NFL

Super-Bowl-Verlierer Los Angeles Rams: Irgendwann sterben wir alle

Von Jan Dafeld
Jared Goff suchte die Schuld nach der Niederlage gegen die Patriots vor allem bei sich selbst.
© getty

Ausgerechnet im größten Spiel seiner Karriere versagte die Offense von Rams-Coach Sean McVay auf ganzer Linie. Es ist ein herber Rückschlag für eine Franchise im Aufwind. Aus der Bahn werfen muss das die Rams nicht, doch auf das Team warten zahlreiche Herausforderungen.

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"Ich habe es einfach nie geschafft, uns offensiv in einen Rhythmus zu bekommen. Sie haben einen tollen Job gemacht, es war ein toller Game Plan." Nur wenige Stunden nach der bittersten Niederlage seiner Karriere zeigte sich Sean McVay auf der Pressekonferenz nach dem Super Bowl ausgesprochen gefasst.

Der 33-Jährige verschwendete keine Zeit mit Plattitüden, Gefühle spielten in diesem Moment keine große Rolle. Stattdessen sprach er von Stunts und Quarters Coverages. McVay präsentierte einmal mehr die Nüchternheit und analytischen Fähigkeiten, die zu den Gründen dafür zählen, dass kaum ein Coach in der NFL aktuell mehr respektiert wird als McVay. "Man kann es nicht anders sagen, ich bin heute ausgecoacht worden", gab der Geschlagene ohne Umschweife zu.

Die Art und Weise, wie der jüngste Head Coach in der Geschichte der NFL mit dieser ohne jeden Zweifel brutalen Enttäuschung umgeht, ehrt McVay. Er suchte nicht nach Ausreden, er übernahm die volle Verantwortung für die Niederlage seines Teams. Er hätte in diesem Moment kaum mehr Klasse zeigen können. Allerdings: Etwas anderes blieb McVay auch kaum übrig

Los Angeles Rams: Offense bricht zusammen

Zu offensichtlich waren die Defizite in seiner taktischen Ausrichtung gewesen, zu schwach die Leistung seiner Offense.

Fast das gesamte Jahr über war McVay das Superhirn hinter der vielleicht besten Offense der NFL gewesen. Kein Team war so schwer vom Feld zu bekommen wie die Rams. Nur ein Team hatte mehr Punkte pro Spiel erzielen können. Die Medien feierten den amtierenden Coach des Jahres mit Lobeshymnen, die Konkurrenz versuchte sich so viel wie möglich von ihm und seinen Taktiken abzuschauen.

Doch ausgerechnet im größten Spiel des Jahres brach seine so gut geölte Maschine in sich zusammen. Und das auf geradezu spektakuläre Art und Weise.

Gegen ein Team, das vor gerade einmal zwei Wochen 31 Punkte in nur einer Halbzeit zugelassen hatte, erzielten die Rams in 60 Minuten mickrige drei Punkte. Die ersten acht (!) Drives endeten allesamt in Punts. Los Angeles blieb nicht nur hinter den hohen Erwartungen an das Team zurück, es zeigte eine der schwächten Offensiv-Leistungen des gesamten Jahres.

Jared Goff kritisiert sich selbst

"Es war kein Spiel, in dem wir 30 Punkte zum Sieg gebraucht hätten", zeigte sich Quarterback Jared Goff nach dem Spiel schwer enttäuscht. "Wir brauchten nur zwei Touchdowns. Ich habe es nicht geschafft. Es ist meine Schuld. Ich bin derjenige, der diese Offense antreiben muss."

Was ihn wirklich schmerze, "ist, dass unsere Defense so gut gespielt hat und ich meine Leistung nicht bringen konnte", so Goff, der sich selbst in das Zentrum seiner Kritik stellte. "Ich war es. Unsere Offense war es. Und wir, naja, ich, konnte meinen Teil nicht dazu beitragen."

Goffs Selbstkritik ist keineswegs unberechtigt. Der 24-Jährige zeigte sich bei seinen Pässen sich mehrfach ungenau und erschwerte seinen Mitspielern die Arbeit so unnötig. Wie unwohl sich Goff gegen die exotischen Rushes der Patriots fühlte, konnte jeder aufmerksame Zuschauer beobachten. Seine überhastete Interception in die Arme von Stephon Gilmore vier Minuten vor dem Ende machte jegliche Comeback-Hoffnungen der Rams zudem praktisch zunichte.

Haben die Patriots McVay entzaubert?

Und doch lenkt die Kritik teils zu stark von den klaren Defiziten der Rams-Offense über das gesamte Spiel ab.

Bill Belichick und Brian Flores wurden und werden für ihren defensiven Gameplan mit Lob überhäuft, und das völlig zurecht; doch die Herausforderungen, mit denen sie McVay und die Rams konfrontierten, waren keineswegs brandneu.

New England setzte auf eine relativ klassische, zonenbasiert spielende 4-3-Defense. Das ist nicht New Englands Standard-Defense, doch bereits die Bears, die Eagles und die Lions hatten Los Angeles in den letzten Monaten so vor große Probleme stellen können. Das auf tiefe Crosser über Play Action ausgelegte System der Rams fand auf diese Mittel einmal mehr keine Antwort.

Diese Entwicklung lässt McVay in keinem guten Licht da stehen und wirft daher zwangsläufig auch die Frage auf: Ist der junge Coach womöglich doch nicht die große Antwort auf so viele Fragen, die die Zukunft in der NFL bereit hält? War der Hype um ihn und seine Assistenten und Begleiter verfrüht und übertrieben?

Die Antwort darauf dürfte irgendwo in der Mitte liegen. McVay ist und bleibt einer der kreativsten und genialsten offensiven Köpfe der NFL, daran ändert auch diese eine Niederlage, so hart sie auch ausgefallen sein mag, vorerst nicht viel. Und doch wird auch er sich weiterentwickeln und sein offensives System erweitern müssen. Eine Taktik, auf die es keine Antwort gibt, existiert in der NFL schlicht nicht.

Los Angeles Rams: Leistungsträger vor Abgang

Los Angeles steht somit vor einem herausfordernden Sommer. Strukturell, taktisch - allerdings auch personell.

General Manager Les Snead hat über die vergangenen zwei Jahre viele richtige Entscheidungen getroffen, er ging viele Risiken ein und hat dabei oft gewonnen. Die größten Herausforderungen stehen L.A. allerdings erst noch bevor.

Wichtige Spieler wie Ndamukong Suh, Rodger Saffold, Lamarcus Joyner oder Dante Fowler Jr. werden Free Agents, andere wie Andrew Whitworth könnten ihre Karriere beenden. Alle von ihren Leistungsträgern werden die Rams nicht halten können.

Die Vertragsverlängerungen mit Spielern wie Aaron Donald, Brandin Cooks oder Todd Gurley lassen dem Team nur wenig finanziellen Spielraum, angesichts der Entwicklungen über die letzten Saisonspiele - und ganz besonders in den Playoffs - wirkt vor allem Gurleys Deal wie eine Entscheidung, welche die Rams langfristig noch teuer zu stehen kommen könnte.

Zukunft von Jared Goff noch ungewiss?

Darüber hinaus rückt auch die Entscheidung rund um die Zukunft von Jared Goff näher und näher. Der Rookie-Vertrag ihres Quarterbacks ermöglichte einige der großen Deals der Rams erst, 2019 wird allerdings das letzte Jahr sein, in dem Goff noch deutlich unter seinem Marktwert spielt. Und dann wird sich zwangsläufig auch die große Frage stellen: Ist der ehemalige Nummer-Eins-Pick tatsächlich der Spieler, der die Zukunft der Franchise über Jahre hinweg bestimmten soll?

Über die ersten Monate der Saison schien die Antwort auf diese Frage noch geradezu in Stein gemeißelt. Goff war zentraler Bestandteil der konstantesten Offense der NFL, für einige war er ein legitimer MVP-Kandidat. Seit Dezember gab er allerdings ein anderes Bild ab, das durchaus Zweifel zulässt, ob er ein so großes Investment tatsächlich wert ist. Derek Carr, Matthew Stafford und Kirk Cousins lassen grüßen.

Schon jetzt spielt L.A. mit dem Feuer - und das auf Kosten seiner Zukunft. Im vergangenen Jahr hatten die Rams in den ersten drei Draft-Runden gerade mal einen Pick in Runde drei (#89), dieses Jahr halten sie an den ersten zwei Draft-Tagen nur einen Pick in Runde eins (#31). Inwieweit in den nächsten Jahren unter diesen Umständen genug Talent nachrücken kann, um die Abgänge von Spielern wie Suh, Talib, Whitworth und Co. kompensieren zu können, darf durchaus kritisch betrachtet werden.

"Irgendwann sterben wir alle", zeigte sich Whitworth im Anschluss an die Super-Bowl-Niederlage gleichermaßen enttäuscht wie pragmatisch. Es ist ein Satz, der zumindest heute auch für die Titelhoffnungen der Rams gilt. Womöglich aber auch darüber hinaus.

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