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Die Green Bay Packers nach der Entlassung von Mike McCarthy
Für die größte Schlagzeile des Sonntags sorgten die Green Bay Packers, die sich nach der überraschenden Heimpleite gegen Arizona von Coach Mike McCarthy trennten.
Eine erste Einordnung der Geschehnisse, und einige Aspekte, auf die es für die Packers jetzt bei der Suche nach einem neuen Head Coach ankommt, gibt's hier ausführlicher dargestellt.
Die Defense der New England Patriots: eine Playoff-Defense
Man konnte diesen Trend bei den Patriots in den vergangenen Jahren mehrfach beobachten: das ganze Team fand im Laufe der Saison seinen Rhythmus und brauchte einige Wochen als Anlaufphase; und während sich das offensiv häufig an einzelnen Spielern festmachen ließ, brauchte die Defense als Gesamt-Unit diese Zeit, um sich zu finden und eine klare Identität zu entwickeln.
Seit einigen Wochen hatte ich schon geschrieben, dass man sich um dieses Patriots-Team keine Sorgen machen muss, und die Defense ist ein zentraler Grund dafür. Das war gegen die Vikings einmal mehr sichtbar, und New Englands Defense funktioniert anders, als die meisten starken Defenses in der NFL.
Ob Chicago, die Chargers, die Cowboys oder die Broncos: hohe individuelle Qualität im Pass-Rush und deshalb die Möglichkeit, aus dem 4-Men-Rush heraus Druck zu machen - das ist für viele die Basis. Auch Teams wie die Chiefs und die Rams, die in anderen Teilen ihrer Defense anfällig sind, haben ihre Stärken im Pass-Rush und sind deshalb gefährlich und in der Lage, Big Plays zu forcieren.
Das ist gewissermaßen auch das zentrale Thema, wenn man aktuell über Defenses spricht. Konstant dominante Defenses gibt es dieses Jahr nicht, es geht darum, Big Plays zu forcieren - wofür der Pass-Rush meist die beste Basis ist.
New England geht hier anders vor, und das Spiel gegen die Vikings war eine sehr gute Illustration, wie diese Defense funktioniert.
Patriots vs. Vikings: New Englands schwer lesbare Front
Der Sack zu Beginn des Schlussviertels zeigt einen Weg, wie New England eine Front und Pass-Protection vor Probleme stellen kann.
Die Patriots spielen hier Man Coverage und zeigen vor dem Snap sieben Spieler direkt an der Line of Scrimmage. Der Quarterback sieht also die Man Coverage und muss mit einem 6-Mann-Blitz (womöglich auch sieben Blitzer, falls der Running Back in Pass-Protection bleibt) rechnen.
Im Endeffekt kommen fünf Spieler, kombiniert mit einem Mittel, das die Patriots nur zu gerne nutzen: Stunts und alle Variationen davon; gemeint ist ein Verteidiger, der sich nach dem Snap zur Seite bewegt und eine andere Gap attackiert, als er vor dem Snap angedeutet hatte, und dabei um den "Penetrator", der seine Gap direkt vor ihm attackiert, herum navigiert.
Dieser "Looper", also der Spieler, der sich zunächst horizontal bewegt und dann attackiert, ist auch der Spieler, der Cousins letztlich erwischt.
So kam auch der erste Sack der Partie zustande, wenngleich abgesehen von dem nach innen "loopenden" Defensive Lineman ansonsten alles anders ist.
Die Patriots spielen eine Underneath-Zone-Coverage und bringen keinen Blitz, sondern vier Rusher. Doch die Pre-Snap-Aufstellung zeigt wieder sieben Mann in der Box, ohne klar ersichtliche Zuteilung vor dem Snap.
Die Vikings müssen ihr Blocking-Scheme dementsprechend nach dem Snap anpassen, und so bleibt im Endeffekt nicht nur ein Blocker beschäftigungslos, sondern durch den Post-Snap veränderten Rush kommt einer der beiden Defensive Tackle letztlich durch.
Ein ähnliches Ergebnis erreicht New England auch mit diesen Formationen, die man von den Vikings ebenfalls kennt: Das Andeuten von Pressure und einem Blitz über die Mitte, nur um dann einen oder auch mehrere der vermeintlichen Blitzer in Underneath-Zones zurückfallen zu lassen.
Diese Formationen und Variationen davon sieht man von den Patriots immer häufiger. Ob gegen die Packers oder auch gegen die Chiefs - mitunter kombiniert mit einem Quarterback-Spy -, New England ist hier sehr variantenreich.
Die 1-3-7-Defense der Patriots: Hommage an Dick LeBeau
Und die Patriots treiben das mitunter ins Extrem, wie gleich das erste Third Down der Vikings in dieser Partie offenbart und wie man im Laufe des Spiels mehrfach sehr gut beobachten konnte:
New England zeigt hier eine Front mit nur einem Down-Lineman, drei Linebackern und sieben (!) Defensive Backs. Die Patriots sind schon seit einigen Jahren ein Team, das mit die meisten 3-Safety-Pakete spielt und Wert auf mehr Flexibilität auch auf dem Second Level der Defense legt.
Vor allem zeigen die Pats hier der Offense komplettes Chaos. Abgesehen von den beiden Eins-gegen-Eins-Matchups jeweils außen kann die Offense kaum irgendwelche Schlüsse auf den möglichen Plan der Defense ziehen. Was dabei mitunter wie Chaos aussieht, weil die Patriots-Verteidiger in der Box scheinbar wild ihre Positionen vor dem Snap durchwechseln, gehört zum Play dazu und soll alle Pre-Snap-Reads zusätzlich erschweren.
Diese Art der Defense ist in ihren Grundzügen keineswegs neu, Dick LeBeau spielte seine Version der 1-5-5-Defense bereits vor über zehn Jahren in Pittsburgh; damals noch, wie der Name andeutet, mit fünf Linebackern und fünf Defensive Backs, allerdings auch nur einem Down-Lineman an der Line of Scrimmage.
Noch zwei Linebacker durch Defensive Backs zu ersetzen, wie bei den Patriots gegen Minnesota zu beobachten, entspricht dem Trend der (Pass-lastigen-)Zeit in der NFL. Der generelle Ansatz aber passt in das Gesamtbild, das New Englands Defense schon seit einiger Zeit andeutet: während zu viele Defenses noch viel zu statisch agieren und scheinbar keine Antworten auf die mobilen, flexiblen Offenses haben, bilden die Patriots immer deutlicher eine Ausnahme.
Das trifft auch auf den Rush- und Blitz-Ansatz zu. New England spielt viel Man Coverage und ist darauf aufbauend in der Front ohnehin flexibler, darüber hinaus experimentierten die Pats schon einige Male in dieser Saison mit Blitz-Paketen, die man im College mehrfach dieses Jahr bei einigen Teams beobachten konnte; Blitz-Pakete, die Antworten auf die Empty-Formations und Kurzpass-Offenses liefern können.
Dabei handelt es sich um einen theoretischen 6-Mann-Blitz, wobei im extremsten Fall nach dem Snap nur die Spieler auch wirklich rushen, die keinen Blocker direkt zugewiesen haben. Die anderen lassen sich in die Underneath-Coverage zurückfallen und stellen so die kurzen Passwege zu.
So verschwendet man in diesen Paketen weniger Spieler für einen Pass-Rush, der nicht durchkommen würde und ist stattdessen in der Lage, mehr Passwege zuzustellen und dabei dennoch im Pass-Rush effizient zu bleiben.
Das führt auch zu effektiven Pressure-Paketen ohne Blitzing. Cousins stand bei 13 Dropbacks unter Druck, brachte dabei nur acht Pässe für durchschnittlich 4,5 Yards pro Pass an - und konnte nur einen einzigen Pass werfen, der ein neues First Down einbrachte. Minnesota gelang keine Completion über 20 Yards oder mehr (0/6, 2 INT).
Die Patriots sind eine Blitzing-Defense, und das haben sie über die Saison intensiviert. New England steht in der Top-8 was Blitz-Percentage angeht, mit einer durchschnittlichen Blitz-Quote von rund 30 Prozent - nachdem die Patriots in drei ihrer ersten fünf Spiele hier nicht einmal die 19 Prozent knackten.
Lediglich gegen Jacksonville waren die Patriots in ihren ersten sechs Saisonspielen über dem heutigen Schnitt, Blake Bortles wurde in 45 Prozent seiner Snaps geblitzt. Seither fiel das deutlich aggressiver aus.
Blitz-Quote der New England Patriots 2018:
Patriots Blitz-Quote | ||||||||||||
Gegner | HOU | JAX | DET | MIA | IND | KC | CHI | BUF | GB | TEN | NYJ | MIN |
Blitz-Quote | 16% | 45% | 26% | 13% | 18% | 27% | 36% | 28% | 21% | 40% | 48% | 37% |
Zahlen gemäß Pro Football Focus.
Die größere Bereitschaft zum Blitzing hat New Englands Defense noch schwieriger ausrechenbar gemacht. Die Patriots deuten regelmäßig 6-, 7-Mann-Blitzes an und bringen dann nur drei Spieler, und umgekehrt - und wenn man sich die Tapes der Pats-Defense anschaut, dann ist es schwer, irgendwelche Tendenzen zu erkennen.
New England, das darf nicht unerwähnt bleiben, hat auch die Secondary, um so zu spielen. Bill Belichick investiert schon seit vielen Jahren defensiv Geld eher in Cornerbacks und Safetys als in Pass-Rusher. Die Front soll aus disziplinierten Gap-kontrollierenden Spielern bestehen, um den Run zu stoppen - und die Qualitäten gegen den Pass in der Front kommen eher via Design, als über individuelle Qualität.
Das macht New England aber mit Blick auf die Playoffs nicht weniger gefährlich, vielleicht sogar im Gegenteil. Wenn es gegen die starken Offenses der Chiefs, Steelers, Chargers oder Texans geht, lässt sich die Patriots-Pass-Defense nicht knacken, indem man einen oder zwei Pass-Rusher aus dem Spiel nimmt.
Außerdem, und das ist der übergeordnete Takeaway, wenn man sich New Englands Defense anschaut: mit disziplinierter Komplexität sowie Dynamik in Designs, Formationen und Pre-Snap-Verhalten aufzutreten und vor allem im Pass-Rush neue Wege zu finden ist der aktuell vielversprechendste Ansatz, damit Defensive Coordinator Offenses das Leben auch wieder etwas schwerer machen können. Eine Komponente, die dieses Jahr in der NFL viel zu kurz kommt.