Die AAF - so lief der erste Spieltag:
Orlando Apollos - Atlanta Legends 40:6
Der Start der neuen Liga fand am Samstagabend im Regen von Orlando vor immerhin 20.191 Zuschauern statt - und mit einem prominenten Coach an der Seitenlinie: Der langjährige Florida- und South-Carolina-Coach Steve Spurrier wusste auch zum AAF-Auftakt mit seiner Offense zu begeistern.
Das Endresultat spiegelte das wieder, auch wenn Spurrier betonte: "Die Zeit wird zeigen, ob wir tatsächlich gut sind. Es war nur ein Spiel." Und das zudem gegen ein Legends-Team, das knapp einen Monat vorher den Rückzug seines Coachs Brad Childress verkraften musste und wenige Tage vor dem Start Michael Vick doch vom Posten des Offensive Coordinators abgezogen hatte.
Spurrier ließ es sich dennoch nicht nehmen, eine offensive Show aufs Feld zu bringen - inklusive des berüchtigten "Phily Specials", welches Orlando kurz vor der Halbzeitpause zum Touchdown auspackte. Atlanta, unter anderem mit Aaron Murray und Denard Robinson im Team, hatte offensiv noch keinen klaren Plan.
Der Star des Spiels war dennoch ein Verteidiger: Apollos-Linebacker Terence Garvin, in der NFL für Pittsburgh, Washington, Seattle und die 49ers aktiv, verzeichnete zehn Tackles, darunter mehrere im Backfield, sowie zwei Interceptions, von denen er eine zum Touchdown zurück trug.
San Antonio Commanders - San Diego Fleet 15:6
Wo beim Auftakt Orlandos Offense dominierte, entwickelte sich das zweite AAF-Spiel zu einer Defensivschlacht. Beide Teams verzeichneten Interceptions in der Red Zone, Ryan Moeller schnappte sich einen Abpraller und fing den Ball ohne Handschuhe ab - ein ungewohntes Bild für Football im Jahr 2019.
Und auch der eindrucksvollste Hit des Abends kam in San Antonio: Linebacker Shaan Washington erwischte Fleet-Quarterback Mike Bercovici hart, schlug ihm den Ball aus der Hand und den Helm vom Kopf.
Bemerkenswert waren auch die Zuschauerzahlen des Auftakts: CBS verzeichnete im Schnitt fast 2,9 Millionen Zuschauer, was am Samstagabend sogar die parallel stattfindende NBA ausstach.
Birmingham Iron - Memphis Express 26:0
Für Spieler wie Christian Hackenberg soll die neue Liga eine Chance sein, sich für die NFL wieder zu empfehlen: Der 2016 hochkontrovers diskutierte Zweitrunden-Pick der Jets, der letztlich für New York nicht ein Regular-Season-Spiel bestritt, begann in die neue Liga als Starter der Memphis Express - und hätte kaum ein schlechteres Bild abgeben können.
Eine frühe Interception sowie ganze drei (!) Completions in der kompletten ersten Hälfte - es war ein Desaster. Hackenberg beendete das Spiel mit 10/23, 87 Yards und dem Pick. Auch Ex-NFL-Back Zac Stacy (12 ATT, 58 YDS) konnte den Shutout aus Express-Sicht nicht verhindern.
Auf der anderen Seite gab sich ebenfalls ehemalige NFL-Prominenz die Ehre. Trent Richardson (23 ATT, 58 YDS, 2 TD) war das Zugpferd im Backfield für Birmingham, dessen Quarterback Luis Perez eine besonders gute Connection zu Ex-49ers-Receiver Quinton Patton (4 REC, 107 YDS) an den Tag legte.
Arizona Hotshots - Salt Lake Stallions 38:22
Das Spiel wurde innerhalb einer Handvoll Plays entschieden. Im dritten Viertel gelangen Arizona zwei Touchdowns innerhalb weniger Plays, nachdem Stallions-Backup-Quarterback Matt Linehan - Starter Josh Woodrum musste zuvor verletzt raus - eine Interception geworfen hatte. Aus einem 19:16 wurde ein 35:16.
Im Endeffekt war es der Standesgemäße Sieg für Arizona, das vielleicht den stärksten Kader der acht neuen Franchises an die Startlinie bringt. 49 der 52 Hotshots-Spieler haben NFL-Erfahrung, insbesondere in der Defense dürften Namen wie Sterling Moore, Will Sutton oder Rahim Moore NFL-Fans noch ein Begriff sein.
Für Hotshots-Quarterback John Wolford, der im College zwischen 2014 und 2017 für Wake Forrest knapp 9.000 Passing-Yards und 59 Touchdowns aufgelegt hatte, war es ein überaus erfolgreicher Start in die neue Liga: Wolford brachte 18 von 29 Pässen für 275 Yards und vier Touchdowns an.
Regeländerungen: Welche Experimente schaffen es in die NFL?
Für NFL-Fans vielleicht vorerst fast spannender als die Spieler auf dem Feld sind die Rahmenbedingungen. Die AAF funkioniert grundsätzlich nach dem NFL-Regelwerk, testet allerdings einige Veränderungen - Veränderungen, die sofern sie erfolgreich verlaufen früher oder später auch ihren Weg in die NFL finden könnten.
- Eine spannende Regeländerung betrifft den Replay-Prozess, der bereits am ersten Spieltag der neuen Liga für großes Interesse auf Social Media sorgte: Der Schiedsrichter auf dem Feld geht nicht mehr an die Seitenlinie, um auf einem Tablet oder in der kleinen Kabine das Replay anzuschauen. Stattdessen hat er eine Funkverbindung mit dem Replay-Ref, mit dem er sich direkt austauschen kann. So soll das Spiel schneller laufen. Außerdem können Fans am Bildschirm die Kommunikation zwischen den beiden live mitverfolgen.
- Die auffälligste Regeländerung auf dem Feld: Es gibt keinen Kick-Off mehr. Die AAF will generell das Spiel schneller machen und langatmige sowie vergleichsweise uninteressante Aspekte eliminieren. Der Kick-Off fiel bei den Gründern in diese Kategorie, stattdessen startet jedes Team nachdem gepunktet wurde an der eigenen 25-Yard-Linie.
- Das erstreckt sich auch auf den auf dem NFL-Level inzwischen nahezu irrelevant gewordenen Onside Kick. Wenn ein Team mindestens 17 Punkte zurückliegt oder nicht mehr als fünf Minuten noch zu spielen sind, kann stattdessen eine "Onside Conversion" versucht werden. Dann bekommt das Team den Ball an der eigenen 28-Yard-Linie und muss ein 4th&12 schaffen. Gelingt das, geht der Drive weiter, andernfalls gibt es ganz regulär den Turnover on Downs.
- Dazu passt auch, dass die Play Clock zwischen den Downs verkürzt wurde. Teams haben hier in der AAF nur 30 Sekunden, statt wie 40 Sekunden in der NFL. Auch soll es keine TV-Timeouts geben, so dass das Spiel in der Summe konstant rund eine Stunde kürzer sein soll als in der NFL.
- Ein weiterer eintöniger Part des Spiels, der eliminiert wurde, ist der Extra-Punkt nach dem Touchdown. Stattdessen müssen Teams nach jedem Touchdown eine 2-Point-Conversion ausspielen.
- Auch die viel diskutierte Overtime-Regel wird angepasst: In der AAF erhält jedes Team ein Mal den Ball an der 10-Yard-Line mit First-and-Goal. Field Goals sind verboten und gelingt der Touchdown in vier Versuchen, muss eine 2-Point-Conversion ausgespielt werden. Das soll die Overtime kürzer und ausgeglichener machen, könnte allerdings auch in mehr Unentschieden resultieren. Erzielen beide Teams mit ihrem Versuch das gleiche Ergebnis (kein Touchdown, Touchdown, Touchdown mit 2-Point-Conversion), endet das Spiel Remis.
- Aufgrund der kurzen Trainingszeit für die Offensive Lines wurden auch die Blitz-Pakete (vorerst) eingeschränkt. Der Pass-Rush kann nur mit maximal fünf Spielern erfolgen und Secondary-Blitzer sind verboten. Nur wer sich an der Line of Scrimmage aufstellt, darf auch Richtung Quarterback gehen.