Wie passierte das beste Spiel der Saison?

Von Adrian Franke
31. Oktober 201714:33
Deshaun Watson und Russell Wilson lieferten sich am Sonntag ein unglaubliches Duellgetty
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Der verrückte Schlagabtausch zwischen den Houston Texans und den Seattle Seahawks war das beste Spiel der bisherigen Saison und bedarf Aufarbeitung - vor allem Deshaun Watson ist mehr als beeindruckend. Derweil herrscht in Miami Alarmstufe Rot, und das liegt an den Spielern. Außerdem: Was ist mit den Tampa Bay Buccaneers los? Wie steht es mittelfristig um die Colts? Und wer erhält die Midseason-Awards von SPOX-Redakteur Adrian Franke?

Jimmy Garoppolo zu den 49ers getradet

Der (bisher) große Move vor der Trade-Deadline kam aus dem Nichts - oder doch nicht? 49ers-Coach Kyle Shanahan war schon seit Jahren ein Garoppolo-Bewunderer, ich habe die fünf wichtigsten Fragen zu dem Trade hier ausführlicher beleuchtet.

Wie passierte das beste Spiel der Saison?

Es war ein absolutes Highlight, was uns die Seahawks und die Texans da am Sonntag vorgesetzt haben. Mehr noch: Es war das beste Spiel der bisherigen Saison und es wird schwer, vor allem das Niveau des Quarterback-Duells zu überbieten.

Russell Wilson spielt schon fast die ganze Saison über auf MVP-Level. Was Wilson angesichts der Offensive Line sowie des schlicht nicht vorhandenen Run Games auf den Rasen bringt, ist absolut spektakulär und wird für meinen Geschmack bisher in diesem Jahr nicht genügend gewürdigt.

Mein Fokus aber galt dem Watson-Tape, denn dass ein Rookie-Quarterback in Seattle gegen diese Defense, die zuletzt schon wieder an ihre großen Zeiten erinnerte, eine solche Leistung abliefert, ist unglaublich beeindruckend. Also, direkt zur Sache: Wie kam diese Leistung von Watson zustande?

Houston setzte, wie schon in den vergangenen Wochen, auf einen stark Play-Action-basierten Ansatz und Konzepte, bei denen die Pocket bewegt wird. Eine klare Änderung zu der komplexen Offense, welche die Texans in den vergangenen Jahren spielen wollten. Allerdings fällt auf, dass Coach Bill O'Brien seinen neuen Ansatz mit Watson zunehmend erweitert und Defenses das Leben so schwer macht.

Triple-Options, viele Formationen mit zwei oder gar drei Spielern im Backfield - letztere Aufstellung wählte Houston extrem häufig gegen Seattle und setzte daraus verschiedene Spielzüge um - Pre-Snap-Motions, Misdirection und Formationen, die den Gegner in die Irre führen sollen prägen die Offense. Und natürlich auch Zone Reads für Watson selbst: Das Playbook der Texans wird aus Sicht der Defenses zunehmend komplex, während Watson selbst noch immer nur selten schwierige Full-Field-Reads durchführen muss. In dieser Offense kommen die Stärken des Rookies voll zur Geltung, während seine Schwächen maskiert werden.

So waren 16 seiner 30 Pässe Play-Action-Pässe, darunter bemerkenswerterweise alle sieben Under-Center-Pässe. Dazu kamen drei Screens, alle vier Touchdowns warf Watson bei Play Action oder Screen. Noch immer hat er teilweise Probleme, wenn der "einfachere" Read nicht gegeben ist. Da läuft er teilweise überhastet los oder bleibt beim ersten Read hängen. Das führte zum Pick Six, als er die Cover-2-Man-Defense der Seahawks mehr oder weniger ignorierte und Earl Thomas das Play die ganze Zeit gelesen hatte.

Watsons Pässe gegen SeattleShotgun/PistolUnder CenterZone ReadScrambles
23 Pässe7 Pässe53
Davon Play Action9 (3 TD)7 (1 INT)
Davon Screen Pässe3 (1 TD)0

So viel zum schematischen Part. Auffällig war aber auch, wie mutig Watson spielte: In der ersten Hälfte flogen zwölf seiner 18 Pässe über zehn Yards Downfield, sieben davon gar über 20 Yards, eine spektakuläre Quote. Beim Touchdown attackierte er Earl Thomas ganz gezielt, nachdem Seattles All-Pro-Safety kurz aufgrund des Play-Action-Fakes gezögert hatte. Auch vor Richard Sherman schreckte Watson überhaupt nicht zurück.

Houston hatte in der Folge neun Plays mit mindestens 20 Yards Raumgewinn, mehr schaffte noch nie ein Team in Seattle, seitdem Pete Carroll dort coacht. Mehr noch: Watson steht über die letzten vier Spiele bei 406 Yards über lange Pässe (mindestens 20 Yards) - und hat damit mehr als Brock Osweiler in der kompletten Vorsaison für die Texans (379). Man kann gar nicht genug betonen, wie beeindruckend das ist. Auch O'Brien muss man hier für seine Play-Designs loben, die Watson in Position bringen, diese Downfield-Shots immer wieder zu versuchen.

Und Wilson? Der hatte 482 Total Yards. Die Seahawks als Team hatten (bedingt durch Sacks und ein desolates Run Game) 479 Total Yards. Viel mehr muss man dazu eigentlich kaum sagen, es war wieder einmal eine großartige Vorstellung von Wilson, aus der Pocket und bei Rollouts sowie bei seinen so gefürchteten Improvisationen. Sein Deep-Ball ist mindestens in der ligaweiten Top-3 anzusiedeln, nur die späte Interception war sehr merkwürdig, ein Wurf direkt in die Arme des in der Zone Coverage wartenden Verteidigers.

Da außerdem mehrere Fragen zu Seattles Run Game und den Hauptschuldigen an den Problemen kamen: Ich sehe hier nach wie vor die Line primär in der Verantwortung. Jadeveon Clowney war am Sonntag ein wandelndes Mismatch, ein Sack, ein Hit, sieben Hurries und zwei Tackles for Loss sind noch weniger deutlich, als das Tape wirkte. Lacy und Rawls könnten in meinen Augen noch immer solide sein, wer aber andauernd Verteidiger im Backfield sieht oder die eigenen Blocker direkt zurück in den eigenen Laufweg geschoben bekommt, dessen Tape wird selten gut aussehen.

Der Trade für Duane Brown ist somit ein unglaublich wichtiger Move für Seattle und macht die Seahawks auf einen Schlag deutlich gefährlicher. Auch wenn der Preis nicht günstig war; niemand konnte erwarten, dass die Seahawks zu diesem Zeitpunkt einen günstigen Starting-Tackle bekommen.

Miamis Offense ist nicht akzeptabel

Zwei Shutouts, und wenn wir ehrlich sind, muss man das erste Spiel gegen die Jets eigentlich zumindest als "halben" Shutout zählen. Der Auftritt bei den Ravens am Donnerstag war gewissermaßen der traurige Höhepunkt, und das sah auch Head Coach Adam Gase so. Mit Blick auf die Umsetzung der Offense polterte er: "Es geht nicht darum, die Informationen abzuspeichern. Wir arbeiten nicht hart genug. Darum geht es. Wenn man sich diese Dinge nicht merken kann, sollte man nicht in der NFL sein. Letztlich muss jeder diese Sachen zuhause lernen, das funktioniert nicht einfach in den Meetings."

Eine klare Ansage, und es ging noch weiter. Auf die Nachfrage des Miami Herald, wie lange die Offense schon derartige Probleme habe, legte Gase nach: "Das geht jetzt seit zwei Jahren so. Ich adressiere das schon seit einer Weile. Ich habe es ehrlich gesagt satt." Eine derartige öffentliche Tirade gegen die eigenen Spieler hört man auch in der NFL nicht aller Tage, daher wollte ich noch ein paar Sätze zur Dolphins-Offense schreiben, denn die Probleme sind vielseitig - und in der Summe ergibt das eine aktuell horrend schlechte Offense.

Die individuelle Qualität fehlt an mehreren Stellen, unter anderem in der Line und auf der Quarterback-Position. Das Run-Blocking ist schlecht und Jay Ajayi, der diese Offense tragen sollte, wartet noch auf seinen ersten Rushing-Touchdown in dieser Saison. In nur zwei Spielen kam er über 80 Rushing-Yards hinaus.

Viel schwerwiegender aber ist ein anderer Aspekt: Gase hat die Offense jetzt schon mehrfach einfacher gemacht, und das sieht man auf dem Tape: Simple Route-Konzepte, kaum Versuche, über das Scheme Downfield-Shots zu kreieren. Gase hat bestätigt, dass er die mentalen Fehler minimieren wollte und daher das Playbook vereinfacht hat. So etwas kann in einem gewissen Rahmen funktionieren, Chip Kellys erste Saison in der NFL ist ein Beispiel dafür. Kelly setzte stark auf geringe Variationen und dafür viel Training und extrem schnelle Umsetzung auf dem Platz. Doch auch er kam bekanntermaßen schon bald an seine Grenzen, weil Defenses in der NFL schnell lernen.

Insofern muss man Miamis Spieler in die Pflicht nehmen. Die Tatsache, dass NFL-Spieler eine NFL-Offense mental nicht hinbekommen, ist schlimm genug. Wenn dann auch noch die extrem vereinfachte Version davon nicht klappt, ist es nicht akzeptabel. Die Dolphins sind aktuell wesentlich schlechter, als ihre Bilanz vermuten lässt. Und die Gründe dafür sind einfach nicht hinnehmbar.

Redaktioneller Hinweis: Der Trade von Jay Ajayi nach Philadelphia kam erst nach Veröffentlichung des Artikels zustande.

Zahlensalat und Notizen - der Spieltag in Stichpunkten

  • Nochmal zurück zu dem irren Shootout in Seattle: Watson hat mit seinen 19 Touchdown-Pässen in den ersten sieben NFL-Spielen einen neuen Rekord aufgestellt und Kurt Warner überholt. Beide Teams sammelten zusammengerechnet 988 Yards - der Topwert in dieser Saison. Watson ist zudem der erste Spieler in der Super-Bowl-Ära mit über 400 Passing-Yards, über vier Passing-Touchdowns und über 50 Rushing-Yards in einem Spiel.
  • Der Effizienz-Meister ist und bleibt aber Texans-Receiver Will Fuller: Seit 1991 hat kein Spieler mit weniger Receptions sieben Touchdown-Pässe geschafft - Fuller brauchte elf (!) Catches für seine sieben Touchdowns in dieser Saison!
  • Stichwort Effizienz: Die Chargers sollten Hunter Henry ruhig regelmäßiger einbinden! L.A. hat in dieser Saison fünf Spiele verloren und drei gewonnen. Henrys Target-Anteil in den Niederlagen? 0, 18, 0, 9 und 7 Prozent. Bei den Siegen? 20, 20, 21 Prozent.
  • Die Oakland Raiders haben defensiv große Probleme, das wurde auch gegen Buffalo wieder einmal deutlich. Ein kleiner Bestandteil dieser Probleme: Oakland erzeugen keine Turnover! Die Raiders sind jetzt das erste NFL-Team seit 1950, das eine Saison ohne eigene Interception in den ersten acht Spielen beginnt.
  • Niemand anderes als die Buffalo Bills hat aktuell die längste Serie von Heimspielen mit je über 20 Punkten pro Spiel: 13 Mal in Folge ist Buffalo das jetzt gelungen!
  • Luke Kuechlys Comeback war ein mächtiger Boost für Carolina: Kuechly erlaubte -1 (!) Yards in Coverage, schnappte sich eine Interception und einen Fumble.
  • Wer das Spiel der Vikings gegen Cleveland gesehen hat, der muss Minnesotas Backfield zunehmend einseitig sehen: Jerick McKinnon etabliert sich mehr und mehr als eine Art "Dalvin Cook light", was es den Vikes ermöglicht, die Offense ähnlich umzusetzen und den Quarterbacks das Spiel erleichtert. Stichwort Quarterback: Case Keenum hat in den vergangenen Wochen merklich abgebaut. Es würde mich keineswegs wundern, wenn wir nach der Bye-Week oder spätestens eine Woche danach Teddy Bridgewater auf dem Platz sehen.

Tampa Bay, Kaepernick, Awards, Patriots, Colts - eure Fragen

Nick Tremonia: Die Bucs waren vor der Saison ein Geheimtipp von vielen Experten, zur Zeit sind sie eine riesige Enttäuschung - was läuft falsch in Tampa?

Defensiv geht für mich, auch wenn die Run-Defense ebenfalls nicht wirklich überzeugt, viel auf den extrem schwachen Pass-Rush zurück. Da hatte ich von Spielern wie Chris Baker mehr erwartet, auch wenn Kwon Alexander und Lavonte David inzwischen wieder fit sind. Solange Tampa keinen Pass-Rush hat, wird die Defense immer wieder viele Passing-Yards erlauben. Tampa setzt gegnerische Quarterbacks in nur 19,7 Prozent der Passing Plays unter Druck, der niedrigste Wert ligaweit.

Das große Problem in dem Szenario: Die Offense hat nicht ansatzweise die Feuerkraft, um das wettzumachen. Bei den Prognosen vor der Saison ging man davon aus, dass Jameis Winston den nächsten Schritt machen könnte. Stattdessen hat die Verpflichtung von DeSean Jackson seinem Deep-Passing-Game bisher nicht geholfen, während Winston gegen Pressure und den Blitz auch gegen Carolina wieder riesige Probleme hatte.

Dabei hat Winston nicht plötzlich vergessen, wie man die Quarterback-Position spielt, weshalb seine Stats auch teilweise gut aussehen. Aber er ruft seine Leistung bisher in dieser Saison zu keinem Zeitpunkt konstant ab. Das wird dann in ungenauen Pässen (am Sonntag mehrfach über die Mitte klar zu hoch), falschen Reads oder auch komplett selbstverschuldeten Interceptions deutlich. Doug Martin gefällt mir eigentlich gut über die letzten Spiele, letztlich geht dieses Team aber nur so weit, wie Winston es bringt. Und das ist aktuell nicht weit.

Dominik: Wenn man sich ansieht, wie schnell Houston seine Offense verändert hat, gilt die Ausrede bezüglich fehlendem Scheme-Fit bei Kaepernick auch nicht mehr?

Gute Frage, ich würde sie nur andersherum angehen: Kaepernick passt definitiv nicht in jedes Scheme, insofern ist die Aussage grundsätzlich nicht falsch. Aber wenn ein Coach bereit ist, sein Scheme anzupassen - etwa, wenn er keine bessere Quarterback-Alternative in Aussicht hat - dann gilt die Ausrede nicht.

Ich hatte Houstons Offense ja schon vor einigen Wochen ausführlicher beleuchtet. Die Kurzfassung: Viel Play Action und Run-Pass-Options, dazu Rollouts und einige Zone-Read-Plays. All das half dabei, das Spiel für Watson übersichtlicher und langsamer zu machen, und er hat das über die vergangenen Wochen mit enormen Fortschritten in puncto Reads und Pocket-Verhalten gedankt.

Diese Fortschritte sprechen für sein enormes Talent, und hier mag er Kaepernick durchaus überlegen sein. Eine auf das Run Game aufgebaute Offense mit Option-Spielzügen und einfacheren Reads und Pre-Snap-Anpassungen für den Quarterbacks traue ich Kaepernick aber ebenfalls schnell zu.

Danilinho: Midseason Awards?

MVP:Russell Wilson, QB, Seahawks. Wilson ist der Unterschied zwischen einem Seahawks-Team, das um den Titel mitspielen kann, und einem Seahawks-Team, das eher wie die Ravens aussehen würde. Brady war es über die ersten Wochen, zur Saisonmitte hat Wilson ihn überholt.

Offensive Player of the Year: Alex Smith, QB, Chiefs. Die gesteigerte Downfield-Aggressivität hat die Chiefs-Offense transformiert, eine Entwicklung, die man Smith nicht mehr zugetraut hätte. Und das trotz schwacher Pass-Protection. Läuft aber potentiell Gefahr, seinen Platz an Carson Wentz zu verlieren, falls der auch ohne Jason Peters so weitermacht. Auch Le'Veon Bell ist eine ernsthafte Alternative.

Defensive Player of the Year: DeMarcus Lawrence, DE, Cowboys. Dallas ist Scheme-bedingt darauf angewiesen, dass die Front ohne Blitzing Pressure erzeugt. Dafür sorgt Lawrence: 10,5 (!) Sacks über die ersten sieben Spiele, bildet gemeinsam mit David Irving plötzlich eines der spannendsten Pass-Rush-Duos der Liga.

Offensive Rookie of the Year: Deshaun Watson, QB, Texans. Unglaubliche Entwicklung, die ich ihm anhand seines College-Tapes so nie zugetraut hätte. Das Zusammenspiel aus den Scheme-Anpassungen, den Receivern und Watsons Fortschritten hat Houston ein komplett anderes Gesicht gegeben.

Defensive Rookie of the Year: Marshon Lattimore, CB, Saints. Wenn Watson den Texans ein anderes Gesicht gegeben hat, dann kann man das ebenfalls über Lattimore und die Saints-Defense sagen. Spielt absolut großartig, lässt kaum etwas zu und gibt New Orleans ganz neue Scheme-Freiheiten.

Comeback Player of the Year: Justin Houston, OLB, Chiefs. Spielte in der Vorsaison fünf Spiele und sah nie aus wie er selbst. Das ist dieses Jahr anders, schon jetzt hat er mehr Sacks (7) als 2015 und 2016 in insgesamt 16 Spielen zusammen gerechnet (6).

Coach of the Year: Mike Zimmer, Minnesota Vikings. Die Vikings bestreiten den Großteil der Saison mit ihrem dritten Quarterback und sind seit einigen Wochen ohne ihren Starting-Running-Back unterwegs. Auch der beste Receiver des Teams hat mehrere Spiele verpasst, während die Defense auf einem spektakulären Level agiert. Und Minnesota ist der Favorit auf den Division-Titel.

Ich freue mich auf die Diskussion.

Joni Soprano: Wie stehen die Chancen auf den Nummer-1-Seed für die Patriots nach Hightowers Ausfall?

Für mich sind die Patriots immer noch einer der drei Top-Favoriten - neben Kansas City und Pittsburgh -, wobei ich kein Team meilenweit vor den anderen sehe. Die Steelers sind aktuell für mich ganz vorne, weil Roethlisberger besser spielt und sich die Defense merklich steigert. Kansas City hat offensiv noch immer ein spektakuläres Potential und ist defensiv schlicht solide - die Patriots haben von den drei Teams die größte Diskrepanz.

Brady hat bisher viel kaschiert, über die vergangenen Wochen musste er das nicht mehr so intensiv. Ein gutes Zeichen. Das liegt vor allem daran, dass die Secondary endlich besser spielt. Wenn sich New England hier weiter steigert (und davon gehe ich angesichts der Qualität sowie der Coaching-Kompetenz aus), gibt das Belichick mehr Freiheiten, wie er mit seiner ohnehin komplexen Front spielen will.

Trotzdem wird die Front ohne Hightower vor allem gegen den Run, aber auch in puncto Flexibilität einen Rückschritt machen. Die große Frage wird sein: Wie viel davon können Brady und die Offense sowie die eigene Secondary ausgleichen? Ich denke, die Antwort hier ist: Eine ganze Menge. Und so bleibt es in meiner Prognose ein Dreigespann in der AFC.

Basti: Woran machst du es fest, dass die Liga so ausgeglichen wie lange nicht mehr ist?

Für mich liegt die Wurzel darin in einer Thematik, die ich in dieser Saison schon ein paar Mal angesprochen habe: Die fast ligaweiten Probleme in der Offensive Line. Grob gesagt können sich vier Teams vom Rest der Liga ein wenig absetzen: Die Steelers, die Eagles, die Chiefs und die Patriots. Drei davon haben entweder im Run-Blocking oder in Pass-Protection oder in beidem sehr gute Offensive Lines, das vierte mit Brady den aktuell besten Quarterback der Liga.

Teams wie die Chargers, Seahawks, Panthers, Bengals, Broncos oder auch die Lions hätten in der Theorie viele Puzzleteile beisammen, um ganz anders dazustehen - vorausgesetzt, die Offensive Line wäre nicht die Schwachstelle des Teams. Auch die Patriots könnten sich offensiv sogar nochmals klar besser präsentieren, Miami oder Arizona etwa hätte mit einer starken Line ein anderes Gesicht.

So sehen wir stattdessen eine Saison, die von sehr guten Defenses und einem Rückgang bei den Punkten pro Spiel geprägt ist - nicht umsonst hatten wir jetzt in der laufenden Saison schon so viele Shutouts wie in den vergangenen beiden Spielzeiten zusammen. Teams setzen stärker auf verschiedene Varianten des Run Games und niemand bietet aktuell ein komplettes Team auf. Kurz gesagt: Wir sehen die von der NFL gewollte Chancengleichheit in vollem Effekt. Auch wenn das nicht unbedingt die Qualität des Spiels in der Spitze anhebt.

Yannik: Siehst du eine Perspektive für die Colts, in den nächsten ein bis drei Jahren wieder ein Playoff-Team zu werden?

Auf jeden Fall! Für Indy war es im Prinzip ab dem Zeitpunkt eine verlorene Saison, als sich angekündigt hat, dass Andrew Luck doch länger ausfallen würde. Jacoby Brissett macht seine Sache im Rahmen seiner Möglichkeiten beachtlich gut, keine Frage - doch Indy hat noch immer kein vernünftiges Run Game und die Offensive Line ist auch mit Ryan Kelly eine riesige Baustelle. Positive Ansätze haben wir in der Defense gesehen, die Verletzung von Malik Hooker ist extrem bitter. Aber: Indy kann sich in der kommenden Offseason mit einem wieder fitten Luck eher auf einzelne Schwachstellen fokussieren, als wie in der vergangenen Offseason quasi die komplette Defense auszutauschen.

NiceGuysSanktPauli: Welchen QB verpflichten die Jaguars noch kurzfristig, um Contender zu werden?

Leider keinen. Die Team-Bosse sind der Meinung - Trades wie der für Marcell Dareus sowie das kolportierte Interesse an Calvin Johnson bestätigen mich da in meiner Vermutung -, dass die großartige Defense in Kombination mit dem Run Game und Qualität überall um Bortles herum reichen kann, um in die Playoffs und darüber hinaus zu kommen. Wenn sie bisher keinen Quarterback geholt haben, dann passiert jetzt auch nichts mehr.

bsg: Beenden die Bills ihre Durststrecke in Bezug auf die Playoffs?

Wünschen würde ich es ihnen allemal, und wenn wir ehrlich sind: Die AFC ist komplett offen. Patriots, Steelers und Chiefs sind auf meinem Playoff-Zettel, dazu natürlich ein South-Team. Wenn wir dann aber von den Wildcards sprechen, muss Buffalo neben Jacksonville/Houston aktuell der Favorit sein! Das Passspiel ist und bleibt wacklig und man muss abwarten, wie viele Spiele mit unter 200 Passing-Yards die Bills gewinnen. So lange die Defense und das Run Game aber so funktionieren, mit Taylor als offensivem X-Faktor, muss man Buffalo auf dem Zettel haben!