Das spricht für Jordan Love: Die Packers beweisen Weitsicht
Die Packers schockten die Footballwelt am ersten Draft-Abend 2020. Nicht nur zogen sie in Runde 1 Quarterback Jordan Love, sie tradeten für ihn auch noch hoch: Green Bay schickte die Picks 30 (1. Runde) und 136 (4. Runde) zu den Miami Dolphins und erhielt dafür den 26. Pick im Draft. Damit zog das Team Jordan Love, den vielleicht kontroversesten QB der Klasse von 2020.
Doch was motivierte den vierfachen Champion zu diesem Schritt? In erster Linie sicherlich das enorme Potenzial, das Love mitbringt. Jim Nagy, einer der Ausrichter des alljährlichen Senior Bowls in Mobile/Alabama, verglich ihn im Frühjahr unverblümt mit Superstar und Super-Bowl-MVP Patrick Mahomes.
Gleichzeitig könnte Love aber auch zum kompletten Reinfall werden. Schließlich ist er ein Quarterback, der gute athletische Fähigkeiten mitbringt, aber noch sehr roh ist und sicher noch einige Jahre lernen muss, ehe er vielleicht ein Faktor werden kann in der NFL.
Darin aber liegt auch die große Chance für die Packers. Deren Überlegung wird es gewesen sein, Love jetzt zu holen und ihn ein paar Jahre hinter Superstar Aaron Rodgers auf die Bank zu setzen. Von jenem könnte er sich so einiges abschauen, und von der Athletik her sind beide sich gar nicht mal so unähnlich. Der gravierendste Unterschied liegt jedoch auf der Hand: Rodgers ist einer der präzisesten Quarterbacks in der Geschichte der Liga. Kaum einer hat eine geringere Fehlerquote als er, niemand wirft seltener Interceptions - Rodgers' Interception-Quote von 1,4 Prozent ist der beste Wert in der Geschichte der NFL. Love dagegen hat gerade in der Saison 2019 viel zu häufig Pässe geworfen, die beim Gegner hätten landen können oder tatsächlich zu Interceptions (17) wurden.
Green Bay Packers: Ist Jordan Love der nächste Brett Favre?
Nagy wischte diese Bedenken damals beiseite mit den Worten: "Er hat ein bisschen was von einem Gunslinger. Aber Sie können einem Burschen so etwas im Training immer austreiben. Das ist leichter, als es ihm beizubringen." Packers-Ikone Brett Favre etwa war auch als "Gunslinger" bekannt ...
Was vor allem für diesen in jedem Fall riskanten Pick spricht, ist, dass die Packers damit eine gewisse Weitsicht an den Tag legen. Sie wissen, dass Aaron Rodgers nicht mehr ewig der Quarterback dieses Teams sein wird. Rodgers wird im Dezember 37 Jahre alt und zeigt seit 2015 bereits einen merklichen Rückgang seines Leistungsniveaus, was sich auch im Jahr 2019 fortsetzte und vermutlich nicht mehr großartig in die andere Richtung umschwenken wird.
Die Packers sehen also selbst, dass Rodgers womöglich dem Ende näher ist als viele das bislang geglaubt haben. Und diese Weitsicht legten sie bekanntlich schon einmal an den Tag. 2005 nämlich zogen sie an ähnlicher Stelle (24. Pick) Aaron Rodgers, als Ikone Brett Favre, damals 35 Jahre alt, noch recht gut im Saft stand. Rodgers drückte drei Jahre lang die Bank, ehe er für den kurzzeitig zurückgetretenen Favre übernahm. Anschließend kam es zum unschönen Ende mit Favres Trade zu den Jets, der Erfolg mit Rodgers in den folgenden Jahren sprach jedoch für sich.
Vom Zeitfenster her könnte es nun ähnlich laufen für die Packers. Rodgers' massive Vertragsverlängerung über vier Jahre und 134 Millionen Dollar greift zur neuen Saison 2020. Frühestens 2022 kämen die Packers aus diesem Deal halbwegs günstig wieder raus, 2023 sogar fast ohne Dead Money. Heißt in der Praxis: Love hätte zunächst mindestens zwei Jahre Zeit, um sich weiterzuentwickeln, ehe die Packers eine Entscheidung treffen müssten. Verhältnismäßig viel Zeit für einen Quarterback, der gerade neu in die Liga gekommen ist.
Die Packers setzen mit diesem Pick also voll auf die Zukunft und regeln im Idealfall die Nachfolge des Gesichts ihrer Franchise.