Baker Mayfield gilt als eines der größten Talente der NFL. In seiner zweiten Saison könnte er bereits den Schritt zu einem der besten Quarterbacks machen und die Cleveland Browns zum ersten Mal seit fast 20 Jahren in die Playoffs führen. Doch Mayfield ist auch eine polarisierende Persönlichkeit. Damit macht er sich nicht nur Freunde. Womöglich sogar im eigenen Team.
Sportlich dürfte Baker Mayfield nach seiner ersten Saison in der NFL über nahezu jeden Zweifel erhaben sein. Der 24-Jährige brach den Rookie-Touchdown-Rekord von Peyton Manning und Russell Wilson, stellte in praktisch allen Quarterback-Kategorien neue Rookie-Bestmarken in der Geschichte der Browns auf und verpasste den Titel des Rookie des Jahres wohl nur knapp.
All das gelang Mayfield zudem, obwohl er zunächst nicht als Starter für die Franchise auserkoren worden war. Der erste Pick des Drafts 2018 startete in nur 13 Spielen, gegen die Jets durfte er zudem rund eine Halbzeit spielen. Mayfield war der einzige aller Rookie-Quarterbacks, der in der vergangenen Saison praktisch restlos überzeugen konnte und bereits jetzt das Label des Franchise Quarterbacks tragen dürfte.
Und auch die nahe Zukunft sieht rosig aus. Nicht wenige erwarten eine spektakuläre Saison vom Browns-Quarterback und vom Team insgesamt. Mit Odell Beckham Jr. hat das Receiving-Corps in Cleveland einen absoluten Superstar dazu erhalten, im Verbund mit Jarvis Landry, Rashard Higgins, Antonio Callaway, David Njoku, Duke Johnson und Nick Chubb sind die Skill-Positionen in der Browns-Offense so gut besetzt wie in kaum einem anderen Team der Liga.
Darüber hinaus gelingt jungen Quarterbacks in ihrem zweiten Jahr in der NFL oft ein großer Schritt nach vorne. Patrick Mahomes wurde in seiner zweiten Saison (zugegeben: seiner ersten Saison als Starter) zum MVP gewählt. Carson Wentz und Jared Goff legten nach einer nicht vollends überzeugenden Rookie-Saison im darauffolgenden Jahr beeindruckende Zahlen auf. Auch Mitch Trubisky sah in der vergangenen Saison etwas besser aus als noch vor zwei Jahren. Hält die Offensive Line in Cleveland, scheinen Mayfields Spiel kaum Grenzen gesetzt.
Mayfield sagt, was er denkt
Für Schlagzeilen sorgt das Supertalent allerdings nicht ausschließlich auf dem Feld. Die Berichte über Charakterprobleme und ein zu großes Ego Mayfields schienen zwar bereits in der Vorbereitung auf den Draft im vergangenen Jahr überproportional dargestellt, doch eins lässt sich nicht abstreiten: Mayfield sagt, was er denkt. Und er tut, was er möchte. Das muss nichts Schlechtes sein. Doch in Zeiten weitgehend nichtssagender Interview-Aussagen ("It's a team game") sticht Mayfield heraus.
Beispiele für Mayfields klare Kante gibt es zur Genüge: Als der Youngster 2014 nach Oklahoma gewechselt war, kritisierte er den heutigen Cardinals- und damaligen Texas-Tech-Coach Kliff Kingsbury öffentlich.
"Als ich mich verletzt habe, gab es keine Kommunikation zwischen mir und meinem Coach", so Mayfield gegenüber ESPN. "Als ich wieder fit war, wusste ich nicht, wieso ich nicht sofort wieder spielte. Wir hatten damals zwei Spiele in Folge verloren, deshalb hatte ich keine Ahnung, wieso ich nicht spielte. Das war sehr frustrierend für mich, denn ich hatte die ersten fünf Spiele gestartet und wir hatten gewonnen. Ich wusste also nicht wirklich, was er sich dabei gedacht hat."
Doch Mayfield bekam seine Rache. Mit seinen Sooners traf er drei Mal auf Kingsbury und Texas Tech. Oklahoma gewann alle drei Spiele, der junge Quarterback warf 13 Touchdown-Pässe und überragte über weite Strecken.
Mayfield: Zahlreiche Vorfälle auf dem College
Genau wie gegen Ohio State. Nach ihrem Sieg über Oklahoma sangen die Buckeyes 2015 ihre Hymne auf dem Feld der Sooners - so wie sie es nach jedem Spiel tun. Doch Mayfield gefiel das überhaupt nicht. "Wir haben noch nie ein Team gehabt, dass auf unserem Feld ihr Kampflied angestimmt hat. Das war einfach nur peinlich", fand er im Anschluss klare Worte.
Die Antwort folgte ein Jahr später. Die Sooners bekamen ihre Rache. Oklahoma gewann mit 31:16, Mayfield warf drei Touchdowns und keine Interception. Nach dem Sieg rammte er die Flagge seiner Schule in das Buckeyes-Logo inmitten des Spielfeldes.
Selbst gegen kleinere Teams wie gegen Kansas, das als klarer Außenseiter ins Spiel gegen die Sooners ging, ließ Mayfield sein Feuer nicht vermissen. Nachdem die Jayhawks ihm zu Beginn des Spiels den Handschlag verweigerten, nahm er die Defense mit 257 Passing Yards, drei Touchdowns und null Interceptions auseinander und richtete eine eindeutige Geste in Richtung der gegnerischen Seitenlinie.
Vor einigen Tagen erst schoss er gegen Oklahoma-Rivale Texas. Er habe "genug von dieser Scheiße gehört", dass Texas wieder auf dem Weg zurück zu alter Stärke sei. Texas-Quarterback Sam Ehlinger, der eine High School in der Nähe von Austin besuchte, nicht weit von Mayfields alter High School entfernt, habe "nicht einmal Lake Travis schlagen können. Mir ist egal, was er über das Gewinnen denkt. Er mag mich nicht, und ich hoffe, er weiß, dass ich ihn auch nicht mag."
Baker Mayfield sucht sich seine Feinde
Niemand scheint vor Mayfields Zorn sicher. Kein Berater. Kein Coach. Kein Journalist. Kein Spieler. Für all das gibt es Beispiele.
Als Bus Cook sich bei Mayfield als Agent vorstellte, offensichtlich aber nicht wusste, für welche Schule dieser auf dem College gespielt hatte, legte der Quarterback kompromisslos auf. Als Hue Jackson unmittelbar nach seiner Entlassung in Cleveland bei den Bengals anheuerte, ließ Mayfield kein gutes Haar an seinem Ex-Coach und brachte seine Abneigung im direkten Aufeinandertreffen noch deutlicher zum Ausdruck.
Und als der Moderator Colin Cowherd Odell Beckhams Leistungen in New York in Frage stellte, schoss Mayfield öffentlich: "Die Leute können sagen was sie wollen, aber ein Lügner ist ein Lügner. Und ein Typ, der nichts anderes macht [als zu lügen], sollte in seine Schranken gewiesen werden."
Mayfield macht kein Geheimnis daraus, dass er auf seinem Handy eine Liste mit Medienvertretern hat, die ihn in der Vergangenheit in seinen Augen unverhältnismäßig kritisierten. Genauso unverhohlen gibt er zu, dass er Screenshots von respektlosen Tweets gegen seine Person speichert. Er nutze dies zur Motivation.
Duke Johnson: Mayfield sorgt für Kontroverse
Die neueste Episode betrifft nun allerdings einen Mitspieler und macht somit ein ganz anderes, wesentlich komplexeres Fass auf. Angesprochen auf die Aussagen von Running Back Duke Johnson, der öffentlich erklärte, einen Trade anzustreben, sagte Mayfield: "Die Situation ist nicht unangenehm, sie ist selbstverschuldet. Ich hoffe einfach, dass er seinen Job hier erledigt. Wir brauchen Spieler, die für ein Ziel arbeiten, die nur einen Fokus darauf haben."
Ein NFL-Spieler, ein Leader und Star des Teams sogar, der nicht hundertprozentig hinter seinem Teamkollegen steht? Das ist neu. Selbst bei Vertragsverhandlungen oder Holdouts unterstützen sich die Spieler für gewöhnlich gegenseitig, letztendlich verstehen die meisten ihre Situation bei Verhandlungen nach wie vor auch als einen Kampf der Spieler gegen die Teams - wie es durch die Konflikte von NFL und NFLPA ja auch immer wieder deutlich wird.
Dementsprechend schlecht sollen Mayfields Aussagen in der eigenen Kabine angekommen sein, wenn man den Berichten einiger NFL-Insider trauen darf. Demnach sollen mehrere erfahrene Spieler das Gespräch mit ihrem Quarterback gesucht und diesen daran erinnert haben, dass man sich bei Themen, die eher der geschäftlichen Seite der NFL zuzuordnen sind, stets unterstützen müsse.
Cleveland Browns: Noch bleiben Fragezeichen
Auch wenn beispielsweise Jarvis Landry erklärte, dieser Vorfall sei für das Team in keinster Art und Weise ein Thema, bleibt ohnehin noch abzuwarten, wie sich die Browns in der kommenden Saison präsentieren werden. Das Talent ist mittlerweile ohne jede Frage vorhanden, dennoch bleibt fraglich, wie sich die Neuzugänge Beckham, Olivier Vernon, Sheldon Richardson, Greedy Williams und Kareem Hunt in die Strukturen des Teams einfügen werden - sowohl in taktischer als auch in menschlicher Hinsicht.
Trotz einer fast 20 Jahre andauernden Serie ohne Playoff-Teilnahme und 25 Jahren ohne Playoff-Sieg zählen die Browns bei nahezu allen Buchmachern mittlerweile zum erweiterten Favoritenkreis. Der Druck auf das jahrelang als Loser-Franchise verschriene Team könnte somit größer kaum sein. Die Defensive Line und das Receiving Corps strotzen nur so vor Potenzial. Und: Auch auf den Quarterback trifft das zu.
Auch Mayfield wird sich der enormen Erwartungshaltung also nicht entziehen können. Der 24-Jährige wird in seiner zweiten Saison noch stärker unter Beobachtung stehen - sowohl auf, als auch neben dem Platz. Allzu viel ausmachen dürfte ihm das allerdings nicht. Was andere von ihm denken, scheint ihn nicht allzu sehr zu kümmern. Das hat es wohl noch nie.
Klar ist aber auch: Mayfields nicht endender Rachefeldzug macht ihn zu einem leichten Ziel für Kritiker und Spötter, sollten die Leistungen auf dem Platz ihn für diese nicht unangreifbar machen.