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NFL: Saison ohne Preseason? Das wären die Konsequenzen

Von Jan Dafeld
Das Training Camp könnte 2020 besonders wichtig werden.
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Die Preseason wird 2020 aufgrund der Coronakrise aller Voraussicht nach zumindest auf zwei Spiele verkürzt, die NFLPA setzt sich sogar für eine komplette Streichung der Testspiele vor Saisonstart ein. Welche Folgen hätte ein Wegfall der Begegnungen? Und wie wichtig ist die Preseason heutzutage überhaupt noch?

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Dass die NFL-Saison - sofern sie denn überhaupt stattfinden wird - eine besondere, eine ungewöhnliche Spielzeit werden wird, steht bereit jetzt, zwei Monate vor dem geplanten Saisonstart, fest. Die Mini Camps, die ersten Trainingseinheiten aller Teams, wurden aufgrund der in den USA nach wie vor kaum zu kontrollierenden Coronapandemie bereits abgesagt, zudem ist eine Kürzung der Preseason auf zwei statt vier Spiele offenbar beschlossene Sache.

Geht es nach der NFLPA, der Gewerkschaft der NFL-Spieler, sollen die Testspiele vor der Regular Season sogar komplett abgesagt werden, um das Infektionsrisiko der Spieler untereinander zu verringern. In einer Sitzung soll die Organisation für eine gänzliche Streichung der Preseason votiert haben - ohne Gegenstimme!

Generell blickt die Vertretung der Spieler offenbar deutlich kritischer auf die kommende Saison als die Liga selbst, "Die Spieler haben eine Reihe von Bedenken geäußert", berichtete Mike Garofolo kürzlich bei NFL Now. "Unter anderem fragen sich die Spieler: Wenn so eindringlich vor dem Virus gewarnt wird, warum sollen wir dann überhaupt wieder zur Arbeit zurückkehren?"

Der Vorschlag der NFL, vorerst 35 Prozent aller Spielergehälter zurückzuhalten, um auf geringere Einnahmen reagieren zu können, wurde von vielen Spielern mit Bestürzung aufgenommen. Die Beraterfirma DEC Management reagierte via Twitter sarkastisch auf die Meldung: "Hey Leute, riskiert euer Leben und das Leben eurer Familien, während wir in unseren Privatjets fliegen und in unseren privaten Logen sitzen und euch dabei zugucken, wie ihr eventuell für unsere Einnahmen und unsere Unterhaltung sterbt. Lasst uns außerdem 35 Prozent eures Geldes und alle Gewinne behalten."

Die Stimmen der Spieler sind durchaus gewichtig. Auch wenn es unwahrscheinlich erscheint, dass diese sich, abgesehen von einigen Ausnahmen, letztlich tatsächlich weigern werden, zu spielen - an entsprechenden Optionen für Spieler wird derzeit wohl hinter den Kulissen gearbeitet -, so wird die Liga doch auf ihre Forderungen eingehen müssen. Ein kompletter Wegfall der Preseason scheint damit durchaus im Bereich des Möglichen.

NFL: Training Camp könnte an Bedeutung gewinnen

Die Auswirkungen könnten potenziell weitreichend sein. Besonders für junge und noch eher unbekannte Spieler ist die Preseason stets eine Bühne, um Coaches und Manager von den eigenen Fähigkeiten überzeugen zu können. In einem Jahr, in dem die Organised Team Activities (OTAs) und Mini Camps bereits ausfielen, würde die Bedeutung dieser Bühne nur noch größer werden.

Fiele die Presason ebenfalls weg, würde Undrafted Free Agents, Late-Round-Rookies und so genannten Roster-Bubble-Spielern, also Spieler, die Gefahr laufen, es nicht in den 53-Mann-Kader zu schaffen, einzig und allein das Training Camp bleiben, um sich für einen Platz im Team zu empfehlen. Das Camp würde damit enorm an Bedeutung gewinnen, eine Verletzungspause von ein oder zwei Wochen könnte für so manchen Spieler somit bereits das Aus und vielleicht das Ende der NFL-Karriere, bevor diese überhaupt begonnen hat, bedeuten.

Inwieweit zwei Preseason-Spiele an diesem Umstand tatsächlich viel ändern würden, darf gleichzeitig bezweifelt werden. Letztlich ermöglichen die zwei Begegnungen jungen Spielern vielleicht 100 Snaps - maximal. Selbst ohne OTAs und Mini Camp werden somit die Trainingseinheiten der Spieler für den Großteil der Evaluation entscheidend sein.

Darüber hinaus gilt es als wahrscheinlich, dass Teams in der kommenden Saison größere Practice Squads zusammenstellen dürfen als bisher. Im Practice Squad stehen Spieler, die nicht zum 53-Mann-Kader zählen, jedoch mit dem Team trainieren und im Falle einer Verletzung oder einer Entlassung in den Kader berufen werden können.

Spieler, die es aufgrund der widrigen Vorbereitungsbedingungen nicht in den finalen Kader eines Teams schaffen, hätten somit bessere Karten über das Practice Squad weiter mit der Mannschaft trainieren zu können und sich dadurch weiter für einen Platz zu empfehlen.

NFL: Wie wichtig sind die Preseason-Spiele tatsächlich?

Ein weiterer Kritikpunkt bei der Streichung der Preseason betrifft derweil die Vorbereitung der Teams. Sollten die Testspiele vor der Saison tatsächlich ersatzlos gestrichen werden, würden alle Teams gänzlich ohne Wettkampfpraxis in die Regular Season starten. Auch gemeinsame Trainingseinheiten zweier Teams wurden in diesem Jahr aufgrund der Coronapandemie verboten.

Ex-NFL-Spieler Kirk Morrison betonte bei ESPN erst kürzlich, die Geschwindigkeit im Training sei "eine komplett andere" als im Spiel, sogar in der Preseason. Vor allem Rookies, die noch nie in einem NFL-Spiel auf dem Feld standen, würden ohne Preseason somit komplett in kalte Wasser geworfen werden.

Inwieweit die Effekte der Preseason-Spiele tatsächlich so gravierend sind, darf allerdings durchaus bezweifelt werden. Auf der High School und dem College existieren ebenfalls keine Vorbereitungsspiele, die Erfahrung wäre für die Spieler somit keine Neue.

Darüber hinaus kommen die meisten Stars in der Preseason ohnehin maximal eine Halbzeit zum Einsatz, Sean McVay ließ im vergangenen Jahr sogar alle seine Starter während der kompletten Preseason auf der Bank. Für gewisse Automatismen mag ein Effekt gegeben sein, allzu groß sollten die Auswirkungen dieser Begegnungen an sich somit eigentlich gar nicht sein, und für die Rookies dürfte der gleiche Effekt der Akklimatisierung nach den ersten ein bis zwei Regular-Season-Spielen eintreten.

NFL: Preseason stammt aus einer anderen Zeit

Tatsächlich stammt der Gedanke, der ursprünglich hinter der Erfindung der Preseason stand, aus einer ganz anderen Zeit.

Vor mehr als 50 Jahren hatten die Trainingsroutinen der Spieler nichts mit den professionellen Fitnessplänen der heutigen Athleten zu tun, viele Spieler arbeiteten während der Offseason sogar in anderen Jobs, da das Gehalt als NFL-Spieler nicht als komplettes Jahreseinkommen reichte. Trainingslager und Vorbereitungsspiele waren daher vonnöten, um viele der Spieler überhaupt wieder in Wettkampfform zu bringen.

Heute sind die Voraussetzungen gänzlich andere. Die meisten Spieler trainieren, mit der Ausnahme einiger Urlaubswochen im Frühjahr, das gesamte Jahr über durch, sie erhalten Trainingspläne und arbeiten mit privaten Fitnesstrainern. Selbst in diesem Jahr, in dem die gemeinsame Trainingszeit der Teams deutlich verkürzt wurde, sollten fast alle Spieler fit und in Form in die Saison gehen.

Gleichzeitig dürften die meisten Teams weniger Verletzungen als gewöhnlich zu beklagen haben. Meldungen von Spielern wie Brandon Brooks oder Deebo Samuel blieben zwar auch 2020 nicht aus, mit verkürzten Trainings Camps und einer verkürzten Preseason sollten die Verletzungen insgesamt allerdings reduziert werden.

NFL: Preseason als wichtige Einnahmequelle

Im Jahr 2020 ist die Preseason wohl in erster Linie eine weitere Einnahmequelle für die Teams und die Teambesitzer. Deshalb blieben jegliche Versuche der Spieler, die Anzahl der Preseason-Spiele zu reduzieren, bislang stets erfolglos.

Bei den kürzlich abgeschlossenen CBA-Verhandlungen soll eine Verkürzung der Preseason allerdings zumindest diskutiert worden sein - wenn im Gegenzug die Regular Season auf 17 oder sogar 18 Spiele erweitert werden würde.

Die Saisonvorbereitung in diesem Jahr könnte somit unter Umständen auch als eine Art Test für die Zukunft fungieren. Verläuft die verkürzte oder sogar gänzlich gestrichene Preseason komplikationslos, könnte sie in einigen Jahre noch als Präzedenzfall angeführt werden.

Zunächst steht allerdings die anstehende Saison voll im Fokus von Liga und Spielern. Angesichts der widrigen Umstände in den USA, stellt diese derzeit schließlich bereits eine große Herausforderung dar.

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