Die New York Jets gingen mit sehr viel Cap Space in die Free Agency und zeigten sich mit zahlreichen teuren Deals hoch aggressiv. Können die Verpflichtungen von CJ Mosley, Le'Veon Bell und Co. Gang Green endlich wieder auf ein neues Level heben? Oder werden die teuren Investitionen einmal mehr enttäuschen?
New York Jets nach der Free Agency: Was ist neu?
CJ Mosley (5 Jahre, 85 Millionen, 51 Millionen garantiert):
Die höchsten Garantien aller Free Agents 2019 erhielt - wenig überraschend - ein Quarterback. Die zweithöchsten Garantien erhielt - ebenso wenig überraschend - ein Edge-Rusher. Die Bronzemedaille in garantiertem Gehalt ging allerdings an einen Off-Ball-Linebacker - etwas das vor einer Woche wohl noch kaum jemand kommen gesehen hatte.
Mosley erhielt nicht nur das höchste Gehalt (rund 17 Millionen pro Jahr) für einen Inside Linebacker aller Zeiten, er erhöhte die bestehende Bestmarke von Luke Kuechly aus dem Jahr 2015 gleich um mehr als vier Millionen Dollar jährlich! Angesichts dieser Summen verwunderte die Entscheidung der Ravens, den designierten Nachfolger von Ray Lewis ziehen zu lassen, dann kaum noch, obwohl die meisten Beobachter zuvor noch davon ausgegangen waren, dass der beste Tackler einer der beiden besten Defenses des Vorjahres erhalten bleiben würde.
Klar ist also: Die Jets mussten Mosley überbezahlen, um ihn bekommen zu können. Doch war es das wert? Seine Qualitäten als Leader und Run-Defender sind unbestritten, zudem ist der 26-Jährige ein fähiger Blitzer. In Coverage zeigt sich Mosley allerdings durchaus anfällig, Tight Ends und Running Backs in Man Coverage zu verteidigen gehört kaum zu seinen Stärken.
In einer Passing League, die die NFL im Jahr 2019 unbestritten ist, ist das durchaus ein größeres Manko. Darüber hinaus verfügen die Jets mit Avery Williamson und Darron Lee bereits über ein zumindest solides Inside-Linebacker-Duo und hatten somit deutlich größere Baustellen in dieser Off-Season (Edge-Rush, Offensive Line, Receiving Corps) anzugehen.
Wird Mosley für die Jets-Defense also ein Upgrade darstellen können? Höchstwahrscheinlich. Wird dieses auch 17 Millionen Dollar pro Jahr rechtfertigen? Das muss zum aktuellen Zeitpunkt noch bezweifelt werden.
Le'Veon Bell (4 Jahre, 52,5 Millionen, 35 Millionen garantiert):
Mittlerweile scheint relativ klar zu sein: Die Jets und GM Mike Maccagnan waren das einzige Team, das in die Nähe der von Bell geforderten - oder besser: gewünschten - Summen vorstieß und den 27-Jährigen zu einem der bestbezahlten Running Backs der NFL machte, wenn auch nicht dem bestbezahlten.
Ob Bell diese Summen tatsächlich rechtfertigen können wird, bleibt abzuwarten. In Pittsburgh legte er über Jahre hinweg Spitzenzahlen auf, lief dabei allerdings auch hinter der vielleicht besten Offensive Line der Liga. Dass Bell nicht der einzige Back ist, der in diesem System glänzen kann, bewies James Conner gerade erst in der vergangenen Saison.
In New York wird Bell nun hinter einer deutlich weniger talentierten Line in einer Offense mit einem (noch?) deutlich weniger gefährlichen Passing Game laufen und nun unter Beweis stellen müssen, dass sein überlegter und abwartender Laufstil auch unter diesem Umständen funktionieren kann.
Dass die Jets in Bell einen der besten Receiving Backs, der auch als Receiver aufgestellt werden und einen großen Route Tree laufen kann, bekommen, ist unstrittig. Diese Rolle allein ist allerdings noch längst keine 13 Millionen pro Jahr wert. Dass Bell auch am Boden dominant sein kann, wird er in New York daher erneut demonstrieren müssen.
Jamison Crowder (3 Jahre, 28,5 Millionen, 17 Millionen garantiert):
Crowder ist ein Geschenk an Quarterback Sam Darnold. Der 25-Jährige zählte zur Riege der talentierten Slot-Receiver der diesjährigen Free-Agency und ersetzt in New York den aktuell vertragslosen Jermaine Kearse. Generell zählen Slot-Receiver auf dem Feld zu den besten Freunden des Quarterbacks - und Crowder ist ligaweit einer der besseren Spieler in dieser Rolle.
Der ehemalige Redskin ist ein flinker und beweglicher Route Runner, der Darnold so offene und einfache Würfe über die Mitte des Feldes ermöglichen kann, zum Beispiel über Drag- oder Slant-Routes. Von 2015 bis 2017 wiesen nur fünf Receiver ligaweit mehr Slot Receptions oder Slot Yards auf als Crowder, und das obwohl ihm in der Offense rund um Quarterback Kirk Cousins nicht selten nur eine untergeordnete Rolle zukam.
Dass Head Coach Adam Gase in der Lage ist, Spieler der Marke Crowder effizient einzusetzen, bewies er gerade erst in der Vorsaison, als Albert Wilson die Dolphins in Receiving Yards anführte und auf dem Weg zur besten Saison seiner Karriere war, bevor eine Hüftverletzung sein Jahr nach nur sieben Spielen vorzeitig beendete.
Grund zur Sorge dürften allerdings zwei andere Punkte bereiten: Verletzungen und Turnover. In der vergangenen Saison verpasste Crowder 7 von 16 Spielen verletzungsbedingt, bereits zuvor hatte er immer wieder mit Oberschenkelproblemen zu kämpfen. Darüber hinaus kommt er in seiner Karriere auf 12 Fumbles bei nur 323 Touches - kein Spieler fumbelte über die letzten vier Jahre prozentual häufiger. 2018 stellte Crowders erstes Jahr ohne Turnover dar. Sofern er diesen Trend fortsetzen kann, dürfte er ein wertvoller Bestandteil der Jets-Offense werden. Andernfalls könnte sein Preisschild auf lange Sicht allerdings ein wenig zu groß für ihn sein.
Kelechi Osemele (Trade für einen 2019 Sechstrunden-Pick):
Noch vor Beginn der Free Agency gelang New York ein Schnäppchen mit relativ wenig Risiko. Die Raiders setzten nach Osemeles erster, mutmaßlich aufgrund von Verletzungen, unterdurchschnittlichen Saison nicht mehr auf den Pro Bowler und fanden in den Jets einen Trade-Partner, sodass sie für ihren 29-jährigen Guard zumindest noch ein wenig Gegenwert erhalten.
Mit Osemele bekommt New York nun einen potenziell dominanten Guard, der zwischen 2014 und 2017 zu den besten Spielern auf seiner Position zählte. Bleibt der 150-Kilo-Koloss in der kommenden Saison von Verletzungen verschont, dürfte sich die Gang Green mit diesem Move klar verbessert und in Osemele und Brian Winters ein mehr als solides Guard-Duo haben.
Fragezeichen stehen trotz allem noch hinter dem Scheme Fit. Gase bevorzugte über den Großteil seiner Offensive-Coordinator- und Head-Coach-Karriere ein Outside-Zone-Scheme, das Osemeles physischer Dominanz im Run-Blocking weniger entgegenkommt. Trotzdem: Im schlimmsten Fall haben die Jets in diesem Sommer einen späten Draft-Pick verloren, andernfalls dürften sie ihrer Problemzone Offensive Line einen überdurchschnittlichen Guard hinzugefügt haben und somit auch Sam Darnolds Leben ein weniger einfacher gemacht haben.
Brian Poole (1 Jahr, 3,5 Millionen):
Poole ersetzt in New York Buster Skrine, der den Big Apple in Richtung Chicago verlassen hat. Das bedeutet: Der ehemalige Falcon wird bei den Jets die Rolle des Slot-Corners einnehmen. Mit gerade mal 3,5 Millionen Dollar Gehalt kommt Poole auf dieser zunehmend wichtiger werdenden Position günstig daher.
In Atlanta erwischte er 2018 ein schwaches Jahr, Atlanta verzichtete daher auf seine Dienste, statt den Restricted Free Agent für rund zwei Millionen Dollar zu halten. Findet Poole in New York zurück in die Spur, ist er für ein Jahr eine solide Übergangslösung.
Die Jets: Welche Baustellen bestehen noch?
Outside Pass-Rush:
4-3? 3-4? Wie wird die Jets-Base-Defense in der kommenden Saison unter dem neuen Defensive Coordinator Gregg Williams aussehen? Ob nun Defensive Ends oder Outside Linebacker, klar ist: Stand jetzt hat New York - mal wieder - zu wenig Qualität auf den Edge-Positions.
Anthony Barr, der für viel Geld aus Minnesota losgeeist werden sollte und den Jets sogar schon zugesagt hatte, sich dann aber doch für die Vikings entschied, sollte diese Rolle offenbar einnehmen. Inwieweit Barr, der unter Mike Zimmer in erster Linie als Off-Ball-Linebacker eingesetzt wurde, in diesem Bereich tatsächlich Abhilfe hätte schaffen können, darf durchaus bezweifelt werden. Ohne ihn ist allerdings umso klarer: Die Jets brauchen Hilfe im Pass-Rush.
Welche Optionen hat New York nun also? Einige solide Kandidaten gibt es in der Free Agency durchaus noch. Ezekiel Ansah, der in einer 3-4 wohl auch kein guter Fit wäre, scheint zwar kein Thema im Big Apple zu sein, mit Justin Houston (in Kansas City entlassen) und Nick Perry (in Green Bay entlassen) gibt es allerdings durchaus noch genug Namen, die New York hier verstärken könnten.
Dennoch: Das Hauptaugenmerk der Jets sollte in dieser Frage nun auf dem Draft liegen. Die diesjährige Draft-Klasse gilt in puncto Pass-Rush als eine der besten und tiefsten der letzten Zeit. Sollte es auch in diesem Jahr wieder einen Run auf Quarterbacks geben, könnte Nick Bosa, der wohl beste Spieler des Drafts an Position drei tatsächlich an die Jets gehen. Auch Josh Allen könnte für New York eine Option sein, genau so wie ein Downtrade, um gleich zwei Spieler (etwa Montez Sweat, Clelin Ferrell oder Brian Burns) zu bekommen. Klar ist in jedem Fall: Angesichts der Klasse und der Tiefe der Pass-Rusher im Draft muss Maccagnan trotz der eindeutigen Baustelle nicht in Panik verfallen. Noch nicht.
Offensive Line:
Osemele hin oder her, die O-Line der Jets sieht aktuell immer noch nach einer Problemzone aus. Left Tackle Kelvin Beachum spielte eine zumindest solide Saison, Center Jonathan Harrison und Right Tackle Brandon Shell können aber wohl kaum als Dauerlösungen auf ihren Positionen betrachtet werden.
In Anbetracht dieser Tatsachen, verwundert es doch, dass die Jets, die eigentlich alles dafür tun wollten und tun sollten, Sam Darnold das Leben leichter zu machen, mit all ihrem Cap-Space in diesem Bereich bislang kaum aktiv geworden sind. Mit Mitch Morse und Matt Paradis waren zwei besonders in Pass-Protection herausragende Center zu haben.
Beide unterzeichneten letztlich durchaus moderate Deals, allerdings nicht in New York. Auch Daryl Williams, der 2017 zu den besten Right Tackles der Liga zählte, war offenbar kein Thema und unterschrieb letztlich einen One-Year-Prove-it-Deal in Carolina. Mit dem Pass-Rush als klarem Need in Runde eins und keinem Draft-Pick in Runde zwei könnte es schwierig werden, diese Baustelle alleine im Draft zu beheben.
Ausblick: Was ist von den Jets zu erwarten?
New York verfügte über so viel Cap Space wie kein anderes Team abgesehen von den Colts, und zeigte sich gleichzeitig so aggressiv wie nur wenige andere Vertreter in der Liga. Aber: Sind die Jets dadurch wirklich deutlich besser geworden? Die größten Summen investierte Maccagnan in einen Running Back sowie einen Linebacker, der seine Stärken eher gegen den Run hat. Im Jahr 2019 darf dieser Ansatz durchaus hinterfragt werden.
Zweifelsohne hat Bell Qualitäten im Passing-Game, C.J. Mosley bringt durch seine Erfahrung zudem zusätzliche Attribute, die der gesamten Defense helfen können. Aber: Im gesamten Team gibt es weiterhin große Löcher. Diese alle bis zum Saisonbeginn zu stopfen, dürfte mittlerweile fast ein Ding der Unmöglichkeit sein.
Mit Jamal Adams, Leonard Williams sowie einem aus dem Trio Nick Bosa, Quinnen Williams oder Josh Allen im Draft und einer guten Linebacker-Gruppe verfügt New York defensiv fraglos über Talent, deutlich mehr Talent als im Vorjahr. Doch reicht das, angesichts einiger Fragezeichen im Pass-Rush sowie auf der Cornerback-Position, um tatsächlich eine dominante Unit aufs Feld bringen zu können, wie es sich viele Fans und Verantwortliche im Big Apple erhoffen?
Darüber hinaus blieb die große Hilfe für Darnold bislang weitgehend aus. Mit Bell bekommt er einen sehr starken Receiving-Back an seine Seite, mit Crowder obendrein einen guten Slot-Receiver. Im Verbund mit dem Upgrade, das Osemele der Offensive Line bescheren dürfte, dürfte das dem jungen Quarterback seinen Job erleichtern - aber wie stark? Baker Mayfield hat in Cleveland in jedem Fall mehr Unterstützung als Darnold an seine Seite bekommen, Josh Allen in Buffalo womöglich auch.
Die Jets schlossen die Vorsaison mit einer 4-12-Bilanz ab. Die Verpflichtungen in diesem Sommer haben das Team ohne Zweifel stärker gemacht. Aber auch stark genug, um tatsächlich schon Richtung Playoffs zu schauen?
Eine Verbesserung um ein, zwei oder drei Siege führt New York nirgendwo hin. Dass die Moves der diesjährigen Offseason tatsächlich zu mehr führen können, wird die kommende Saison unter Beweis stellen müssen. Andererseits dürfte Maccagnan seinen Job los sein - und die Jets zumindest vorerst weiter im Niemandsland der Liga bleiben.