Third and Long: So zerlegten die 49ers die Saints-Defense - was ist los mit Green Bay?

Von Adrian Franke
10. Dezember 201913:17
SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf Woche 14 in der NFL!getty
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Das Spitzenspiel in New Orleans hielt, was es versprach - zumindest von beiden Offenses! In seiner wöchentlichen Kolumne blickt SPOX-Redakteur Adrian Franke auf die Big Plays der 49ers im Superdome, außerdem: Was wird aus Cam Newton? Was ist los mit der Packers-Offense? Und wie geht's weiter mit Ryan Tannehill? Los geht's aber mit den Unparteiischen.

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Die NFL hat ein massives Schiedsrichter-Problem

Ich kann es nicht leiden, wenn man sich in der Sportberichterstattung ausführlich mit Schiedsrichtern auseinandersetzen muss - denn das bedeutet in aller Regel, zumindest in meinem Fall, das einiges schief gelaufen ist. Und an diesem Punkt in der NFL-Saison sind wir inzwischen angekommen, der Sonntag war das jüngste Beispiel dafür.

Das größte Thema dieses Jahr ist fraglos Pass Interference. Niemand, und das beinhaltet die Unparteiischen sowie die Regel-Experten in den TV-Übertragungen, weiß noch, was Pass Interference ist.

Das hier wurde als Pass Interference gegen den Verteidiger (!) gepfiffen. Das hier wurde überhaupt nicht gepfiffen, genausowenig wie diese Szene in Foxboro gestern, dieser Hieb auf die Schulter von Sammy Watkins im Spiel gegen die Raiders und auch das hier ist für meine Begriffe relativ deutlich Offensive Pass Interference durch Michael Thomas.

Und so weiter, und so weiter.

Wer sich diese Szenen jetzt angeschaut hat und auch mit dem Gefühl raus kommt, dass er keine Ahnung hat, was genau Pass Interference eigentlich ist: Willkommen im Klub.

Pass Interference muss klarer werden

Damit wir zunächst alle auf einen Nenner kommen, das hier sind die offiziellen Regeln bezüglich Pass Interference aus dem NFL Rulebook:

Das Kernproblem ist für mich, dass es zu viel Interpretationsspielraum gibt. Die oben beispielhaft dargestellte Szene wäre für mich das Musterbeispiel für "Playing through the back of an opponent in an attempt to make a play on the ball". Was reicht denn, um den Gegner in seinen Möglichkeiten den Ball zu fangen, "einzuschränken"? Welcher Kontakt reicht denn, dass man dafür verantwortlich ist, dass sich der Gegenspieler ungewollt wegdreht?

Dieser Interpretationsspielraum in so ziemlich jedem Absatz der Regel ist der Grund dafür, dass die Regel Woche für Woche, Spiel für Spiel und manchmal auch Szene für Szene anders ausgelegt wird. Und natürlich geht es auch um Nuancen bei diesen Szenen, man kann hier keine absoluten, simplen und universal für jede Szene 1:1 anwendbaren Regeln festlegen. Das ist auch nicht der richtige Weg, weil es nicht praktikabel wäre.

Ich würde mich stattdessen darauf fokussieren, die Regel zumindest einheitlich auszulegen und anzuwenden, und dafür muss man bei Pass Interference eine Kontrollinstanz in der Schiedsrichter-Zentrale haben. Mit der Möglichkeit, Pass Interference per Challenge Flag überprüfen zu lassen, hatte man einen vermeintlich ersten Schritt gemacht - nur um diese Challenge dann ad absurdum zu führen und lange nahezu kaum einmal eine Entscheidung nach der Challenge zu verändern.

Hier hat sich das Verhältnis zuletzt etwas verändert, der Weisheit letzter Schluss scheint das aber auch noch nicht zu sein. Und auch wenn ich es sinnvoller finde, hier durch die Challenge einen weiteren möglichen Kontrollmechanismus zu haben, komme ich doch immer wieder auf einen Punkt zurück: Pass Interference, insbesondere gegen die Defense, ist eine absolut kritische Situation, die aus einem Punt bei Fourth Down einen 40-Yard-Pass bei Third Down, aus einem Drive-Killer einen Touchdown-Wegbereiter machen kann.

Die NFL braucht einen schnell durchführbaren, zentralisierten und dadurch möglichst einheitlich umgesetzten Replay-Prozess. Einen Co-Hauptschiedsrichter am Monitor. Irgendetwas in dieser Richtung. Dass auf dem Platz Fehlentscheidungen getroffen werden, die jeder Zuschauer auf der Couch nach zwei TV-Wiederholungen ausmachen kann, ist absurd und adressiert ein generelles Problem.

Ref-Problem: Warum es unnötig kompliziert machen?

Die Problematik geht natürlich über Pass Interference hinaus. Den Patriots wurde gegen die Chiefs vermutlich ein Fumble-Return-Touchdown geklaut - weil die Refs die Szene zu früh abpfiffen. Ähnliches hatten wir schon mehrfach dieses Jahr, unter anderem bei den Saints in Los Angeles gegen die Rams. Eine Unart und ein riesiger Eingriff der Schiedsrichter auf das Spiel, der sich doch eigentlich denkbar leicht unterbinden lassen sollte. Im Zweifel eben die Szene erst ausspielen und die Pfeife stumm bleiben lassen.

Auch das Challenge- und Replay-System insgesamt ist einfach nicht gut. Der fälschlicherweise aberkannte Patriots-Touchdown von N'Keal Harry gegen Kansas City war eine dieser Szenen, die es einfach nicht geben darf: Jeder Zuschauer am Fernseher hat innerhalb weniger Sekunden anhand der ersten Wiederholung gesehen, dass Harry nie ins Seitenaus getreten war und es sich dementsprechend um einen regulären Touchdown handelte.

Dass die Schiedsrichter auf dem Feld das falsch entschieden sollte nicht dazu führen, dass es die Aufgabe der Coaches ist, via Challenge eine Fehlentscheidung zu korrigieren. Die Patriots konnten nicht mehr challengen und so wurde ein Touchdown, den Millionen Zuschauer längst als solchen identifiziert hatten, nicht gegeben.

Hier braucht es ganz konkret einen Sky Judge, einen Video-Schiedsrichter, der bei solchen Szenen eingreifen und den Hauptschiedsrichter auf dem Feld anfunken kann. Die anschließende Erklärung von Ref Jerome Boger beinhaltete unter anderem die Aussage, dass ein Schiedsrichter auf der Seite eine durch Spieler versperrte Sicht hatte und der andere dachte, Harry hätte die Seitenauslinie berührt. Fehler und Probleme, die passieren können - aber die so leicht zu reparieren wären.

Für die Schiedsrichter wären das immense Hilfestellungen, die sie in genau solchen Situationen entlasten könnten. Statt dass eben jeder sieht, dass eine Fehlentscheidung getroffen wurde, die aber durch komplizierte Regeln für die Auslegung der Regeln nicht repariert werden kann.

Denn die Schiedsrichter sollten einfach niemals im Mittelpunkt stehen. Und dieses Jahr müssen wir viel zu häufig über sie sprechen.

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Wie die 49ers-Offense in New Orleans explodierte

Es fühlte sich an wie ein Playoff-Spiel, und mit Blick auf das Seeding war es im Endeffekt vielleicht sogar eine Art Playoff-Spiel. Was die Offenses der Saints und der 49ers am Sonntag in New Orleans abfeuerten, war absolut spektakulär. New Orleans mit seiner Kurzpassoffense, Yards nach dem Catch, gut eingesetzten Tight Ends und einem unfassbar effizienten Drew Brees auf der einen - und San Francisco mit einer besonders tiefen Trickkiste und einem glänzend aufgelegten Jimmy Garoppolo auf der anderen Seite.

"Wir können uns bei unserer Offense bedanken", gab Cornerback Richard Sherman anschließend ganz offen zu, und fügte zum wiederholten Male in den vergangenen Wochen ausdrückliches Lob über Garoppolo an: "Er hat heute wie der beste Quarterback in der NFL gespielt. Er hat eine Legende bezwungen."

Coach Kyle Shanahan, der zuvor offensiv ein herausragendes Spiel dirigiert hatte, war ähnlich euphorisch: "Das war eines der coolsten Spiele das ich je erlebt habe. Wir wussten, dass wir einige Dinge riskieren mussten, weil wir es heute mit einer Defense zu tun hatten, die wenige Fehler macht. Wenn das der Fall ist, und eine Defense dann auch noch die individuelle Qualität hat wie die der Saints, musst du lange Drive hinlegen können."

49ers vs. Saints: Big Plays auf Big Plays

Und das taten die 49ers auch mehrfach, doch waren es gerade früh im Spiel die Big Plays und Trick Plays, die herausstachen.

Der Touchdown-Pass von Wide Receiver Emmanuel Sanders auf Running Back Raheem Mostert, Wildcat-Runs, ein End-Around für Tight End George Kittle - oder natürlich der 75-Yard-Touchdown-Catch von Sanders.

Der war auch mit Blick auf den Spielverlauf überaus wichtig: Die Saints hatten gerade im dritten Drive ihren dritten Touchdown erzielt und waren nicht zu stoppen, San Francisco lag mit 7:20 zurück und lief Gefahr, wie schon so viele Teams im Superdome in einem offensiven Feuerwerk von Brees und Co. unterzugehen.

Das ist das Play:

SPOXNFL Gamepass

Die Saints spielen defensiv eine Man-Zone-Kombination. Marshon Lattimore hat Deebo Samuel in Eins-gegen-Eins-Coverage (unterer Bildrand), Cornerback P.J. Williams, der zunächst scheinbar George Kittle zugeteilt war, übernimmt infolge der Motion den Running Back aus dem Backfield und der dritte Cornerback, Eli Apple, spielt die kurze äußere Zone am oberen Bildrand.

Die Folge daraus ist, dass am Ende kein Cornerback direkt für Sanders zuständig ist. Stattdessen spielen die beiden Safeties Vonn Bell und Marcus Williams den tiefen Part des Feldes - ein Matchup, das San Francisco dankend annimmt. Sanders lässt Bell mit einem Move in der Route komplett stehen und setzt sich dann beim Catch des in dem Fall schlecht platzierten Passes von Garoppolo gegen Williams durch.

San Franciscos hochgelobte Defense konnte die Saints jedoch weiterhin kaum stoppen - New Orleans antwortete auf Sanders' 75-Yard-Touchdown mit einem 12-Play-Touchdown-Drive. Umso wichtiger war es, dass die Niners offensiv antworten konnten: Zunächst mit dem Trick-Play-Touchdown-Pass durch Sanders selbst - ein Play, das erst unter der Woche installiert wurde - dann mit dem finalen Drive vor der Halbzeitpause, der den Gästen die Führung zur Halbzeitpause bescherte; ein wichtiger psychologischer Fakt, wie Shanahan nach dem Spiel betonte.

Und auch bei diesem Drive griff Shanahan in die Trickkiste:

SPOXNFL Gamepass

Die hier dargestellte Szene war das Play direkt vor dem Touchdown-Run von Mostert, und es ist mit Sicherheit ein Play-Design, das man so nicht jede Woche sieht: Im Prinzip ist es ein Option Play mit Fullback Kyle Juszczyk als Option-"Quarterback".

Garoppolo nämlich übergibt den Ball direkt an seinen Fullback, mit dem Motion-Spieler von der anderen Seite als zusätzlicher Ablenkung für die Defense; ein Mittel, das San Francisco in dieser Partie mehrfach erfolgreich einsetzte.

Dabei ist New Orleans' bester Edge-Rusher Cam Jordan (roter Kreis) bewusst ungeblockt, das Play geht von ihm weg. Auch der Blitzer auf der anderen Seite hat keinen Gegenspieler - er ist stattdessen der Read-Spieler, den Juszczyk wie ein Quarterback beim Option-Play liest, um dann zu entscheiden, ob er den Ball zum Running Back pitcht oder ihn selbst behält. Das ist das "Option"-Element.

Der Edge-Blitzer dürfte kaum damit gerechnet haben, dass der Fullback hier diese Rolle hat; er konnte sich aber auch nicht richtig entscheiden, denn geht er stattdessen auf den Running Back im Backfield, ist Juszczyk selbst unterwegs, mit mehreren Blockern vor sich. Stattdessen hämmert er den Fullback in den Boden, der aber den Ball vorher auf Mostert ablegt. Das Resultat ist ein 18-Yard-Run bei Third Down, mit dem Touchdown direkt danach.

San Francisco gewinnt mit bewährten Mitteln

Neben all den Trick Plays waren es auch bewährte Shanahan-Play-Designs und -Konzepte, die San Francisco zum Sieg trugen. Play Action funktionierte von Anfang an sehr gut, Garoppolo brachte früh mehrere Bälle über die Mitte an und die Niners verzeichneten 14,3 Yards pro Play-Action-Pass - in Woche 14 waren unter Quarterbacks mit mindestens 9 Play-Action-Dropbacks nur Tannehill (19,7) und Drew Lock (16,3) besser.

Garoppolos 186 Play-Action-Passing-Yards waren der zweitbeste Wert nach Tannehill, zwei Touchdowns kamen so zustande. Und wie so häufig bei San Francisco ist das Geheimnis für das gute Play-Action-Passspiel die Tatsache, dass sich Run- und Play-Action-Designs sich, basierend primär auf dem Outside Zone Scheme, sehr ähneln.

Zwei Beispiele aus dem kurzen Touchdown-Drive nach dem Saints-Fumble im dritten Viertel unterstreichen das:

SPOXNFL Gamepass

Der erste Ausschnitt zeigt den 15-Yard-Pass auf Juszczyk beim ersten Niners-Play nach dem Fumble, der Wegbereiter für den Touchdown.

Es ist ein weiterer Play-Action-Pass, bei dem die Offensive Line zur Seite blockt und so der Edge-Verteidiger auf der - aus Sicht der Offense - linken Seite somit ungeblockt bleibt.

Diesen Edge-Verteidiger übernimmt scheinbar Juszczyk (Nummer 44, unterer Bildrand) als Backside-Pull-Blocker - doch genau das ist der Fake. Juszczyk ist, nachdem der gesamte Flow der Defense in Richtung des vermeintlichen Runs geht, völlig offen und holt ein einfaches First Down an der 5-Yard-Line raus. Teams "vergessen" gegen die 49ers regelmäßig Spieler in Coverage, diese Designs sind der Grund dafür.

Direkt daran anknüpfen kann man den anschließenden Touchdown:

SPOXNFL Gamepass

Es wird sofort klar, wenn man einfach nur die Designs der beiden Plays vergleicht, wie sehr sie sich ähneln. Dieses Mal ist allerdings Kittle der vermeintliche Backside-Blocker, mit Juszczyk auf der anderen Seite der Formation.

Und wieder beißt die Defense voll auf den Play-Action-Fake an, bewegt sich auf die "falsche" Seite und öffnet so der Offense die linke Seite des Feldes, wo Kittle unbedrängt den Ball fangen kann.

George Kittle und das große Finale

Garoppolo war insgesamt unheimlich gefährlich in der Mitte des Feldes, brachte hier alle sieben Passversuche über mindestens zehn Yards für 164 Yards und drei Touchdowns an. Dennoch brauchten die 49ers am Ende ein weiteres, finales Big Play, um dieses Spiel zu gewinnen, nachdem New Orleans mit unter einer Minute noch auf der Uhr abermals in Führung gegangen war.

Bei 4th&2 war das Stadion so laut wie an keinem anderen Punkt in diesem Spiel (127 Dezibel laut The Athletic), 39 Sekunden waren noch zu spielen. Die Niners brauchten noch über 30 Yards, um zumindest eine Chance auf das Game-Winning-Field-Goal zu haben.

Mit der Play-Clock schon fast bei Null angekommen gab es schließlich den Pfiff; Shanahan hatte eine Timeout genommen. "Das richtige Play" habe er callen wollen, wie er diese Szene nach der Partie kommentierte. San Francisco kam in einer anderen Formation aus der Auszeit, mit einem Play, das spezifisch auf die beste Waffe dieses Teams ausgerichtet war: George Kittle.

SPOXNFL Gamepass

Das Play trägt unter anderem die Bezeichnung "Y Choice", bedeutet: Der Tight End läuft eine Choice- oder Option-Route. Je nachdem, was der Verteidiger ihm gegenüber macht, kann er nach innen oder nach außen laufen. So sieht das Play aufgezeichnet im Playbook aus.

Der Tight End ist der Mittelpunkt dieses Spielzugs. Er steht hinten in der Bunch-Formation, bekommt also den freien Release. Die Corner- oder Go-Route des Receivers (in dem Fall kommt es nie zum Cut nach außen durch Receiver Kendrick Bourne) vor ihm dient als zusätzlicher Rub-Effekt und die Drag-Route des Receivers neben ihm zieht einen Verteidiger in die Mitte.

Das gibt Kittle nicht nur ein Eins-gegen-Eins-Duell mit viel Platz in beide Richtungen, sondern eben auch die Möglichkeit, seine Route anzupassen und so seine Explosivität noch besser auszunutzen. Die Saints haben Rookie-Safety Chauncey Gardner-Johnson gegen ihn gestellt, dessen Agilität hier ein Vorteil sein sollte. Gardner-Johnson ist auch in der Route halbwegs dran, beim Catch aber dennoch zu weit weg und Kittle ist auf und davon.

Ein 39-Yard-Raumgewinn mit zusätzlicher Facemask-Strafe gegen die Saints obendrauf. San Francisco stand innerhalb eines Plays an der 11-Yard-Line der Hausherren und Robbie Gould behielt mit ablaufender Uhr die Nerven. Ein irres Finish für ein irres Spiel.

Ein Sieg als Boost für das Selbstvertrauen

Es war ein Spiel mit Playoff-Charakter, und es gibt einem 49ers-Team, das derzeit fast Woche für Woche solche Spiele hat, zusätzliches Selbstvertrauen.

Das Selbstvertrauen, dass die eigene Offense einen Shootout gegen einen Hall-of-Fame-Quarterback und einen der besten offensiven Play-Caller der Liga gewinnen kann, wenn die eigene Defense überrannt wird. Diese Dinge sind schwer zu quantifizieren; eine solche Erfahrung kann aber womöglich den Unterschied ausmachen, dass man in einem Playoff-Spiel trotz frühem, deutlichen Rückstand nicht in Panik verfällt.

"Ich denke es gibt ihm jede Menge Selbstvertrauen", fuhr Sherman schließlich über Garoppolo fort, und adressierte weiter zum wiederholten Male die in seinen Augen unfairen Garoppolo-Kritiker: "Es ist ein Weckruf auch für sie und zeigt, was für ein Quarterback er in entscheidenden Momenten eines Spiels sein kann. Ich denke, dass es da viele Zweifler gab, und ich denke, dass er heute deren Fragen beantwortet hat."

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Packers, Cam Newton, Tannehill, Patriots-Defense - eure Fragen

Kevin Penning: Kyle Allen ist in meinen Augen nicht der Franchise-Quarterback, den Carolina sucht. Glaubst du immer noch, dass Cam getradet wird?

Das hängt extrem vom neuen Head Coach ab, und es wird spannend sein zu sehen, in welche Richtung vom generellen Ansatz her Carolina hier geht. Grundsätzlich würde ich mit Newton - sofern er körperlich bei 100 Prozent ist - nochmal in die kommende Saison gehen; mit einem Cap Hit von 21,1 Millionen Dollar wäre er im Positionsvergleich fast ein Schnäppchen.

Aber natürlich bringt auch das Schnäppchen nichts, wenn der neue Coach einen klassischen Dropback-Passer für seine Offense haben will. Umso mehr ist hier aber Geduld gefragt, und in dem Fall glaube ich den Aussagen von Teambesitzer David Tepper, der erklärte, dass eine Entscheidung erst getroffen wird wenn Newton wieder fit ist; diese Woche wird der 30-Jährige am Fuß operiert. Aus Panthers-Sicht macht es in beide Richtungen keinen Sinn, hier eine vorschnelle Entscheidung zu treffen.

Gleichzeitig wäre die spannende Anschlussfrage: Welchen Trade-Wert hätte Cam Newton? Denn wenn die Panthers ihn ohnehin maximal als Übergangslösung für ein Jahr sehen und einen großen Umbruch planen, wäre es vermutlich sinnvoller, bei einem potenziell lukrativen Trade-Angebot zuzuschlagen. So oder so glaube ich den Berichten, dass es eine Entlassung nicht geben wird. Das macht angesichts der Umstände in Carolina keinen Sinn und Ian Rapoport unterstrich das am Sonntag auch mit einem Bericht.

Mit dieser Ausgangslage können wir ein Team wie Tampa Bay quasi ausschließen - die Panthers werden Newton nicht innerhalb der eigenen Division traden. So wie Ryan Tannehill spielt, sehe ich auch die Titans nicht mehr als ernsthaften Kandidaten. Bei Denver, den Giants und Washington gehe ich davon aus, dass man den jungen Quarterbacks jetzt erstmal etwas Zeit gibt.

  • Chicago Bears: Überzeugen sich die Bears nach den zuletzt besseren Spielen nochmal von Trubisky? Oder holt man einen Quarterback, der mutmaßlich ein deutliches Upgrade bedeuten würde? Problem für die Bears: Chicago hat ohnehin kaum Draft-Picks und würde vermutlich nicht das beste Angebot abgeben können. Newton soll aber von den Bears angetan sein. Wenn Trubisky die Saison so abschließt, wie er seit etwa drei, vier Wochen spielt, vermute ich aber, dass Chicago ihm noch ein Jahr gibt und das geringe Draft-Kapital nicht in einen neuen Quarterback investiert.
  • Los Angeles Chargers: Sollte es das letzte Jahr für Philip Rivers sein, könnten die Chargers - vorausgesetzt Anthony Lynn bleibt der Head Coach - in eine andere Richtung gehen. Vielleicht gibt es eine Offense, die mehr um einen mobilen Quarterback aufgebaut ist; und ein Cam Newton als Zugpferd für den Umzug in das neue, große Stadion der Rams wäre auch aus der Sicht nicht die blödeste Idee.
  • Oakland Raiders: Eine Wildcard auf der Quarterback-Position. Nach der ersten Saisonhälfte von Derek Carr dachte ich schon, dass er sich noch ein Jahr Zeit erspielt hat; seitdem ist er aber einfach deutlich in alte Muster zurückgefallen. Die Raiders ziehen nach Las Vegas um, will Gruden das vielleicht mit einem Knall machen? Oder bleibt Carr doch noch ein Jahr, während man einen jungen Quarterback dahinter ranführt? Die Raiders, mit zwei Erst- und drei Drittrunden-Picks, hätten in jedem Fall die Munition.

JanH: Was stimmt in Green Bays Passing-Offense nicht?

Definitiv mehrere Faktoren, die hier zusammenspielen. Wenn man es einigermaßen auf den Punkt bringt:

  1. Aaron Rodgers: Auch wenn es über einige Spiele früh in der Saison so aussah, als könnte Rodgers unter Matt LaFleur nochmal die Uhr etwas zurückdrehen, so muss man inzwischen festhalten: Die alten Probleme bleiben ein Thema. Rodgers' Accuracy ist wackliger geworden, er ignoriert - ja, teilweise bedingt durch Play-Designs, die seine Tendenzen unterstreichen, doch längst nicht nur - zu häufig die Mitte des Feldes und geht so auch zu wenige Risiken ein. Er zögert, er kassiert Sacks oder wirft den Ball weg statt enge Fenster zu attackieren. Das führt zu wenigen Turnovern, er lässt aber dadurch auch zu viele Möglichkeiten ungenutzt. Und in Kombination mit der Tatsache, dass er häufiger als früher offene Receiver oder kurze Pässe verfehlt, führt das zu einem Passspiel, bei dem man häufig den Eindruck hat, dass Sand im Getriebe ist.
  2. Die Waffen: Konkret gemeint ist Wide Receiver. Hier müssen die Packers dringend nachrüsten; wenn es nicht einzelne Ausreißer-Spiele wie das von Allen Lazard gegen die Giants in der Vorwoche gibt, gibt es zu häufig zu wenig außerhalb von Davante Adams. Adams ist eine sehr gute Nummer-1-Option, doch natürlich fokussieren sich Defenses dementsprechend auch auf ihn. Und trotz erhöhter Aufmerksamkeit haben wir es jetzt auch mehrfach gesehen, dass Rodgers sich im Laufe eines Spiels auf Adams etwas einschießen kann und dann gelegentlich den Ball auch in seine Richtung erzwingen will.
  3. Das Scheme: Der Part knüpft nochmals an den Rodgers-Part an. Die Offense von Matt LaFleur arbeitet sehr intensiv mit kurzen Routes der Tight Ends und Running Backs im Passspiel - daran ist per se nichts falsch, im Gegenteil, so kann man eine vielleicht unspektakuläre, aber beständige Offense produzieren. Dieser Ansatz verlangt allerdings eine konstant hohe Präzision vom Quarterback - welche Green Bay derzeit eben nicht hat. Der Spielraum für Fehler ist minimiert. Dazu kommen andere Details, wie etwa die Tatsache, dass die Packers für meinen Geschmack gerade auch im Kontext dieser Offense deutlich zu wenig mit Play Action arbeiten und das Play-Calling sowie die In-Game-Entscheidungen häufig doch sehr konservativ sind.

Die Packers haben offensiv eigentlich genügend Bausteine, dass die Offense besser aussehen sollte als es aktuell der Fall ist. Das lässt einerseits darauf schließen, dass die Bausteine womöglich nicht richtig eingesetzt werden, andererseits aber auch darauf, dass die abgerufene Leistung nicht mit dem Potenzial übereinstimmt.

Letztes ist für mich definitiv der Fall. Rodgers hat in zu vielen Spielen dieses Jahr nicht gut gespielt, und spezifisch die Schwachstellen, die Rodgers an den Tag legt, setzen zusätzlich direkt an den ohnehin vorhandenen Problemzonen weiter an und maximieren diese zusätzlich.

Die Summe der negativen Einzelteile wird somit gewissermaßen größer als die einzelnen Problemzonen, würde man sie im Vakuum addieren.

GermanDraftNerd93 und Leif: Kann man die Texans als Contender überhaupt ernst nehmen? Wenn man an O'Brien in den Playoffs und solche Auftritte denkt? Was war los bei den Texans gegen Denver?

Auch wenn der Auftritt gegen ein bestenfalls durchschnittliches Broncos-Team zunächst einmal indiskutabel schlecht war: Ich würde es nicht überbewerten, genauso wie man den eindrucksvollen Sieg gegen die Patriots in der Woche davor nicht überbewerten sollte. Abgesehen von den Ravens, die für mich derzeit das klar beste Team der Liga sind, hatte jedes Team über die letzten fünf, sechs Wochen schlechte Spiele, knappe Siege oder Niederlagen und durchwachsene Auftritte.

Zugegeben, die mutmaßlichen Playoff-Schwergewichte hatten keines vom Ausmaß der ersten Hälfte der Texans gegen Denver. Aber ich sehe Houston trotzdem noch als Top-4-Team in der AFC und traue Stand heute den Texans definitiv einen Sieg über die Patriots - das hatten wir ja gerade - oder auch die Chiefs, die selbst offensiv alles andere als gefestigt wirken, zu.

Insofern: Ja, Houston ist weiterhin ein AFC-Titelanwärter. Auch wenn ich Baltimore in der Conference klar vor dem Rest sehe. Unbestreitbar ist aber auch, dass die Texans weniger Spielraum für Fehler haben; dafür ist die Pass-Defense weiterhin zu wacklig und die Offense zu sehr davon abhängig, dass die Line standhält, dass Watson den Ball einigermaßen zügig loswird und dass ein Spieler wie Will Fuller, mit dem es schlicht eine andere Offense ist, auch wirklich fit ist - was einfach zu selten der Fall ist. Auch gegen Denver bemerkte man Fullers Abwesenheit deutlich.

Johnny F.: Was haben sie in Tennessee mit Tannehill gemacht? Er sieht aus wie ein Franchise-Quarterback, sollten sie ihn resignen?

Was Tannehill aktuell spielt ist ohne Frage beeindruckend. Und trotzdem bin ich kein Fan davon, dass die Titans jetzt Berichten zufolge an einem Vertrag über mehrere Jahre mit Tannehill arbeiten. Warum? Ich glaube nicht, dass wir gerade einen "neuen Ryan Tannehill" sehen, dessen aktuelle Leistungen sich über ein, zwei Jahre konservieren lassen.

Vielmehr sind es einige Extreme, die gerade gut funktionieren. Tannehill trifft viele enge Fenster, er ist unheimlich gefährlich gegen den Blitz, er ist gut in der Red Zone und er liefert konstant jede Woche Big Plays, auch weil er viel mit hoher Target-Tiefe in enge Fenster trifft. Bei vielen dieser Aspekte ist es schwierig, sie konstant auf diesem hohen Level abzurufen - und wir haben bei Tannehill einfach sehr viel NFL-Tape und wir haben ihn lange genug in der NFL gesehen, um zu dem Schluss zu kommen, dass er dieses Level nicht über einen längeren Zeitraum halten wird.

Das bedeutet nicht, dass er plötzlich von einem auf den anderen Tag schlecht sein wird und ja, einige der Dolphins-Teams für die er gespielt hat waren offensiv nicht gerade furchteinflößend. Gleichzeitig ist es allerdings auch nicht so, dass er in Tennessee in die Quarterback-freundlichste Offense mit einer Top-5-O-Line und den gefährlichsten Receivern der Liga rein gerutscht ist.

Diese Tatsache macht seine Leistungen einerseits umso bemerkenswerter, andererseits ist es kein Fall eines Spielers, der einfach unter deutlich besseren Umständen aufblüht und jetzt die nächsten Jahre so weiterspielen wird. Tannehill ist eine sehr gute Übergangslösung und aktuell spielt er wie ein Top-10-Quarterback, der er aber nicht über einen Sommer geworden ist. Das ist jedenfalls meine Meinung.

Der Rückschritt wird also unweigerlich folgen. Ich habe absolut kein Problem damit, wenn die Titans 2020 mit Tannehill als Starter in die Saison gehen. Ich würde das allerdings über den Franchise Tag machen, und dahinter eine langfristige Lösung aufbauen. Ich sehe Tannehill nicht als Starter über mehrere Jahre.

ollinho09: War die Patriots-Defense zu Beginn nur auf Grund des Schedules so dominant, oder würden sie "entschlüsselt"?

Der ausgesprochen einfache Schedule zu Saisonbeginn half natürlich, trotzdem erklärt das alleine nicht die Tatsache, dass New Englands Defense auf historischem Kurs war. Es bringt allerdings sehr gut auf den Punkt, wie wir Defenses in der heutigen NFL bewerten und gewichten sollten, wenn wir von der Gesamtstärke eines Teams sprechen und auch wenn es um Roster-Building geht.

1. Punkt: Eine dominante Defense kann ein Team zu Siegen tragen - solange es gegen schwächere Offense geht. Das klingt erst einmal selbsterklärend, ist aber keineswegs vorauszusetzen. New Englands Defense über die ersten Wochen der Saison war absolut dominant und war der maßgebliche Faktor für mehrere Patriots-Siege; auch gegen schlechte Gegner schaffen das längst nicht alle vermeintlich guten Defenses.

2. Punkt: Direkt anknüpfend daran muss man festhalten, dass eine Defense eben auch von der Qualität der gegnerischen Offense abhängig ist. Eine sehr gute Defense wird eine sehr gute Offense nicht ausschalten. Sie wird ihr das Leben schwer machen, aber defensive Dominanz von Woche zu Woche ist unheimlich schwierig aufrecht zu erhalten und stark von der Qualität der gegnerischen Offense abhängig. Die Spiele gegen Houston und Baltimore haben das aus Patriots-Sicht unterstrichen.

3. Punkt: Trotzdem ist New Englands Defense weiterhin sehr, sehr gut und wenn ich mir eine Pass-Defense in der NFL aktuell aussuchen dürfte, würde ich die der Pats oder der Ravens nehmen. Keine andere. Auch das Spiel gegen die Chiefs war in der Summe stark: Mahomes hatte den langen Touchdown-Pass auf Mecole Hardman, ansonsten aber hatte auch die Chiefs-Offense über weite Strecken große Probleme und konnte in der zweiten Hälfte nach dem Field-Goal-Drive zu Beginn bei vier Anläufen (3&Out mit geblocktem Punt; Fumble; 3&Out; 3&Out) nicht nur keinen Deckel auf diese Partie machen, sondern nicht einmal ernsthaft Zeit von der Uhr nehmen.

Die Patriots-Defense hielt New England auch in dieser Partie im Spiel, das ist der eine Takeaway. Der andere Takeaway ist, dass selbst die beste Pass-Defense in der NFL gegen eine starke Offense ein paar kritische Plays zulassen wird.

Deshalb würde ich in aller Regel, wenn eine Elite-Offense auf eine Elite-Defense trifft, unter dem Strich den Vorteil bei der Offense sehen, und auch im Vakuum meinen Kader mit dem entsprechenden Fokus auf die Offense aufbauen. Deshalb glaube ich auch, dass die Patriots dieses Jahr auch in den Playoffs ein maximal unangenehmer Gegner sind, ohne signifikante Steigerung der Offense aber letztlich keine Rolle Richtung Super Bowl spielen werden.

Lukas: Wie stehst du zu einer eventuellen Änderung des Playoff-Systems?

Wahrscheinlich konservativer als die meisten der Änderungsvorschläge, die ich über die vergangenen Tage so gesehen habe. Ich würde das Playoff-Feld nicht erweitern, sechs Teams pro Conference finde ich genau richtig. Genug Teams, um mehrere kompetitive und packende Playoff-Spiele zu ermöglichen und gerade so nicht zu viele Teams.

Ich würde auch weiterhin Division-Siegern einen Playoff-Platz garantieren. Die besondere Stellung der Division sollte definitiv beibehalten werden, ein Division-Titel sollte für eine Playoff-Teilnahme qualifizieren. Dafür bin ich auch gewillt, immer wieder mal einen schlechten Division-Sieger in der Postseason zu akzeptieren.

Was ich allerdings ändern würde ist das Heimrecht für Division-Sieger. Hier würde ich in der Wildcard-Runde was das Heimrecht angeht nach der Bilanz gehen. Das konkrete Beispiel dieses Jahr - dass die Cowboys ein Heimspiel gegen Seattle oder San Francisco haben könnten - ist absurd und gibt dem Division-Titel wiederum zu viel Gewicht. Kurz gesagt, gewinnt Dallas die Division, ist ein Playoff-Spiel in Ordnung. Aber Dallas - genauso wenig wie Philly - hat sich ein Playoff-Heimspiel dieses Jahr nicht verdient.