NFL

Warum ist Watson plötzlich so stark?

Deshaun Watson ist der Shootingstar der vergangenen beiden Wochen
© getty

Nach einem enttäuschenden London-Duell zwischen den Miami Dolphins und den New Orleans Saints kommen Fragen auf, was die generelle Ausrichtung der Serie in der Zukunft mit sich bringt. Derweil überrascht Deshaun Watson alle Kritiker und die Giants sowie die New England Patriots stehen vor großen Problemen. In der wöchentlichen Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke auf die vergangenen Tage in der NFL zurück.

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Die NFL steht in London am Scheideweg

Natürlich war jede Menge Frust dabei, als Ravens-Coach John Harbaugh mit Blick auf die 7:44-Pleite gegen Jacksonville in London vor zwei Wochen sagte: "Ich habe nicht vor, hier in allzu naher Zukunft wieder zu spielen. Den Job kann gerne jemand anderes haben." Weiter führte er aus: "Über einige Dinge hat man schlicht keine Kontrolle: In welchen Hotel wir sind (die Ravens waren in einem Hotel 45 Minuten außerhalb der Stadt, d.Red.), wie lange die Busfahrten dauern, wie lange man zum Stadion braucht."

Trotzdem aber brachte es mich zum Nachdenken, über etwas, das ich schon im vergangenen Jahr hier vor Ort in London das eine oder andere Mal gedacht habe. Die Art und Weise, wie die London-Spiele stattfinden, sind für die Teams nicht nur nicht ideal - ich glaube die NFL muss hier bald eine Entscheidung treffen.

Am vielleicht deutlichsten war Jarvis Landry nach dem Training am Freitag - auch ohne das Problem direkt anzusprechen - als er zum Trip nach Europa befragt wurde. Wie es sich angefühlt hat, direkt nach der Ankunft auf dem Trainingsplatz zu stehen? "Es ist, wie es ist." Erneute Nachfrage: "Es ist, wie es ist. Es ist, wie es ist."

Das Team war erst wenige Stunden vorher angekommen, nach kurzem Check-In im Hotel ging es zum Training. Die meisten Spieler wirkten müde und wenig motiviert. Auf den Kommentar eines Journalisten, dass er Landrys Reaktion so werte, dass sich der Receiver nach der Reise und dann direkt auf dem Trainingsplatz nicht sonderlich fit gefühlt habe, kam ein letztes: "Es ist, wie es ist."

Landry sagte all das mit einem leicht ironischen Grinsen im Gesicht, doch die Botschaft kam deutlich rüber. Als ich die Gelegenheit hatte, im direkten Gespräch mit Coach Adam Gase genauer nachzufragen, fiel die Aussage in sehr ähnlicher Formulierung ebenfalls: "Die Situation ist eben so, da kann man ja nichts dran ändern."

Der Zeitunterschied ist fraglos die eine Komponente, für die innere Uhr der Spieler beginnen die London-Spiele irgendwann am (frühen) Morgen, die lange Anreise - knapp sieben Stunden allein von New York aus - eine weitere. Dazu kommen dann auch noch Sponsorentermine und Auftritte auf der Fanmeile am Freitagabend beziehungsweise am Samstag.

Eine tolle Sache für die Fans in London und in Europa generell, und auch die Spieler finden aus privater Sicht Gefallen an dem ungewöhnlichen "Auswärtsspiel". Den Eindruck hatte ich in diesem genau wie auch im vergangenen Jahr, und das nicht nur bei Jay Ajayi, der in seiner Heimatstadt natürlich besonders gefragt war.

Auf der anderen Seite aber ist es in puncto Spielvorbereitung gelinde gesagt ein schwieriger Trip für die Teams. Es gehe darum "sich vom Kopf her richtig einzustellen", hatte Gase mir abschließend gesagt, und das bringt es ganz gut auf den Punkt: London ist für die meisten Teams, Jacksonville als jährlichen Gast (3-0 in London seit 2015, 10-25 insgesamt über diesen Zeitraum) mal ausgeschlossen, eine große Herausforderung.

Weil es eben, egal was die Verantwortlichen hier vor Ort regelmäßig abspulen, so wie es aktuell aufgezogen wird, kein normales Auswärtsspiel ist. Und so steht die London-Serie in meinen Augen an einem Scheideweg. Nicht was die generelle Austragung angeht, sondern eher, was den Umgang mit den Spielen angeht. Soll weiter jedes Spiel ein riesiges Event sein? Werden die Spiele mit steigender Regelmäßigkeit "normaler" und noch besser in den NFL-Kalender integriert? Sollten die Teams vor einem London-Spiel mehr Zeit bekommen, etwa durch zusätzliche Thursday Night Games?

Eine Patentlösung gibt es da sicher nicht und das Vorschlagen einer solchen würde ich mir auch nicht anmaßen wollen. Klar ist aber, dass im aktuellen Format die Qualität der Partien in London zumeist stark abfällt und beim Saints-Dolphins-Spiel habe zumindest ich erstmals deutlich vernehmbare Buh-Rufe aufgrund der vielen individuellen Fehler und Strafen vernommen.

Die Liga hat viel dafür getan, um Fans in Europa das Spiel näher zu bringen und die Begeisterung für Football zu wecken. Der nächste Schritt muss jetzt sein, die Qualität des Spiels auch auf der anderen Seite des Atlantiks strukturell dem näher zu bringen, was die vielen Fans in Europa vom Fernsehen gewohnt sind.

Tape: Warum Deshaun Watson plötzlich so glänzt

Die Tape-Analyse für diese Woche zu finden war nicht schwierig, Deshaun Watson ist aktuell sicher einer der spannendsten Spieler in der NFL. Sein Starting-Debüt gegen Cincinnati war noch mehr als holprig, zurecht wurde seine Leistung anschließend kritisch beäugt - trotz des Sieges. Was wir seither aber sehen, spricht für den Rookie-Quarterback der Texans. Und es spricht auch für Head Coach Bill O'Brien.

Denn es lassen sich Muster erkennen, wie O'Brien die Offense für Watson bislang plant: In den ersten drei Vierteln des Spiels gegen Tennessee habe ich mindestens 14 Play-Action-Spielzüge und Run-Pass-Options gezählt. Es ist das dominierende Element dieser Texans-Offense, und genau das hat schon das Tape gegen New England gezeigt. Dazu kommen einige Zone Reads, um noch mehr Stress auf die Defense auszuüben.

Die Konsequenz daraus ist klar. Watson kann seine Athletik nutzen, während diese Plays ihm auffällig häufig viel Zeit und Platz in der Pocket verschaffen. Das hat schon jetzt einen faszinierenden Effekt. Watson geht deutlich konstanter und geduldiger durch seine Reads, der Vergleich zum Bengals-Spiel ist hier wie Tag und Nacht. Die beiden ersten Touchdown-Pässe kamen via Play Action, dazu ein QB-Option-Run und ein direkter QB-Run.

Houston ergänzt das durch Misdirection innerhalb der Play Action, um Plays scheinbar in die eine Richtung entwickeln zu lassen, während ein Spieler meist aus dem Backfield verzögert in die andere Richtung läuft. So waren mehrfach Receiver für Watson komplett offen. Gleichzeitig spielen die Texans aber auch auffällig viele Empty Formations, woraus Watson meist schnelle Pässe wirft. Hier zeigt er ansteigende Genauigkeit, gegen die Titans hatte er zudem mehrere spektakuläre Deep Balls.

Bei allem Lob aber muss auch klar sein, dass sich die Offense in den kommenden Wochen und Monaten darauf aufbauend weiterentwickeln muss. Aktuell hat O'Brien schon deutliche Erfolge erzielt, vorneweg Watsons Wille, durch Reads zu gehen.

Es ist per se richtig, Watsons Athletik auch ins Scheme einzubauen, allerdings findet die Offense bisher fast exklusiv aus der Shotgun heraus statt. Ein nächster Schritt wären also sicherlich mehr Under-Center-Formationen sowie schrittweise ein noch stärkeres Pocket-Passing-Game. Für den Moment aber muss man festhalten, dass Watsons Fortschritte ohne Zweifel beeindruckend sind. Und das liegt ganz maßgeblich an der Offense, die O'Brien für ihn entwirft.

Zahlensalat - Stats, die Week 4 geprägt haben

  • Der Sieg gegen Baltimore könnte das "Ich bin zurück"-Spiel von Le'Veon Bell gewesen sein. Nicht nur, weil er gegen die Ravens-Front bei absurden 35 Runs 144 Yards verzeichnete - nein, fast die Hälfte davon kam nach Kontakt. Bell erzwang sechs Missed Tackles und bei Outside-Runs stand er laut Pro Football Focus bei 6,1 Yards pro Run. Weniger Erfolg hatte er Inside (2,2 Yard pro Run), etwas, das man im Auge behalten sollte.
  • Ein Problem in der Falcons-Offense: Die Downfield-Pässe klappen noch nicht, vor allem im Vergleich zur vergangenen Saison ein deutlich sichtbarer Unterschied. Das zeigen auch die Stats gegen Buffalo, wenngleich natürlich die Verletzungen von Julio Jones und Mohamed Sanu dabei nicht unterschlagen werden dürfen. Matt Ryan hatte nur vier Pässe von mindestens 20 Yards, von denen einer bei einem Receiver und einer bei einem Bills-Verteidiger landete.
  • Auch wenn alle meine Leser diesen Satz schon sehr häufig gehört haben: Arizona muss dringend etwas für seine Offensive Line tun. Das zeigte sich auch wieder gegen die Niners, als die Cardinals nicht nur im zweiten Spiel in Folge sechs Sacks kassierten, sondern zudem auch Palmer bei 21 seiner 58 (!) Dropbacks unter Druck stand.
  • Stichwort Quarterbacks, die unter Pressure wackeln: Dazu gehört auch Carson Wentz, der gegen die Chargers gegen Pressure nur knapp 35 Prozent seiner Pässe anbrachte. Trotzdem haben die Eagles schon jetzt mehr Auswärtsspiele gewonnen, als in der kompletten vergangenen Saison.
  • Ein weiterer Spieler in diesem Bunde bleibt Jared Goff. Bei allen positiven Entwicklungen der Rams unter Sean McVay, Goff tut sich weiter unglaublich schwer gegen Pressure. Das war auch gegen die Cowboys so, wo er in diesen Situationen nur drei von elf Pässen für 16 Yards anbrachte inklusive einer Beinahe-Interception spät im Spiel.
  • Warum die Packers Casey Hayward im Vorjahr haben gehen lassen, weiß in Green Bay heute wohl auch keiner mehr. Gegen die Eagles ließ er bei sieben Targets ganze 17 Yards zu! Zudem wehrte er vier Pässe ab.
  • Muhammad Wilkerson hat derweil offenbar keine allzu große Lust auf diese Saison. Gegen Jacksonville gelang ihm nicht mehr als ein Hurry, somit steht er nach vier Spielen bei sieben Hurries, keinem Hit und keinem Sack.
  • Zum Abschluss Glückwunsch an Cam Newton: Superman ist jetzt der erste Quarterback in der Geschichte der NFL mit 50 Rushing-Touchdowns! Ebenfalls im Spiel gegen die Patriots überholte Jonathan Stewart DeAngelo Williams und ist jetzt der All-Time-Leading-Rusher der Panthers. Auch hier: Glückwunsch!
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