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Wie passierte das beste Spiel der Saison?

Deshaun Watson und Russell Wilson lieferten sich am Sonntag ein unglaubliches Duell
© getty

Der verrückte Schlagabtausch zwischen den Houston Texans und den Seattle Seahawks war das beste Spiel der bisherigen Saison und bedarf Aufarbeitung - vor allem Deshaun Watson ist mehr als beeindruckend. Derweil herrscht in Miami Alarmstufe Rot, und das liegt an den Spielern. Außerdem: Was ist mit den Tampa Bay Buccaneers los? Wie steht es mittelfristig um die Colts? Und wer erhält die Midseason-Awards von SPOX-Redakteur Adrian Franke?

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Wie passierte das beste Spiel der Saison?

Es war ein absolutes Highlight, was uns die Seahawks und die Texans da am Sonntag vorgesetzt haben. Mehr noch: Es war das beste Spiel der bisherigen Saison und es wird schwer, vor allem das Niveau des Quarterback-Duells zu überbieten.

Russell Wilson spielt schon fast die ganze Saison über auf MVP-Level. Was Wilson angesichts der Offensive Line sowie des schlicht nicht vorhandenen Run Games auf den Rasen bringt, ist absolut spektakulär und wird für meinen Geschmack bisher in diesem Jahr nicht genügend gewürdigt.

Mein Fokus aber galt dem Watson-Tape, denn dass ein Rookie-Quarterback in Seattle gegen diese Defense, die zuletzt schon wieder an ihre großen Zeiten erinnerte, eine solche Leistung abliefert, ist unglaublich beeindruckend. Also, direkt zur Sache: Wie kam diese Leistung von Watson zustande?

Houston setzte, wie schon in den vergangenen Wochen, auf einen stark Play-Action-basierten Ansatz und Konzepte, bei denen die Pocket bewegt wird. Eine klare Änderung zu der komplexen Offense, welche die Texans in den vergangenen Jahren spielen wollten. Allerdings fällt auf, dass Coach Bill O'Brien seinen neuen Ansatz mit Watson zunehmend erweitert und Defenses das Leben so schwer macht.

Triple-Options, viele Formationen mit zwei oder gar drei Spielern im Backfield - letztere Aufstellung wählte Houston extrem häufig gegen Seattle und setzte daraus verschiedene Spielzüge um - Pre-Snap-Motions, Misdirection und Formationen, die den Gegner in die Irre führen sollen prägen die Offense. Und natürlich auch Zone Reads für Watson selbst: Das Playbook der Texans wird aus Sicht der Defenses zunehmend komplex, während Watson selbst noch immer nur selten schwierige Full-Field-Reads durchführen muss. In dieser Offense kommen die Stärken des Rookies voll zur Geltung, während seine Schwächen maskiert werden.

So waren 16 seiner 30 Pässe Play-Action-Pässe, darunter bemerkenswerterweise alle sieben Under-Center-Pässe. Dazu kamen drei Screens, alle vier Touchdowns warf Watson bei Play Action oder Screen. Noch immer hat er teilweise Probleme, wenn der "einfachere" Read nicht gegeben ist. Da läuft er teilweise überhastet los oder bleibt beim ersten Read hängen. Das führte zum Pick Six, als er die Cover-2-Man-Defense der Seahawks mehr oder weniger ignorierte und Earl Thomas das Play die ganze Zeit gelesen hatte.

Watsons Pässe gegen SeattleShotgun/PistolUnder CenterZone ReadScrambles
23 Pässe7 Pässe53
Davon Play Action9 (3 TD)7 (1 INT)
Davon Screen Pässe3 (1 TD)0

So viel zum schematischen Part. Auffällig war aber auch, wie mutig Watson spielte: In der ersten Hälfte flogen zwölf seiner 18 Pässe über zehn Yards Downfield, sieben davon gar über 20 Yards, eine spektakuläre Quote. Beim Touchdown attackierte er Earl Thomas ganz gezielt, nachdem Seattles All-Pro-Safety kurz aufgrund des Play-Action-Fakes gezögert hatte. Auch vor Richard Sherman schreckte Watson überhaupt nicht zurück.

Houston hatte in der Folge neun Plays mit mindestens 20 Yards Raumgewinn, mehr schaffte noch nie ein Team in Seattle, seitdem Pete Carroll dort coacht. Mehr noch: Watson steht über die letzten vier Spiele bei 406 Yards über lange Pässe (mindestens 20 Yards) - und hat damit mehr als Brock Osweiler in der kompletten Vorsaison für die Texans (379). Man kann gar nicht genug betonen, wie beeindruckend das ist. Auch O'Brien muss man hier für seine Play-Designs loben, die Watson in Position bringen, diese Downfield-Shots immer wieder zu versuchen.

Und Wilson? Der hatte 482 Total Yards. Die Seahawks als Team hatten (bedingt durch Sacks und ein desolates Run Game) 479 Total Yards. Viel mehr muss man dazu eigentlich kaum sagen, es war wieder einmal eine großartige Vorstellung von Wilson, aus der Pocket und bei Rollouts sowie bei seinen so gefürchteten Improvisationen. Sein Deep-Ball ist mindestens in der ligaweiten Top-3 anzusiedeln, nur die späte Interception war sehr merkwürdig, ein Wurf direkt in die Arme des in der Zone Coverage wartenden Verteidigers.

Da außerdem mehrere Fragen zu Seattles Run Game und den Hauptschuldigen an den Problemen kamen: Ich sehe hier nach wie vor die Line primär in der Verantwortung. Jadeveon Clowney war am Sonntag ein wandelndes Mismatch, ein Sack, ein Hit, sieben Hurries und zwei Tackles for Loss sind noch weniger deutlich, als das Tape wirkte. Lacy und Rawls könnten in meinen Augen noch immer solide sein, wer aber andauernd Verteidiger im Backfield sieht oder die eigenen Blocker direkt zurück in den eigenen Laufweg geschoben bekommt, dessen Tape wird selten gut aussehen.

Der Trade für Duane Brown ist somit ein unglaublich wichtiger Move für Seattle und macht die Seahawks auf einen Schlag deutlich gefährlicher. Auch wenn der Preis nicht günstig war; niemand konnte erwarten, dass die Seahawks zu diesem Zeitpunkt einen günstigen Starting-Tackle bekommen.

Miamis Offense ist nicht akzeptabel

Zwei Shutouts, und wenn wir ehrlich sind, muss man das erste Spiel gegen die Jets eigentlich zumindest als "halben" Shutout zählen. Der Auftritt bei den Ravens am Donnerstag war gewissermaßen der traurige Höhepunkt, und das sah auch Head Coach Adam Gase so. Mit Blick auf die Umsetzung der Offense polterte er: "Es geht nicht darum, die Informationen abzuspeichern. Wir arbeiten nicht hart genug. Darum geht es. Wenn man sich diese Dinge nicht merken kann, sollte man nicht in der NFL sein. Letztlich muss jeder diese Sachen zuhause lernen, das funktioniert nicht einfach in den Meetings."

Eine klare Ansage, und es ging noch weiter. Auf die Nachfrage des Miami Herald, wie lange die Offense schon derartige Probleme habe, legte Gase nach: "Das geht jetzt seit zwei Jahren so. Ich adressiere das schon seit einer Weile. Ich habe es ehrlich gesagt satt." Eine derartige öffentliche Tirade gegen die eigenen Spieler hört man auch in der NFL nicht aller Tage, daher wollte ich noch ein paar Sätze zur Dolphins-Offense schreiben, denn die Probleme sind vielseitig - und in der Summe ergibt das eine aktuell horrend schlechte Offense.

Die individuelle Qualität fehlt an mehreren Stellen, unter anderem in der Line und auf der Quarterback-Position. Das Run-Blocking ist schlecht und Jay Ajayi, der diese Offense tragen sollte, wartet noch auf seinen ersten Rushing-Touchdown in dieser Saison. In nur zwei Spielen kam er über 80 Rushing-Yards hinaus.

Viel schwerwiegender aber ist ein anderer Aspekt: Gase hat die Offense jetzt schon mehrfach einfacher gemacht, und das sieht man auf dem Tape: Simple Route-Konzepte, kaum Versuche, über das Scheme Downfield-Shots zu kreieren. Gase hat bestätigt, dass er die mentalen Fehler minimieren wollte und daher das Playbook vereinfacht hat. So etwas kann in einem gewissen Rahmen funktionieren, Chip Kellys erste Saison in der NFL ist ein Beispiel dafür. Kelly setzte stark auf geringe Variationen und dafür viel Training und extrem schnelle Umsetzung auf dem Platz. Doch auch er kam bekanntermaßen schon bald an seine Grenzen, weil Defenses in der NFL schnell lernen.

Insofern muss man Miamis Spieler in die Pflicht nehmen. Die Tatsache, dass NFL-Spieler eine NFL-Offense mental nicht hinbekommen, ist schlimm genug. Wenn dann auch noch die extrem vereinfachte Version davon nicht klappt, ist es nicht akzeptabel. Die Dolphins sind aktuell wesentlich schlechter, als ihre Bilanz vermuten lässt. Und die Gründe dafür sind einfach nicht hinnehmbar.

Redaktioneller Hinweis: Der Trade von Jay Ajayi nach Philadelphia kam erst nach Veröffentlichung des Artikels zustande.

Zahlensalat und Notizen - der Spieltag in Stichpunkten

  • Nochmal zurück zu dem irren Shootout in Seattle: Watson hat mit seinen 19 Touchdown-Pässen in den ersten sieben NFL-Spielen einen neuen Rekord aufgestellt und Kurt Warner überholt. Beide Teams sammelten zusammengerechnet 988 Yards - der Topwert in dieser Saison. Watson ist zudem der erste Spieler in der Super-Bowl-Ära mit über 400 Passing-Yards, über vier Passing-Touchdowns und über 50 Rushing-Yards in einem Spiel.
  • Der Effizienz-Meister ist und bleibt aber Texans-Receiver Will Fuller: Seit 1991 hat kein Spieler mit weniger Receptions sieben Touchdown-Pässe geschafft - Fuller brauchte elf (!) Catches für seine sieben Touchdowns in dieser Saison!
  • Stichwort Effizienz: Die Chargers sollten Hunter Henry ruhig regelmäßiger einbinden! L.A. hat in dieser Saison fünf Spiele verloren und drei gewonnen. Henrys Target-Anteil in den Niederlagen? 0, 18, 0, 9 und 7 Prozent. Bei den Siegen? 20, 20, 21 Prozent.
  • Die Oakland Raiders haben defensiv große Probleme, das wurde auch gegen Buffalo wieder einmal deutlich. Ein kleiner Bestandteil dieser Probleme: Oakland erzeugen keine Turnover! Die Raiders sind jetzt das erste NFL-Team seit 1950, das eine Saison ohne eigene Interception in den ersten acht Spielen beginnt.
  • Niemand anderes als die Buffalo Bills hat aktuell die längste Serie von Heimspielen mit je über 20 Punkten pro Spiel: 13 Mal in Folge ist Buffalo das jetzt gelungen!
  • Luke Kuechlys Comeback war ein mächtiger Boost für Carolina: Kuechly erlaubte -1 (!) Yards in Coverage, schnappte sich eine Interception und einen Fumble.
  • Wer das Spiel der Vikings gegen Cleveland gesehen hat, der muss Minnesotas Backfield zunehmend einseitig sehen: Jerick McKinnon etabliert sich mehr und mehr als eine Art "Dalvin Cook light", was es den Vikes ermöglicht, die Offense ähnlich umzusetzen und den Quarterbacks das Spiel erleichtert. Stichwort Quarterback: Case Keenum hat in den vergangenen Wochen merklich abgebaut. Es würde mich keineswegs wundern, wenn wir nach der Bye-Week oder spätestens eine Woche danach Teddy Bridgewater auf dem Platz sehen.
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