Den ersten Schock der Partie gab es für Kansas City bereits eine Stunde vor Kick-Off: Defensive Tackle Chris Jones (Wade) konnte nicht spielen, den Chiefs fehlte damit der individuell dominanteste Verteidiger in dieser Defense. Doch ohnehin nichts konnte Chiefs-Fans auf das vorbereiten, was sie im ersten Viertel auf dem Feld sehen sollten.
Man wurde unweigerlich an das Ravens-Spiel am Vorabend erinnert. Die Chiefs-Offense verzeichnete im ersten Viertel alleine mindestens vier Drops, und das waren noch die kleinsten Konzentrationsprobleme für KC. Da war der Coverage-Bust, der einen komplett offenen 54-Yard-Touchdown von Kenny Stills beim ersten Texans-Drive ermöglichte.
Da war der Protection-Bust nach Kansas Citys erstem Drive, welcher in einem zum Touchdown geblockten Punt resultierte. Oder Tyreek Hills Muffed Punt wenig später, welchen Houston zwei Plays später mit dem nächsten Touchdown bestrafte. Die Texans hatten gar nicht viel selbst zeigen müssen und führten nach dem ersten Viertel 21:0, vor komplett geschockten Chiefs-Fans.
Doch was dann passierte, ist in Worten kaum zu beschreiben.
Es fing an mit einer bereits in diesem Moment fragwürdigen Entscheidung von Bill O'Brien: Bei 4th&1 bereits kurz vor der Chiefs-Endzone ging er auf das Field Goal statt auf den Touchdown; mit dem folgenden langen Return von Hardman sowie einem Pass von Mahomes (23/35, 321 YDS, 5 TD; 7 ATT, 53 YDS) auf Kelce waren diese drei Punkte auch schon wieder ausradiert. KC stoppte dort aber nicht, ein 17-Yard-Touchdown brachte die Hausherren schließlich doch aufs Scoreboard.
Die irre Chiefs-Aufholjagd gegen Houston
Damit war eine unfassbare Aufholjagd eröffnet. Mahomes war jetzt komplett im Tunnel, währen die Texans bei Fourth Down in der eigenen Hälfte plötzlich doch aggressiv wurden - doch der Fake Punt klappte nicht. Das führte zum nächsten Touchdown für Mahomes, gefolgt von Nummer 3, dieses Mal nachdem die Texans beim anschließenden Kick-Off den Ball verloren.
Auch von Watson (31/52, 388 YDS, 2 TD; 6 ATT, 37 YDS, TD) und der Texans-Offense kam längst keinerlei Entlastung mehr, sodass das Spiel endgültig kippte: Mahomes fand mit einem spektakulären Play ein drittes Mal Kelce in der Endzone. Die Partie war noch vor der Halbzeitpause gedreht.
Und so ging es dann auch weiter. Die Chiefs hielten den Fuß auf dem Gaspedal und bauten ihre Führung mit Big Play auf Big Play aus, als Houston dann spät im dritten Viertel endlich offensiv wieder ein Lebenszeichen von sich geben konnte, nach sechs (!) Chiefs-Touchdowns ohne Texans-Score in Serie, kam KC direkt zurück und antwortete mit einem weiteren blitzartigen Touchdown-Drive.
Es war, nach dem extrem schlechten Start, eine Machtdemonstration der Chiefs-Offense; Houston konnte trotz der glänzenden Ausgangslage dieses Spiel nicht einmal bis Mitte des zweiten Viertels wirklich deutlich halten. Der 51:7-Run für die Chiefs war etwas, über das man in Kansas City noch eine ganze Weile lang sprechen wird. Zunächst aber steigt das AFC Championship Game in Arrowhead, wo die Chiefs die Tennessee Titans empfangen!
No. 2 Kansas City Chiefs - No. 4 Houston Texans
Ergebnis: 51:31 (0:21, 28:3, 13:7, 10:0) BOXSCORE
Chiefs vs. Texans - die wichtigsten Statistiken
- Patrick Mahomes ist der erste Spieler aller Zeiten mit über 300 Passing-Yards, mindestens fünf Passing-Touchdowns und über 50 Rushing-Yards in einem Playoff-Spiel.
- Kansas Citys Pass-Rush war ein echtes Problem für die hier abermals wackligen Texans. KC hatte vier Sacks und setzte Watson mehrfach unter Druck, Watson hielt den Ball wieder häufig zu lange und hatte womöglich Probleme mit den Coverages der Chiefs.
- Laut ESPN Stats&Info hatten die Chiefs offensiv vier Drops im ersten Viertel - und damit genau so viele wie in den sechs vorherigen Spielen zusammengerechnet.
- Das hinderte KC jedoch nicht daran, das größte Comeback in der eigenen Geschichte hinzulegen: Bisher lag die Franchise-Bestmarke bei 21 aufgeholten Punkten, den 24-Punkte-Rückstand gegen Houston hatten sie bereits zur Halbzeitpause aufgeholt. Dieses Kunststück - nach einem Rückstand von 24 Punkten oder mehr bereits zur Halbzeitpause wieder zu führen - hatte noch nie ein Team in der gesamten NFL-Geschichte geschafft. Die Chiefs sind das erste Team aller Zeiten, das mit 20 Punkten Vorsprung in den Playoffs gewinnt, nachdem man mit mindestens 20 Punkten hinten gelegen hatte.
- Travis Kelce ist der erste Chiefs-Spieler aller Zeiten mit drei Receiving-Touchdowns in einem einzigen Playoff-Viertel. Nur 15 andere Spieler haben in der gesamten NFL-Geschichte drei Touchdown-Catches in einem Playoff-Spiel verzeichnet.
Der Star des Spiels: Patrick Mahomes (QB, Chiefs)
Nicht wirklich eine schwierige Wahl hier. Man könnte sehr gut argumentieren, dass das Spiel gar nicht erst so deutlich zugunsten der Texans gestartet wäre, hätten Kansas Citys Receiver im ersten Viertel nicht einen Ball nach dem anderen fallen gelassen. Diese Chiefs-Offense kann jederzeit Big Plays auflegen, was Mahomes an Pässen auch in die enge Man Coverage feuerte und zusätzlich mit Scrambles anrichtete, war nichts anderes als spektakulär.
Flop des Spiels: Bill O'Brien (Head Coach Texans)
Der erste Drive war vielversprechend - doch ansonsten? Kansas Citys Fehler servierten Houston eine 21-Punkte-Führung auf dem Silbertablett - und statt den Fuß auf dem Gaspedal zu halten, wurde O'Brien dann beim 4th&1 an der gegnerischen 13-Yard-Line ängstlich und ging aufs Field Goal. Diese Entscheidung in Kombination mit dem Fake Punt waren zwei Punkte, die das Spiel kippen ließen. Dass er dann im Laufe der zweiten Hälfte trotz klarem Rückstand immer wieder zum Run Game zurückging, nachdem er gerade gesehen hatte, wie Kansas City durch die Luft komplett eskaliert war, machte wenig Sinn. Genau wie die Tatsache, dass sie offensichtlich nicht darauf vorbereitet waren, das Fourth Down früh im vierten Viertel auszuspielen und so eine Timeout verschwendeten.
Analyse: Chiefs vs. Texans - die Taktiktafel
- Wie Kansas City in dieses Spiel zurückkam war absolut eindrucksvoll. Die Chiefs ignorierten das Run Game bis ins vierte Viertel bisweilen komplett, und nachdem die Receiver die Drops abstellen konnten, hatte Houston keine Antworten auf das Passspiel, ob im Kurzpassspiel, Downfield, Per Play Action oder Run Pass Option. Die Chiefs konnten auch fast nach Belieben ins vertikale Passspiel gehen.
- Dabei half es Mahomes, dass er häufig klare Matchups bekam. Es stimmt zwar, dass KC generell gegen Zone Coverage noch gefährlicher spielt als gegen Man - um Man Coverage zu spielen braucht man allerdings das entsprechende Cover-Talent sowie verschiedene Disguise-Ideen, um Mahomes aus dem Rhythmus zu bringen.
- Die Texans hatten von beidem zu wenig. Houston spielte viel Man Coverage mit einem freien Verteidiger, und doppelte dann entweder Hill (insbesondere bei längeren Third Downs) oder Kelce. Doch gerade Kelce ließ sich auch von doppelter Deckung nicht beirren und fing mehrere Bälle gegen Double Coverage, gleichzeitig hatte Houston keinen Plan B und keine Ideen, um Mahomes' Scrambles gegen die Man Coverage zu unterbinden.
- Die Texans hatten offensiv zunächst einige Ideen, wie sie auf verschiedene Reaktionen der Chiefs-Defense reagieren und bestimmte Dinge vorbereiten wollten. Ein Bubble Screen früh, dann darauf aufbauend der Screen-and-Go bei Stills' langem Touchdown. Wenn Kansas City dann mit zwei tiefen Safeties reagierte, um die Big Plays weg zu nehmen, ließ Houston seine schnellen Receiver kurze Curl-Routes laufen und so die Räume in den Underneath-Zones ausnutzen.