NFL

Die Offseason der Tampa Bay Buccaneers: Schluss mit den Nettigkeiten!

Von Pascal De Marco
Gerald McCoy war 2010 der dritte Pick des Drafts.
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Die Tampa Bay Buccaneers haben in der Offseason den wohl größten Umbruch aller Teams eingeleitet. Von einer nahezu gänzlich neuen Defense über neue Leader bis hin zu einem neuen Coaching Staff hat sich in Florida einiges geändert. Vor allem die Verpflichtung von Ndamukong Suh ist bezeichnend für das neue Leitbild, welches bei den Kanonieren herrschen soll.

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Als die Detroit Lions in einem der besten Drafts aller Zeiten an zweiter Stelle Ndamukong Suh auswählten, nahmen sie den Tampa Bay Buccaneers eine schwierige Entscheidung ab. Die Franchise aus Florida nämlich schwankte bei ihrer Entscheidung im Hinblick auf das dritte Wahlrecht im Draft von 2010 zwischen Nebraskas Suh und Oklahomas Gerald McCoy.

Beide Spieler sollten bis heute andauernde und außergewöhnlich gute NFL-Karrieren absolvieren, auch wenn sie in ihrer Herangehensweise unterschiedlicher nicht hätten sein können. Während Suh gegnerische Quarterbacks mit dem Charme einer Bad-Boy-Manier jagte und sich zahlreiche Strafen für unsportliches Verhalten seitens der Liga einhandelte, pflegte McCoy das Bild des "guten Jungen", der sich seine Sacks mehr durch Technik als durch pure Kraft erarbeitete und dem gegnerischen Quarterback nach einem solchen auch gerne einmal wieder auf die Beine half.

Suh, wie auch McCoy, wurden für ihre produzierten Zahlen im Laufe der Karriere entsprechend bezahlt. Während einer in Detroit aber keine langfristige Heimat für sich ausmachte und teure Deals bei den Miami Dolphins und Los Angeles Rams unterschrieb, legte der andere auf das erarbeitete Standing in der Gesellschaft von Tampa, den Freundschaften in der Franchise und zu den Kollegen großen Wert, blieb auch trotz der anhaltenden Erfolglosigkeit treu und etablierte sich als einer der beliebtesten "Bucs" aller Zeiten.

Nun, neun Jahre nach jenem von Talent gesegneten Draft, haben die Buccaneers einen ihrer verdientesten Spieler entlassen und ihn binnen 24 Stunden durch eben jenen Spieler ersetzt, der 2010 eine Stelle weiter vorne gedraftet wurde. Tampa, das mit großen Cap-Problemen zu kämpfen hat, verschaffte sich durch die Entlassung McCoys 13 Millionen Dollar an Cap Space, investierte 9,25 Millionen Dollar davon allerdings direkt wieder in dessen Pendant: Ndamukong Suh.

Gerald McCoy: Entlassung kam nicht überraschend

"Man hasst es, wenn gute Spieler die Franchise verlassen", erklärte der neue Buccaneers-Head-Coach Bruce Arians nach der Entlassung von McCoy. "Leider hatten wir das Gefühl, diese Entscheidung treffen zu müssen, um uns und Gerald die Möglichkeit geben zu können, nach vorne zu blicken."

Was wie eine Allerwelts-Floskel daherkommt und keineswegs dem Geleisteten des 31-jährigen Defensive Tackles gerecht wird, war in Tampa noch nicht einmal mit allzu negativer Resonanz aufgenommen worden. Nicht wenige hatten die Entlassung des sechsmaligen Pro Bowlers kommen sehen und auch McCoy selbst schien mehreren seiner Botschaften in den sozialen Medien zufolge alles andere als unvorbereitet.

McCoy wusste, dass die Bucs in der Vorsaison einen Erstrundenpick in einen D-Liner investierten. Er wusste, dass seine 13 Millionen Dollar an Gehalt für die 2019er-Saison nicht garantiert waren. Er wusste, dass die Bucs sehr wenig Spielraum unter dem Cap zur Verfügung hatten.

"GMC" konnte in keiner seiner letzten drei Spielzeiten mehr als 7 Sacks liefern und hatte einen immer geringeren Einfluss auf den ohnehin schwachen Pass-Rush Tampa Bays. Dafür war sein Preisschild letztlich schlichtweg zu teuer.

McCoy und die Buccaneers: Der Erfolg bleibt aus

Überraschenderweise hatte McCoy trotz seiner überaus positiven Art an der Westküste Floridas nicht nur Freunde. Während der nominelle Star der Defense im Vorjahr erstmals seit vielen Jahren nicht mehr zum Team-Captain ernannt wurde, wünschten sich gerade in der Fan-Base viele Leute einen furchteinflößenden Leader, anstatt einen, der immerzu nur lächelte.

Ein Wunsch, der für einige unverständlich klingen mag, doch basiert der Grund für die Frustration über McCoys Charakteristik zum einen in der andauernden Erfolglosigkeit des Teams, zum anderen in den Vergleichen gegenüber einer Franchise-Legende, die er sich schon seit seinem Draft anhören musste. Der dritte Pick des Drafts 2010 war für viele nämlich als legitimier Nachfolger von Warren Sapp ausgemacht worden.

Die Naturgewalt Sapp euphorisierte die Bucs-Fans mit seiner brutalen Spielweise und als Leader einer der gefürchtetsten Defenses aller Zeiten, welche die Franchise regelmäßig in die Playoffs führte und schließlich auch zu ihrem ersten Super-Bowl-Triumph 2002. Die Generation, die den Hall of Famer anhimmelte, projizierte das Bild des "bösen" Sapp auf den "guten" McCoy. Ein Vergleich, dem der Comic-Liebhaber allenfalls in sportlicher Hinsicht gerecht werden wollte.

Ebenjene Fans schienen sich im Wunsch nach einem weniger "netten" Leader durch die ausbleibenden Erfolge des Teams bekräftigt. In den neun Spielzeiten, in denen der Defensive Tackle in den zinn- und rotfarbenen Jerseys auflief, erreichten die Bucs nur zweimal eine positive Bilanz. In den Playoffs spielte man seit Jon Grudens Abgang 2008 nicht mehr.

Ndamukong Suh kann in diesem Jahr bis zu 10 Millionen Dollar verdienen.
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Ndamukong Suh kann in diesem Jahr bis zu 10 Millionen Dollar verdienen.

Tampa Bay: Auch Geschäftsführer Jason Licht unter Druck

Erfolglosigkeit ist in der NFL der schnellste Weg zu personellem Wandel. Und dieser wurde von Jason Licht gerade in großem Maße durchgeführt. Der Geschäftsführer war es, der in seinem ersten Jahr bei der Franchise 2014 McCoy nach Ablauf dessen Rookie-Vertrags von einem Verbleib überzeugte und sein Zeichen unter einen 6-Jahres-Vertrag über 95 Millionen Dollar setzte.

Die Bucs hatten zu dieser Zeit die Entwicklungen um Suh genau im Auge behalten. Spekulationen über einen Abgang Suhs aus Detroit hielten sich vehement, doch war die Verlängerung mit McCoy die weitaus sicherere Variante im Vergleich zu einem Wettbieten für den Lions-Tackle. Ein Jahr später unterzeichnete Suh dann für über 100 Millionen Dollar in Miami.

Nun aber spürt selbst der Geschäftsführer den Druck der Vielzahl an Pleiten und den Unmut der Fan-Base. Es wurde Zeit für einen kulturellen Wandel. Licht initiierte in Tampa den Wechsel eines Großteils des Coaching-Staffs und schließlich auch den der Mentalität. Mit dem Move sparen sich die Bucs die 3 Millionen Dollar, die sie für die restlichen Rookie-Verpflichtungen benötigen und sichern sich den Bad Boy, nach dem sie sich so lange sehnten.

Ndamukong Suh auch ein sportliches Upgrade zu McCoy?

Neben mentaler Gesichtspunkte sollte Suh vor allem schematisch, wohl aber auch qualitativ eine Verbesserung gegenüber McCoy darstellen. Tampas neuer Defensive Coordinator Todd Bowles wechselt das Scheme von einer 4-3 auf eine 3-4-Ausrichtung. Eine Defense, in der Suh schon in der Vorsaison erfolgreich agierte.

Hier stellte sich der 32-Jährige in der 2018er-Saison gleichmäßig verteilt in der 1-, 3- und 5-Technique auf und fügt der Line somit eine flexible Option hinzu, die diese nach dem langfristigen Ausfall Jason Pierre-Pauls dringend benötigt. Suhs sportliche Qualität wird außerdem ein wertvolles Leitbild für den aufstrebenden Nebenmann Vita Vea in Tampas D-Line darstellen.

Auf dem Rasen schlug Suh McCoy nach den Wins Above Replacement laut Pro Football Focus im Vorjahr deutlich. Hier belegte der ehemalige Ram unter den Interior Defendern Platz 15, während McCoy auf Platz 25 abschloss. Suh verbuchte außerdem 57 Pressures und ist weiterhin einer der besten Run Stopper der Liga. Desweiteren ist Tampas Neuzugang die Verlässlichkeit in Person. In seinen letzten sieben Spielzeiten verpasste er kein einziges Spiel aufgrund von Verletzungen.

Buccaneers-Defense: Über 5.000 Snaps fallen weg

Während die Scheidung von McCoy in Tampa absehbar war, galt das für einige andere Meldungen Anfang Mai nicht. Pierre-Paul, Tampas Sack-Maschine aus der Vorsaison, war auf dem Rückweg von einem freiwilligen Workout von der Straße abgekommen und mit seinem Ferrari um halb 3 Nachts in eine Leitplanke gefahren.

Die dabei diagnostizierten Nacken-Verletzungen könnten ein Karriereende zu Folge haben. Head Coach Bruce Arians sprach davon, dass man Tampas ersten Verteidiger mit einer zweistelligen Anzahl an Sacks in einer Saison seit 2005 im besten Fall in sechs Monaten zurückerwarten könnte - doch gilt selbst diese Prognose noch als optimistisch.

Für Tampa ist es schon der zweite langfristige Ausfall eines Leistungsträgers durch einen Autounfall mit schwerwiegenden Folgen in kurzer Zeit. Linebacker Kendell Beckwith traf es im Vorjahr. Er brach sich als Beifahrer bei einem Crash den Knöchel. Doch irgendwie passt es in das Bild eines totalen Umbruchs auf der defensiven Seite.

Denn die Abgänge von unter anderem Linebacker Kwon Alexander und der Secondary-Spieler Ryan Smith, Isiah Johnson sowie D-Liner Vinny Curry, dass 5.000 Snaps auf der defensiven Seite der Vorsaison nicht mal mehr im Kader sind.

Aggression und Athletik: Tampas neue Defense

Stattdessen legten Tampa und Bowles im abgelaufenen Draft großen Wert auf Athletik. In Anbetracht des anstehenden Wechsels von Zone- auf Press-Man-Coverage wählte man früh zwei der besten Press-Corners des Drafts in Sean Murphy-Bunting und Jamel Dean. Für das unter Bowles zu erwartende Blitz-Feuerwerk investierte man zudem unter anderem seinen Erstrundenpick.

Der hört auf den Namen Devin White und war offenbar schon früh als Wunschspieler von Bowles deklariert worden. Er verbuchte 2017 70 Pressures und eine Pass-Rush-Win-Rate von 26,5 Prozent. Gemeinsam mit Lavonte David könnte White schon bald eines der besten Linebacker-Duos der NFL bilden.

Mit Viertrundenpick Anthony Nelson und Shaquil Barrett bekommt Bowles auch outside den benötigten Druck in die Pocket. Der Rookie hatte die dritthöchste Pass-Rush-Win-Rate aller Edge Rusher und ging überraschend spät vom Board. Ein verbesserter Pass Rush und eine Menge Athletik in der Secondary sollen Tampas Defense garniert mit einem neuen Scheme endlich wieder furchteinflößender daherkommen lassen. Und: Suh wird seinen Teil dazu beitragen.

Arians und Winston: Eine lange Vorgeschichte

Während es die Zahlen auf einer Seite des Balls deutlich zu verbessern gilt, waren die auf der anderen in der Vergangenheit eigentlich immer sehr gut anzusehen. Und trotzdem geht Quarterback Jameis Winston mit einer gehörigen Portion Druck in sein finales Vertragsjahr.

Zu groß waren die Leistungsschwankungen des ehemaligen Florida-State-Produkts in seiner vierjährigen NFL-Karriere. Dazu waren Probleme abseits des Feldes keine Einzelfälle. Erst im Vorjahr wurde Winston für drei Saisonspiele gesperrt. Der Quarterback geht in ein entscheidendes Jahr und muss endlich zuverlässig abrufen. Seine letzte Chance soll ausgerechnet dank dem Quarterback-Flüsterer genutzt werden.

Arians war begeistert von der Idee, Coach bei den Bucs zu werden. Unter anderem ist dies auf die Tatsache zurückzuführen, dass Winston als Jugendlicher an einem der Freizeit-Camps von Arians teilnahm. Der 66-jährige Head Coach erarbeitete sich seinen ausgezeichneten Ruf, vor allem dank seiner Arbeit mit Peyton Manning, Ben Roethlisberger, Andrew Luck, Drew Stanton und Carson Palmer.

Winston unter Arians: "No Risk it, No Biscuit"

In Winston trifft Arians, der das "No Risk it, No Biscuit"-Motto predigt, auf einen Gleichgesinnten. Tampas Quarterback wurde in der Vergangenheit oftmals für seine Entscheidungen auf dem Feld kritisiert. Etwas im Playcaller schien ihn immer wieder von hochriskanten bis zu vollkommen unverständlichen Entscheidungen zu leiten.

Teilweise war dies wohl auch auf die jeweiligen Spielsituationen zurückzuführen. Winston warf 61 Prozent der Passversuche in seiner Karriere, wenn sein Team in Rückstand lag. Tampa hofft, dass dies dank einer neuen Defense, einem neuen Scheme und der Leitung von Arians sowie dem neuen Offensive Coordinator Byron Leftwitch anders aussehen wird.

Für Winston dürfte dies seine letzte Chance bei den Bucs sein. Wie bei McCoy haben in der frustrierten Fan Base viele schon das Handtuch geworfen, was den Spieler angeht. In diesem Fall aber nicht aufgrund eines unangebrachten Vergleichs, sondern aus vielmehr Gewohnheit. Denn noch nie in ihrer Geschichte hat die Franchise einen ihrer 25 gedrafteten Quarterbacks mit einem zweiten Vertrag ausgestattet.