"... da steht Belichick so weit vor allen!"

Von Adrian Franke
22. November 201713:36
SPOX erklärt die taktischen Grundelemente im Football - Playbook, Play-Calling und Game-Planninggetty
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Wie entsteht eigentlich ein Football-Playbook? Welche Faktoren spielen eine Rolle? Wie bereitet man sich Woche für Woche auf einen Gegner vor und welche Aspekte sind beim Ansagen der Spielzüge in der Hitze des Gefechts entscheidend? Jeff Reinebold blickt auf über 30 Jahre offensive wie defensive Coaching-Erfahrung zurück, am College (u.a. Montana, New Mexico, Louisiana Tech, Hawaii), in Kanada und auch in Europa (Rhein Fire). Dabei hat er unter einigen großen Trainern gearbeitet. Im Gespräch mit SPOX erklärt der 60-Jährige die taktischen Grundlagen eines jeden Football-Teams.

Im Football geht es durchaus komplex zu, und je tiefer man einsteigt, desto mehr entdeckt man - die Fragen nach Strategie und Taktik sind nicht immer einfach zu beantworten. Ein maßgeblicher Aspekt dabei ist das Playbook, genau wie das Play-Calling, also das Ansagen der Spielzüge, und das Game-Planning, also das Vorbereiten auf einen bestimmten Gegner. In einer zweiteiligen Mini-Serie blickt SPOX auf genau diese zentralen Aspekte. Teil 2 mit dem Fokus auf Play-Calling gibt es am morgigen Donnerstag.

SPOX: Herr Reinebold, ich starte einfach direkt mit der Kernfrage: Wie baut man sein erstes Playbook auf? Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen, wo fängt man überhaupt an?

Jeff Reinebold: Dein Playbook muss einige Kriterien erfüllen: Es muss für die Spieler einfach zu verstehen und zu lesen sein. All die Informationen nützen dem Spieler nichts, wenn er sie nicht anwenden kann. Es muss einen Fluss haben, man muss Dinge aneinanderreihen und aufeinander aufbauen lassen können. Zunächst aber muss man sich ein Glossar anfertigen, einen Katalog mit all den Ausdrücken, die man verwenden will. Es ist wichtig, dass man das macht, um die eigene Message auch konstant rüber zu bringen. Manche Teams nennen eine Curl Route eine Hook Route, andere genau umgekehrt. Im Prinzip ist das der gleiche Spielzug, aber unter dem Strich geht es darum: Jedes Mitglied des Trainerstabs und jeder im Team muss die gleiche Sprache sprechen.

SPOX: Also ist die Sprache gewissermaßen der erste Schritt? Wie geht es dann weiter?

Reinebold: Genau. Man entscheidet sich zuerst, welche Sprache man nutzen will. Das wird im Playbook aufgeschrieben.

SPOX: Was passiert als nächstes?

Reinebold: Die meisten haben dann einen sogenannten "Philosophie-Bereich", also wie sie sich ihr Playbook vom Kern her vorstellen. Offensiv zum Beispiel, wie sie sich das Feld herunter bewegen wollen. Das A und O ist dabei immer - gerade in der Offense - die Frage danach, wie du blocken willst. Das Spiel beginnt an der Line of Scrimmage, also gibt es eine eigene Sektion im Playbook, welche die Run Plays beinhaltet. Wie soll dein Run Game aussehen? Aus welchen Formationen wird es gespielt? Welche Motions und dergleichen werden in diese Spielzüge eingebaut? All das steht drin. Man hat also einen Bereich für das Run Game und einen für die Protection, damit die Offensive Linemen wissen, wie sie mit den ganzen verschiedenen Formationen der Defense umgehen sollen, die man im Spiel sieht.

Sean McVay hat die Rams-Offense komplett um 180 Grad gedrehtgetty

SPOX: Und erst dann geht es ans Passspiel?

Reinebold: Ja, der Quarterback muss einerseits wissen, was seine Hot Reads sind, darüber hinaus gibt es dann den Bereich für das Passing Game. Da stehen im Prinzip die Route-Progressions und der Route-Tree drin, also alle Laufwege und wie der Quarterbacks diese zu lesen hat. Außerdem wird entschieden, ob man mit einem Zahlen- oder einem Namen-System für die Spielzüge arbeitet, welche Formationen und Personnel-Gruppierungen man nutzen will und wie man sie nennt. Danach geht es noch tiefer in die Materie, man beginnt das Playbook dann in Dinge wie "Goal-Line-Spielzüge", "Red-Zone-Spielzüge", "4-Minute-Drives", "2-Minute-Drives mit Führung", "2-Minute-Drive mit Rückstand" und all diese Situationen zu unterteilen. Diese Bereiche müssen alle genau behandelt werden, damit man im Spiel damit arbeiten kann.

SPOX: Gutes Stichwort: Man baut sich dieses große Playbook zusammen - aber wieviel davon nutzt man tatsächlich auch im Spiel?

Reinebold: Das ist ganz unterschiedlich. Nehmen wir mal Ben McAdoo von den Giants als Beispiel: Er hat dieses riesige Playbook an der Seitenlinie, das Teil ist gigantisch! Auf der anderen Seite habe ich früher für June Jones gearbeitet, ein herausragender Coach - und der hatte nie irgendwas an der Seitenlinie, er hat alles aus dem Kopf heraus angesagt.

SPOX: Und wohin geht der Trend?

Reinebold: Eine Tendenz, die ich erkenne: Coaches haben mehr Plays auf ihrer sogenannten "Ready List", also der Liste, die sie an der Seitenlinie mit sich führen. Inzwischen tragen sie so mehr Plays mit sich herum, als sie in einem Spiel überhaupt ansagen könnten. Aber sie wollen für jede denkbare Situation, jedes Szenario und jede Defense-Umstellung gewappnet sein. Die Plays auf dieser Liste sind dementsprechend unterteilt: "First and Ten", "First and Ten Red Zone", "First and Ten zum Start des Drives" und so weiter. All das muss organisiert dastehen, damit man in Sekundenschnelle darauf zugreifen kann.

SPOX: Und dann gibt es wöchentlich mitunter große Anpassungen, wenn der Game Plan zusammengebaut wird. Was fließt hier alles rein und wie gravierend kann der Unterschied zwischen zwei Spielen tatsächlich sein?

Reinebold: Die Teams, die wirklich gut sind, stellen in meinen Augen innerhalb einer Woche nicht wahnsinnig viel um. Es gibt immer ein paar Schrauben, an denen gedreht wird, etwa dass man einen Spielzug plötzlich aus einer anderen Formation ansagt, um die Defense zu einer gewissen Reaktion zu bringen. Aber ich habe es nur sehr selten gesehen, dass Teams Erfolg damit haben, in der einen Woche eine Option-Offense zu spielen, dann überzugehen zu Spread mit 50 Pässen - und in der Woche danach die Offense um eine Power-I-Formation herum aufzubauen. Es gibt viele Wege, um im Football Spiele zu gewinnen, aber man muss sich entscheiden, was zu den eigenen Spielern und vor allem zum eigenen Quarterback passt.

SPOX: Gibt es bestimmte Abläufe, die immer zum Aufbau des Game Plans gehören?

Reinebold: Jeder macht das etwas anders, nach meiner Erfahrung sieht man aber häufig folgendes Muster: Coaches wollen wissen, wie man den Gegner blockt. Wie können wir die Blitz-Pakete, die sie auf Tape zeigen, stoppen? Wie reagieren sie auf Motion? Gibt es irgendwelche Hinweise, die wir durch ihre Formationen erhalten? All das wird in der Tape-Evaluierung herausgearbeitet. Und dann baut man basierend darauf seinen Game Plan zusammen, die meisten Teams beginnen dabei mit First and Ten. Man hat also ein "First-and-Ten"-Paket, darüber hinaus das sogenannte "P-10"-Paket: Possession and Ten, also das erste Play eines Drives.

SPOX: Auch darüber hinaus ist das Skripten von Plays - also Coaches, die sich einen sehr konkreten Plan für die ersten Spielzüge einer Partie zurechtlegen - zunehmend in Mode gekommen. Was ist Ihre Erfahrung damit?

Reinebold: Als ich für Marc Trestman gearbeitet habe, der ja ein großer Fan der West Coast Offense ist, wurden die ersten 20 oder 25 Plays geskriptet, glaube ich. Sie hießen die "Opener". Es ist eine der tollen Innovationen, die Bill Walsh (der legendäre Head Coach der San Francisco 49ers und Schöpfer der West Coast Offense, d. Red.) kultiviert hat. Das wird also auf jeden Fall gemacht, gleichzeitig aber muss man auch über den Blitz und Pressure sprechen und sich Pässe dafür zurechtlegen. Außerdem ist es wichtig, Plays zu installieren, um sogenannte "Opposite Calls" durchführen zu können.

SPOX: Was ist damit gemeint?

Reinebold: Ein Beispiel: Man hat ein Run Play nach rechts angesagt, die Defense aber formiert sich genau in diese Richtung. Dann geht der Quarterback an die Line und ruft etwas wie "Opposite, Opposite" und man läuft den gleichen Spielzug nach links - hast du diese Calls in deinem Playbook? Gibt es eine Abfolge von Audibles (Anpassungen an der Line of Scrimmage, d. Red.) bei bestimmten Defensiv-Formationen? Wer sagt die Protection an, der Quarterback oder der Center? All das steht im Playbook und im wöchentlichen Game Plan.

SPOX: Inwieweit sind Sie ein Fan davon, den Quarterback in die Zusammenstellung des Game Plans einzubinden? Arizonas Head Coach Bruce Arians schreibt in seinem Buch "The Quarterback Whisperer", dass er Carson Palmer jede Woche bestimmte Plays zur Auswahl gibt und ihn dann entscheiden lässt, welche er mag und welche er nicht mag. Machen Sie das auch?

Reinebold: Je älter deine Spieler sind und je mehr Erfahrung sie haben, desto stärker kannst du sie auf diese Art und Weise in den Game Plan mit einbeziehen. Carson Palmer hat schon zahlreiche NFL-Spiele absolviert und viele Defenses gesehen. Er weiß was er kann, und Bruce versucht seine angesagten Plays im Spiel daran anzupassen. Aber wenn man mit jüngeren Spielern arbeitet, ist das schwieriger, einfach weil sie noch nicht so viel über Football wissen und noch nicht über diesen Erfahrungsschatz verfügen.

SPOX: Inwieweit passt man sich da sonst an die eigenen Spieler an?

Reinebold: Für mich - und das ist etwas, bei dem Patriots-Coach Bill Belichick so weit vor allen anderen steht - ist einer der wichtigsten Aspekte folgender: Die Patriots verlangen es nur sehr selten von einem Spieler Dinge, die er physisch, mental oder situationsbedingt nicht leisten kann. Man muss die eigenen Spieler verstehen und ihre Stärken kennen, um sie darauf aufbauend in eine Position zu bringen, in der sie diese Stärken nutzen können.

SPOX: Zum Beispiel?

Reinebold: Wenn dein Running Back gerne und gut nach außen läuft, weil er die nötige Explosivität mitbringt, dann lass ihn nicht konstant zwischen den Tackles nach innen laufen! Gleiches gilt auch andersherum, wenn man einen Power Back hat. Nehmen wir Jacksonvilles Rookie-Back Leonard Fournette: Er ist so viel effizienter, wenn er auf die Line of Scrimmage zuläuft. Wenn man also eine Offense für ihn aufbauen will, dann sprechen wir über ein Power Run Game, in dem er vertikal laufen kann. Darum geht es beim Coaching.

SPOX: Sie haben in Ihrer Karriere Offense und Defense trainiert und waren auf beiden Seiten des Balls für das Play-Calling verantwortlich. Wie sieht das defensiv aus? Wie entscheidet man die ganz simplen Dinge, also etwa wann man blitzt, wann man Man oder Zone Coverage spielt und dergleichen? Geht es nur um den Spielfluss? Um Down und Entfernung zum neuen First Down?

Reinebold: Das ist immer eine Kombination aus vielen Faktoren. Liegen wir vorne oder zurück? Wie viel Zeit ist noch auf der Uhr? Wie groß ist der Punkte-Abstand zwischen beiden Teams? All das und noch viel mehr beeinflusst dein Play-Calling. Dann muss man auch auf die Details schauen. Ein weiteres Beispiel: Dein Cornerback ist gerade beim Punt 60 Yards das Feld runter gerannt, um den Return zu stoppen. Direkt beim ersten Spielzug danach ist er in Man Coverage und sein Gegenspieler läuft eine tiefe Post Route, doch der Pass kommt nicht an. Also läuft der Cornerback zurück an die Line of Scrimmage. In diesem Szenario ist es unwahrscheinlich, dass du als Coach erneut Man Coverage ansagst - ganz einfach weil dieser Cornerback in diesem Moment ziemlich ausgepowert ist.

SPOX: Da kann es dann auch schnell mal kompliziert werden, was das Play-Calling angeht ...

Reinebold: Ja, diese Dinge muss man immer im Blick haben, genau wie Verletzungen. Ich erinnere mich noch an ein Spiel in der NFL Europe, als wir stark limitierte Kadergrößen hatten. Es war eines dieser verrückten Spiele, in dem ich insgesamt fünf Defensive Backs verloren habe. Einer unserer Linebacker musste schließlich als Cornerback aushelfen. Was also haben wir gemacht? Wir haben viel Cover 2 spielen und ihn die Flat (ein kurzer Laufweg in Richtung der Seitenlinie, d. Red.) decken lassen, damit er nicht einen Wide Receiver über das ganze Feld verfolgen muss. Man muss flexibel sein und darf nicht einfach stur den im Training einstudierten Plan verfolgen. Man muss sich anpassen können.

SPOX: Wie flexibel ist man auf der defensiven Seite des Balls? Wie viele Plays hat man im Spiel parat? Werden sie analog zu den Offense-Plays auch in unterschiedliche Kategorien unterteilt?

Reinebold: Grundsätzlich ist es defensiv der gleiche Prozess. Man hat seine First-and-Ten-Calls, wir hatten in Kanada etwa immer ein Zone- und ein Man-Play bereit, genau wie einen Pressure- und einen All-Out-Pressure-Call. Darin im Detail gab es all die situationsbedingten Plays, also etwa für Two-Minute-Drives und solche Sachen. Wir haben das so unterteilt: "First and Ten", "Second und drei oder weniger Yards zum First Down", "Second und 3-7", "Second und 7-11" und "Second and Long". (In der CFL wird mit drei, nicht mit vier Downs gespielt, Anm. d. Red.). Dabei habe ich mir von Coach Trestman und der West-Coast-Idee etwas für die Defense abgeschaut und einige Situationen vorher geskriptet.

SPOX: Wie muss man sich das vorstellen?

Reinebold: Wir sagten uns bespielsweise vorher, dass wir beim ersten Second-and-long-Versuch "Nickel 2 Men" spielen. In meinen Augen war das wirklich hilfreich, denn wenn wir den Game Plan zusammenstellten wussten die Spieler, was sie in puncto Play-Calling erwartet. Ich habe etwa drei oder vier Calls pro Situationen so geskriptet. Dabei muss man natürlich aufpassen, dass man einen richtigen Mix findet, um nicht für die Offense ausrechenbar zu werden.

SPOX: Play-Scripting für die Defense ist aber eigentlich eher ungewöhnlich, oder?

Reinebold: Das ist es, ja. Ich erhielt den Impuls, als ich unter Marc Trestman arbeitete und unser Linebacker-Coach, der zuvor schon mit Mike Martz in St. Louis, mit Lovie Smith in Chicago und mit Leslie Frazier in Minnesota gearbeitet hat, sagte, dass wir das defensiv ebenfalls machen sollten. Ich hatte vorher nie wirklich darüber nachgedacht, aber wir haben es ausprobiert und es hat uns sehr geholfen.

SPOX: Ist das heute verbreitet? Nutzen viele Defensive Coordinators Play-Scripting?

Reinebold: Ich glaube, dass zunehmend mehr Coaches damit anfangen. Aber gleichzeitig denke ich - und das ist nur schlicht meine Meinung - dass Coaches in der Defensive etwas mehr auf ihr Gefühl bauen als die Offensiv-Coaches. Natürlich braucht jeder gute Play-Caller das Gefühl für den Spielfluss, das kommt nur mit der Zeit. Als ich für June Jones arbeitete, konnte er an der Seitenlinie stehen - übrigens der schlechteste Platz, um sich einen guten Überblick zu verschaffen - und nach einem Spielzug genau sagen, was alle 22 Spieler auf dem Platz gerade gemacht haben. Das war unglaublich, so etwas hatte ich noch nie gesehen. Aber das kam eben mit jahrelanger Erfahrung, erst selbst als Spieler und dann nach tausenden Play-Calls an der Seitenlinie.

SPOX: Dabei kann es selbstverständlich auch bei den besten und erfahrensten Coaches mal schiefgehen. Wie reagiert man, wenn mitten im Spiel Probleme auftreten?

Reinebold: Dazu kann ich eine Geschichte erzählen. Ich habe vor einer Weile mal USC (University of Southern California, d. Red.) besucht und mich dort mit dem Offensive Coordinator getroffen. Er hatte eine Tabelle an der Wand hängen, darauf standen alle Plays der Offense. Dabei hob er die hervor, die er während der Woche nutzen wollte, mit einer kleinen Zahl daneben hervor: Die drückte aus, wie häufig der jeweilige Spielzug im Training durchgeführt worden war. Ich habe ihn gefragt, warum er das macht, und er erklärte mir: "Falls es im Spiel nicht wirklich gut läuft, will ich sicherstellen, dass ich zu den Plays zurückgehen kann, die unsere Jungs unter der Woche am häufigsten einstudiert haben. Ich will nicht einfach zufällig Plays auswählen und hoffen."

SPOX: Aber es geht doch auch darum, im Training die richtige Mischung aus Wiederholung einzelner Plays und dem Einstudieren neuer Plays zu finden, oder? Andernfalls läuft man Gefahr, ausrechenbar beziehungsweise limitiert zu werden ...

Reinebold: Ich will es mal so sagen: Verschiedene Wege führen zum Ziel. Wenn man sich beispielsweise ein Run-and-Shoot-Team (eine Offensiv-Philosophie, in der meist vier Receiver Routes laufen, die sie während des Plays an die Aktionen der Defense nahezu frei anpassen können, d. Red.) anschaut: Ich hatte das Glück, mit zwei der besten Run-and-Shoot-Coaches aller Zeiten zusammen zu arbeiten: Mouse Davis, der sie mehr oder weniger erfunden hat, und June Jones, der sie perfektioniert hat. Innerhalb dieser Offense gibt es wirklich sehr, sehr wenige Plays.

SPOX: Und "sehr wenige" heißt ...?

Reinebold: Wir sprechen von weniger als zehn Pass-Routes und vielleicht vier oder fünf Run Plays. Aber darauf bauten so viele Anpassungen und Abwandlungen während des Plays auf, dass das Geheimnis zum Erfolg hier klar war: Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. Nur so konnten die Spieler auf dem Platz ihre Routes richtig anpassen und haben die Dinge gleich gelesen.

SPOX: Was ist die Alternative?

Reinebold: Es gibt auch eine andere Denkweise, in der man vereinfacht gesagt versucht, sich im Vorfeld genau zurecht zu legen, wie man konkret auf eine Defense reagiert. Davon war ich allerdings noch nie ein großer Fan, denn das zwingt dich in eine Art Ratespiel und du musst viel Zeit darauf verwenden, wie du bestimmte Formationen konterst. Und dann gegebenenfalls Spielzüge ansagen, welche die ganze Woche über nicht einstudiert wurden. Das kann vor allem für junge Spieler sehr schwer sein.

SPOX: Zum Abschluss: Gab es in Ihren Augen ein bestimmtes offensives System oder einen Stil, der in Ihren Augen besonders schwer zu verteidigen war?

Reinebold: Sobald eine Offense eindimensional wird, kann es defensiv schnell ziemlich einfach werden. Teams, die also Qualitäten im Passspiel und im Run Game haben, sind immer am schwierigsten, wenn es um Game Planning und Scheming geht. Daher bin ich auch immer so fasziniert von den Patriots: Man sieht im Prinzip die gleichen Konzepte aus verschiedensten Formationen und Aufstellungen. Alle Pass-Konzepte basieren auf den Run-and-Shoot-Prinzipien, die Routes werden also während des Plays an das Verhalten der Defense angepasst. Wenn man den Patriots defensiv Run-freundliche Formationen gibt, dann laufen sie 35 Mal. Aber wenn man Tom Brady Gelegenheiten für Eins-gegen-Eins-Duelle in der Secondary gibt, werfen sie den Ball auch 50 Mal. Teams die dazu in der Lage sind, und das vor allem auch noch aus verschiedenen Personnel Groups umsetzen können, sind sehr schwer zu verteidigen.

SPOX: Inwieweit kommt hier in Ihren Augen ein mobiler Quarterback ins Spiel? Wie schwierig ist das für einen Defensive Coordinator?

Reinebold: Das bringt definitiv eine weitere Dimension ins Spiel. Spricht man mit NFL-Jungs, dann glauben sie immer noch, dass man Spiele aus der Pocket heraus gewinnen muss. Aber wenn ein Quarterback auch aus dieser ausbrechen und Spielzüge ausdehnen kann wie etwa Aaron Rodgers - das macht es schwer. Er ist meiner Meinung nach der beste Quarterback, den es aktuell gibt.

SPOX: Was macht ihn so besonders?

Reinebold: Die Tatsache, dass er außerhalb der Struktur eines Plays Pässe anbringen kann. Er läuft auch mit dem Ball, wenn er muss, hat die Augen aber immer auf seine Receiver gerichtet. Das übt einen enormen Druck auf die Defense aus, denn wenn man verhindern will, dass er losläuft, wirft er den Ball über dich. Bleibt man in Coverage, kann er 15 oder mehr Yards rausholen. Es sind die Jungs, die sich aus schwierigen Situationen befreien und Plays ausdehnen können, die einem das Verteidigen wirklich erschweren.