Themenwoche: Jeff Reinebold im Interview: "Entwicklung der Quarterbacks verlangsamt"

Von Adrian Franke
27. Juni 201812:11
Auf Hawaii spielt Football schon auf dem High-School-Level eine große Rolle.getty
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Jeff Reinebold blickt auf eine lange Football-Coaching-Karriere zurück: Der heute 60-Jährige hat einerseits in der kanadischen CFL, andererseits aber auch im College - unter anderem bei Louisiana Tech, SMU und Hawaii - seit vielen Jahren Spieler trainiert.

Im Rahmen der großen SPOX-College-Football-Themenwoche sprach SPOX exklusiv mit Reinebold, der inzwischen als Special Teams Coordinator der British Columbia Lions wieder in der CFL arbeitet: Über die Besonderheiten im College Football, über Football in Reinebolds Wahlheimat Hawaii - und über die Chancen von Johnny Manziel, der seit einigen Wochen ebenfalls in der CFL spielt.

SPOX: Mr. Reinebold, direkt zum Start: Wie würden sie die Faszination von College Football erklären, insbesondere im Vergleich zur NFL? Was macht es so einzigartig?

Jeff Reinebold: Die Tradition ist die eine Sache. Der andere Aspekt: niemand macht seinen Abschluss bei den Chicago Bears oder den Dallas Cowboys. Wenn es aber die Schule ist, auf die man gegangen ist - und das schließlich ist eine besondere Zeit im eigenen Leben, man verlässt das Elternhaus zum ersten Mal und häufig findet man neue Freunde fürs Leben - all diese Dinge spielen eine Rolle. Darüber hinaus ist die Geschichte wirklich packend. Man kann zurückgehen bis zu Präsident Roosevelt, der um die Jahrhundertwende mit dem Gedanken spielte, den Sport abzuschaffen, weil er zu brutal war und schließlich Regeländerungen durchgeführt wurden. College Football wurde Teil der amerikanischen Kultur; ähnlich wie Fußball in Europa, wo Generationen von Fans einem Team treu ergeben sind, weil sie dort aufgewachsen sind und das so tief in der Kultur verwurzelt ist. Vor allem in den Südstaaten, wo Football mehr Religion als Sport ist, ist die Leidenschaft der Fans für das Spiel kaum zu beschreiben. Beispielsweise kommen bis zu 100.000 Menschen zum Spring Game der University of Alabama - ein Team-internes Spiel! Das wäre, wie wenn 100.000 Fans zu einem Trainingsspiel von Bayern München kommen würden. Unglaublich!

SPOX: Ist es auch aus der Coach-Perspektive unterschiedlich? Macht es einen Unterschied, ob man auf dem College-Level oder bei den Profis Spieler trainiert?

Reinebold: Es ist auf jeden Fall insofern etwas anderes, als dass man es natürlich mit einer anderen Altersgruppe zu tun hat. Man rekrutiert Spieler, die dann etwa 18 Jahre alt sind, und sie gehen etwa mit 22. Man trainiert sie also nicht nur, man hilft ihnen auch durch eine schwierige Zeit in ihrem Leben. Wenn sie gerade lernen, was es heißt, ein Mann zu sein und auf eigenen Füßen zu stehen. Das ist etwas ganz anderes. Darüber hinaus hat sich die Arbeit als Coach auf dem College-Level verändert, das Recruiting ist noch viel wichtiger geworden. Man muss gute Spieler rekrutieren können, gleichzeitig denkt jeder High-School-Spieler, dass er Profi werden kann - und das ist nicht realistisch. Außerdem müssen deine Spieler natürlich gleichzeitig ihre Kurse besuchen und ihre Prüfungen bestehen; es ist ein ganz anderer Job, aufgrund der anderen Dinge, mit denen man sich zusätzlich beschäftigen muss.

SPOX: Inwiefern verändert sich der direkte Umgang mit den Spielern bei den Profis?

Reinebold: Bei den Profis hat man es mit Männern und einem Business zu tun. Letztlich trifft man Business-Entscheidungen. Natürlich trainiert man die Spieler auch, aber es ist ein viel trockeneres, ich würde sagen ein knallhartes Geschäft. Man sagt ja: je mehr man kann, desto länger kann man sich halten. Aber die Realität im Profigeschäft ist: niemand bleibt für immer. Das soll nicht heißen, dass es im College nicht auch ernsthaft zugeht. Aber hier sprechen wir von Jungs, die damit ihren Lebensunterhalt verdienen und ihre Familien ernähren.

SPOX: Und auf dem Feld? Wo sind da die größten Unterschiede? Schließlich sehen wir noch immer regelmäßig Spieler, die im College großartige Leistungen zeigen, in der NFL aber Probleme haben - oder es gar nicht schaffen. Liegt das nur am Niveauanstieg, oder ist das Spiel in Ihren Augen wirklich so verschieden?

Reinebold: Zwei Dinge muss man sich dabei klar machen: Nur etwa ein Prozent der High-School-Spieler wird überhaupt die Gelegenheit bekommen, einen Profi-Vertrag zu unterschreiben. Die Anzahl der Spieler, die also gut genug sind, ist schon sehr klein, selbst auf dem höchsten Level wie etwa in der SEC. Hier haben wir rund 100 Spieler pro Team und von denen werden vielleicht vier oder fünf Profi-Football spielen. Einerseits ist es genau was Sie sagen, das Niveau ist einfach unglaublich hoch auf dem nächsten Level. Ein anderer Aspekt ist die Tatsache, dass sich der College Football und die NFL wirklich verändert und auch voneinander weg entwickelt haben.

SPOX: Sie meinen taktisch und was Schemes angeht?

Reinebold: Genau. College Football ist heute im Vergleich zu vor 20, 25 Jahren komplett anders. Zone Reads, RPOs - die Art und Weise, wie das Spiel gespielt wird und worauf sich Teams konzentrieren, ist noch immer deutlich anders als in der NFL. Der Football in Kanada ist dem vermutlich schon näher, man sieht offensiv mehr Kreativität und der Quarterback wird mehr Risiken ausgesetzt. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Der Zone Read ist nicht per se schlecht und ich denke, Kyle Shanahan (Head Coach der 49ers, d. Red.) hat es vor einigen Tagen sehr gut gesagt: Der Zone Read ist großartig - wenn dein Quarterback dabei gesund bleibt. Diese Jungs sind Millionen-Dollar-Investments und man hat nur drei Quarterbacks im Team; man kann den Quarterback nicht konstant diesen Hits aussetzen. Im College ist das etwas anders: Es gibt nicht nur 85 bis 100 Spieler, sondern meist auch fünf oder sechs Quarterbacks. Man kann es sich eher leisten, den Quarterback ein wenig stärker einigen Risiken auszusetzen. Auf dem Profi-Level ist das sehr gefährlich. Das macht das Spiel schon anders.

SPOX: Und es wirkt sich auf die Prägung eines Quarterbacks aus ...

Reinebold: ... das ist der andere Aspekt. Die Entwicklung eines Quarterbacks wird durch all diese Dinge - den Zone Read, Spread Offenses und so weiter - definitiv verlangsamt. Die Jungs müssen nicht die Aufgaben erfüllen, die in der NFL von ihnen verlangt werden. Deshalb ist es auch so schwierig, College-Quarterbacks zu evaluieren: Das Aufgabenfeld ist ein ganz anderes. Deshalb sieht man auch immer wieder gute College-Prospects, die auf dem nächsten Level verloren wirken. Christian Hackenberg ist ja so ein Beispiel; bei Penn State war er ein guter Spieler, von den Jets wurde er gerade vor ein paar Wochen entlassen - ohne auch nur einen NFL-Snap gespielt zu haben.

Run Pass Options und College-Einflüsse auf die NFL

SPOX: Sie haben die Run Pass Options schon angesprochen, die natürlich in der vergangenen Saison eine große Rolle gespielt haben. Warum dauert es generell oft so lange, ehe die NFL ein solches Konzept übernimmt - obwohl es dem Quarterback ja fraglos enorm hilft?

Reinebold: Letztlich ist Football ein Spiel der Trends. Wenn man sich die Geschichte des Spiels anschaut, dann sieht man, dass dem schon immer so war. Eine Sache kommt in die Liga und funktioniert, dann ist sie das heißeste Thema und jeder kopiert sie. In der Folge beginnen die Coaches auf der anderen Seite des Balls damit, diese Neuerung zu studieren und letztlich entwickeln sie Schemes, um sie zu kontern. Es gibt immer Trends: Die Cowboys brachten die Shotgun-Formation unter Tom Landry zurück in die NFL und plötzlich nutzte sie jeder, weil man den Quarterback so besser schützen kann. Die Run and Shoot Offense kam mit den Houston Oilers und den Detroit Lions in die Liga, und diese Teams zerlegten ihre Gegner anfangs teilweise. Einige Elemente davon findet man noch heute in der NFL, doch Defensive Coordinators fanden auch hier die Lücken im System. Am Ende muss es immer ein Gegenmittel geben. So wird es auch bei den RPOs sein: Je häufiger Coaches es sehen, desto häufiger wird es in der Offseason studiert. Defensive Coordinators werden Antworten dafür finden.

SPOX: Hat es in Ihren Augen auch etwas damit zu tun, dass College-Coaches häufig insgesamt mit weniger Qualität arbeiten müssen? Müssen sie deshalb kreativer sein?

Reinebold: Einer der Gründe dafür, dass College Football mit Blick auf Kreativität und Ideen gerade in der Offense etwas mehr vorausdenkt, ist die Art und Weise, wie das ganze Spiel aufgebaut ist. Wenn man diese großen Kader hat, kann man auch Spieler haben, die sich auf bestimmte Dinge spezialisieren. Man kann mehr Tiefe etwa bei den Quarterbacks haben, was bei den Profis so nicht funktioniert. Aber ja, wenn wir in der Geschichte zurückschauen, nehmen wir doch den Option-Football als Beispiel: Der wurde, könnte man sagen, im Süden entwickelt, in Texas etwa mit der Wishbone Offense. Das war unter dem Strich nur eine andere Art, ein Run Game aufzuziehen, wenn ein Team sonst nicht gut genug war, um ohne dieses den Ball zu bewegen.

SPOX: Das sieht man ja häufiger, oder? Teams auf dem College-Level entwickeln Ideen, um Schwächen auszugleichen.

Reinebold: Ja. Die Run and Shoot Offense ist ein anderes sehr gutes Beispiel dafür. Mouse Davis entwickelte die Run and Shoot mittels der Konzepte eines High-School-Coaches. Diese Offense hat er dann bei Portland State installiert - weil es für ihn der einzige Weg war, um den Ball zu bewegen. Sie hatten nicht die Chance, die Spieler zu rekrutieren, die Oregon oder Oregon State bekommen haben. Deshalb konnten sie nicht einfach die T- oder I-Formation, die der Standard der Zeit war, spielen. Dafür waren sie schlicht nicht gut genug. Aber er konnte sehr wohl kleinere Spieler finden, die zwar gute Qualitäten hatten, aber nicht groß genug für diese anderen Systeme waren. Und er konnte Quarterbacks finden, die den Ball werfen wollten. Also hat er einen Football-Stil entwickelt, der, wenn wir ehrlich sind, das Spiel revolutioniert hat.

SPOX: Wie auch beim Option-Football.

Reinebold: Eben, man suchte nach einem Weg, um ein Run Game aufzuziehen, wenn man eigentlich nicht gut genug war, um den Gegner aus dem Weg zu räumen. Eine Möglichkeit, um das auszugleichen: Man blockt einen der Defensive Linemen nicht, sondern man liest ihn. Dadurch kann man anderswo einen zusätzlichen Blocker hinschicken. Was man hier immer mehr sehen wird, und das hat schon begonnen: Defenses werden beginnen, den Quarterback zu attackieren. Auch hier werden Defenses noch mehr Wege finden.

NFL und College: Triple Option und die Quarterback-Frage

SPOX: Gewissermaßen die extremere Version des Zone Reads ist die Triple Option, aber wir sehen bereits einige Versionen davon in der NFL - die Panthers beispielsweise spielten sie in der vergangenen Saison. Sollten Teams die nicht auch noch häufiger nutzen?

Reinebold: Eine Sache, die NFL-Fans verstehen müssen, ist die: NFL-Coaches haben alle Zeit und alle Mittel, um das Spiel zu studieren. Sobald die Offseason beginnt, erhalten Coaches verschiedene Projekte. Beispielsweise, sich jedes Zone-Read-Play der vergangenen Saison anzuschauen. Es gibt heute so viele Informationen und Coaches studieren und sezieren so viele Dinge in der Offseason - das mag ein bestimmtes Play, ein bestimmtes Down, eine Formation, oder irgendetwas anderes sein. Deshalb entwickelt sich das Spiel permanent weiter.

SPOX: Sie haben ja beide Seiten des Balls schon trainiert: Spielen Sie lieber gegen einen mobilen Quarterback oder gegen einen besseren Pocket Passer? Welcher ist schwieriger zu verteidigen?

Reinebold: Natürlich bringt jeder ganz eigene Herausforderungen mit. Wenn ein Quarterback die Fähigkeiten hat, ein Play auszudehnen und als Runner für Gefahr sorgt, muss man ihn anders verteidigen - man kann nicht so riskant agieren und wenn er die Pocket verlässt, müssen deine Linebacker und Defensive Backs etwas machen, das wir "plastern" nennen; vereinfacht gesagt müssen sie an ihrem Mann dran bleiben. Russell Wilson ist ein gutes Beispiel dafür. Er ist extrem gut darin, außerhalb der Pocket selbst Dinge zu kreieren. Das setzt die Defense unter enormen Druck, jeder Verteidiger muss da extrem diszipliniert sein und darf nicht seine Coverage verlassen. Viel zu häufig beginnt die Defense den Quarterback ins Visier zu nehmen, wenn der scrambelt.

SPOX: Und die traditionelleren Pocket-Quarterbacks?

Reinebold: Ein großartiger Dropback-Quarterback sorgt für andere Probleme. Da sprechen wir von Spielertypen wie Tom Brady oder Peyton Manning, gegen die man extrem kreativ sein muss, was das Verbergen der eigenen Defense angeht. Man muss ihnen komplett verschiedene Looks präsentieren, um sie zu verwirren. Und man muss ihre Wide Receiver attackieren.

SPOX: Also mehr Press-Coverage spielen?

Reinebold: Unter anderem. Die Patriots schafften es, eine der dynamischsten Offenses aller Zeiten - die "Greatest Show on Turf" (Spitzname der Rams-Offense von 1999 bis 2001, d. Red.) - im Super Bowl zu schlagen. Wie? Sie haben ihre Wide Receiver im übertragenen Sinne verprügelt. Sie haben sie hart attackiert, sie rum geschubst - und letztlich hat die NFL in der Folge die Regeln angepasst. Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich das Spiel konstant weiterentwickelt. Das gilt auch für die Aufstellung: Heute ist der Slot-Corner einer der wichtigsten Spieler. Früher war er der fünfte Defensive Back, meist ein guter Special Teamer mit einigen Snaps in offensichtlichen Passing Downs. Heute spielt er mehr als einer der "Starting"-Linebacker.

SPOX: Ein kleiner Cut an dieser Stelle, aber ich wollte mit Ihnen auch noch über ein anderes Thema sprechen: College Football und Football generell auf Hawaii. Sie haben dort gelebt und gecoacht und wenn man in der Geschichte zurückblickt, sieht man Leute wie Paul Johnson, der dort seine Version der Triple Option entwickelt hat, man sieht seinen Quarterback Ken Niumatalolo, der seit vielen Jahren Navy trainiert, und man sieht etwa einen Timmy Chang, der unter June Jones diverse Passing-Rekorde gebrochen hat - zunächst einmal: wie wichtig ist Football generell auf Hawaii?

Reinebold: Ich will es mal so sagen: Ich habe in Louisiana gelebt, ich habe in Texas gelebt - ich habe generell an Orten gelebt, an denen Football wirklich, wirklich wichtig ist. Aber auf Hawaii und bei den Polynesiern generell ist Football genauso wichtig wie in Texas oder irgendwo sonst. Die High Schools spielen da eine große Rolle: wenn man sich mit den Leuten unterhält, lautet die erste Frage nicht, wo man aufs College, sondern wo man auf die High School gegangen ist. Die Gemeinden auf den Inseln sind sehr leidenschaftlich, wenn es um Football geht.

SPOX: Und das ja durchaus mit messbarem Erfolg, was NFL-Prospects angeht.

Reinebold: Kahuku ist da das wohl beste Beispiel. Das ist eine kleine Gemeinde, aber wenn die High School spielt, kommen manchmal mehr Fans als zu den Spielen der University of Hawaii. Wenn ein Junge auf den Inseln sieben oder acht Jahre alt ist und seine Football-Reise beginnt, ist sein erstes Ziel nicht, in die NFL zu kommen - sondern ein Kahuku Red Raider zu werden. Es ist unglaublich, wie viele NFL-Spieler aus dieser High School schon hervorgegangen sind! Und dann gibt es ja noch andere Kinder aus der Gemeinde wie etwa Manti Te'o, der zwar am Ende in eine private Schule in Downtown Honolulu gegangen ist; aber auch er war ein Kahuku-Kind. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie wichtig die Freitagabende, wenn die High-School-Spiele anstehen, auf den Inseln sind.

SPOX: Ist das auch kulturell zu erklären?

Reinebold: Man kann schon sagen, dass Polynesier in der Hinsicht wie gemacht für Football sind. Ihre Kultur baut auf Respekt und Gehorsam auf, zwei Eigenschaften, die man haben muss, um ein guter Football-Spieler zu werden. Man muss seinen Coaches und Mitspielern gegenüber Respekt zollen und man muss Aufgaben erfüllen, die einem gegeben werden. Ein anderer Aspekt sind die Musik und das Tanzen. Beides ist in dieser Kultur sehr wichtig und das beginnt im Prinzip, sobald man laufen kann. Polynesier bringen so oft die körperlichen Voraussetzungen mit, haben aber gleichzeitig schon früh gelernt, sich zu bewegen. In der Folge haben Offensive Linemen polynesischer Herkunft häufig unglaublich gute Fußarbeit.

College Football auf Hawaii: Mariota, Tua und Co.

SPOX: Dennoch gehört Hawaii auf dem College-Level nicht gerade zu den Top-Teams.

Reinebold: Als die Teams der University of Hawaii wirklich gut waren, lag eine Ursache dafür in der Tatsache, dass die Kids auf den Inseln geblieben sind. Tua Tagovailoa ist ein gutes Beispiel dafür, was jetzt passiert: Er hat gerade als Freshman-Quarterback das National Championship Game mit Alabama gewonnen - nachdem er auf den Inseln zur High School ging. Das ist früher so nicht passiert. Sein Bruder ist übrigens auch in Alabama. Wenn man sich die großen Conferences anschaut, dann sieht man, dass überall Hawaiianer und Jungs polynesischer Abstammung sind. Inzwischen kommen alle Scouts auf die Inseln, weil sie wissen, dass sie dort gute Spieler finden können.

SPOX: Wenn man den Spieß mal umdreht: Wie schwierig ist es, Spieler davon zu überzeugen, nach Hawaii zu kommen? Natürlich ist es wunderschön dort, allerdings ist man auch weit weg etwa von der eigenen Familie.

Reinebold: Meine persönliche Erfahrung war, dass es nicht schwierig ist, für Hawaii zu rekrutieren. Man muss eben die richtigen Kids finden. Ein zentraler Aspekt beim Recruiting ist es, zu verstehen, was für den Spieler wichtig ist und wie wichtig für ihn die Chance ist, Division I Football zu spielen. In unserem Sugar-Bowl-Team (Januar 2008 gegen Georgia, d. Red.) etwa waren viele Spieler, die eine zweite Chance gesucht oder anderswo Probleme hatten. Wir hatten ein gutes Recruiting, weil wir ein sehr genaues Profil hatten. Es gibt viele Gründe, für die University of Hawaii zu spielen, aber gleichzeitig ist es nicht jedermanns Sache. Die gleiche Aussage kann man aber über das Recruiting für Michigan, Notre Dame, Louisiana Tech oder irgendeine andere Schule tätigen. Wenn das, was dir wichtig ist, auch dem Spieler wichtig ist, dann kann es super passen. Ansonsten schaut man sich anderswo um.

SPOX: Sie haben Tua schon erwähnt, der Name Timmy Chang fiel bereits und natürlich gibt es noch Marcus Mariota oder McKenzie Milton (aktuell Quarterback bei UCF, d. Red.): haben Sie irgendeine Theorie, warum Hawaii in den vergangenen 20 Jahren so viele gute Quarterbacks hervorgebracht hat?

Reinebold: All das geht zurück auf zwei Jungs, die in meinen Augen nicht ansatzweise genug Lob für die Entwicklung des Spiels und der Quarterback-Position erhalten: Mouse Davis und June Jones. Marcus, Tua, all diese Jungs waren hier High-School-Spieler. Damals, als Bob Wagner noch bei Hawaii war (Head Coach von 1988 bis 1995, d. Red.), musste er sich Wege überlegen, wie er den Ball gegen individuell bessere Teams bewegen konnte. Dafür holte er Paul Johnson, und Paul begann damit, die Triple Option mit der Run and Shoot zu vermischen. Auf den Inseln war das anschließend konstant die dominierende Offense, weshalb Quarterbacks die Pass-Konzepte lernen mussten. Die meisten High-School-Teams auf Hawaii in den vergangenen 20 Jahren haben irgendeine Version der Run and Shoot umgesetzt, und während in Texas die Teams noch Power-Football gespielt haben, wurde auf den Inseln ein komplett offener, Pass-lastiger Run and Shoot Football gespielt.

College-Quarterbacks müssen sich in der NFL häufig erst einmal an ein ganz anderes Spiel gewöhnen.getty

Reinebold über die CFL - und Manziels Chancen in Kanada

SPOX: Zum Abschluss noch ein kurzer Abstecher nach Kanada: Sie selbst sind inzwischen wieder zurück in der CFL - Glückwunsch dazu - und Sie haben bereits angedeutet, dass der CFL-Football dem College-Spiel ähnlicher ist, als der Football in der NFL, korrekt?

Reinebold: Das würde ich so sagen, ja. Der Football hier ist etwas kreativer, man sieht mehr Motion, was natürlich durch die anderen Regeln - jeder Spieler außer den fünf Offensive Linemen kann vor dem Snap in Motion sein und darf sich auch auf die Line of Scrimmage zu bewegen - bedingt ist. Die Offensive Coordinators hier sind sehr kreativ wenn es darum geht, Motion zu nutzen und Matchup-Vorteile zu kreieren.

SPOX: Mit Johnny Manziel ist einer der polarisierendsten College-Quarterbacks der vergangenen zehn Jahre jetzt ebenfalls in der CFL - ihm sollte die Art der Offense in Kanada entgegenkommen, oder?

Reinebold: Ich denke, das wird interessant zu sehen sein. Es gibt da ein altes Sprichwort: Wer die Geschichte nicht studiert, der ist dazu verdammt, sie zu wiederholen und wenn man sich die Geschichte der Quarterbacks, die aus der NFL in die CFL gekommen sind, anschaut - die hatten Probleme, gerade zu Beginn. Dafür gibt es viele Beispiele, Jungs wie Doug Flutie oder Vince Ferragamo. Es ist einfach ein anderes Spiel. Johnny hat zwei große Vorteile auf seiner Seite: Er hat im College in einem System gespielt, das dem in Hamilton ähnlicher ist als das damals bei Flutie oder Ferragamo der Fall war. Und er hat June Jones als seinen Coach, der großartige Arbeit mit Quarterbacks leisten kann. Er wird eine unglaublich wertvolle Hilfe für Johnny sein - wenn Johnny bereit ist, zuzuhören.