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Third and Long: Der Wahnsinn von Kansas City - und die Packers in Topform

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt in seiner wöchentlichen Kolumne zurück auf die Divisional-Runde.
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Die Packers-Offense: LaFleur und Rodgers in Bestform

Ich gebe es offen zu, diese Packers-Offense hatte mir im Vorfeld der Playoffs Bauchschmerzen bereitet. Im letzten Drittel der Regular Season gab es ein gutes Spiel in Minnesota und das Giants-Spiel, aber ansonsten?

Weder gegen Washington, noch gegen Chicago und erst recht nicht gegen die Überreste der Lions in Woche 17 bekleckerte man sich mit Ruhm. Gegen die 49ers in Woche 12 war man sang- und klanglos untergegangen. Head Coach Matt LaFleur hatte in dieser Phase nicht seine besten Spiele, Aaron Rodgers' Accuracy und Reads wackelten bedenklich und während gleichzeitig die Defense inkonstanter auftrat, bekam man nicht den Eindruck, dass die Offense das Team tragen kann.

Umso besser ist die Nachricht nach dem Seahawks-Spiel: Rodgers und LaFleur hatten jeweils eines ihrer besten Spiele dieser Saison!

Ob das jetzt eine Trendwende ist? Das wird sich zeigen, die Packers hatten ihr schlechtestes Offense-Spiel (und vermutlich Spiel insgesamt) in jenem Woche-12-Duell in San Francisco. Doch bis dahin war ich vor allem äußerst positiv überrascht und phasenweise begeistert von dem, was das Tape der Packers-Offense zeigte.

Bakhtiari: Rodgers? "Hoffe, die Leute zweifeln weiter an ihm"

"Es war unser letztes Heimspiel für diese Saison, und wir haben so eine besondere Beziehung zu unseren Fans", gab sich Rodgers nach der Partie schon fast überraschend emotional. "Die Jungs, die schon anderswo gespielt haben, wissen, wie besonders es hier ist - es ist eine andere Verbindung. Es gibt keinen Teambesitzer, tausende Leute haben einen Anteil. Aber die Leute haben das Gefühl, dass sie in uns investiert haben. Und sie sind über zwei schwierige Jahre an unserer Seite geblieben."

Rodgers war nahezu perfekt aus einer sauberen Pocket - und die hatte er hinter einer der besten Offensive Lines der Liga regelmäßig. Nur bei neun von 30 Dropbacks konnten die Seahawks ihn unter Druck setzen; ohne Druck brachte Rodgers 73 Prozent seiner Pässe für 10,9 (!) Yards pro Pass an und warf beide Touchdowns.

Für einige in Green Bay war der wirklich gute Auftritt des 36-Jährigen Grund genug, die Rodgers-Kritiker zu adressieren. "Ich bitte euch, macht einfach so weiter", forderte Left Tackle David Bakhtiari. "Ich hoffe, dass die Leute weiter an ihm zweifeln. Wenn du einen großartigen Spieler hast, und der dann noch das Gefühl hat, dass er etwas beweisen muss - das ist brandgefährlich."

Weiter fügte Bakhtiari hinzu: "Ich meine, ihr kennt ihn doch. Ihr wisst, zu was er in der Lage ist. Als ich gesehen habe, wie er früh im Spiel diese Plays aufgelegt hat, habe ich mir gesagt: 'Jap, das wird eines dieser Spiele. Er wird den Blitz erkennen und die Löcher in der Coverage finden.' Und wenn das passiert - viel Glück."

Packers: Play Action Passspiel exzellent choreografiert

Man könnte an dieser Stelle kurz einhaken und erwidern, dass Rodgers eben dieses "wozu er in der Lage ist" über die letzten Jahre zu selten abgerufen hat. Gegen Seattle war das anders, und das lag maßgeblich auch am Game Plan und an den Play-Designs von LaFleur. Der gesamte Game Plan war unheimlich in sich stimmig und gut aufeinander aufbauend, das wurde vom ersten Drive an deutlich.

Um zu verdeutlichen, wie die Plays aufeinander aufbauen und wie LaFleur Rodgers offene und möglichst einfache Würfe kreierte, habe ich drei exemplarische Szenen ausgesucht - es hätte noch viel, viel mehr Material dafür gegeben.

Das hier war das erste Play from Scrimmage am Sonntagabend, und es ist wichtig, um die Formationen und Play-Designs zu verstehen, auf denen die Offense basiert. Matt LaFleur stammt aus der Shanahan-Schule, und genau wie auch bei Sean McVay ist das Outside Zone Run Game der Ausgangspunkt für viele Designs.

Kurz zusammengefasst: Die Bewegung der Offensive Line im Zone Blocking lässt sich exzellent auch im Play Action Passspiel für Rollouts verwenden, und so entstehen sehr effiziente weil sehr schwer lesbare Run Fakes. Auch der Motion-Spieler zur Backside des vermeintlichen Runs (Adams, blauer Laufweg, beschäftigt so den blau markierten Backside-Verteidiger) wurde ein Thema, das Green Bay früh einführte und dann immer wieder in verschiedenen Kombinationen nutzte.

Vor allem Rollouts lassen sich mit dem Outside Zone Blocking exzellent kombinieren. Das war generell ein Trend, drei der vier Quarterbacks, die in der Divisional-Runde gewonnen haben, haben in ihrem Spiel am Wochenende über 36% Play Action gespielt. Rodgers war dabei einer der gefährlichsten Quarterbacks, seine Yards pro Pass gingen bei Play Action um 4,5 hoch, Rodgers legte 118 Yards und einen Touchdown allein via Play Action auf.

Und es wurde schnell deutlich, wie Green Bay Plays kombinierte.

Die hier gezeigte Szene macht das überdeutlich. Es ist der Play Action Pass kurz vor Ende des ersten Viertels - und es sind ganz ähnliche Strukturen: Zone-Blocking, der Spieler der sich hinter der Formation in die entgegengesetzte Richtung bewegt, der vertikale Laufweg des isolierten Receivers, der weg von der Formation steht.

Nur dieses Mal täuscht Rodgers die Ballübergabe an und rollt dann auf seine linke Seite aus der Pocket, wo die Crossing-Routes dann hinlaufen. Green Bay hat auch noch ein zusätzliches Element eingebaut, mit dem Tight End, der erst nach innen blockt und sich dann in eine kurze Comeback-Route zurück ins Zentrum löst.

Der übergreifende Name für diese Art Play-Design ist "Waggle": Waggle entstammt der alten und noch immer einflussreichen Wing-T-Offense (hier gibt's mehr Infos, wer sich dazu weiter einlesen will) und im Kern geht es darum: Basierend auf den Run Formationen nach außen den Quarterback in die entgegengesetzte Richtung rausrollen und dann mehrere Crossing-Routes auf die Rollout-Seite laufen lassen.

Ursprünglich aufbauend auf einem Power Blocking Scheme, gibt es schon seit einer Weile Offenses, die Waggle auf dem Outside Zone Run Game aufbauen.

Um zu unterstreichen, wie die Packers daran festhielten - das hier war direkt das nächste Play:

Wieder haben wir eine tiefere und eine kurze Crossing-Route, um Rodgers zwei Optionen nach seinem Rollout auf seiner Seite zu geben. Doch statt das mit der vertikalen Route zu kombinieren, setzt sich der Motion-Spieler dieses Mal in Richtung des Run Fakes in Bewegung.

Diese Ghost Motion hilft als zusätzliche Ablenkung für die Defense dabei, dass Adams - der sich dann entgegen der Motion hinter der Line of Scrimmage bewegt, in der Flat komplett offen ist. Der Defensive Back auf der Seite macht erst einige Schritte nach innen, dann kommt Adams mit Tempo auf ihn zu, und er muss die Richtung ändern.

Gute Route-Kombinationen - Revanche in San Francisco?

Das Outside Zone Blocking in Kombination mit darauf aufbauenden Passing Designs war ein ganz elementarer Schlüssel zu Green Bays Sieg. Auch der 40-Yard-Touchdown von Adams baute ganz direkt darauf auf.

Ein anderer war die Tatsache, dass Rodgers mehrere kritische Pässe in enge Fenster eindrucksvoll anbrachte. Er musste nur wenige enge Fenster treffen, wenn er es musste, saßen die Pässe aber. LaFleurs Ideen griffen und Rodgers konnte darüber hinaus Plays kreieren. Das war der Schlüssel zu einer der besten Offense-Leistungen der Packers in dieser Saison.

Und Green Bay zeigte auch sehr gute Route Designs, gleich der erste Touchdown der Partie wäre hierfür das Musterbeispiel:

Die Packers täuschen ein Pick Play an, womöglich eine Slant-Flat-Kombination. Was dann passiert ist ein bisschen offen für Interpretation, da wir die Coverage-Regeln der Seahawks nicht sicher kennen. In jedem Fall aber ist zu sehen, dass der Slot-Verteidiger nach außen und der Outside-Corner nach innen arbeitet - beide aber sichtbar auf dem falschen Fuß erwischt, als sie realisieren, dass die Routes nicht wie erwartet verlaufen.

Woran man das sieht? Der Slot-Verteidiger hält die Augen auf dem Slot-Receiver auch nachdem er nach außen gezogen ist, und Flowers, der zunächst außen postiert war und erst denkt, dass er Adams bei einer Slant-Route nach innen verfolgen muss, zieht zurück und verteidigt nach hinten, noch bevor Rodgers zum Release ansetzt. Eine simple Idee, die aber die Zuteilungen in der Defense kräftig durcheinanderwirbeln kann.

Sogar die "Aaron Rodgers ändert zu viele Plays"-Debatte hätte nach dem Spiel ein Thema sein können. "Ja, das war ein Audible", verriet LaFleur im Gespräch mit Michael Silver mit Blick auf das erste kritische Third Down beim letzten Drive mit 2:19 auf der Uhr von der eigenen 22-Yard-Line. Rodgers war etwas aufgefallen und er hatte Adams' Route geändert - aus dem 3x1-Set zu seiner rechten Seite brach Adams die Slant kurzerhand ab und wandelte sie in eine Fade Route um.

Rodgers hatte das Spiel damit in seine Hände gelegt und musste einen extrem schwierigen Pass anbringen - und der saß. "Ich wusste es nicht, bis der Ball in der Luft war", führte LaFleur weiter aus. Und lobte: "Das war ein fantastischer Call von Aaron. Ich hatte einen schnellen Pass gecalled, er sah die Man Coverage und änderte es in den darauf aufbauenden Double-Move. Wir hatten auf die Art vor zwei Wochen gegen Detroit schon einen Touchdown erzielt. Und das ist so fantastisch bei einem Spieler wie ihm: Er sieht und erkennt so viel und ich vertraue ihm komplett, dass er die richtige Entscheidung trifft."

Jetzt wartet die wiedererstarkte 49ers-Defense, die Green Bay vor einigen Wochen verprügelte und die Packers-Offense zu ihrer schlechtesten Saisonleistung gebracht hatte. "Sie haben uns damals blamiert", weiß auch LaFleur, und San Francisco ist ohne Frage der Favorit.

Doch wenn Green Bay nochmal LaFleur und Rodgers in Topform bekommt, ist mit diesem Packers-Team nicht zu spaßen.