Wie in jedem Jahr wird nach Ende des Drafts über den Wert einiger Picks sowie die Strategie, die zur Entscheidung führte, fleißig diskutiert. Spieler wurden vermeintlich über Wert verpflichtet, andere darunter. Doch wie der ehemalige Pick Nr. 195 des 2010er Drafts, Antonio Brown, vor dem Draft schon Worte an die lange wartenden Spieler richtete: "Denkt daran: Wichtig ist, den Fuß in die Tür zu bekommen." SPOX präsentiert die Reaches und die Steals des diesjährigen Drafts.
Disclaimer: Die Top-10-Picks wurden hierbei nicht berücksichtigt, da es die Einordnung dieser Picks bereits unmittelbar nach Tag 1 des Drafts ausführlich gab. Hier geht's lang!
NFL Draft 2018 Reaches
Pick 13: Da'Ron Payne, DT, Washington Redskins
Es war ein offenes Geheimnis, dass die Redskins an 13. Stelle des Drafts sehr zuversichtlich waren, in Nose Tackle Vita Vea ihren Wunschspieler zu bekommen. Nach einem Down-Trade allerdings überraschten die Tampa Bay Buccaneers durch die Wahl von Vea und gegen eine von vielen erwartete Entscheidung für einen Defensive Back.
Washington entschloss sich dafür, den nächst besten Defensive Tackle zu nehmen. In Da'Ron Payne allerdings hat man einen Spieler gewählt, der wohl auch weitaus später im Draft verfügbar gewesen wäre. Payne, der seine Stärken (noch?) in der Run-Defense hat, sammelte in seiner College-Karriere in Alabama gerade einmal 3 Sacks und 5 Tackles. Darüber hinaus überzeugte Payne nur wirklich in den Spielen gegen Florida State und Georgia, sein Motor ist ein größeres Fragezeichen.
Pick 14: Marcus Davenport, DE, New Orleans Saints
Die Saints hatten einen Need, den sie gefüllt haben. Sie habe vermeintlich auch den Spieler bekommen, den sie haben wollten. Allerdings ist die Entscheidung, zwei Erstrundenpicks sowie einen in der fünften Runde, um den noch rohen UTSA-Defensive-End Marcus Davenport zu verpflichten, zu bezahlen. Eine der am meisten diskutierten Entscheidungen rund um den Draft.
Nachdem die Saints in der vergangenen Saison scheinbar einen der besten Drafts aller Zeiten hatten, fällt es nun eigentlich schwer, sie zu kritisieren - in diesem Fall aber stößt das Vorgehen der Franchise aus Louisiana auf Unverständnis. Davenport nämlich hat zwar tolle Maße und ist ein explosiver End, der auf dem College 21,5 Sacks und 37,5 Tackles sammeln konnte. Allerdings kamen diese gegen Linemen zustande, die keine NFL-Qualität haben.
Dementsprechend gibt es viele Fragen darüber, wann Davenport den Saints wirklich weiterhelfen kann. Dafür einen Pick der Zukunft zu investieren, mit dem man möglicherweise auch einen Nachfolger für Drew Brees verpflichten hätten können, ist unverständlich.
Pick 15: Kolton Miller, OT, Oakland Raiders
Die Raiders zogen an 15. Stelle, nachdem man sich auf einen Deal mit den Cardinals einigte, zusätzlich einen Dritt- und einen Fünftrundenpick im Tausch für Pick Nummer 10 zu erhalten. Offenbar erkannte man, dass der Wunschspieler auch fünf Spots weiter unten zu haben war.
Kolton Miller allerdings wäre wohl auch noch um einiges später zu haben gewesen. Der Tackle aus UCLA war bis zum Combine noch nicht einmal als Erstrundenpick in Betracht gezogen worden. Miller war Part der Offensive Line, die Probleme damit hatte, Josh Rosens Pocket sauber zu halten. Er ist mehr ein Projekt als ein Day-1-Starter, dessen Athletik erst in gutes Tackle-Play umgemünzt werden muss.
Pick 27: Rashaad Penny, RB, Seattle Seahawks
Moment mal. Hatten die Seahawks nicht eigentlich das große Problem, dass sie aufgrund von horrenden Offensive-Line-Problemen weder Russell Wilson beschützen, noch ein Running Game aufziehen konnten? Und für wen haben sie ihren Erstrundenpick investiert? Running Back Rashaad Penny?
Diese Entscheidung wird nicht nur deshalb diskutiert werden, weil die Seahawks ihre eigentlich größten Need-Positionen damit in der Spitze des Drafts ignoriert haben. Sie wird auch deshalb diskutiert werden, weil Penny für kaum jemanden in der Prognose ein Erstrundenpick war. Diese Running-Back-Klasse hatte genug Potenzial, dass Seattle sich auch für Backfield-Unterstützung in einer späteren Runde hätte sichern können.
Pick 28: Terrell Edmunds, S, Pittsburgh Steelers
Nachdem die vier besten Linebacker bereits von Board waren, war es zu erwarten, dass sich die Steelers für einen Defensive Back entscheiden. Dass allerdings der zweite Edmunds-Bruder in der ersten Runde von Board geht, war eine große Überraschung.
Edmunds gilt als toller Athlet und physischer Spieler. Doch ist auch er noch sehr roh und wird erst einmal Zeit brauchen, um auf dem nächsten Level Starter-Leistungen abzuliefern. Die wenigsten hatten Edwards als Erstrundenpick auf dem Schirm. Stanfords Justin Reid wurde beispielsweise meistens höher eingestuft.
Pick 33: Austin Corbett, G, Cleveland Browns
Mit ihren zahlreichen Picks hatten die Browns die große Möglichkeit, ihrem Kader mit Playmakern ein neues Gesicht zu geben. Baker Mayfield, Denzel Ward und Nick Chubb haben auch sicherlich das Potenzial dazu. Warum man sich aber mit dem ersten Pick in der zweiten Runde für Nevadas Austin Corbett entschieden hat, ist unverständlich.
Die Browns haben auf den beiden Guard-Positionen in Kevin Zeitler und Joel Bitonio nicht nur gute Spieler, sondern gehören diese auch noch zu den bestbezahlten auf der Position in der gesamten Liga. Das lässt darauf schließen, dass Corbett für die Browns Tackle spielen soll - ob er das auf dem Level kann, das von einem frühen Zweitrunden-Picks erwartet wird, bleibt abzuwarten.
Pick 36: Darius Leonard, LB, Indianapolis Colts
Die Colts hatten vier Picks in der zweiten Runde und entschlossen sich mit dem 36. Pick des Drafts mit Linebacker Darius Leonard aus South Carolina State zu gehen. Er gilt als großes Projekt und es wird sehr viel brauchen, bis Leonard auf NFL-Niveau performen kann. Die Colts sehen ihn langfristig wohl als Outside Linebacker in ihrem neuen 4-3-Scheme. Leonard wäre vermutlich aber auch deutlich später noch zur Verfügung gestanden. Auf einen Premium-Running-Back verzichtete man hingegen bis in Runde 4.
Pick 149: Michael Dickson, P, Seattle Seahawks
Michael Dickson hat eine tolle College-Saison in Texas absolviert. Der Australier puntete 2017 für eine durschnittliche Länge von 47,4 Yards. Von seinen 84 Punts landeten 41 innerhalb der gegnerischen 20 Yards und nur 8 endeten als Touchback. Und dennoch: Einen Punter nach einem Uptrade in die fünfte Runde zu verpflichten? Darüber lässt sich zumindest diskutieren...
NFL Draft 2018 Steals
Pick 17: Derwin James, S, Los Angeles Chargers
Für viele galt Derwin James als der beste Safety des Drafts. Er ist vielseitig, verfügt über herausragende athletische Voraussetzungen und hat in Florida State tolle Zahlen geliefert. In manchen Mock Drafts fiel er aus den Top 10, aber an die 17?!
Die Chargers haben einen großen Steal gelandet, nachdem einige Teams trotz eines eindeutigen Needs auf James verzichteten. Nach dem Abgang von Tre Boston erhalten sie einen Spieler, der an der Line of Scrimmage den Run und den Pass verteidigen kann. James hat gute Hände um Plays zu machen und ist schnell, explosiv und stark genug, um jeden Gegenspielertypen in Coverage zu decken.
Pick 32: Lamar Jackson, QB, Baltimore Ravens
Viele Teams gingen mit einem Quarterback-Need in den Draft. Den Dolphins, Saints, Chargers, Patriots und Steelers wurden allesamt zugetraut, auf das Skillset von Jackson zu vertrauen und sich den Quarterback der Zukunft zu sichern. Allesamt verzichteten aber und als Jackson an 32 noch verfügbar war, tradeten die Ravens mit den Eagles für einen zweiten Pick in der ersten Runde.
Jackson soll die Ravens nach der Ära Flacco in eine neue führen. Die Ravens haben hierfür offenbar einen klaren Plan: Mit Robert Griffin III hatte man sich in der Free Agency bereits einen ähnlichen Spielertypen ins Boot geholt, der als Backup fungieren könnte.
Jackson allerdings überzeugt nicht nur durch seine athletischen Fähigkeiten sondern auch durch die Qualität seiner Würfe und gutes Spielverständnis. Als Erstrundenpick halten die Ravens darüber hinaus die gerade bei Quarterbacks wichtige Option für ein fünftes Vertragsjahr.
Pick 45: Josh Jackson, CB, Green Bay Packers
Die Packers gelten als einer der großen Gewinner des Drafts. In der ersten Runde tradeten sie nach zwei Deals im Endeffekt für vier Stellen nach untern und sicherten sich dabei einen weiteren Erstrundenpick im nächsten Jahr. Dann erhielten sie in Jaire Alexander einen Cornerback, den einige sogar als besten des Draft-Jahrgangs evaluierten. Und als ob dies nicht genug wäre, holten sie sich in Josh Jackson einen weiteren Corner, der für Scouts sicherer Erstrundenkandidat war.
Jackson ist ein schneller und physisch starker Corner der gerne Risiko geht und versucht ein Play zu forcieren. Er spielt erst seit zwei Jahren auf der Position, nachdem er vorher Receiver war. Das Potenzial für Größeres ist dementsprechend noch sehr groß. Nach der noch im letzten Jahr schwachen Secondary könnte schon ab der kommenden Saison eine spektakuläre neue Pass-Verteidigung in Wisconsin heranwachsen.
Pick 93: Ronnie Harrison, S, Jacksonville Jaguars
Die Defense der Jaguars gehörte ja schon im Vorjahr nicht gerade zu den schlechtesten. Nun wird sie in Ronnie Harrison noch um einen aufregenden Safety verstärkt. Wie Harrison in die dritte Runde fallen konnte? Das haben sich nach dem Draft viele Experten gefragt.
Harrison spielt mit enormer Physis, teilt sehr harte Hits aus und hat die Schnelligkeit und technischen Fertigkeiten, wie ein Corner zu covern. In Alabama war er stets ein sehr wichtiger Teil des defensiven Backfields und hätte gut und gerne früh in der zweiten Runde vom Board gehen können.
Warum er erst nach einigen anderen Safety-Prospects gezogen wurde? Das spielte für die Jaguars keine Rolle und so kommt das nächste Puzzleteil zu einer Defense, die auch im nächsten Jahr für Furore sorgen wird. Gerade die zunehmend häufiger gespielten 3-Safety-Pakete werden für die Jags jetzt zunehmend interessant.
Pick 140: Maurice Hurst, DT, Oakland Raiders
Aufgrund von gesundheitlichen Problemen fiel Maurice Hurst im Draft weit. Weiter als viele erwarteten. Gäbe es die Probleme nicht, so wäre Hurst eindeutig ein First-Round-Kandidat gewesen. Der Defensive Tackle schaffte es in Michigan enormen Druck auf den Quarterback auszuüben.
Er sammelte aufgrund seiner physischen Dominanz 13,5 Sacks und 32 Tackles for Loss in der abgelaufenen Spielzeit. Bestätigen sich die Probleme bei Hurst nicht, so wird man sich in Oakland in den Armen liegen. In die gleiche Kategorie zählt auch Harold Landry, der Edge-Rusher fiel ebenfalls aufgrund medizinischer Bedenken bis in die zweite Runde - und könnte sich als riesiger Steal für Tennessee entpuppen.
Pick 141: Shaquem Griffin, LB, Seattle Seahawks
Die größte Geschichte des Drafts hat den am besten geeigneten Landing-Spot gefunden. Shaquem Griffin, bald der erste einhändige Spieler in der Geschichte der NFL, spielt künftig an der Seite seines Zwillingsbruders Shaquill bei den Seahawks. Dass Griffin derart lange warten musste, hatten vorher sicherlich nicht alle auf dem Zettel - er wurde vor dem Draft als potentieller Drittrunden-Pick angesehen.
Griffin wird in erster Linie eine große Rolle in den Special Teams spielen. Darüber hinaus wird er sporadisch als Edge-Rusher eingesetzt. Bewährt er sich, so ist eine größere Rolle denkbar, etwa auch als Sub-Package-Linebacker. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich Griffin in Coverage gegen NFL-Receiver zur Wehr setzen wird. Eines aber ist klar: Er wird die richtige Einstellung an den Tag legen, um NFL-Fans ein weiteres Mal mit offenem Mund stehen zu lassen.
Pick 160: Ogbonnia Okoronkwo, LB, Los Angeles Rams
Die Rams haben in der fünften Runde einen Edge-Rusher mit tollem Motor aber kleiner Körpergröße gewählt. Ogbonnia Okoronkwo hat im College sehr viele Plays im gegnerischen Backfield gemacht. Und nun kommt er zu einer der dominantesten Defensive Lines der Liga, in welcher der Edge-Rusher die größte noch übrige Baustelle war. Ein nahezu idealer Spot. Dennoch hätte er gemessen an seinen Voraussetzungen früher von Board gehen müssen.
Pick 176: John Kelly, RB, Los Angeles Rams
John Kelly ist ein absolutes Power-Paket mit guter Geschwindigkeit. Sein Tape ist spektakulär. Er scheint es zu lieben, geradewegs in gegnerische Spieler zu laufen und diese nach Kontakt wieder in die andere Richtung zu schicken. In der passenden Offense können seine Fähigkeiten sicherlich auch in der NFL zum Tragen kommen. Gut für Kelly, dass er also bei den Rams untergekommen ist.
Pick 185: Deon Cain, WR, Indianapolis Colts
Die Receiver-Klasse war in der Breite sicherlich stärker als in der Spitze. Aber dass ein Prospect wie Deon Cain bis in die sechste Runde fallen kann ist sehr überraschend. Cain profitierte nicht gerade von guter Quarterback-Play in der letzten Saison. In Clemson dominierte das Laufspiel. Bei den Colts könnte nun sogar eine zeitnahe Starter-Rolle hinter T.Y. Hilton winken.
Pick 207: Equanimeous St. Brown, WR, Green Bay Packers
Was für Cain gilt, gilt auch für Equanimeous St. Brown. Der Receiver mit deutscher Mutter hat sicherlich weitaus größere Möglichkeiten, als das ein Sechstrundenpick aussagen würde.
Bei den Packers wird er jedoch auf große Konkurrenz treffen: Er war alleine der dritte Receiver der gedraftet wurde. Warum St. Brown so tief bewertet wurde, darüber wird fleißig spekuliert. Seine physischen Voraussetzungen hätten eine weitaus bessere Platzierung gerechtfertigt. Green Bay scheint nicht der ideale Spot, zumindest erwartet St. Brown hier ein harter Auswahl-Prozess.