NFL Draft 2018, 1. Runde - die Einordnung der Top-10-Picks: "Neun Fehler"

Pascal De Marco
27. April 201815:19
Josh Rosen fiel bis an die zehnte Stelle des Drafts. getty
Werbung

Die erste Runde des Drafts steht in den Büchern und das erwartete Spektakel ist eingetreten. Vier Quarterbacks sind mit den ersten zehn Picks vom Board gewesen. Die größte Überraschung im Bereich der Top 10 kam aus Cleveland, jedoch nicht mit dem ersten Pick. SPOX ordnet die Geschehnisse von Donnerstagnacht ein.

Pick 1: Cleveland Browns - Baker Mayfield, QB, Oklahoma

Die Browns hatten die Wahl aus vier realistischen Optionen für ihren Franchise-Quarterback und haben sich für eine entschieden, die nicht zu den Favoriten auf den ersten Pick im Draft gehörte. Baker Mayfield soll es also sein und das Quarterback-Karussell in Ohio beenden. Im ehemaligen Heisman-Trophy-Gewinner haben die Browns all das gesehen, was es für einen Spieler braucht, der die Franchise endlich wieder in eine erfolgreiche Ära führen soll.

Mayfields Tape zeigt, wie konstant und akkurat er eine Offense führen kann. Sein Passspiel überzeugt durch Genauigkeit und wenige Fehler. Eine Eigenschaft, auf die die Browns schon bei der Verpflichtung von Tyrod Taylor Wert gelegt haben. Mayfield setzt viel auf seine Beine und fühlt sich außerhalb der Pocket wohl. Seine Passer-Fähigkeiten leiden nicht darunter, wenn er aus der Bewegung zum Wurf gezwungen wird. Ein wichtiger Part im Spiel des Oklahoma-Produkts, das mit seinen 1,85 Metern nicht gerade Idealgröße aufweist.

Zweifel gibt es aber, ob alle der im War Room der Browns wortführenden Personen mit der Entscheidung für Mayfield einverstanden waren und sind. Geschäftsführer John Dorsey und Offensive Coordinator Todd Haley sollen klar im Lager Mayfield gewesen sein. Jedoch war man sich offenbar bis zum Ende nicht sicher, ob Head Coach Jackson schlussendlich dessen Namen auf die Draft-Karte schreiben würde.

Nun liegt es an allen Beteiligten, Mayfield ideal auf das nächste Level und die neue Browns-Offense vorzubereiten. Wie lange die Anpassungszeit hinter einem noch voll im Schuss stehenden Taylor, der gerade noch ein Team unerwartet in die Playoffs geführt hat, dauern wird, ist selbstverständlich Spekulation. Genauso wie die Frage, ob ein kleiner Quarterback, der auf seine Mobilität setzt, aber nicht besonders schnell ist (4,8 Sekunden beim 40-Yard-Dash) und für eine Menge Aufmerksamkeit neben dem Football-Feld sorgt, einen Number-1-Pick Wert rechtfertigen kann.

Pick 2: New York Giants - Saquon Barkley, RB, Penn St.

Eli Manning wird in dieser Nacht gut geschlafen haben. Die Giants haben sich gegen die Variante mit der Zukunftsperspektive entschieden und in Running Back Saquon Barkley das herausragende Skilled-Player-Prospect im Draft verpflichtet. Eine teure Investition, die ein klares Statement mit sich bringt. Die Giants glauben an Eli. Und sie glauben, dass das Team unter ihm noch einmal einen Playoff-Run starten kann.

Es ist schwer, gegen seine athletischen Fähigkeiten zu argumentieren. Barkley ließ Scouts bei der Draft Combine mit offenem Mund stehen, als er die 40-Yard-Dash in 4,40 Sekunden absolvierte, einen 1,04-Meter-Vertikalsprung zeigte und 29 Mal die 100-Kilo-Bank drückte. Gleiches gilt für die 3.843 Yards, die er in seiner Penn-State-Karriere abspulte. Und dennoch bleibt Barkley ein Running Back. Ein Spieler auf der Position, auf der statistisch gesehen die meisten Spiele verletzungsbedingt verpasst werden und die durchschnittlich längsten Abstinenzen pro Verletzung notiert wurden.

Barkley wird die Giants sofort besser machen und ihnen endlich einen Running Back geben, der Druck von Manning nimmt. Doch kann ein Running Back auch nur so viel leisten, wie ihm die Offensive Line erlaubt. Die war im letzten Jahr schwach und wurde bis dato nur durch Nate Solder aufgewertet. Hat sie weiterhin Probleme wie im vergangenen Jahr, baut Eli weiter ab oder schafft es die Defense nicht, ihre zahlreichen Abgänge zu kompensieren, so wird sich Dave Gettlemen vermutlich wünschen, eine andere Wahl mit dem zweiten Pick getroffen zu haben.

Pick 3: New York Jets - Sam Darnold, QB, USC

Als die Jets ihren sechsten Pick gegen den dritten Pick der Colts eingetauscht hatten, hätten sie wohl nicht damit gerechnet, dass Darnold zu ihnen fallen könnte. Dementsprechend wird man sich bei Gang Green überglücklich schätzen, dass der von vielen als bester Quarterback der Klasse eingeschätzte Darnold nicht von den Browns und Giants gezogen wurde.

Die Jets gehen nun mit drei potenziellen Startern auf der Quarterback-Position in die neue Saison, haben in Darnold aber ganz eindeutig ihren Mann für die Zukunft. Einen physisch hervorragend gebauten Athleten mit starkem Arm und gutem Football IQ. Einen Quarterback mit exzellenter Field Vision und schneller Auffassungsgabe, der sich bereits durch zahlreiche Snaps Under Center behauptet hat. Und einen Leader, den sich Coaches wünschen und der durch seine Arbeitseinstellung sein Team mitreißen soll.

Darnold leistete sich allerdings 2017 weitaus mehr Fehler als noch im Jahr zuvor bei USC. Dementsprechend gibt es noch einige Fragezeichen im Hinblick darauf, wie lange es dauern wird, bis er bereit ist, zu starten. Hinter Josh McCown und in einem Quarterback-freundlichen System bei den Jets sollte Darnold aber ideale Adaptions-Möglichkeiten vorfinden. Der grüne Part von New York sollte mit einem breiten Grinsen durch die Straßen laufen. In Darnold hat man an dritter Stelle einen absoluten Glücksgriff getätigt.

Pick 4: Cleveland Browns - Denzel Ward, CB, Ohio St.

Auch an vierter Stelle wussten die Browns zu überraschen. Wo Edge-Rusher Bradley Chubb erwartet worden war, um ein beängstigendes Pass-Rush-Duo mit Myles Garrett zu bilden, füllen die Browns stattdessen ein anderes Need: Die Cornerback-Position.

In Denzel Ward kommt der mit Abstand beste Corner der gesamten Klasse. Die Man-Coverage-Fähigkeiten sind herausragend. Sein Manko in Sachen Körpergröße macht er durch seinen enorm physischen Spielstil wett. Ward ist ein sogenannter Shut-Down-Corner und kann der Bronws-Secondary ein Gesicht verleihen. Wo er bei den Buckeyes mehr auf dem Flügel gespielt hat, wird Ward bei den Browns wohl häufig in der Slot-Rolle zu finden sein. Die Edge-Rolle in der Line kann derweil auch weiterhin Emmanuel Ogbah anstatt Chubb ausfüllen. Cleveland hat hier keineswegs einen Fehler gemacht.

Pick 5: Denver Broncos - Bradley Chubb, DE, N.C. State

Die Broncos konnten vor dem Draft mit dem fünften Pick gar nicht so viel anfangen. Immer wieder wurde über einen Down-Trade spekuliert oder darüber, dass man einen Quarterback verpflichtet. Allerdings hing dies auch damit zusammen, dass in nahezu jedem Mock Draft der herausragende Pass Rusher dieser Klasse an fünfter Stelle bereits vergeben war.

Allerdings brachte Clevelands unerwarteter Ward-Pick einiges durcheinander. Denver hatte plötzlich die Möglichkeit, wieder an der Mannschaft anzuknüpfen, die noch vor nicht allzu langer Zeit den Super Bowl gewonnen hat. Und diese Mannschaft hatte eine besondere Stärke - keine O-Line konnte ihren Pass-Rush stoppen.

Die Broncos bekommen mit Bradley Chubb einen technisch enorm reifen Edge-Rusher, der gemeinsam mit Von Miller ein furchteinflößendes Pass-Rush-Tandem darstellt. Chubb bringt eine Vielzahl von Moves mit und weiß seine Hände schnell und effektiv einzusetzen. Die Broncos haben trotz der offensichtlichen Schwächen in der Offense die richtige Entscheidung getroffen, auf Chubb und eine womöglich erneut dominante Defense zu setzen.

Pick 6: Indianapolis Colts - Quenton Nelson, G, Notre Dame

Die Colts haben vor dem Draft drei Picks in der zweiten Runde dafür erhalten, schlichtweg drei Plätze weiter unten zu draften. Das alleine wäre schon eine tolle Entschädigung gewesen. Dass man allerdings dann immer noch die Chance auf den wohl dominantesten Spieler im Draft hat, war für Indy ein absoluter Glücksfall. Und natürlich für Andrew Luck.

Der nämlich bekommt einen Grizzly-Bären von einem Bodyguard. Quenton Nelson ist pure Power und dominiert sowohl in der Run- als auch in der Pass-Protection. Zwar hat die Position des Guards in der heutigen, Pass-dominierten NFL an Stellenwert eingebüßt. Doch argumentiert Nelson dagegen.

"Mit Spielern wie Aaron Donald, Geno Atkins und Fletcher Cox gibt es in der NFL genug Leute, denen man im Zentrum die Stirn bieten muss", so die Analyse von Nelson. "Wenn ein Defensive End über die Edge geht ist das okay, dann kann der QB aus der Pocket werfen. Und das ist, was ich ihm gebe: Eine Pocket, aus der er werfen kann." Worte, über die sich ein Luck, der nach einer Rückkehr auf das Feld immer seltener aus der Pocket laufen wird, sicherlich freut.

Pick 7: Buffalo Bills - Josh Allen, QB, Wyoming

Von den vier Quarterbacks in den Top 10 ist Josh Allen derjenige, der noch am weitesten von einem NFL-Quarterback entfernt ist. Und dennoch könnte er der Einzige sein, der als Starter in Week 1 geht. Und das trotz miserabler Bedingungen. Die Bills haben ein dünnes Receiving Corps und eine Offensive-Line in der Übergangsphase. Die Gründe: Spieler haben ihre Karriere beendet und ein Trade. Und sie haben A.J. McCarron als einzige nennenswerte Konkurrenz für Allen. Also maximal eine Lösung von kurzer Dauer.

Allen hat einen Wahnsinns-Arm, aber genauso große Probleme, Pässe auf die kurze Distanz zu werfen. Seine Genauigkeitsprobleme sind ein Risiko, das viele Teams nicht eingehen wollen würden. Allens College-Zahlen sind nicht gerade gut. Und dabei hat Wyoming nicht einmal gegen nennenswerte Defenses gespielt. Gegen Teams mit einer positiven Bilanz warf Allen im letzten Jahr 4 Touchdowns und 5 Interceptions, bei 50 Prozent Completion-Percentage. Und wie gesagt: Richtige Defenses wird Allen jetzt erst zu Gesicht bekommen.

Allen hat einen tollen Charakter, er ist ein Arbeitstier und soll die Spieler in der Umkleidekabine mitreißen können. Ein wichtiger Punkt, der von NFL-Scouts mit hoher Relevanz in Betracht gezogen wird. Alles in allem ist Allen dennoch ein Risiko-Pick mit enorm großer Fallhöhe. Er könnte die Ära von Sean McDermott und Brandon Beane in Western New York definieren. Im guten und im schlechten Sinne.

Pick 8: Chicago Bears - Roquan Smith, OLB, Georgia

Die Bears hatten die Wahl zwischen Tremaine Edmunds und Roquan Smith und haben sich schließlich für die vermeintlich sicherere Variante entschieden. Smith ist ein Sideline-to-Sideline-Linebacker mit tollen Instinkten, was ihm wohl den ausschlaggebenden Vorteil gegenüber Edmunds beschert hat. Er spielt mit einer sehr aggressiven Note und macht seine Nachteile in Sachen Körpergröße durch die enorme Physis wett, mit der er auf dem Feld agiert.

Die Bears füllen mit Smith einen dringend benötigten Need. Und sie bekommen einen Spieler, von dem man schon jetzt eine große Karriere erwarten kann. Zwar ist die Position in der NFL auch in der Breite bereits durch sehr starke Spieler vertreten, doch ist Smith ein All-Pro-Kaliber und war an achter Stelle vermeintlich sogar der Best Player Avalaible.

Pick 9: San Francisco 49ers - Mike McGlinchey, OT, Notre Dame

Blickt man über die Quarterbacks hinweg, so dominierten Defense-Spieler den ersten Tag des Drafts voll und ganz. Mike McGlinchey stellt beinahe eine Ausnahme dar. Die Niners entschieden sich für den Cousin von Matt Ryan, obwohl man noch andere Needs zu füllen hatte, die womöglich wichtiger gewesen wären. Selbst scheint man allerdings der Meinung zu sein, dass nichts wichtiger als Schutz für Jimmy Garoppolo ist. Und dieser soll möglichst langfristig gewährleistet werden.

Mit Trent Brown haben die Niners eigentlich einen hochgradig veranlagten Tackle in den eigenen Reihen. Der war zuletzt aber verletzt, tauchte in beängstigender Form bei den ersten Einheiten auf und könnte außerdem einer der nächsten sein, die einen Riesenvertrag in der Kategorie von Nate Solders 62-Millionen-Dollar-Vertrag über vier Jahre abschließt. San Francis will dem wohl mit einer jüngeren Variante vorbeugen.

McGlinchey wird bei den Niners einen soliden Tackle spielen, auf den man sich verlassen kann, der aber gegen die besten Pass Rusher der Liga Probleme bekommen wird. Er ist noch roh und stellt nicht den Prototyp eines Tackles dar. Ein solider Spieler also, doch hätten Tremaine Edmunds, Derwin James oder Minkah Fitzpatrick, die zu dieser Zeit allesamt noch verfügbar waren, einen höheren Value an dieser Stelle gehabt. Die Niners jedoch waren wohl ziemlich überzeugt. Sie hatten sich zuvor nur einmal mit McGlinchey getroffen.

Pick 10: Arizona Cardinals - Josh Rosen, QB, UCLA

"Vor meinem Pick wurden neun Fehler begangen", sagte Josh Rosen in gewohnt "zurückhaltender" Manier in den Post-Draft-Interviews. Die Cardinals bewahrten den Rest der Liga vor weiteren Fehlern und tradeten für vermeintlich günstige Verhältnisse - einen Dritt- und einen Fünftrundenpick - mit den Raiders, um sich die Gunst des UCLA-Produktes zu sichern.

Dazu kann man sie nur beglückwünschen. Dass Rosen an 10 überhaupt noch zur Verfügung stand, war nicht absehbar. Rosen ist der stärkste Pocket-Passer der Klasse mit dem besten Bewegungsablauf. Er spielte bei UCLA meist Under Center und ist auch unter den mentalen Gesichtspunkten derjenige, der den reifesten Eindruck macht.

Dennoch schien Rosen für viele Teams nicht ins Bild zu passen. Neben noch vertretbaren Sorgen, er sei verletzungsanfällig, gab es auch diejenigen, die ihm nachsagten, zu intelligent zu sein und sich zu sehr für Dinge abseits des Football-Feldes zu interessieren. Dinge, die ihn davon ablenken könnten, sich voll auf seine Aufgabe zu konzentrieren, Franchise-Quarterback zu werden.

Obwohl Rosen also der weiteste Quarterback dieser Klasse und vermutlich auch der sicherste Pick war, schlitterte er immer weiter ab und die Cardinals bedankten sich artig. In Arizona könnte er womöglich sogar auf ideale Bedingungen treffen: Ein ruhiger Medien-Markt, eine vernünftig und überlegt handelnde Franchise, ein neuer Coach, der in nicht allzu schneller Zeit Siege liefern muss und in Sam Bradford einen nicht nur erfahrenen, sondern wenn fit auch sehr starken Quarterback, unter welchem er lernen kann. Es würde nicht verwundern, wenn sich einige Teams in zwei, drei Jahren fragen werden, wie Rosen nur an die zehnte Stelle fallen konnte.