Was für ein sensationeller Einstand für Kareem Hunt! Der Rookie, dessen erste Ballberührung in einem Fumble endete, steigerte sich um ein Vielfaches und lieferte ein großartiges NFL-Debüt ab: Explosiv, gute Vision, fand die Lücken und war nicht nur bei seinem langen TD-Catch auch als Receiver eine Waffe. Am Ende standen 246 Total Yards (148 Rushing, 98 Receiving) sowie drei Touchdowns, bei 68 Yards nach Gegnerkontakt. Seine 246 Yards from Scrimmage sind ein neuer Rekord für das erste NFL-Spiel.
Der Flop des Spiels: Die Patriots-Front
Man könnte hier in verschiedene Richtungen gehen. Brady (16/36, 267 YDS) hatte keinen guten Tag, während Rob Gronkowski (2 REC, 33 YDS) bei Eric Berry bestens aufgehoben war und kaum einen Stich sah. Auch die Secondary leistete sich einige Patzer. Verloren wurde dieses Spiel aber primär in der Front. Die war vor dem Spiel das große Fragezeichen bei einem ansonsten sehr gut besetzten Titelverteidiger - der Opener zeigte, dass die Pats hier noch viel Arbeit vor sich haben. Immer wieder hatte Smith in der Pocket viel zu viel Zeit was letztlich auch die Big Plays ermöglichte, die Lücken im Run Game öffneten sich zudem konstant.
Die Taktik-Tafel
- Wie erwartet agierte New England mit einer ungeheuren Flexibilität. Running Backs liefen aus dem Backfield Routes und wurden im Slot sowie Outside aufgestellt, auch die Tight Ends waren überall zu finden. Gleiches galt für die Wide Receiver, die keine festen Positionen zu haben schienen, sondern sich jeweils auf unterschiedlichen Positionen aufstellten. Inklusive End-Around-Runs. Das erschwerte die Coverage für die Chiefs - die außerhalb der Red Zone viel Man Coverage spielten - zunächst noch enorm und zwang Verteidiger in schlechte Matchups.
- Das aber funktionierte nur, bis sich die Coverage der Chiefs gefunden hatte. Als Kansas City auf seine Man-Konzepte mit Zone-Coverage underneath umstellte, waren die Patriots-Receiver immer seltener frei. Da half es auch nicht, dass New Englands Offensive Line weitestgehend gute Arbeit ablieferte.
- Dabei wurde deutlich, was sich im Training Camp angedeutet hatte: New England versuchte, ein vertikaleres Passspiel aufzuziehen und insbesondere Brandin Cooks war hier involviert. Gegen diese Defense gelang das jedoch nur sehr vereinzelt.
- Anstoß für weitere Überlegungen: Kansas City zeigte auffällig viele Spread-Konzepte, was Rookie-Backup-QB Patrick Mahomes aus dem College kennt. Eventuell ein erster Hinweis, dass wir den Rookie mit dem sensationellen Arm und der noch sehr rohen Technik doch im Laufe der Saison sehen? Zumindest die zweite Halbzeit von Smith wird alle Mahomes-Rufe aber vorerst verstummen lassen.