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Themenwoche: Chip Kelly und die Oregon Ducks - The Need for Speed

Die Oregon Ducks haben unter Chip Kelly den College-Football revolutioniert.
© getty

Noch keine zehn Jahre ist es her, da war Chip Kellys Oregon-Offense mit das aufregendste, was College Football und Football insgesamt zu bieten hatten: Eine Warp-Speed-Attacke, die über Geschwindigkeit und Option-Football zum Erfolg kam, nicht über komplizierte Schemes. Doch in der NFL scheiterte er krachend - im Rahmen der College Football Themenwoche steht heute Kellys Offensive sowie ihr NFL-Untergang im Fokus.

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In einem lockeren Moment mit der Presse wurde Chip Kelly vor einigen Jahren mal ganz ehrlich. "Ich glaube", ließ er die anwesenden Journalisten wissen, "dass ich als Kind eine ganz schöne Nervensäge war. Ich habe alles hinterfragt. Ich war immer derjenige, der 'warum?' gefragt und versucht hat, herauszufinden, warum gewisse Dinge passieren. Ich war unglaublich neugierig."

Als er 2013 endlich den Schritt in die NFL wagte, beschrieb diese kleine Anekdote den Ruf, der ihn zu den Profis begleitete, ganz gut: Kelly galt als der Innovator, als derjenige, dem Konventionen egal waren und der die Dinge auf seine Art machte - egal ob es um die Ernährungsvorschriften, die ungewöhnlichen Trainingseinheiten, oder eben seinen taktischen Ansatz auf dem Feld ging.

Weiter noch: Er galt als derjenige, der das Spiel nachhaltig verändern und möglicherweise gar Offense-Football auch in der NFL in eine neue Ära führen sollte. Und das mit Warp-Geschwindigkeit.

Chip Kellys Offense: The Need for Speed

Chip Kellys Oregon-Teams waren auf brutale, alles in den Schatten stellende, Spiele verändernde Geschwindigkeit ausgerichtet. Sie spielten schnell, sie trainierten schnell, alles setzte die Geschwindigkeit in den Mittelpunkt.

"Sie spielen unglaublich schnell und versuchen, die Defense so müde zu machen oder Kommunikationsfehler zu erzwingen", sollte Patriots-Head-Coach Bill Belichick Kellys Offense später mal beschreiben, "und selbst wenn deine Aufstellung richtig ist - wenn man es nicht schafft, die eigenen Zuständigkeiten schnell zu kommunizieren und Räume entstehen, wird jemand frei sein. Und das ist aufgrund der Geschwindigkeit nicht einfach. Es zwingt einen dazu, defensiv simpler zu agieren."

Im Schnitt rund 83 Plays pro Spiel brachten Kellys Oregon-Offenses aufs Feld, zum Vergleich: in der vergangenen NFL-Saison kam in dieser Statistik kein Team über 68 und in den vergangenen vier Jahren knackte nur ein Team die 70 - Kellys Eagles 2014 (70,7).

In Kellys letzten drei Jahren in Oregon waren die Ducks in der Top-5 was Punkte pro Spiel, Yards pro Spiel und Yards pro Run angeht. Bei den Yards pro Run war Oregon unter Kelly nur ein Mal überhaupt außerhalb der Top-5.

Kellys Wunsch nach Geschwindigkeit stammte dabei aus der eigenen Vergangenheit als Defense-Coach in den frühen 90er Jahren: "Daran musste ich häufig zurück denken. Man wollte nie die Balance verlieren und man mochte es nicht, wenn der Gegner schnell spielte, wenn er zusätzliche Tight Ends aufs Feld schickte. Man spielte ungern gegen ein physisches Team, das auch mit vier Wide Receivern spielen konnte."

Oregons Offense mit Kelly als Coordinator und Head Coach:

JahrPunkte pro Spiel (National Rank)Yards pro Spiel (National Rank)Yards pro Run (National Rank)
200738,2 (12)467,5 (10)5,3 (8)
200841,9 (7)484,8 (7)6,2 (1)
200936,1 (8)412,0 (33)5,5 (3)
201047,0 (1)530,7 (1)5,8 (4)
201146,1 (3)522,8 (4)6,4 (1)
201249,5 (2)537,4 (5)5,9 (1)

Es war eine Offense, die auch vor großen Namen nicht Halt machte. Kellys Oregon-Teams zerlegten unter anderem die Defenses von Pete Carroll (613 Yards, 47 Punkte), Monte Kiffin (730 Yards und 62 Punkte) oder auch die von Vic Fangio (626 Yards, 52 Punkte) - der in diesem Jahr übrigens mit Kellys damaligem Offensive Coordinator Mark Helfrich in Chicago zusammenarbeiten wird; das dürfte für das eine oder andere unterhaltsame Gespräch in der Kantine sorgen.

Und in Kellys erstem Jahr in der NFL schienen sich die riesigen Erwartungen und Vorschusslorbeeren zu bestätigen. Die Eagles führten die NFL in Rushing-Yards, Yards pro Run und Yards pro Play an und waren eine der spektakulärsten Offenses der Liga. Unvergessen bis heute ist Kellys NFL-Einstand gegen die Redskins in Washington, als Philly die Hausherren in der ersten Hälfte überrannte und am Ende 49 Rushing-Versuche ansammelte.

Dabei, und das sollte Kelly letztlich zum Verhängnis werden, ist die Basis seiner Offense denkbar simpel.

Chip Kellys Offense: Inside Zone und Wiederholung

Gewissermaßen ist das der Preis für die enorme Geschwindigkeit, mit der Kelly spielen ließ: Ja, die Defense wird so stark limitiert - doch auch seine Offense hatte in ihrem Kern nicht die Play- und Formations-Vielfalt, die es in der NFL braucht.

Bei einer Coaching Clinic im Jahr 2009 beschrieb Kelly seine Offense so: "Wir hatten letzte Saison 6,2 Yards pro Carry. Wir hatten vier Run Plays: Inside Zone, Outside Zone, Counter und Draw. [...] Wenn deine Spieler das Play, das sie in einer entscheidenden Situtation umsetzen sollen, nicht tausende Male im Training einstudiert haben, haben sie keine Chance, erfolgreich zu sein."

Vor allem Inside Zone ist eine ganz zentrale Säule in Kellys Offense: "Es ist ein sehr guter Gleichmacher: man attackiert einen Defensive Lineman mit zwei Blockern, also mit einer mathematischen Idee im Hinterkopf. Das Zone Play kann gegen verschiedene Defense-Looks gespielt werden. Inside Zone ist unser Go-To-Work-Play, unser Signature-Play. Wir wollen ein physisches, Downhill-Running-Team sein. Es ist kein Finesse-Play, wir wollen Double-Teams kreieren und die Verteidiger über den Haufen rennen. Das ist physischer Football."

Kelly legte dementsprechend Wert darauf, dass seine Running Backs die Line of Scrimmage aggressiv attackieren, und weniger dahinter abwarten, um auf die perfekte Lücke zu hoffen. Das gilt als ein Grund dafür, dass er später in Philadelphia LeSean McCoy an die Bills abgab.

Dieses Rückgrat seiner Offensive wird auch statistisch deutlich. Seine Eagles-Teams hatten eine Bilanz von 24 Siegen und acht Niederlagen in Spielen, in denen ihnen über 100 Rushing-Yards gelangen sowie nur zwei Siege und 13 Niederlagen in den Spielen unter 100 Rushing-Yards. Bei Oregon war die Aufteilung noch deutlicher: 0-3 mit unter 100 Rushing-Yards, 46-4, wenn die 100-Yard-Marke geknackt wurde.

Oregon und die Vermischung verschiedener Stile

Dabei wird Kelly nicht müde zu betonen, dass er "nichts revolutionäres in der Offense" macht, "wir laufen Inside Zone, Outside Zone, Sweeps und Power. Wir haben ein 5-Step- und 3-Step-Passing-Game und wir werfen Screens. Wir machen nichts, das es nicht schon früher im Football gegeben hat."

Das ist inhaltlich völlig richtig; der Ansatz, um den Erfolg von Kellys Oregon-Teams zu verstehen, liegt eher darin, wie er verschiedene Stile vermischte. Ganz konkret: Die Mischung aus dem angesprochenen Tempo mit Option-Plays für den Quarterback sowie die Mischung aus den Spread-Formationen mit dem Inside Run Game.

Letzteres zieht die Defense in die Breite, um dann das Zentrum mit Double-Teams zu attackieren und schnell Blocker auf das Linebacker-Level zu bekommen. Ersteres zwingt die Defense zu simpleren Schemes, um dem Quarterback dann im Play mehrere Möglichkeiten zu geben, wie er die vorhersehbarere Defense attackieren kann.

Diese Mischung war wie ein frischer Wind für NFL-Offenses, die zumindest vielerorts über Jahre hinweg versucht hatten, eher an kleineren Schrauben zu drehen. Kelly schien wie derjenige, der größer denkt, nach seiner NFL-Debüt-Saison kursierte unter Coaches in der Liga der Begriff "Chip Kelly Plays".

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