Nachdem Joey Bosa 2016 als dritter Pick insgesamt von den damals noch San Diego Chargers gezogen wurde, schickte sich Nick Bosa 2018 an, dessen finales Jahr bei den Ohio State Buckeyes noch zu toppen. Doch es kam anders.
Bereits im September verletzte sich Nick Bosa schwer an der Leiste und musste sich einer Operation an der Rumpfmuskulatur unterziehen. Anschließend gab er bekannt, dass er seine College-Zeit vorzeitig beenden werde.
Anders als üblich zog Bosa es vor, sein Reha-Programm nicht unter Aufsicht des medizinischen Personals sowie der Betreuer am College zu absolvieren. Er verließ die Buckeyes mit dem klaren Ziel, sich voll und ganz auf seine Erholung und die Vorbereitung auf den NFL Draft zu konzentrieren.
"Sie müssen verstehen, dass es ein Business ist und er sich um sich selbst sorgen muss", sagte Joey Bosa über die Entscheidung seines Bruders im Oktober. "Wenn jemand die Chance hätte, morgen in der Lotterie zu gewinnen, würde das jemand aufs Spiel setzen? Es ist ein Unterschied, ob man die Chance hat, 'nur' hoch gedraftet zu werden oder der Nummer-Eins-Pick insgesamt zu sein."
Joey Bosa räumte allerdings auch ein: "Er ist niedergeschlagen. Wir haben uns letztens das Spiel gegen Purdue angesehen und er war nicht glücklich", erinnerte sich Joey: "Er wünscht sich nichts mehr als dass er bei seinen Teamkollegen sein könnte, aber aus rein logischer Sichtweise hat er die richtige Entscheidung getroffen."
Nick Bosa 2018: Nur drei Spiele für Ohio State
Und so blieb es bei nur drei Spielen, die Nick Bosa 2018 für die Buckeyes absolvierte. In diesen standen beeindruckende vier Sacks auf dem Zettel. Insgesamt kam er somit in etwas mehr als zwei Jahren auf dem College auf 17,5 Sacks, dazu 29 Tackles for Loss. Und das größtenteils als Rotationsspieler. Die Buckeyes hatten die Tendenz, auf zahlreiche verschiedene Leute in der Defense zu setzen, um niemanden zu überlasten und unberechenbar zu bleiben.
Seine Zahlen waren dennoch verheißungsvoll und suggerieren, dass Nick in die Fußstapfen von Joey treten könnte. Der war zweifacher All-American und 2014 sogar Big Ten Defensive Player of the Year. Auszeichnungen, die Nick nicht aufzuweisen hat.
Abgesehen davon aber sind die Ähnlichkeiten der beiden Brüder gravierend. Joey misst fast 1,96 Meter Körpergröße, Nick kommt auf 1,93 Meter. Joey bringt 127 Kilogramm auf die Waage, Nick immerhin 120 Kilogramm.
"Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden und das geht weit über die physische Statur hinaus" zitiert Bleacher Report einen Scout, der sich festlegte: "Ich bin überzeugt davon, dass Nick am Ende der bessere der beiden sein wird."
Wie ähnlich sich die beiden sind, unterstrich auch O-Liner Wes Martin von der University of Indiana: "Ich habe Joey als Freshman geblockt. Denken Sie darüber mal nach, es war verrückt. Er war so gut. Er war technisch so raffiniert in dem, was er gemacht hat und wie er seinen Job angegangen ist. Und dann war da diese Stärke. Er ist ein kräftiger Typ. Und Nick ist genauso drauf. Ein großer Typ, der richtig stark ist. Das ist es, was sie so gut macht."
Nick und Joey Bosa: Schwere Verletzungen in jungen Jahren
Eine weitere Ähnlichkeit zwischen den Brüdern ist eine eher unglückliche: Beide erlitten bereits früh in ihren Karrieren schwerere Verletzungen. Joey etwa absolvierte von 48 möglichen Spielen in der NFL seit 2016 lediglich 35 - drei davon verpasste er allerdings aufgrund seines Vertragsdisputs mit den Chargers ganz zu Beginn seiner Rookie-Saison.
Nick wiederum musste nicht nur über weite Teile der Saison 2018 passen, er erlitt bereits in seiner Senior-Saison in der High-School einen Kreuzbandriss. Seither trägt er eine Schiene am Knie, war jedoch in seiner Freshman-Saison auf dem College bereits vom Start weg wieder einsetzbar. Das allein schon unterstreicht seine Einstellung.
Ein Attribut, das auch Wisconsins All-Big Ten O-Liner Michael Deiter unterstrich: "Alles beginnt mit seinen Fähigkeiten. Aber direkt im Anschluss kommt sein Antrieb. Man sieht es bei ihm und seinem Bruder. Diese Burschen geben nicht auf. In dieser Hinsicht sind sie sich gleich. Wenn man zu ihren sonderbaren, Gott gegebenen Fähigkeiten deren Arbeitseinstellung hinzutut, gibt dir dies einen besonderen Spieler."
Insofern bestehen auch keine Zweifel, dass Nick Bosa, der dies auch in der NFL Combine unterstrich, zum Saisonstart fit sein wird. Unabhängig davon, wo er denn nun landen wird. Ein Top-5-Pick soll es in jedem Fall sein, mehr ist aber durchaus möglich. Alles andere wäre eine Enttäuschung für den so ehrgeizigen wie selbstbewussten Verteidiger.
Nick Bosa übergehen? "Ein großer Fehler"
"Ein großer Fehler" wäre es, ihn nicht zu ziehen, sagte Bosa am Rande der Combine in Indy. Ähnlich sieht es Draft-Experte Daniel Jeremiah vom NFL Network: "Meiner Meinung nach ist er der beste Spieler im Draft." Weiter führte Jeremiah aus: "Er ist nicht der physische Freak, den wir in Myles Garrett oder Jadeveon Clowney gesehen haben. Aber wenn du dir das Tape anschaust, ist er einfach nicht zu blocken."
Dass Nick nach Vater John, der 1987 in der ersten Runde von den Miami Dolphins gedraftet wurde, und Bruder Joey der dritte Mann der Familie Bosa in der NFL sein wird, daran besteht jedoch kein Zweifel. Football liegt dieser Familie einfach im Blut, denn auch Großvater Palmer Pyle, Großonkel Mike Pyle und Onkel Eric Kumerow - der allerdings eingeheiratet - spielten ebenfalls einst in der NFL.
NFL Draft 2019: Die Top 10 Picks
Position | Team |
1 | Arizona Cardinals |
2 | San Francisco 49ers |
3 | New York Jets |
4 | Oakland Raiders |
5 | Tampa Bay Buccaneers |
6 | New York Giants |
7 | Jacksonville Jaguars |
8 | Detroit Lions |
9 | Buffalo Bills |
10 | Denver Broncos |
Dass Nick und Joeys Urgroßvater Tony Accardo ein bekannter Mafioso mit Verbindungen zu Al Capone in Chicago war, wirkt angesichts dieses ansonsten sportlichen Familienstammbaums fast wie eine unbedeutende Randnotiz.
Doch wo wird Bosa im Draft landen, wer braucht ihn am ehesten? Streng genommen könnte ihn jeder in den Top 5 gebrauchen, da all diese Teams dort oben Hilfe im Pass Rush bitter nötig haben. Und da diese Draft-Klasse den klaren Franchise-Quarterback vermissen lässt, ist die gängige Theorie, dass die nächstbeste Alternative zu einem solchen der Elite-Pass-Rusher ist. Bosa ist also gewissermaßen das Paradebeispiel für das Gegengift zu einem Top-Quarterback.
Wenn man so will, ist Bosa als bester Pass-Rusher also das Angebot, das man nicht ablehnen kann, wenn man offensiv noch nicht für die Zukunft aufgestellt und von Murray, Haskins und Co. nicht begeistert ist.