NFL Die neuen Head Coaches Part 3: Die Browns als eine neue Macht?

Von Adrian Franke
15. Februar 201909:13
SPOX blickt auf die neuen Head Coaches in der NFL.getty
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Acht Teams - oder auch ein Viertel der NFL - begaben sich zum Saisonende auf die Suche nach einem neuen Head Coach, inzwischen haben alle acht Teams ihren neuen Hoffnungsträger vorgestellt. SPOX führt durch die Liste und stellt die neuen Coaches, ihre größten Aufgaben und ihren Trainerstab vor.

SPOX stellt die neuen Head Coaches, den jeweiligen Offensive und Defensive Coordinator und die größten Aufgaben, die vor dem neuen Coaching Staff stehen, in drei Teilen vor. Teil 1 mit den Cardinals, Buccaneers und Jets gab es am Mittwoch, Teil 2 mit den Packers, Dolphins und Broncos gab es am Donnerstag.

Cleveland Browns

Neuer Head Coach: Freddie Kitchens

Bisherige Coach-Erfahrungen: RB- und TE-Coach Glenville State (1999/College), Assistent LSU (2000/College), TE-Coach Mississippi State (2004/College), RB-Coach Mississippi State (2005/College), TE-Coach Cowboys (2006), TE-Coach Cardinals (2007-12), QB-Coach Cardinals (2013-16), RB-Coach Cardinals (2017), RB-Coach und Offensive Coordinator Browns (2018).

Was bringt Kitchens mit? Jahrelange Offense- und Quarterback-Arbeit, den Nachweis, die Browns-Offense nach den Entlassungen von Hue Jackson und Todd Haley auf beeindruckende Art und Weise während der Saison umgebaut und um ein Vielfaches effizienter sowie für Mayfield passender gemacht zu haben - und die fraglos vorhandene Verbindung auch auf zwischenmenschlicher Ebene zu Quarterback Baker Mayfield.

"Es erfordert Mut, diese Entscheidung zu treffen", hatte Kitchens bei seiner Vorstellung als neuer Head Coach über seine Beförderung zum neuen Boss in Cleveland selbst gesagt; insbesondere der raketenhafte Aufstieg innerhalb der Browns-Organisation - vom Positions-Coach zum Interims-OC zum Head Coach - ist alles andere als gewöhnlich.

Doch die von Kitchens selbst angeregte umfassende Head-Coach-Suche, die in Kooperation mit einem Such-Komitee insgesamt sieben Interviews hervorbrachte, sorgte für die einstimmige Entscheidung: Kitchens, der als umgänglicher und dabei direkter Typ gilt, von den Spielern geschätzt und gemocht wird und in seiner Art teilweise an Bruce Arians erinnert, unter dem er jahrelang in Arizona gearbeitet hat, war der beste Kandidat.

Kritiker zweifeln daran, dass Kitchens für einen solchen Sprung bereit ist. Die jahrelange NFL-Erfahrung, der Draht zu Mayfield und seine offensiven Scheme-Fähigkeiten sprechen für ihn, auch wenn er selbst auf die konkrete Nachfrage auf seine Art antwortete: "Ob ich bereit bin? Ich weiß es nicht. Waren Sie bereit, ein Kind zu bekommen?"

Wichtigste Baustelle: Baker Mayfields Entwicklung. Nach sechs NFL-Spielen hatte Mayfield acht Touchdowns und sechs Interceptions auf dem Konto, die Browns hatten nach dem Comeback-Sieg über die Jets vier von fünf Spielen verloren. Dann übernahm Kitchens, die Offense wurde schematisch teilweise um 180 Grad gedreht und Mayfield gelangen unter Kitchens 19 Touchdowns bei acht Picks. Cleveland gewann fünf der ausstehenden acht Spiele.

Für Clevelands Erfolg - ob kurz- oder langfristig - wird es jetzt entscheidend sein, diesen Trend fortzusetzen. Können Kitchens und Mayfield gemeinsam eine Ära in Cleveland prägen? Oder war die zweite Saisonhälfte nichts weiter als ein Strohfeuer? Die Voraussetzungen in Cleveland was den Quarterback, den Trainerstab und den offensiven Stil angeht waren schon seit sehr langer Zeit nicht mehr so gut wie 2019.

Personelles Fragezeichen: Antonio Callaway und das Receiver-Corps. Wenn die Browns offensiv den nächsten Schritt machen wollen, werden sie bessere Leistungen ihrer Outside-Receiver brauchen. Mit Njoku und Duke Johnson haben sie zwei Matchup-Waffen, Jarvis Landry erwies sich im Vorjahr als sehr gute Verpflichtung. Doch als Outside-X-Receiver konnte sich bislang keiner etablieren.

Antonio Callaway hat die Geschwindigkeit und Explosivität, um hier eine Waffe zu werden, in der vergangenen Saison fiel er aber auch immer wieder mit Unkonzentriertheiten und Drops (fünf insgesamt) auf. Ist Rashard Higgins eine Antwort? Oder vielleicht sogar Breshad Perriman, sollte der gehalten werden?

Die Coordinators: Todd Monken (Offensive Coordinator), Steve Wilks (Defensive Coordinator). Von allen acht neuen Head Coaches hat Kitchens den wohl eindrucksvollsten Trainerstab zusammengestellt. Steve Wilks mag in Arizona als Head Coach krachend gescheitert sein, als Lehrer und Defensive Coordinator genießt er noch immer einen sehr guten Ruf.

Sein 4-3-Base-Scheme wird nach Cleveland deutlich besser passen, sein Blitz-lastiger Ansatz ist der Browns-Defense von Gregg Williams bestens bekannt. Ebenfalls erwähnenswert ist D-Line-Coach Tosh Lupoi, der zuletzt Nick Sabans Defensive Coordinator in Alabama war und als eindrucksvoller Lehrer im Umgang mit den Spielern gilt. Mit Garrett, Ogunjobi, Coley und Ogbah hat Cleveland in der Defensive Line mehr junges Talent als in irgendeiner anderen Positionsgruppe.

Und die Offense? Die Browns werden die Terminologie und das generelle System aus der Vorsaison beibehalten, Kitchens bleibt der Play-Caller. Hier ist nach absurden acht Coordinators oder Play-Callern in den letzten neun Spielzeiten in jedem Fall für Kontinuität gesorgt. Der Einfluss von Todd Monken, der anderswo auch als Head-Coach-Kandidat gehandelt wurde und Coordinator-Interviews bei anderen Teams hatte, könnte sich also vor allem auf einzelne Konzepte beziehen - ganz konkret Konzepte der Air Raid Offense.

Die ist Monkens Basis, denn Monken hat die Air Raid Offense bereits bei verschiedenen Stationen im College trainiert und Konzepte daraus auch zuletzt zu den Buccaneers mitgebracht. Auch Kitchens nutzte grundlegende Konzepte daraus - was generelle Formationen und Route-Kombinationen angeht - bereits in der vergangenen Saison, und Baker Mayfield hat im College Lincoln Rileys Version der Air Raid Offense gespielt. Hier könnte eine Mischung entstehen, die für eine hochexplosive Offense sorgt.

Dafür spricht auch der weitere offensive Trainerstab. Adam Henry bleibt als Receiver-Coach, James Campen hat seit 2007 die Packers-Offensive-Line trainiert und übernimmt den Posten jetzt in Cleveland. Running-Backs-Coach Stump Mitchell hat mit Kitchens bei den Cardinals gearbeitet und Quarterbacks-Coach Ryan Lindley soll dabei helfen, weitere College-Konzepte zu adaptieren.

Cincinnati Bengals

Neuer Head Coach: Zac Taylor

Bisherige Coach-Erfahrung: Assistent Texas A&M (2008-11/College), Assistent-QB-Coach Dolphins (2012), QB-Coach Dolphins (2013-15), Offensive Coordinator und QB-Coach Dolphins (2015), Offensive Coordinator und QB-Coach University of Cincinnati (2016/College), Assistent-WR-Coach Rams (2017), QB-Coach Rams (2018).

Was bringt Taylor mit? Es ist das Thema der diesjährigen Head-Coach-Suche: Wie Kitchens in Cleveland, Arians in Tampa Bay, Kingsbury in Arizona, Gase bei den Jets und LaFleur bei den Packers ist auch Taylor auf der offensiven Seite des Balls und insbesondere in der Arbeit mit Quarterbacks zuhause.

Taylor, der selbst im College und kurzzeitig in der CFL Quarterback gespielt hat, hatte seinen ersten großen Posten auf NFL-Level für die Dolphins, wo er die Quarterbacks trainierte und kurzzeitig als Offensive Coordinator einsprang. In puncto Scheme-Prägung ist er somit noch weitestgehend ein unbeschriebenes Blatt, der stärkste Einfluss kommt wohl aus der West Coast Offense, in der er unter seinem Schwiegervater Mike Sherman bei Texas A&M und teilweise auch bei den Dolphins gearbeitet hat.

In dieses Scheme fällt auch die Offense von Sean McVay, der Taylor 2017 nach L.A. lockte - insbesondere mit der Chance, schnell intern aufzusteigen.

McVay war angetan von Taylors Art, mit Spielern und mit anderen Coaches zu kommunizieren. Taylor gilt als ein sehr intelligenter, offener Coach mit guten Kommunikationsfähigkeiten, der McVays Ideen gleichzeitig bei internen Gesprächen auch immer wieder auf konstruktive Art und Weise herausforderte. Außerdem war er bei den Rams neben seiner Arbeit als Position-Coach auch für Play-Designs bei Third Down zuständig.

Seit Jahren wurde von den Bengals gefordert, sich für einen Neustart zu öffnen und nach all den Jahren unter Marvin Lewis frischen Wind einkehren zu lassen. Taylor markiert genau das, und dass eine solche Verpflichtung mit einem gewissen Risiko einhergeht, liegt in der Natur der Sache.

Wichtigste Baustelle: Die Offensive Line. Die Bengals haben in der jüngeren Vergangenheit einige Ressourcen in die Offensive Line gesteckt, dennoch war die Line in der vergangenen Saison wieder zu anfällig und eher im unteren Drittel der Liga einzuordnen.

Verletzungen insbesondere von Dalton, Green und Eifert machen eine Bewertung der Bengals-Offense in der vergangenen Saison schwierig, unabhängig davon ist aber klar: Dalton braucht dringend eine saubere Pocket, um gute Resultate abliefern zu können.

Personelles Fragezeichen: Andy Dalton. In den vergangenen Jahren stand Marvin Lewis sehr konstant in der Kritik. Doch bei allen berechtigten Vorwürfen gegen den langjährigen Bengals-Coach, insbesondere was mangelnde Flexibilität und mangelnden Fortschritt angeht, bleibt auch festzuhalten, dass sein Quarterback jahrelang als mediale "Trenn-Linie" für die Bewertung von Quarterbacks eingestuft wurde.

Will heißen: Mit Andy Dalton als Quarterback ist man zu gut besetzt, als dass man jedes Jahr aktiv nach einer Alternative Ausschau halten würde - aber nicht gut genug, dass der Quarterback einem selbst regelmäßig Spiele gewinnen kann. Oder anders formuliert: Mit Andy Dalton ganz hohe Ziele zu erreichen ist möglich, allerdings nur, wenn die Umstände - Offensive Line, Waffen, Play-Calling - perfekt passen. So wie es in Cincinnati zuletzt 2015 der Fall war.

Somit lautet die spannende Frage: Wie bewertet Taylor Dalton? Der Trainerstab, dazu gleich mehr, ist zweifellos mit einem Blick auf die Quarterback-Entwicklung zusammengestellt; sieht Taylor in Dalton noch Potential für eine Weiterentwicklung, insbesondere in seinem Quarterback-freundlichen Scheme?

Und die andere Seite des Szenarios: Sollte Taylor in seiner Evaluierung zu dem Schluss kommen, dass Dalton nur noch eine Übergangslösung ist - wie adressieren die Bengals die wichtigste Position dann?

Die Coordinators: Brian Callahan (Offensive Coordinator). Der offensive Trainerstab war in weiten Teilen schnell beisammen. "Er und sein Bruder (Press Taylor, Eagles-QB-Coach, Anm. d. Red.) haben ein Buch zusammengestellt und aktualisiert mit Kandidaten, die sie verpflichten würde. Sie hatten diese Liste und ihre grundlegende Philosophie immer bereit, das hat er nicht über die letzten Monate aufgestellt. Er war bereit", verriet Taylors Vater Sherwood der USA Today.

Dieser Stab beinhaltet verschiedene Einflüsse. Receiver-Coach Bob Bicknell hat in Philadelphia und San Francisco unter Chip Kelly gearbeitet, Offensive Coordinator Brian Callahan unter Adam Gase in Denver sowie zuletzt als Quarterbacks-Coach unter Jon Gruden bei den Raiders. Generell liegt Callahans Fokus seit Jahren auf der Arbeit mit Quarterbacks, genau wie der von Taylor selbst und auch Quarterbacks-Coach Alex Van Pelt soll bleiben.

Hier lassen sich einige Parallelitäten zu Doug Pedersons Start in Philadelphia ziehen. Ähnlich wie auch Pederson mit Frank Reich und John DeFilippo hat auch Taylor, der das Play-Calling selbst übernehmen wird, einen offensiven Stab zusammengestellt, der einen Fokus auf Coaches mit Erfahrung im Umgang mit dem Quarterback legt.

Und Taylor hat auch seinen Wunsch-Coach für die Offensive Line bekommen, der allerdings eine gehörige Kontroverse mitbringt: Jim Turner soll eine gewichtige Rolle im Mobbing-Skandal rund um die Miami Dolphins 2012 und 2013 gespielt haben, indem er vom stattfindenden Mobbing wusste, es aber durchgehen ließ und teilweise selbst sogar mit einstieg. Die Dolphins entließen Turner daraufhin, und 2016 wurde er aufgrund einer Präsentation, die als frauenfeindlich eingestuft wurde, auch im College bei Texas A&M suspendiert.

"Ich kenne ihn sehr gut und weiß, dass er ein großartiger Mensch ist", verteidigte Taylor seine Entscheidung; er "vertraue" Turner. Diese Entscheidung Taylors wird noch kritisch unter der Lupe bleiben - akuter ist allerdings das Problem auf der anderen Seite des Balls: Die Bengals haben noch immer keinen Defensive Coordinator gefunden.

Die Idee, ähnlich wie McVay einst bei den Rams oder dieses Jahr LaFleur bei den Packers und Kingsbury in Arizona, als junger Offense-Coach einen erfahrenen Defensive Coordinator zu verpflichten, scheint auf Eis gelegt; die einst gehandelten Jack Del Rio, Dom Capers und Dennis Allen sind wohl nicht mehr im Gespräch, Florida-DC Todd Grantham galt zuletzt als der Favorit und hätte dieses Profil ebenfalls erfüllt. Doch laut dem Enquirer bleibt Grantham wohl doch im College bei den Gators.

Die Suche auf dieser Seite des Balls dauert nun schon deutlich länger als geplant, was bei den Bengals Berichten zufolge für eine leicht angespannte Atmosphäre sorgt und Taylor nicht gerade einen idealen Start beschert. Einige weitere Kandidaten: Ex-Falcons-DC Marquand Manuel sowie Rams-CB-Coach Aubrey Pleasant.